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ARD: Wassernot und Qualitätsknappheit

UPDATE: 

Das BR Studio Tel Aviv (namentlich Markus Rosch und Susanne Glass,

In Salfit verdursten die Menschen regelmäßig. Und in der benachbarten Großstadt Nablus? (Quelle: Facebook)
In Salfit verdursten die Menschen regelmäßig. Und in der benachbarten Großstadt Nablus? (Quelle: Facebook)

die für den unteren Beitrag verantwortlich gewesen sind) hat eine Stellungnahme infolge der zahlreichen Kritik an ihrer Darstellung abgegeben. Über diese habe ich ausführlicher geschrieben, denn leider war auch diese unzureichend und wichtige Aspekte zum Verständnis des Sachverhaltes wurden dort nicht angeführt. Dies habe ich dann „für die ARD erledigt. ⇒ Lest hier nach! 

 


Freunde haben mich auf eine erneute Farce des oeffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehens – ARD/Tagescchau mal wieder – aufmerksam gemacht. Offenbar habe ich gestern, im Laufe des Fastentages, einen Beitrag ueber die durch Israel schwer verschuldete Wasserknappheit der arabischen Kleinstadt Salfit in Samaria verpasst. Ich habe mir natuerlich schleunigst den Beitrag angeschaut, der am 14.08.16 online  gegangen ist und mehrfach ueber Twitter, Facebook und Fernsehen verbreitet wurde.

Der Beitrag, in seiner Knappheit und oberflaechlichen, unzureichenden Darstellung, ist wie des Oefteren ein enttaeuschendes Beispiel fuer die heruntergekommene Qualitaet der Berichterstattung des ARD/tagesschau. Ich kann mich daran entsinnen, dass es beispielsweise in selbst sehr negativ gefaerbten Beitraegen stets zwei Seiten zur Sprache kamen. Insbesondere, wenn es ein vielschichtiges Thema wie den Wasserverbrauch und die Abkommen zur Resourcennutzung zwischen der israelischen Regierung und der palaestinensischen Autonomiebehoerde betrifft. Im Beitrag allerdings findet die Vielschichtigkeit ein Ende. Dort dreht „Israel“ hoechstpersoenlich der Familie Osman den Hahn ab und ueberfuehrt offenbar das

Hier liegt Salfit. Karte
Hier liegt Salfit. Karte

gesamte „palaestinensische Wasser“ an die Siedlung Shiloh. Wieso, weshalb, warum, und was haben die Israelis dazu zu sagen? Keine Zeit, der Beitrag muss knapp sein. Daher erfahren wir von der Waschmaschine der Familie Osman, der Abneigung des Hydro-Geologen Clemens Messerschmidt gegen „die Besatzung“, dem kleinen Maedchen, das nicht duschen kann und dem Plastikgeschirr, das aber nirgendwo im Bild auftaucht. Und es gibt zwei kurze Panoramabilder von Shiloh.

Da ich, zugegeben, nur allgemeine Fakten zu den Wasserabkommen zwischen der israelischen Regierung und der palaestinensischen Autonomiebehoerde kenne, lasse ich an dieser Stelle lieber einen Experten sprechen, der nach seinen 40 Jahren Journalistendienst und einem erheblich grossen Wissen und Verstaendnis des Nahen Ostens im Allgemeinen und der Israel/Palaestina-Thematik im Besonderen besser zu diesem Thema beitragen kann als ich. Im Nachfolgenden also der Artikel von Ulrich W.Sahm, entnommen aus der Plattform „Honestly Concerned“ (Sacha Stawski).


Wassernot in der ARD-Tagesschau-Redaktion

von Ulrich W.Sahm, 14.08.16 
Palästinenser leiten unter Wassermangel und die Tagesschau unter Qualitätsmangel ihrer Berichterstattung. Screenshot aus dem Beitrag.
Palästinenser leiten unter Wassermangel und die Tagesschau unter Qualitätsmangel ihrer Berichterstattung. Screenshot aus dem Beitrag.

Die Tagesschau der ARD brachte am Sonntagabend um 20 Uhr ohne aktuellen Aufhänger einen Bericht von Markus Rosch über die „Wassernot“, unter der „viele Palästinenser“ leiden, wie Moderator Jan Hofer verkündete. „Die Ressource ist knapp und wird von den Israelis streng rationiert“, behauptet Hofer weiter. Das Wasser ist gewiss knapp, aber von einer „Rationierung“ kann keine Rede sein!

„Verschärfend komme hinzu, dass Palästinenser keine Baugenehmigungen für Brunnen erhielten, um sich selbst zu versorgen,“ setzt Hofer fort.

Selbstverständlich muss es Genehmigungen für das Bohren von Brunnen geben. Genauso ist es in Deutschland und anderswo. Da kann nicht jeder in seinem Hinterhof nach Gutdünken einen Brunnen bohren oder das Wasser aus dem Rhein, der Elbe oder der Spree abpumpen. Denn sonst würde sehr schnell das passieren, was im Gazastreifen kurz nach dem kompletten Abzug der Israelis 2005 geschehen ist. Sowie die „scharfe Kontrolle“ der Israelis weggefallen war, und die örtlichen Behörden der Palästinenser sich um nichts mehr kümmerten, haben die Menschen nur ein paar Meter tief in den Sand gebohrt, eine Pumpe angeschlossen und schon sprudelte kostenfrei das Wasser ins Haus. Ohnehin war man im Gazastreifen (und teilweise auch im Westjordanland) nicht „gewöhnt“, eine Wasser- (oder Strom-) Rechnung zu zahlen. Das Dumme war, dass der hohe Spiegel des Grundwassers in Gaza ganz schnell sank. Dann floss Salzwasser aus dem Mittelmeer nach. Heute ist 95% des Süßwassers im Gazastreifen ungenießbar. Das einzige Trinkwasser im Gazastreifen pumpt Israel dorthin. Eine „Selbstversorgung“, wie Hofer sagt, indem man Brunnen bohrt, muss in jedem Fall mit allen Beteiligten abgesprochen sein, weil man sonst ganz schnell das Grundwasser unwiederbringlich zerstört und dem Nachbarn das Wasser abgräbt.

Nun zur Reportage von Markus Rosch. Er berichtet über die Ortschaft Salfit, ohne mitzuteilen, wann er die Reportage gedreht hat.

Vor etwa 2 Wochen hat es (wegen schlechter Instandhaltung) einen Rohrbruch bei einer Hauptleitung gegeben. Einige Tage lang war tatsächlich in Salfit wie in Siedlungen, die alle über das gleiche Rohr versorgt wurden, das Wasser knapp.

Rosch erwähnt nicht, dass es sich hierbei um Wasser handelt, das von Israel in das Westjordanland gepumpt wird. Er sagt auch nicht, ob er seine Reportage ausgerechnet während dieses Rohrbruchs gedreht hat. Die emotionalen Darstellungen, des Mädchens, das sich nicht waschen könne, der Vater mit den Wasserflaschen oder die entnervte Schwester, die nicht einmal die Waschmaschine benutzen kann, bedürfen keines Kommentars. Angemerkt sei nur, dass die sich gewiss keine Waschmaschine angeschafft hätte, wenn die Wasserknappheit ein Dauerzustand wäre. Auch der feine tröpfelnde Wasserhahn wirkt nicht so, als würde der nur im Winter nach einem Regenfall benutzt werden.

Rosch schwenkt mit der Kamera in Richtung einer Siedlung und auf das Schild nach Schiloh. O-Ton: „Doch während Siedlungen wie Schiloh, das in der Nähe von Salfit liegt, viel Wasser bekommen, gehen palästinensische Dörfer oft leer aus.“ Anstatt in der Siedlung mal nachzufragen oder mit einem israelischen Hydrologen zu sprechen, bleibt es bei seiner Behauptung, ohne jegliche Nachweise.

Im Gegenteil. Rosch trifft sich mit den deutschen Hydrologen Clemens Messerschmidt.

Über Messerschmidt sei hier erst einmal erwähnt, dass er Empfänge der deutschen diplomatischen Vertretung in Ramallah grundsätzlich aus ideologischen Gründen boykottiert. Er scheint also nicht in deutschen Diensten zu stehen. Das verriet er im Dezember 2014, als es im ganzen Nahen Osten schwere Unwetter mit Schnee in den Bergen und Überschwemmungen in Tel Aviv gab. Selbstverständlich stand wegen der Regengüsse auch der Gazastreifen unter Wasser. Was behauptete damals der diplomierte Hydrologe aus Deutschland? Israel habe Staudämme geöffnet, die es allein gebaut habe, um im Winter den Gazastreifen zu überschwemmen – oder vielleicht besser ausgedrückt – wegzuschwemmen. Tatsache ist, dass es diese von Messerschmidt behaupteten „Staudämme“ gar nicht gibt. Sie waren reine Erfindung. Messerschmidt tritt übrigens auch im „Muslim-Markt“ auf, eine üble anti-israelische Plattform.

Messerschmidt hat sogar recht mit der Behauptung, dass das Bergland im Westjordanland ziemlich regenreich sei. Doch verschweigt er, dass der Regen die unterirdischen Grundwasser-Seen füllt und dass Wasser per Schwerkraft immer nach unten fließt. Anders ausgedrückt: Der Regen fällt im „palästinensischen“ Gebiet, fließt aber unterirdisch nach Westen in Richtung Israel und nach Osten in Richtung Jordan und Totes Meer. Aus Sicht Messerschmidts müssten die Israelis offenbar alles Wasser ihrer Quellen ins Westjordanland pumpen, weil der Regen dort gefallen ist und deshalb den Palästinensern gehöre. Auf Europa übertragen müssten alle Anwohner des Rheins ihre Wasserrechnung an die Schweiz entrichten, weil dort der Rhein entspringt.

Rosch verschweigt zudem, dass Israel heute etwa ein Drittel mehr Wasser in die palästinensischen Gebiete pumpt, als in den Osloer Verträgen festgelegt. Er verschweigt auch, dass etwa 40% des verfügbaren Wassers bei den Palästinensern wegen maroder Infrastruktur verloren geht. In Israel und in Europa sind 10% Wasserverlust „normal“.

Während in Israel etwa 90% das Abwassers geklärt und in separaten Rohren der Landwirtschaft zugeführt wird, haben die Palästinenser Lieferungen billigen geklärten Wassers für ihre Landwirtschaft abgelehnt mit dem Argument: „Eure Sch… wollen wir nicht“. So vergeuden palästinensische Bauern weiterhin kostbares Trinkwasser in traditionell verschwenderischer Weise für ihr Gemüse auf den Feldern.

Abschließend sei hier erwähnt, dass viele Palästinenser ihre Wasserrechnung nicht bezahlen. In der Folge hat sich ein Schuldenberg in Millionenhöhe für Strom und Wasser angehäuft. Rosch hat sich nicht die Mühe gemacht, die Familie Osman nach ihrer monatlichen Rechnung zu befragen. Dass Israel dennoch weiterhin Strom und Wasser liefert, liegt am internationalen Druck und an der Selbstverständlichkeit, dass Israel die Palästinenser weder verdursten noch im Finsteren sitzen lassen wollen.

Hier sei noch angemerkt, dass die „palästinensische“ Familie Osman einen Namen führt, der nicht sehr arabisch klingt, sondern eher „osmanisch“.

 

 

NEWS: 13-Jährige ermordet. Hallels letzter Tanz

Heute (30.06.16) um etwa 9 Uhr morgens drang ein 17-jähriger Terrorist in das Haus der Familie Ariel im Vorort der Großsiedlung Kiryat Arba bei Hevron ein. Der Attentäter kletterte über den Sicherheitszaun, der die Ortschaft umgibt, und gelangte in das nächstgelegene Haus. Er verschloss hinter sich die Tuer und begab sich in das Kinderzimmer der Familie, dort schlief eins der Kinder von Rina und Amichai Ariel, die 13-jährige Hallel Jaffa.

Von da an begann ein Alptraum.

Hallel Yaffa Ariel. Quelle: Internet
Hallel Yaffa Ariel. Quelle: Internet

Der Terrorist fing an, auf das schlafende Mädchen einzustechen. Hallel war am vorherigen Abend von einer Tanzaufführung, bei welcher sie mitgemacht hatte, spät zurueckgekommen, die Ferien hatten am Sonntag begonnen, und Hallel schlief aus. Der Attentäter, selbst noch keine 18 Jahre, überraschte sie im Schlaf und stach auf sie mit insgesamt acht Stichen ein. Hallel verlor das Bewusstsein, ihr Blut verschmierte den Boden.

Als der Terrorist (ich erwähne generell keine Namen von Attentätern) noch über den Zaun gekommen war, alarmierte dies das Sicherheitszentrum von Kiryat Arba, da der Zaun mit einer Signalanlage versehen ist. Auf den Kameras wurde der Eindringling erkenntlich. Die Mitarbeiterinnen des Zentrums (ich habe einige Zeit in einem solchen im Gush Etzion gearbeitet) benachrichtigten die

Das Haus von Hallel und ihrer Familie. Quelle: Maariv
Das Haus von Hallel und ihrer Familie. Quelle: Maariv

innere Sicherheitseinheit, welche aus freiwillig in ihr dienenden Einwohnern besteht, und ebenso die Armee. Die ersten, die sich am Schnellsten zum Eindringungsort aufmachen konnten, waren die Schutzmänner der Sicherheitseinheit. Sie eilten zum Zaun und begannen, aus verschiedenen Richtungen das Haus einzukesseln, da es nicht klar gewesen war, wo sich der Täter in diesen Momenten befand. Anschließend, so berichtete einer von ihnen im Nachhinein den israelischen Medien, näherten sie sich dem Haus, bis drei von ihnen schließlich ins Innere des Hauses vordrangen – Yehoshua (Shuki), Chanoch und Amichai – der Vater des Mädchens, welcher ebenso in der Einheit diente. Dank diesem konnte wohl auch die Tür geöffnet werden, die zuvor vom Attentäter verschlossen worden war.

Kiyat Arba - Tatort, Bani Na'im - Wohnort des Terroristen
Kiyat Arba – Tatort, Bani Na’im – Wohnort des Terroristen

Als die drei hineingelangten, gingen sie in Richtung des Kinderzimmers. Direkt am Eingang sprang der Terrorist auf einen von ihnen, Yehoshua, und begann, auch auf ihn einzustechen. Chanoch erschoss den Angreifer. Auf dem Bett erblickten die drei die blutende Hallel. Sie wurde von den angekommenen Notfallärzten herausgebracht, ebenso der schwerverletzte

Hallels Zimmer. Die ersten Rettungseinsatzkräfte haben das Zimmer schon gereinigt.
Hallels Zimmer. Die ersten Rettungseinsatzkräfte haben das Zimmer schon gereinigt.

Yehoshua. Nach den ersten Wiederbelebungsversuchen wurde sie in den Notfallwagen gebracht und ins Hadassah-Krankenhaus gefahren, ebenso der verletzte Yehoshua. Die Frau von Yehoshua, die ebenso als Freiwillige des „Roten Davidssterns“ und als Krankenschwester arbeitete, sah den Ambulanzwagen fahren, als sie auf dem Nachhauseweg auf der Straße in der Siedlung war und stieg zu; der Patient offenbarte sich ihr als ihr Mann.

Hallel mit ihren Eltern Amichai und Rina und mit juengeren Geschwistern bei einem Besuch auf dem Tempelberg. Quelle: Nana
Hallel mit ihren Eltern Amichai und Rina und mit juengeren Geschwistern bei einem Besuch auf dem Tempelberg. Quelle: Nana

Im Krankenhaus fand das Drama sein bitteres Ende, zumindest, was Hallel anbetraf. Der Leiter des Traumazentrums des Hadassah-Krankenhauses berichtete den Nachrichtendiensten, Hallel sei durch die Messerstiche zu schwer verletzt worden und die Wiederbelebungsversuche hatten nicht geglückt. Hallel verstarb an ihren Wunden. Yehoshua befindet sich noch immer in der Notaufnahmestation und wird operiert.

Hallel beim Auftritt. Quelle: INN
Hallel beim Auftritt. Quelle: INN

Das Drama war vorbei, der Alptraum hatte erst begonnen. Für die Familie, Freunde und Nachbarn von Hallel; den Vater, einen Pädagogen und Weinbauern, für ihre Mutter Rina. Für die Schülerinnen der ehemaligen achten Klasse der Mittelschule in Kiryat Arba, welche Hallel vor einigen Tagen erfolgreich abgeschlossen hatte. Für ihre Tanzgruppe, mit welcher die 13-Jährige erst vor einem Tag eine erfolgreiche Aufführung gehabt hatte. Hallel liebte es zu tanzen, so erzählen ihre Eltern und Nachbarn.

„Sie hatte einen guten Charakter, ein gutes Mädchen, immer beliebt und von Freundinnen umgeben. Sie liebte diesen Ort, das schöne Haus, das Grün, sie fühlte sich sehr wohl“, so berichtete der Nachbar, der als Sicherheitsoffizier in der Siedlung fungiert, dem INN.

Der jüdischen Tradition entsprechend soll ein Toter so schnell wie

Das Trauersitzen (Shiva) von Familie Ariel. Auch Premierminister Netanyahu kam zu Besuch. Quelle: Nana
Das Trauersitzen (Shiva) von Familie Ariel. Auch Premierminister Netanyahu kam zu Besuch. Quelle: Nana

möglich begraben werden. Daher wurde die Beerdigung auf 18 Uhr Ortszeit gesetzt. Hallel wurde auf dem alten jüdischen Friedhof von Hevron, in der Hevroner Altstadt, in welcher sich die jüdische Gemeinde Hevrons befindet, beerdigt. Hunderte von Menschen erschienen auf der Beerdigung und begleiteten Hallel auf dem letzten Weg.

Was die offiziellen Reaktionen auf den Mord von Hallel und die Attacke auf Yehoshua angeht, so äußerte sich Premierminister Netanyahu zu dem Attentat und erklärte, die Arbeitsvisa für die Verwandten des 17-jährigen Terroristen zu streichen. Armeeeinheiten haben mittlerweile die Stadt Bani Na’im bei Hevron eingekesselt, in welcher der junge Attentäter gelebt hatte, die Familienmitglieder verhört und ebenso die Einfahrt nach Bani Na’im mit Betonblöcken versperrt Der Vater wurde aufs Armeerevier

mitgenommen. Die Mutter, so veröffentlichte es Ynet, beteuerte, nicht geglaubt zu haben, dass ihr Sohn die Attacke vollführt haben soll: „Er meinte immer, er wolle ‚etwas tun‘, aber wir dachten, er würde nur Spaß machen“.
Auch innerhalb des Gebietes von Judäa bis nach Ramallah im Norden Jerusalems wurden Straßensperren von der Armee errichtet.

(Quellen: Channel 2, Jerusalem Post, INN, Ynet, Walla)


Ein weiterer Artikel, aus persoenlicher Sicht geschrieben, laesst sich hier finden: Barbara Sofer, Jerusalem Post (uebersetzt): Je Suis Hebron


Bani Na’im, ebenso wie die gesamte Umgebung von Hevron, ist durchsetzt von Terrorzellen der Hamas und anderer islamistischer Terrororganisationen, und ihre Einwohner sind sehr anfällig für Radikalisierung. Zahlreiche Attentäter, welche Attacken auf

Terroregion Großraum Hevron - Karte
Terroregion Großraum Hevron – Karte

Zivilisten und Soldaten in und außerhalb der „Grünen Linie“ verübt hatten, auch in dem letzten halben Jahr, stammten aus dieser Region:  Dura  – Yatta – Bani Na’im  – Hevron- Sse’ir (alShuyuch)  – Halhul. So die drei Attentäter, welche in diesem Monat  (Juni) die Terrorattacke im Sarona-Zentrum in Tel Aviv zu verantworten hatten; der Attentäter, der vor etwa einem halben Jahr Jakov Don und Ezra Schwarz in einem Stau bei Alon Shevut erschoss; der Mörder von Dalia Lemkos im Oktober 2014, und schließlich auch die Entführer der drei Jugendlichen, Eyal, Gil-ad und Naftali, welche genau vor einem Jahr, am 30.06.14 , ermordet und eingebuddelt auf einem Feld beim Hevroner Vorort Halhul gefunden wurden.


spiegel-online-logoSeitens der deutschen Berichterstattung dürften diejenigen, die die heutigen Nachrichten größeren Medienkonzerne verfolgt hatten, eine kleine Überraschung erlebt haben:
So berichtete der SPIEGEL in einer uncharakteristisch informativen datazdfund sachlichen Art und Weise über den Terroranschlag und erwähnte ebenso die Terrorwelle und die israelischen Opfer der Attacken des letzten Dreivierteljahres. Die Meldung stammte aus der Nachrichtenagentur dpa.

Bei der „Tagesschau“ musste man Vorarbeit leisten:
Der Studentin Noemi Becher aus Frankfurt fiel in der Nachrichtenausgabe der „Tagesschau“ auf, dass der Mord mit tagesschau128-_v-banner3x1keinem Wort erwähnt wurde. Daraufhin schrieb sie einen Brief an die Onlineredaktion. Wenig später veröffentlichte die Webseite einen kurzen Bericht zum Attentat. Noemi postete auf ihrem Facebook-Profil:

Eigeninitiative hilft. Nachdem ich bei der Tagesschau nichts zum Attentat in Kiryat Arba gefunden habe, habe ich mich per Mail an die Redaktion gewendet und sie darauf aufmerksam gemacht, dass der Terror nicht in Tel Aviv anfing und dort auch nicht aufgehört hat. Ich habe auch ausdrücklich gefordert, dass der Attentäter nicht als das Opfer dargestellt wird. Kurz darauf erschien der Artikel auf ihrer Webseite. Zusammen mit den anderen, die eventuell auch eine Mail geschickt haben, haben wir etwas bewirkt.

Auch andere Medien meldeten sich im Laufe des Tages – so beispielsweise die BILD, RTL Online, Hamburger Morgenpost. Offenbar ließ sich der Mord an einer unschuldigen 13-Jährigen nicht einfach übergehen.

Der Bericht von ZDF heuteplus.
Der Bericht von ZDF heuteplus.

Am Ende des Tages kam auch das ZDF heuteplus mit einem gar außergewöhnlichen Bericht auf, welches sowohl einfühlsam und respektvoll über den Mord von Hallel berichtete, als auch mehr als deutlich auf den Hass hinwies, welcher in der palästinensischen Gesellschaft geschürt wird und dem vor allem Jugendliche ausgesetzt werden.

Leider schrieb keins der erwähnten Medien darüber, welche Überzeugungen der Attentäter selbst vor seiner Tat hegte. So verherrlichte er auf seinem Facebookprofil die jugendliche Terroristin, ebenso aus Bani Na’im, die vor einigen Monat Soldaten in Hevron angegriffen hatte und dabei erschossen worden war. So schrieb der 17-Jähriger, dessen Cousin laut Ynet bei einer versuchten Autorammattacke im März dieses Jahres von Soldaten erschossen worden war, am vorherigen Samstag auf Facebook:

„Ich will sterben. Das Sterben ist ein Privileg.“


Mein Bekannter Me’ir aus der Ortschaft Bet Haggai im Norden Hevrons berichtete einige Stunden nach dem

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Attentat, vor der Einfahrt nach Hevron (von seinem Haus aus zu sehen) würde eine lange Autoschlange stehen, die Autos wären mit Flaggen geschmückt und es würde gehupt werden: Sie hupen sicherlich deshalb, weil sie gute Zeugnisse heimgebracht haben“, schrieb Me’ir sarkastisch.

Ein anderer Bekannter, Moshe Rahmanov, veröffentlichte das folgende Bild und betitelte es „Bunkerbetten – bald im Angebot“:
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Es wäre lustig, wenn es nicht so realitätsnah wäre.

Spieglein, Spieglein – darf man das?

Zuerst leicht veraendert erschienen in der Ausgabe 05/2016 der Juedischen Rundschau.


Der SPIEGEL, Deutschlands populärstes Israel-verabscheuendes Magazin, braucht eigentlich keine Bilder, um die Absichten seiner Autoren zu unterstreichen. Seine Texte tun es bestens. Während beispielsweise die linksradikale Boulevardzeitung taz  nicht ganz für voll genommen werden kann, und die SZ und die FAZ  wenigstens noch versuchen den Anschein von Professionalität zu wahren, so fühlen sich der SPIEGEL und seine Ausgeburten wie „bento“ oder „Unispiegel“ in der deutschen Medienlandschaft selbstbewusst genug, um Israel mithilfe ihrer Autoren ihre Texte ungestraft um die Ohren zu hauen. Denn die Aufgabe des SPIEGELS in Bezug auf den jüdischen Staat besteht schon viele Jahre lange darin, abstoßende Ekel-Reflexe zu erzielen. Ein verfaulter Brei aus Verleumdungen und Halbwahrheiten wirkt als giftige Injektion einer emotional verseuchten Einschätzung des jüdischen Staates. Der SPIEGEL pfeift auf jegliches journalistisches Gewissen, und auf die Objektivität gleich mit.

Die UniSpiegel Ausgabe mit dem betroffenen Artikel. Ausgabe 02/2016
Die UniSpiegel Ausgabe mit dem betroffenen Artikel. Ausgabe 02/2016

Der aktuelle Stoff, der mir unter die Finger gekommen ist, behandelt das Thema „Ferien in Krisengebieten – Urlaub mitten im Nahostkonflikt“, er wurde von David Donschen verfasst und am 27. April 2016 auf der SPIEGEL-Webseite veröffentlicht. Das „Besondere“ daran: Das Kunstwerk ist bebildert. Illustriert von Philipp Lemm – zum besseren Verständnis für Leser, die schwer von Begriff zu sein scheinen. Es ist nämlich offiziell in der Mai-Ausgabe des Magazins „UNISPIEGEL“ abgedruckt worden; der „UNISPIEGEL“ ist für junge Leute gedacht, junge Leute sind der Ansicht der Redaktion nach schwer von Begriff – Idioten, auf gut deutsch, und die sollen die ihnen vorgelegte Idiotie auch noch mit Bilderchen im Comic-Format verziert bekommen, damit das Schlucken einfacher fällt. Die Portion wird ihnen auch noch kostenlos in den Mund gesteckt, denn der „UNISPIEGEL“ wird an den meisten Hochschulen kostenlos ausgelegt. Und die jungen Leute beeilen sich offenbar nicht, aus der Kategorie „leicht zu fütternderIdioten“ auszubrechen und man darf annehmen, dass sie in diesem Fall ganz bequem das schlucken werden, was man ihnen bebildert vorkaut.

Neugierig geworden? Dann los, lasst uns, nach Originalwortlaut des Textes, „die Hände schmutzig machen“ und das kostenlose Drecksstück auseinander nehmen.


Zunächst eine Frage: Welcher von den drei gezeichneten Personen ist der jüdische Siedler?

Illustration: Philipp Lemm
Illustration: Philipp Lemm
Illustration: Philipp Lemm
Illustration: Philipp Lemm
Illustration: Philipp Lemm
Illustration: Philipp Lemm

Nicht erraten? Es sind die zwei, die euch besonders unangenehm anstarren. Es ist nicht der nette bebrillte Junge im mittleren Bild. Der nette bebrillte Junge auf den Bildern heißt Eric und ist die Hauptfigur im Text. Er kommt aus den USA und mag Öko-Tourismus und Biofarmen. Um eine solche kennenzulernen, fährt er zu einer Dattelfarm im Jordantal, welche an der israelisch-jordanischen Grenze liegt, und arbeitet dort einige Tage zusammen mit einem Einheimischen auf seiner Dattelfarm. Sonne, Palmen, Datteln, Handarbeit. Hört sich soweit gut an und ist nicht schwer zu verstehen.

Bei meiner simplen Zusammenfassung tauchen aber schnell die ersten Probleme auf. Problem Nummer Eins: Einheimischer. Schön und gut, der amerikanische Tourist kommt zu einem Ortsansässigen, aber der Ortsansässige heißt nicht Achmed, Machmud oder Ra‘ed. Dann würde er nämlich ein ganz normaler Anwohner sein. Aber Eric arbeitet bei jemandem, der anders heißt:

Er…hebt gemeinsam mit dem israelischen Siedler Eyal einen Graben aus.

Eyal ist ein jüdisch-hebräischer Name. Daher ist die Identität des „Einheimischen“ oder „Anwohner“ problematisch, denn es gilt: jüdische „Einheimische“ gibt es nicht im Westjordanland. Juden gibt es dort nur als Soldaten, oder Siedler. Daher mag Eyal dort vielleicht wohnen, aber ist kein Einheimischer, diesen Status verdient er nicht. Er ist Siedler. Das ist schon eine ganz andere Kategorie von Mensch.

Problem Nummer Zwei: Seine Dattelfarm. Eyal ist zwar zugegeben einer ihrer Betreiber, aber hier ist der Haken: Siedler können keine Dattelfarmen haben, die ihnen gehören. Denn das Land, auf dem sie wohnen siedeln, kann ihres nicht sein. Sie mögen es persönlich gekauft haben, es mag niemandem zuvor gehört haben, es kann leer und steinig und unbebaut jahrzehntelang herumgelegen haben, sie mögen alle Nachweise dafür besitzen, dass dieses Land nach allen Rechten ihr Privatland ist und darauf Produkte kultivieren wollen – egal. Siedler sind per definitionem Landräuber. Denn es gibt keine „freilebenden“ Juden im Westjordanland. Juden sind Landräuber, entweder in Gestalt von Soldaten oder von Siedlern. Sie können kein Land besitzen. Erst recht keine Farm.

Eric ist ein netter Mensch. Er sieht nett aus, kommt, um Urlaub zu machen und hat auch nette Ansichten, die der SPIEGEL auch direkt dem Leser mitteilt, um Eric nicht allzu schlechtzumachen:

„In einer perfekten Welt gäbe es eine Zweistaatenlösung. Manche Leute sagen, die Juden hätten Anspruch auf das Westjordanland, weil Gott es ihnen gegeben hat“, meint Eric. Er halte aber eher zu den Palästinensern. „Die sind die Underdogs.“

Aber dennoch hilft Eric seine Haltung nicht. Denn er ist einer der Menschen, die der SPIEGEL in diesem Text eigentlich geißeln will: Er ist ein Kollaborateur, er macht gemeinsame Sache mit dem Siedler, denn er macht „Urlaub mitten im Nahostkonflikt“, und hier stellt das deutsche Magazin endlich die alles entscheidende Frage: Darf man das eigentlich?

„Darf man das eigentlich – hier Arbeitsurlaub machen? Oder facht man damit einen Konflikt an, der seit Jahrzehnten die Welt in Atem hält? Wie viel Verantwortung trägt ein Tourist?“

Spieglein, Spieglein an der Wand, darf man das eigentlich? Sich auf jüdischen Farmen die Hände schmutzig machen, darf man das eigentlich? Hinter Zäunen arbeiten, die Juden vor den Angriffen ihrer Nachbarn schützen, darf man das eigentlich? Menschen besuchen, die zu Illegalen erklärt wurden, darf man das eigentlich?

„Die Farm…steht mitten in einer Krisenregion und wird von israelischen Siedlern betrieben, die unter anderem nach Ansicht der deutschen Bundesregierung gegen internationales Recht verstoßen. Auch die EU erkennt das Westjordanland nicht als Teil Israels an – und hat Ende 2015 sogar eine Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen beschlossen.“

Als 1917 der britische Außenminister Lord Arthur Balfour in einer offiziellen, amtlichen Erklärung mitteilte, der jüdischen Bevölkerung der osmanischen Provinz und dem zukünftigen britischen Mandatsgebiet Palästina ein „nationales Heim“ zuzugestehen, da setzte er die Grenzlinien für dieses Heim nicht an

UniSpiegel, Ausgabe 2/2016
UniSpiegel, Ausgabe 2/2016

der heutigen Grünen Linie. Als das Wort „Westbank/Westjordanland“ zum ersten Mal von den Briten verwendet worden war, betraf es das gesamte Gebiet links vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer. Und als die NSDAP unter der Führung von Adolf Hitler in den 30er Jahren den Slogan „Juden raus! Auf nach Palästina!“ unter die Leute brachten, hätte niemand im Traum daran gedacht, dass ihre Nachkommen 70 Jahre später die Juden zu einem „raus aus Palästina“ auffordern würden.

“WWOOF steht für ‘Worldwide Opportunities on Organic Farms’. Nur Biobauernhöfe dürfen hier inserieren. Auf der Webseite ist die Rede von „kulturellen Lernerfahrungen“ und dem „Aufbau einer nachhaltigen, globalen Gemeinschaft“. Die politischen Umstände, unter denen die Biofrüchte gedeihen, scheinen Betreiber und Urlauber weniger zu interessieren.“

Hunderte von Deutschen, Franzosen, Schweden, Amerikanern, Briten und anderen engagieren sich Jahr für Jahr auf „palästinensischen“ Farmen, Feldern, in „palästinensischen“ Schulen mit dem Hass-Curriculum der PA über Projekte wie Karama, UNRWA, Oxford Center, Volunteers for Peace, um dort „kulturelle Lernerfahrungen“ zu sammeln, nehmen an gewalttätigen Auseinandersetzungen und illegalen Aktivitäten teil als Teilnehmer von Programmen wie „Palestine Solidarity Project“ oder TIPH, offenbar um den „Aufbau einer nachhaltigen, globalen Gemeinschaft“ zu fördern und das im vollen Bewusstsein der „politischen Umstände“ und ihrer Auswirkungen. Dann kommt aber ein US-Amerikaner, Eric, und bei der Wahl seines Urlaubsziels

ist ihm Politik weitestgehend egal.

Hier könnte man aufatmen und sagen „Endlich, da will einer nur friedlich pflanzen!“, doch gerade den politisch desinteressierten Eric nimmt der SPIEGEL ins Visier. Und da er den naiven Kerl nicht als Radikalen oder Fundamentalisten darstellen kann, so verwandelt das Magazin ihn in einen Kolloborateur:

„Die Freiwilligen auf der Siedlerfarm sind aber nicht nur stille Beobachter. Sie gehen den Siedlern zur Hand und legitimieren damit eine Besatzung, die die EU verurteilt.“

Leider hat niemand das Spieglein gefragt, daher übernehme ich die Drecksarbeit und frage: Die EU, die die Besatzung verurteilt, investiert auf einem in internationalen Abkommen Israel zugesprochenem Land in illegale Gebäude, Strukturen und Aktivitäten. Darf die EU das eigentlich? Verurteilen, für illegal erklären und illegal investieren? Aber gehen wir zurück zu Eyal, denn dieser bekommt ordentlich sein Fett weg, nicht nur der naive Eric:

„…seit Israel das Westjordanland 1967 im Sechstagekrieg besetzt hat, ist das Gebiet um den Jordan militärische Sperrzone. Die gut gesicherte Grenze sollte vor dem Einmarsch feindlicher Truppen schützen. Und die, die von jeher im Grenzgebiet wohnten, mussten nach und nach weichen. Ende der Sechzigerjahre wurden Hunderte palästinensische Familien von der israelischen Armee vertrieben. Danach hatten nur noch israelische Soldaten Zutritt. Erst 20 Jahre später erlaubte die Armee israelischen Siedlern schließlich, sich in den fruchtbaren Gebieten am Fluss niederzulassen. Dort, wo einst Palästinenser Obst und Gemüse angebaut hatten, wachsen nun Datteln ‚made in Israel‘.“

Im Jordantal rund um die Autobahn 90, zwischen der Bet ha Arava-Kreuzung und bis zu den Wassereservoirs des Kibbutz Tirat Zwi hinter der Grünen Grenze befinden sich mindestens 10 große und kleine „palästinensische“ Ortschaften, die über 20.000 Einwohner starke Stadt Jericho nicht mit eingerechnet. Zwischen 1948 und

Mit Sprechblasen zum besseren Verstaendnis versehen. "Ferien im Krisengebiet"
Mit Sprechblasen zum besseren Verstaendnis versehen. „Ferien im Krisengebiet“

1967 herrschte Jordanien über dieses Gebiet sowie über ganz Judäa und Samaria (= Westjordanland), und siedelte dort viele der „Palästinenser“ an, die infolge des Unabhängigkeitskrieges nach Jordanien geflohen waren. 1967, als das Gebiet durch die israelische Armee von der jordanischen Herrschaft befreit worden war, floh ein Großteil dieser, „palästinensischen“ Siedler, zurück nach Jordanien. Dennoch bestehen in diesem Gebiet arabische Ortschaften. Daneben befinden sich 22 dünnbesiedelte jüdische Gemeinden und die Plantagen an der Grenze zu Jordanien. Nach den Oslo-Abkommen 1994 gehört der Großteil des bewohnbaren Jordantals zum C-Gebiet, also verwaltet durch israelisches Militär und die Zivilbehörde. Die Stadt Jericho unterliegt der vollständigen Autonomie der PA und ihr Betreten ist für Israelis verboten.

Finden all diese Nuancen ihren Platz im Text von David Donschen? Unnötig zu fragen – für „UNISPIEGEL“ muss man sich keine Mühe mit historischen Fakten geben. Ominöse Andeutungen und Behauptungen reichen:

„Eine Gruppe Palästinenser rief kürzlich das höchste israelische Gericht an. Sie beklagen, dass ihnen der Zutritt zu ihrem Privatbesitz verwehrt wird – und stattdessen israelische Siedler auf ihrem Land Farmen betreiben. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus.“

Um welche Gruppe, um welchen Privatbesitz, welches Land und welche Farmen handelt es sich dabei? Richtig, Rückfragen gelten nicht beim Spieglein an der Wand. Eyal ist ein verbohrter jüdischer Siedler:

„Freiwillig hergeben wird Eyal seine Dattelbäume nicht. Die Farm soll sogar weiter wachsen.“

Deshalb ist jede Unterredung mit Eyal fehl am Platz, selbst wenn man ihn noch so nett bitten würde, seine Farm doch gefälligst abzubauen, auch wenn das höchste israelische Gericht noch gar nicht entschieden hat – Eyal wird nicht nachgeben, denn

für Eyal stellt sich die Frage nach dem rechtmäßigen Besitzer erst gar nicht.

Des SPIEGELs Aufgabe ist es, als mutiges Magazin die korrekten Antworten herauszufinden und zu liefern. „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der rechtmäßige Besitzer im ganzen Land?“ Ach, hätten doch Lord Balfour, die UN-Vollversammlung, Mosche Dayan, Bill Clinton, Jitzak Rabin und Benjamin Netanjahu so ein Spieglein bei sich zuhause hängen, es hätte ihnen schon längst alle wichtigen Antwort geliefert. Man hätte sich Arafat, Nasrallah, Ahmadinedschad und Haniyeh sparen können. Der SPIEGEL weiß das schon seit Langem, man muss ihn nur fragen.

Aber Eyal stellt keine Fragen, insbesondere nicht an den SPIEGEL, und bei so viel Verbohrtheit kann das Spieglein gar nicht anders und erklärt ihn für illegal (im ganzen Land?).

Obwohl Eyal von Gott und dem Erbe des jüdischen Volkes spricht, ist er kein religiöser Fundamentalist. Anstelle einer Kippa, dem Erkennungszeichen religiöser Juden, trägt er ein Basecap mit dem Logo eines Traktorherstellers.

Darf man das eigentlich, von Gott und dem Erbe des jüdischen Volkes sprechen? Denn dann ist man doch ein religiöser Fundamentalist!

Der SPIEGEL kann aber auch verständnisvoll sein. Er versteht beispielsweise, dass die Siedler auf ihrer Farm nervös sind; denn im Jahr 2002, so schreibt David Donschen,

stürmte ein bewaffneter „Palästinenser“ in die Siedlung und tötete einen Soldaten, eine Frau und ihre elfjährige Tochter.

Dennoch ist der Zaun um die Siedlung herum, bei welcher drei Menschen durch ein „palästinensisches“ Attentat aus heiterem Himmel ermordet worden sind, „abschreckend“:

„Von Eyals Veranda aus blickt man auf den abschreckenden Zaun, der die Siedlung umschließt.“

Und auch:

„…erheben auch die Palästinenser Anspruch auf die Fläche, auf der Eyals Dattelpalmen stehen. Doch ein vier Meter hoher Zaun versperrt ihnen den Weg.“

Ich zu meinem Teil als praktisch denkender Leser würde es sehr positiv finden, dass ein Ort, deren Bewohner und Bewohnerinnen von Attentätern bedroht sind, einen Zaun um sich hat, der potenzielle Attentäter abschrecken kann und diesen bei ihren Plänen den Weg versperrt. Aber für den SPIEGEL ist der Gedanke an die eigene Sicherheit eine egozentrische und verpönte Weltsicht:

„Die Touristen auf Eyals Farm scheint der ewig schwelende Konflikt höchstens dann zu interessieren, wenn sie sich Sorgen um ihre eigene Sicherheit machen.“

Dass die Einwohner selbst unter den Konsequenzen dieser Sorgen zu leiden haben, findet beim SPIEGEL nicht etwa eine Legitimierung, es findet nicht einmal Erwähnung. Denn wenn laut David Donschen Palästinenser „Anspruch auf die Fläche erheben“ und sie ein „vier Meter hoher“ Zaun von ihren gefühlten Ansprüchen trennt, dann kann man auch schon mal ausrasten, bewaffnet in die Siedlung stürzen und jemanden umlegen. Ein Zaun schreckt dabei nur ab, versperrt den Weg und stört bei der Ausführung der gerechtfertigten Tat. Darf man das eigentlich, unschuldige bewaffnete „Palästinenser“ bei ihrem Vorhaben behindern?

„Während die Weltgemeinschaft darüber berät, ob die Siedlungen nun legal oder illegal sind, schafft Eyal Fakten.“

Hier hat Eyal entgültig sein Existenzrecht verspielt. Denn Eyal schafft Fakten, ohne vorher nachzufragen, ob er das eigentlich darf. Er fragt nicht die Weltgemeinschaft, die EU, und was noch wesentlich schlimmer ist – er fragt nicht mal den SPIEGEL!

Um diese Farm geht es: Farm 298 in Hamra. Als Region wird "West Bank - Jordan Rifr Valley" verzeichnet.
Um diese Farm geht es: Farm 298 in Hamra. Als Region wird „West Bank – Jordan Rift Valley“ verzeichnet, sie wird aber unter WWOOF Israel gezaehlt.

„Inzwischen steht Eyals Farm auf WWOOF und anderen Freiwilligen-Plattformen wieder zur Auswahl, und er empfängt wieder zahlreiche Freiwillige, die anschließend Bewertungen auf dem Onlineportal hinterlassen. So wie Katleen aus Deutschland. Sie schreibt: ‚Es wird dir gefallen, wenn du kein Problem damit hast, dir die Hände schmutzig zu machen‘.“

Gut gebrüllt, Katleen. Genauso wie ein jeder, der kein Problem damit hat, sich die Hände schmutzig zu machen, wenn er sich diesen Text zu Gemüte führen will.

Jetzt würde ich mich am Liebsten fragen wollen, „darf der SPIEGEL das alles eigentlich?“ Aber ich fürchte, das Spieglein an der Wand wird meine Frage nicht besonders mögen. Daher nehme ich das Risiko nicht auf mich und beantworte mir die Frage selbst.

Zum Weiterlesen: Palästinenser – von der Macht eines Wortes

Der Publizist Tomas Spahn auf der Meinungsplattform Roland Tichy in einer knappen, prägnanten und historisch dennoch sehr umfassenden Übersicht über die Entstehung des Begriffs „Palästinenser“ und die Rolle der – deutsche Medien, natürlich, wie könnte die moderne Geschichte ohne sie… Auch mir hat Tomas Spahn einige neue Fakten offenbart, und wer sich auf diese Übersicht nicht verlassen will, kann sich gerne die Erstquellen vornehmen und wird sich bestätigt wissen. Wie es heißt, „wer suchet, der findet“.  ( Für den Linktipp danke ich IK. )


 

Von der Macht eines Wortes Oder Als der SPIEGEL die Palästinenser erfand

Tomas Spahn, 22.03.2016

Palästinenser – ein Volk? Ja, vielleicht. Vor 3.000 Jahren … Über die Legende der Palästinenser und wie deutsche Medien ein Volk erfanden.

Palästina ist ein Begriff, der bis weit in die Vergangenheit reicht. Er findet sich erstmals im Tanach als Bezeichnung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, mit denen die frühen Hebräer des Öfteren zu tun hatten: Den Philistern – oder besser: Phéléshétjm (F-L- Sh-T-J-M).

Von den Philistern zu Palästina

Féléshétjm, das waren jene überwiegend in Städten wohnenden Menschen, mit denen die damals noch in Sippen lebenden inländischen Semiten regelmäßig Probleme hatten. Die Geschichte von Simson und Delilah ebenso wie die Legende von David und Goliath sind herausragende Beispiele, wie dieser Konflikt in das Alte Testament Einzug gehalten hat.

Doch zwischen Féléshétijm und Hebräern gab es durchaus auch friedliche Phasen der Koexistenz. Die häufig noch als Nomaden durch das Land ziehenden Sippen gingen zum Handel in die Städte der „Palästiner“, einige sogar siedelten sich dort an, wurden zu wohlhabenden Menschen – und wurden dennoch von den Küstenstädtern argwöhnisch beäugt. Bekannt sind auch Vertragsabschlüsse zwischen den Stadtführern und den Nomaden über die Nutzung von Wasserstellen – für die Nomaden von existentieller Bedeutung.

All das findet sich berichtet im Tanach. Israels Archäologen, allen voran Israel Finkelstein, haben mit ihren Forschungen weiteres Licht in die Geschichte gebracht und kamen zu der Überzeugung, dass jene Féléstétjm auch die „Kanaanäer“ (Kénýnjm) des Alten Testaments waren. Und dass aus Kanaanern und Hebräern im Laufe der Zeit jene Völker wurden, die im antiken Israel und Jahudah lebten.

Als die Griechen in Folge der militärischen Invasion des Alexander die Herrschaft über den Landstrich übernahmen, bedienten sie sich des altsemitischen Begriffs der „Féléshétjm“ und es entstand Παλαιστίνη – Palaistinéh. Als die Römer 63 vc die jüdischen Priesterkönige der Hasmönäer, deren Vorfahren 167 vc den unabhängigen Staat Judäa gegründet hatten, entmachteten und zurück in die Tempel schickten, übernahmen sie erst einmal die jüdische Bezeichnung. Roms neue Provinz im fernen Orient bekam im Jahre 6 nc von Kaiser Augustus den Namen Judaea. Doch da die ortsansässigen Juden ein aufmüpfiges Volk waren und Rom mit wenig humanen Mitteln einen dritten Aufstand um Bar Kochba erst 135 nc abschließend niederschlagen konnte, wollten die römischen Besatzer nun alles tilgen, was an die Juden erinnerte. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal in der menschlichen Geschichte sollte jegliche Erinnerung an eine im Kampf unterlegene Gruppe final ausradiert werden.

Roms Kaiser Hadrian ließ daher das antike Jerusalem schleifen und es als Aelia Capitolina neu aufbauen. Die Provinz Judaea wurde im Rückgriff auf jene jüdischen Gegner der Kupferzeit in Palaestina umbenannt.

Kein jordanisches Palästina, kein palästinensisches Israel

Diese Maßnahme der siegreichen Kolonialherren der Antike wirkt bis heute. Denn als nach dem großen Waffengang der europäischen Imperien das 636 nc von den arabischen Gotteskriegern zwangsislamisierte Gebiet 1920 nc völkerrechtlich aus dem osmanischen Herrschaftsbereich herausgelöst wurde, griffen die poströmischen Sieger Großbritannien und Frankreich erneut auf die altsemitisch-griechisch-römische Bezeichnung zurück. Es entstand das Mandatsgebiet „Palestine“ oder Palästina, welches nun auch kurzfristig das Gebiet jenseits des Jordan umfasste und in dem – gemäß alliierter Zusage – eine Heimstatt auch für Juden geschaffen werden sollte.

Doch bereits 1923 wurde das Mandatsgebiet wieder geteilt und es entstanden Cisjordanien – im Wesentlichen das heutige Israel und Gaza – sowie Transjordanien. Für dieses Protektorat hatten die Briten bereits 1921 Abd Alah ibn Husain, Sohn des von den Sa’ud vertriebenen Sherif von Mekka, als Emir eingesetzt. Der wurde am 25. Mai 1946 König des in die Unabhängigkeit entlassenen Jordaniens und wegen seiner kooperativen Haltung gegenüber dem jungen Staat Israel am 20. Juli 1951 in Jerusalem von einem arabischen Extremisten ermordet. Heute ist Abd Alahs Urenkel Abd Alah bin al-Husein König des Steppenstaates – nach wie vor ein enger Verbündeter des Westens und liberaler Muslim.

So wurde schon mit der Teilung des Mandatsgebietes der antike Begriff Palästina wieder reduziert auf jene klassische Region zwischen Mittelmeer und Jordan. Ein „palästinensisches“ Jordanien, in dem die „Organisation zur Befreiung Palästinas“ – kurz PLO – 1970 mit syrischer Unterstützung einen Bürgerkrieg entfachte und von den Truppen des damaligen jordanischen Königs unter der Führung des aus Cisjordanien/Judäa stammenden Muhamad Daud bis Juli 1971 aus dem Land gejagt worden war, hat es niemals gegeben.

Die Eindringlinge

Aber – gab es nun ein cisjordanisches Palästina? Am 29. November 1947 hatten die Vereinten Nationen mit Resolution 181 (II) die Teilung Cisjordaniens in zwei demokratisch zu organisierende Staaten beschlossen. Der eine dieser zwei Staaten wurde nach dem Abzug der britischen Mandatstruppen am 14. Mai 1948 als Israel proklamiert und ist – trotz zahlreicher Versuche seiner Nachbarn, ihn auszulöschen – bis heute die einzig funktionierende Demokratie in der Region. Die nach den arabischen Angriffskriegen verbliebenen, nicht–israelischen Gebiete der römischen Provinz Palaestina werden heute autoritär entweder von der Hamas oder der PLO verwaltet – und diese haben mangels eigener historischer Identität sich den altsemitischen Begriff der Féléshétjm zu eigen gemacht, um damit ihren Anspruch auf das ehemalige Mandatsgebiet Cisjordanien zu begründen.

Das lässt es zweckmäßig erscheinen, noch einmal einen Blick auf die historischen Wurzeln des Begriffs „Palästina“ zu werfen – und zu einem für seine heutigen Anspruchserheber möglicherweise irritierenden Ergebnis zu kommen. Denn der altsemitisch-hebräische Begriff des „Féléshétjm“ lässt sich unschwer auf das Peh-Lamed-Shin des hebräischen Alphabets zurückführen. Félésh – das steht im Ivrit bis heute für „eindringen“. Féléshétjm – das waren für die Autoren des Tanach nichts anderes als „Eindringlinge“.

Historisch lässt sich das gut nachvollziehen, denn zwischen 1200 und 1000 vc kam es im östlichen Mittelmeerraum zu einer Völkerwanderung von Nordwest nach Südost, in deren Zuge nicht nur das vermutlich hethitische Troja vernichtet wurde, sondern die mit den in ägyptischen Archiven als „Seevölker“ beschriebenen Migranten mit militärischer Gewalt Siedlungsraum an den Küsten Ostägyptens und dem heutigen Israel erobern wollten. Die antiken Städte der Philister von Gaza bis Ekron waren ebenso Ergebnis dieser Völkerwanderung wie die Küstenstädte des heutigen Libanon.

Selbstverständlich waren diese Migranten für die ortsansässige Bevölkerung „Eindringlinge“ – und so ist es naheliegend, dass der Tanach dann, wenn er von „Féléshétjm“ spricht, tatsächlich „Eindringlinge“ und nicht etwa „Palästinenser“ meint. Die Küsten des kupferzeitlichen „Palästina“, das damals mangels Féléshétjm noch nicht so genannt werden konnte, wurden von einer Welle möglicherweise durch dorische Kriegsflüchtlinge oder klimatisch bedingte Hungerflüchtlinge erfolgreich übernommen. Eines allerdings waren diese aus hebräischer Sicht seinerzeit „echten“ Palästinenser zu keinem Zeitpunkt: Araber. Sie waren nicht einmal Semiten, sondern werden sich erst im Laufe der Jahrhunderte mit den ortsansässigen Semiten vermischt haben.

Viele unterschiedliche Menschen – keine Palästinenser

Als der britische Agent Thomas E. Lawrence zwischen 1917 und 1918 den Kampf des Sherif von Mekka gegen die Osmanen organisierte, kam er auch in die Region des heutigen Israel. Dort traf er auf zahlreiche Menschen unterschiedlichster Identität. Auf muslimische Araber und von Russland vertriebene Tscherkessen. Auf christliche Armenier und Aramäer. Auf Juden und sogar auf Berber, die in Folge der Niederschlagung des Aufstandes des Panarabisten Abd al’Qadir aus dem französischen Algerien in das Osmanische Reich geflüchtet waren. Auch gab es in den Gebieten zwischen Mittelmeer und Jordan nach wie vor Drusen und Maroniten. Eines allerdings gab es nicht: Palästinenser.

Und das blieb auch so – bis 1968 ein 1929 in Kairo geborener Araber dem deutschen Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ ein Interview gab. Dieser ägyptische Araber hatte 1957 als Fremdarbeiter in Kuwait eine Untergrundbewegung gegründet, die sich den Namen „Organisation zur Befreiung Palästinas“ gab. Sein Name lautete Yasir Arafat, Sohn der Verbindung eines aus Gaza stammenden Vaters und einer aus Jerusalem stammenden Mutter, die in den 1920er Jahren nach Kairo gezogen waren.

Abu Ammar und die arabische Nation

Als sich dieser Arafat 1968 erstmals mit dem SPIEGEL-Redakteur Helmut Sorge traf, nannte sich der frühere Muslimbruder Abu Amar und war Kopf einer Terrormiliz, die sich – so der Hinweis der Magazins – die Befreiung „Palästinas“ zum Ziel gesetzt hatte. Abu Amar Arafat spricht in dem Interview, das irgendwo in Jordanien nahe der Grenze zu Israel geführt wurde, laut deutscher Übersetzung von „arabischen Soldaten“, die „das Volk“ befreien werden. Er betrachtete sich laut dieser Übersetzung als Sprecher „unseres palästinensischen Volkes“ und „Vertreter des arabischen Volkes zwischen Atlantik und Persischem Golf“.

Nicht nur bei dieser letzten Formulierung wird es heikel – denn ein „arabisches Volk“ zwischen Atlantik und Persischem Golf hat es nie gegeben. Die Bewohner des Maghreb – Überbleibsel unterschiedlichster Besiedlungsphasen und lange Zeit christlich-römische Provinzen – wurden erst im Zuge des arabisch-islamischen Imperialismus zwangsarabisiert. Wenn Arafat diese Berber- und Maghreb-Stämme als „arabisches Volk“ bezeichnet, so folgt er damit letztlich der islamischen Idee seiner Muslimbrüder von der allumfassenden „Umah“, die jedoch nur Gläubige und Ungläubige kennt und regional- wie zeittypisch von Stämmen statt von Völkern ausgeht.

Gleichzeitig nutzt Arafat in dem in englischer Sprache geführten Interview angelsächsische Begriffe, um seinem westeuropäischen Besucher sein Anliegen zu erklären. Und der ist nun  ausgerechnet ein Deutscher und muss für seine Leser den englischen Text derart übersetzen, dass der Germane es auch versteht.

Die Deutschen und der Volksbegriff

Nun hat die deutsche Sprache – kultur-historisch bedingt – ein Volksproblem. Denn anders als das Angelsächsische unterscheidet sie faktisch nicht zwischen Nation und Volk. Die Idee des ethnisch reinen Staatsvolkes, mit der zuletzt Adolf Hitler einen bedeutenden und wichtigen Teil der Deutschen erst vertrieb und dann vernichtete, um anschließend die Welt mit einem Vernichtungskrieg im Namen „seines“ Volkes zu überziehen, ist in ihrem Kern tatsächlich ziemlich deutsch.

Für dieses deutsche „Volk“ nun gibt es kein wirkliches, angelsächsisches Äquivalent. Denn „folk“, welches man gewillt sein könnte als Übersetzung zu nutzen, hat mit dem deutschen „Volk“ wenig gemein. Weshalb der Deutsche „folk“ als „ländliche Bevölkerung“ versteht. Will er jedoch vom „Volk“ sprechen, so bedient er sich im Angelsächsischen der Begriffe „people“ oder „nation“. Beide aber entsprechen dem deutschen „Volk“ nicht. Denn das deutsche „Volk“ ist emotional. Es charakterisiert – im altgermanischen Stammesdenken verankert – eine durch das Blut geeinte Gemeinschaft eines Willens und eines Zieles – und ist deshalb für Führung stets anfällig. So fiel es denn auch den nationalsozialistischen Machtübernehmern in den dreissiger Jahren nicht schwer, die Losung des 1871 geeinten deutschen Nationalstaats, die da lautete „Ein Reich – Ein Volk – Ein Gott“, in „Ein Volk – Ein Reich – Ein Führer“ zu pervertieren und damit nicht nur das Reich über das Volk zu setzen, sondern auch Gott durch Hitler zu ersetzen.

Die englischen „people“ nun sind erst einmal nur Menschen. Und „nation“ steht gemäß seinem lateinischen Ursprung für eine Gruppenzugehörigkeit qua Geburt – im deutschen Verständnis als „Nation“ von Staatsbürgern unterschiedlichsten Ursprungs zu verstehen.

Von der „arab nation“ und den „people of palestine“

Arafat spricht in dem Interview von „arab nation“ und „people of palestine“. Beides hat mit dem deutschen Volksbegriff nichts zu tun. Denn „the arab nation“, die arabische Nation, das war seinerzeit das Schlagwort des ägyptischen Fellachen Gamal abd a’Nasir, mit dem jener die sunnitisch-islamischen Länder, welche in diesem Falle tatsächlich vom Atlantik bis an den Indischen Ozean reichten, einen wollte. „The arab nation“ – das war das säkulare Pendant zum islamischen Kalifat.

Arafat hing damit einer zu jener Zeit schon ausrangierten, politischen Großmachtidee an, die 1958 den Ägypter Nasir zum Staatsoberhaupt der aus Ägypten und Syrien bestehenden „Vereinigten Arabischen Republik“ gemacht hatte. Lange hielt diese V. A. R. nicht. Schon 1961 verabschiedete sich Syrien aus dem Kunstprojekt – und der Panarabismus wurde zu einem Merkmal des sogenannten Nasserismus.

Dennoch ist nachvollziehbar, dass Arafat dieser panarabischen Idee des Nasir, die ihn offenbar geprägt hatte, auch 1968 anhing. Denn er brauchte, um mit seiner Terrororganisation erfolgreich zu sein, nicht nur eine Idee, sondern vor allem Geld. Dieses konnte er um so erfolgreicher bei den reichen Arabern einfordern, je erfolgreicher er ihnen ein schlechtes Gewissen einreden konnte. Die Idee des einen arabischen Volkes war dabei durchaus wirkungsvoller als der Versuch, für irgendwelche entfernten Vettern, die man laut Lawrence noch vor 50 Jahren im Zweifel für verweichtlichte Osmanenknechte gehalten hatte, in die Taschen zu greifen.

Gleichzeitig aber verstand sich Amar-Arafat als Kämpfer jener Menschen, die nach 1946 dem Aufruf seines Bekannten, dem Mufti von Jerusalem, gefolgt waren und ihre Heimat in der Erwartung, im Gefolge siegreicher arabischer Truppen heimzukehren, verlassen hatten. Dieses wiederum waren „the people of palestine“ – die Menschen von Palästina. Die waren 1968 noch weit davon entfernt, als eigenständiges Volk wahrgenommen zu werden, geschweige denn sich als solches zu verstehen. Denn – siehe oben – es waren Araber und Aramäer, Christen und Muslime – und selbst die Nachkommen von berberischen Rifbewohnern und zahllosen anderen Zuwanderern, die das Schicksal im Laufe der Jahrhunderte dorthin verschlagen hatte.

Wie der SPIEGEL das palästinensische Volk erfand

Der SPIEGEL übersetzte in treu-deutscher Manier all diese sich bei Arafat mangels Volksidee vermengenden Begriffe mit „Volk“ – und das, obgleich Arafat doch immer noch davon träumte, ein arabisches – oder besser: ein nicht-jüdisches – „Palästina“ in der großen, panarabischen Idee zu verwirklichen.

Da Arafat ein durchaus nicht dummer Mensch war, erkannte er recht schnell, welch positive, propagandistische Unterstützung ihm diese SPIEGEL-Hilfe bieten konnte. Als er 1974 vor der UN auftrat, adelte die Vollversammlung den Freischärler Arafat in wenig nachvollziehbarer Weise. Aus der Al Fatah als „Bewegung zur Befreiung Palästinas“ des Jahres 1968 war zwischenzeitlich die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ PLO geworden. Die wurde, obgleich sie sich bis zu diesem Zeitpunkt niemals irgendwelchen Wahlen gestellt hatte geschweige denn über ein Staatsgebiet und staatliche Verwaltungsstrukturen verfügte, als „offizielle Vertretung des palästinensischen Volkes“ anerkannt. Eines Volkes, das es selbst sechs Jahre zuvor noch nicht einmal in Arafats kühnsten Fatah-Träumen gegeben hatte.

Noch 2015 adelte „DER SPIEGEL Geschichte“ den als Terroristen gestarteten Ägypter als „Mr. Palestine“, für „seine Landsleute“ dazu durch seinen „bewaffneten Kampf“ gemacht.

„Seine Landsleute“ – ägyptische Araber? Oder alle heutigen und früheren Bewohner Cisjordaniens, aus dem Israel, Gaza und die  Westbank wurde, die nicht jüdischen Ursprungs sind? Und von denen kaum einer jemals gefragt wurde, ob er sich tatsächlich von einem Kairoer Berufsrevolutionär  (um an dieser Stelle diese nettere  Bezeichnung für terroristischer Freischärler zu verwenden) vertreten fühlt?

Möglich, dass sich viele der Bewohner im Westjordanland und im Gaza-Streifen heute als Anhänger Arafats verstehen. Ob sie damit bereits ein „Volk“ sind, darf allein schon mit Blick auf die Hamas angezweifelt werden. Denn die steht in gewisser Weise bis heute noch in der Tradition des frühen Abu Amar und träumt vom panarabischen Kalifat – aber selbstverständlich nicht wie dereinst Nasir in einem säkularen Staat, sondern unter dem Banner des Islam. Und dessen Staatsidee ist immer noch die Umah, in der Völker und Demokratie keine Rolle spielen.

Das Volk für den Westen und den Anti-Israelismus

Aber für den dummen Westen und die in Anti-Israelismus geeinten, mehr oder weniger „Vereinten Nationen“ macht es sich natürlich besser, von einem „palästinensischen Volk“ zu erzählen. Denn damit kann man das erfolgreiche, demokratische Israel vortrefflich als Unrechtsstaat diffamieren. Deshalb sind heute Teile jener Bewohner der früheren römischen Provinz Palaestina immer noch scheinbar zu Unrecht Vertriebene (die ihre Heimat dereinst freiwillig verlassen hatten) oder Bürger eines demokratischen Staates, dessen Existenzrecht von vielen Nachbarn bis heute nicht anerkannt wird – und das dennoch nach wie vor eine Bastion von Freiheit und auch Säkularismus im Nahen Osten ist.

Zum Weiterlesen: Der SPIEGEL im Kontext, U.Sahm

Im Lichte der aufgekommenen Diskussion ueber die Einstellung des SPIEGELs zu juedischem Wohnen in Judaea und Samaria (Westjordanland) und die journalistische Integritaet seiner Mitarbeiter und Redaktion, welche auf die Veroeffentlichung ueber mich im bento folgte, moechte ich eindruecklich auf den folgenden Artikel verweisen, den ich vor einigen Monaten hier wiedergegeben habe, naemlich ueber die sich ueber Jahre hinweg wandelnde Einstellung des SPIEGELs gegenueber juedischen Siedlungen. Der Text ist von Ulrich W.Sahm und wurde zuerst bei Audiatur Online veroeffentlicht. Sehr relevanter und lesenswerter Beitrag, gerade im aktuellen Kontext.


 

Von Neuzeit-Pionieren zu illegalen Menschen

Ulrich W.Sahm, 08.09.15

Die israelischen Siedlungen gelten zurzeit in der westlichen Presse und Politik als Kern aller Konflikte in der arabischen Welt. Gäbe es sie nicht, würde himmlischer Frieden von Marokko bis Afghanistan herrschen.

Hunderttausende Syrer, Iraker, Ägypter und Jemeniten wären noch am Leben und Europa müsste sich nicht mit Flüchtlingsmassen plagen. Da der SPIEGEL nicht müde wird, den siedelnden jüdischen Sündenbock an die Wand zu malen, bot sich an, das Archiv dieser Zeitung nach der Wurzel des Übels zu durchforsten.

Die Wahrnehmung der Siedlungen seit 1967
Es geht bei diesem Artikel keineswegs darum, den rechtlichen oder politischen Status der Siedlungen zu klären. Es soll hier der Wandel in der Wahrnehmung der Siedlungen dargestellt werden, im Wesentlichen anhand des öffentlich zugänglichen Archivs des Spiegels.

Erste Siedlungen interessierten niemanden
Im September 1967, wenige Monate nach dem Sechs-Tage-Krieg, gründeten Israelis in Kfar Etzion die erste Siedlung in den frisch besetzten Gebieten. Im Etzionblock hatten vor der Staatsgründung 1948 Juden in mehreren Dörfern auf legal gekauftem Land gelebt. Doch die Jordanier hatten sie bei blutigen Schlachten vertrieben. Nun wollten die ehemaligen Siedler und ihre Nachkommen heimkehren. Keine deutschsprachige Zeitung bemerkte diesen ersten Schritt zur späteren Siedlungspolitik.

 

Ähnlich ging Rabbi Mosche Levinger beim Pessach-Fest 1968 vor. Er mietete sich im Park-Hotel ein, um in Hebron, der Stadt der Erzväter, zu bleiben. Bei Pogromen waren 1929 alle Juden aus der Stadt Hebron vertrieben worden, in der sie fast 3.000 Jahre lang ununterbrochen nahe den Gräbern des Abraham und biblischer Erzväter gewohnt hatten.

Diese Neubesiedlung im ehemaligen jüdischen Viertel der arabischen Grossstadt Hebron löste in Israel Kontroversen und Demonstrationen aus. Interessant sind die Begriffe, die „Der Spiegel“ am 27.5.1968 veröffentlichte. Was das Wochenmagazin heute „illegale Siedler“ bezeichnet, hiess damals: jüdische Pilger, Israelis, Pilger-Stosstrupp, Parkhotel-Bewohner, strenggläubige Juden, Ansiedler, Eindringlinge, israelischen Pioniere, wilde Hebron-Siedler, Hebron-Pioniere.

Bewunderung für die Leistungen der Pioniere
In den Jahren danach werden Siedlungen immer wieder erwähnt, etwa bei Politikertreffen. Verständnisvoll spricht man vom Sicherheitsgürtel israelischer Wehr-Siedlungen. 1970 heisst es im Spiegel: „Den acht Pionieren vom „Kibbuz Golan“ folgten inzwischen Tausende weitere Kibbuzniks in die 1967 von Israel eroberten Gebiete. Heute siedeln Israelis bereits in 14 Dörfern auf den Golan-Höhen, neun Wehrdörfer baute Israel in Westjordanien, fünf Siedlungen gründeten die Israelis in den letzten drei Jahren auf der ehemals ägyptischen Sinai-Halbinsel.“

Strategische, geopolitische und wirtschaftliche Motive veranlassten Israels Regierung nach dem Sechs-Tage-Krieg, in den eroberten Gebieten Wehrsiedlungen anzulegen. „Je mehr Siedlungen in strategisch wichtigen Gebieten begründet werden“, proklamierte Vizepremier Jigal Allon, „umso eher sind wir künftig in der Lage, sichere Grenzen zu errichten.“ Mosche Dajan spricht gern von „neuen Tatsachen“, die mit den Wehrdörfern geschaffen würden, von „Israelisierung“ besetzter Gebiete. Und so berichtet der Spiegel ohne Erwähnung eines „Völkerrechts“ und ohne auch nur ansatzweise von „Illegalität“ zu sprechen:
„In kurzer Zeit entwickeln sich dann die Siedlungen der Neuzeit-Pioniere zu florierenden Unternehmen: Landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 4,5 Millionen Mark verkauften die Dörfler auf den Golan-Höhen im vergangenen Jahr. Nach einem Fünf-Jahres-Plan sollen dort bis 1975 etwa 3500 weitere Israelis in 17 Dörfern angesiedelt werden. Drei städtische und zwei weitere Touristik-Zentren im Gesamtwert von 300 Millionen Mark sind geplant. Das Nachal Dikla und das Nachal Sinai am Golf von Suez produzieren Wintergemüse, das bis nach Frankfurt und Zürich geflogen wird. Der Nachal Jam an der Bardawill-Lagune auf der Sinai-Halbinsel fing letztes Jahr 600 Tonnen Fische. Im salzhaltigen Jordantal züchten israelische Forscher Fische, die in bestimmten Salzwasser-Konzentrationen leben können. Letzte Woche weihten die Israelis am Toten Meer sogar ein Thermalbad ein — genau an der Stelle, wo vor fast 2000 Jahren römische Legionäre kurten. Die Wehrsiedlungen im Jordantal, oft nur einige hundert Meter von der Front entfernt, sind längst keine Provisorien mehr; sie sehen eher aus wie Musterfarmen: mit Blumenbeeten um die luftgekühlten Wohnhäuser, mit Swimming-Pool und modernsten Traktoren.“

Positive Darstellung
Bemerkenswert ist hier nicht nur die durchweg positive Darstellung der Siedlungen. Die Spiegel-Autoren scheinen die „Neuzeitpioniere“ für ihren Fleiss zu bewundern. Und ganz nebenher wird da erwähnt, dass es offensichtlich auch keinerlei Widerspruch in Europa gab. Wie selbstverständlich wird der Export der Siedlungswaren nach Zürich und Frankfurt erwähnt. Wohl zum Ausgleich werden da kurz Proteste in Israel erwähnt: „Der Kabinettsbeschluss erregte nicht nur die Araber, sondern auch linke Israelis. Der sozialistische Abgeordnete Uri Avnery sah darin „ein Manöver gegen den Frieden“. Vor dem Haus von (Ministerpräsidentin) Golda Meir demonstrierten Studenten mit Slogans wie „Entweder Frieden oder Ansiedlung“ und „Sicherheit — ja; Annexion — nein“.“

1979 kam die Wende
Israel verhandelte 1979 mit Ägypten über Frieden und so auch über das Schicksal der Siedlungen im Sinai. Deutschland versteifte sich auf das „Selbstbestimmungsrecht“, die ideologische Basis für die deutsche Wiedervereinigung. Israel wurde gedrängt, die PLO anzuerkennen, damals noch eine Terrororganisation. Menachem Begin und Anwar Sadat redeten über eine palästinensische Autonomie, die Palästinensern mehr gegeben hätte als die 1993 von Jitzhak Rabin und Jassir Arafat ausgehandelten Osloer Verträge. Doch die PLO lehnte ab. Für die Medien, und so auch für den Spiegel, war das eine Gelegenheit, die Siedlungen als „Hindernis für den Frieden“ darzustellen. Aussenminister Mosche Dajan sagte damals schon seinem deutschen Amtskollegen Genscher, dass Israel ein komplettes Abräumen aller Siedlungen nicht akzeptieren könne, weil damit das Westjordanland „judenfrei“ gemacht würde. Dieses Motiv in Nazisprache taucht immer wieder auf, zuletzt gegenüber Frank-Walter Steinmeier.
Inzwischen waren die Siedler zu einem zunehmend kontroversen Thema geworden, etwa mit der Gründung der Gusch Emunim Bewegung. Da änderte sich auch der Ton in der Berichterstattung. Hier Begriffe aus einem Artikel im Spiegel vom 26.11.1979: Gusch Emunim, Israels radikale Siedler-Sekte, Gruppe orthodoxer jüdischer Glaubenseiferer, Fanatiker mit einflussreichen Freunde, chauvinistische Zeloten, amokblinde „Vorläufer des Faschismus“, vaterländische Eiferer, pseudo-messianische Minderheit.

Wie heisst das besetzte Westjordanland?
Bemerkenswert ist hier, wie sich die Bezeichnung von Cisjordanien wandelt. Es wurde zunächst „Westjordanien“ genannt, dann „Westufer des Jordans“, „Judäa und Samaria“ oder auf Englisch „Westbank“. Erst in neuerer Zeit bürgerte sich der Begriff „Palästinensergebiete“ für das gesamte Westjordanland bis zur „Grenze von 1967“ ein. Diese „Grenze“ war freilich nur eine zwischen Israel und Jordanien ausgehandelte „Waffenstillstandslinie“, ohne Auswirkungen auf künftige diplomatische Verhandlungen, laut dem Rhodos Abkommen von 1949.

Illegale Siedlungen
Der Begriff „illegal“ wurde in den ersten Jahren nach 1967 allein für Siedlungen verwandt, die ohne Segen der israelischen Regierung errichtet worden sind. Sie waren also gemäss israelischer Vorstellung illegal. Das galt nicht für die Siedlungen in Gusch Etzion oder von der Regierung errichteten Städte wie Kirjat Arba oder Maaleh Adumin.
In einem Interview mit Mosche Dayan erwähnten Spiegel-Reporter am 13.08.1979, dass die Amerikaner in den besetzten Gebieten errichtete israelischen Siedlungen für „illegal“ halten. Aus dem Kontext geht jedoch hervor, dass hier nicht pauschal alle Siedlungen gemeint sind, sondern nur die sogenannten „Vorposten“, die „wild“ errichtet worden sind. Israel hatte sich tatsächlich im Rahmen der sogenannten „Roadmap“ von 2003 dazu verpflichtet, sie zu räumen.

Mit der Rede von Präsident Barack Obama in Kairo am 4. Juni 2009 begann eine neue Sichtweise. Obama wollte den Islam und die arabische Welt „umarmen“. Er bezeichnete erstmals die israelischen Siedlungen als „illegitim“ und seitdem werden die Siedlungen grundsätzlich allesamt für „illegal“ erklärt. Er kreierte damit nicht nur eine neue Sprachregelung, sondern schuf gleichzeitig ein exklusives Völkerrecht speziell für Israelis. Zuvor hatten amerikanische Präsidenten darauf geachtet, die Siedlungen als „Hindernis für den Frieden“ zu bezeichnen. Sie galten damit als Objekt für künftige Verhandlungen, wie viele andere Steine des Anstosses. Indem jedoch Obama die Siedlungen für illegitim, also de facto „illegal“ bezeichnet und ihr Verschwinden gefordert hat, setzte er dem Friedensprozess und den israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen einen Todesstoss. Der palästinensische Chefverhandler Saeb Erekat wurde sinngemäss zitiert: „Wenn die Amerikaner die Siedlungen für illegal halten, können sie von uns Palästinensern nicht mehr erwarten, darüber zu verhandeln. Denn dann ist es die Aufgabe der Amerikaner, diesen illegalen Zustand abzuschaffen.“

Berufung auf das Völkerrecht
Mit der Darstellung der Siedlungen als „illegal“ verschärfte sich auch die Diskussion um das „Völkerrecht“. Dabei ist das Völkerrecht keineswegs eindeutig. Manche Juristen fragen, ob die Genfer Konvention zwingend auf die von Israel besetzten Gebiete anwendbar sind. Denn israelische Siedler werden von niemandem „gezwungen“, in die besetzten Gebiete zu ziehen, was in der Genfer Konvention „Deportation“ oder „Transfer“ entspräche. Das Westjordanland hat zudem seit dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches 1917 keinem souveränen Staat gehört. Jordanien oder Ägypten waren nur Besatzer. Was also in der Welt seit der Rede Obamas 2009 als Konsens gilt, ist unter Völkerrechtlern durchaus umstritten.

Kennzeichnung von Waren aus besetzten Gebieten
Der Reigen um eine Kennzeichnung von Waren aus den besetzten Gebieten begann durch Zufall. Pflichtbewusste Zöllner im Hamburger Hafen bemerkten 2010, dass Sodastream, Hersteller von Wassersprudlern, keine Adresse im Kernland Israels nachweisen konnten. Doch das Freihandelsabkommen mit der EU sah vor, dass Waren „Made in Israel“ aus Israel stammen müssten. Die besetzten Gebiete gehörten nicht dazu. Sodastream weigerte sich, Zoll in Höhe von 19.155,46 Euro zu entrichten. Der Fall kam vor das EU-Gericht und da wurde entschieden, dass Waren aus den besetzten Gebieten voll verzollt werden müssten. Israel sollte fortan die Herkunft seiner Waren genau kennzeichnen. Derartige Vorschriften gelten nur für Israel und nicht für andere Länder wie Türkei oder Marokko. So wurde eine Kampagne losgetreten, die sich nicht nur die BDS (Boykott)-Bewegung zunutze machte.

Die Darstellungen heute
Heute beschränkt sich die Darstellung der Siedlungen beim Spiegel, bei der ARD und vielen anderen Medien fast ausschliesslich auf Negativ-Themen. Die modernen Schlagworte sind Häuserzerstörungen, Wasserklau, Landenteignungen oder Überfälle extremistischer Siedler auf Palästinenser. Dass in den Siedlungen, darunter in Vierteln Jerusalems jenseits der „Grünen Linie“, eine halbe Million normale Israelis leben, wird vollkommen negiert: Linke, Fromme, Einwanderer, Rechte und Araber.

Die Berichterstattung geht sogar einen gefährlichen Schritt weiter, indem über „illegale Siedler“ gesprochen wird, wobei nur Juden im Sinne der Lex–Obama gemeint sind. Niemals würde SPON so über Palästinenser schreiben, die in „illegal“, also ohne Baugenehmigung errichteten Häusern, wohnen oder siedeln.

Wer Menschen für „illegal“ erklärt, spricht ihnen das Recht auf Leben, das Existenzrecht ab.


 

SPIEGEL ONLINE/bento: Chaya ist das Problem

Seit vorgestern, 25.02.16, kocht und brodelt das Netz um mich herum. Kein Wunder: Das angekündigte Portrait „der Siedlerin“ aus Judäa ist endlich im bento, dem jugendlichen Tochtermagazin von Spiegel Online erschienen:

"Warum eine deutsche Jüdin im Westjordanland lebt", bento, 25.02.16
„Warum eine deutsche Jüdin im Westjordanland lebt“, bento, 25.02.16

Zunächst einmal – alle, die darauf gewartet oder nicht gewartet und bisher noch nicht gelesen haben – ich lade euch herzlich ein, das Portrait zu lesen und sich eigene Eindrücke zu machen. Leider bin ich aus verschiedenen Gründen nicht dazu gekommen, früher darüber zu berichten. Selbstverständlich würde ich mich sehr darüber freuen, wenn ihr mich an euren Gedanken teilhaben lässt, unten in der Kommentarspalte. ⇓

Und jetzt, mit Verlaub, gebe ich etwas von meinem Senf dazu, als eine, die auch ein wenig den Hintergrund zu der gesamten Geschichte kennt.


Das Ergebnis des Besuches von Spiegel-Reporterin Jennifer Bligh und Fotograf Jonas Opperskalski, unserer mehrstündigen persönlichen Gespräche, Hintergrundinformationen und Erklärungen, der Führung rund um meine Karavanensiedlung  und der Fotosession ist meiner Meinung zweifach zu bewerten.

Das Positive?

Meine Besucherzahlen sind um ein Vierfaches gestiegen. Mein Blog wird seit dem 25.02 nicht mehr nur von Deutschen, Israelis und Schweizern, sondern sonderbarerweise auch von Schweden und Amerikanern besucht. Und meine Aufrufzahlen insgesamt belaufen sich seit Freitag auf 100.000 Besucher!!!! Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Dutzende von positiven, aufmunternden Kommentaren und privaten Nachrichten haben mich erreicht, Facebookfreunde und zahlreiche Unbekannte unterhalten sich über das Schriftstück und Neuentdecker meines Blogs berichten mir aufgeregt, sie würden ab jetzt mit größtem Interesse meine Berichterstattung verfolgen. Besseres könnte man sich gar nicht wünschen. Außerdem ist es durchaus kein schlechtes Ding, zu wissen, dass das eigene Projekt auf die Hauptseite der SPIEGEL-Berichte gekommen ist. Denn welchen Ruf der SPIEGEL auch bei uns Israelfans genießen mag, ist es dennoch das zentrale deutsche Magazin. Come on, gebt’s zu. Es ist wirklich nicht alles so furchtbar im SPIEGEL. Wie ein guter Freund zu mir meinte, „es gibt keine schlechte Werbung“. In meinem Métier ist das tatsächlich ein wahrer Satz. Auch die Fotos von Jonas Opperskalski sind eine Bewunderung wert. Das war, genau genommen, auch mein erstes Fotoshooting gewesen und ich bin vollends zufrieden damit. To be continued…

Und was ist mit dem Negativen?

Das Negative ist der Rest.

Sprich, der Text selbst, der journalistische Standard, die Professionalität oder eher ihre gähnende Abwesenheit, die Präsentation seitens der Autorin, die einschlägigen Motive des Textes, seine Überarbeitung durch die Redaktion im Vergleich zum Entwurf, der mir vor der Veröffentlichung vorgelegt worden ist.

Vor der Veröffentlichung der Reportage wurde ich mit einigen gutgemeinten Ratschlägen versorgt, nach dem Motto „nehme dich in Acht, der SPIEGEL wird kein gutes Haar an dir lassen“. Im Nachhinein bekam ich die gerechten Zornesausbrüche und enttäuschten Feedbacks meiner Freunde und Leser zu Gesicht. Manche davon ähnelten denen einer „jiddischen Mamme“ – „wir haben es dir doch gesagt!“ Und bei allem Amusement, den ich von diesen Rückmeldungen hatte, liebe Freunde, eins muss ich euch sagen – das Risiko war mir bewusst. Aus meiner Erfahrung mit deutschen Medien, und insbesondere dem SPIEGEL, wusste ich, worauf ich mich einlasse. Denn außer der Journalistin vor Ort, Jennifer, einer netten jungen Frau mit geringer Ortskenntnis und manchmal recht seltsamen, aber dennoch interessierten Fragen zu dem Leben in Judäa und Samaria, gibt es ja noch die SPIEGEL-Redaktion. Und diese verfolgt ohne Zweifel die politisch korrekte Leitlinie des unzensierten Siedler-(nein, nicht Juden, Siedler!)hasses und, um dieser treu zu bleiben (alles hat sein Recht und seine Ordnung!), darf in einem Magazin, mag es noch so oberflächlich und ideologielos sein wie das „Jugendmagazin bento“ (man schaue sich nur deren Themenauswahl an), das Portrait einer Siedlerin im Westjordanland keinesfalls so ausfallen, dass man noch auf die Idee kommen könnte, diese zu befürworten.

Und das wurde auch mit allen Mitteln versucht, zu verhindern. Ob nun seitens Frau Bligh oder seitens der Redaktion. Die Details versuche ich noch, herauszufinden. Ich möchte niemandem einen schlechten Ruf verpassen, wozu auch? Der Text spricht für sich selbst.

Und genau hier begingen bento/SPIEGEL einen Fehler.

Denn die „unschöne“ Schreibweise, in der dieses nur wenige Absätze lange Portrait verfasst worden ist,  ließ so manche Leser und Kommentatoren zurückschrecken; so war vielen der 130 Kommentare auf der Seite zu entnehmen, bevor sie gelöscht wurden. Beispiele gefällig?

Erst zu meiner Charakterisierung. Ich bin ein Protestweib, das die Realität daran hindert, zu einer friedvollen Normalität umgewandelt zu werden. Das geht aus dem Untertitel des Artikels hervor („behindert mit ihrem Wohnort den Friedensprozess. Für sie ist das

Böse Chaya.
Böse Chaya. Wusste übrigens nicht, dass ich in Nablus oder Jenin leben kann. Ich werde mich informieren müssen.

Protest“), aus den ersten Absätzen („provoziert…Frieden verhindert“). Nach der saftigen Behauptung, die Siedlungen verstößten laut der UNO gegen das Völkerrecht, wird noch eins drauf gesetzt:

„Chaya sieht das anders – und ist damit Teil des Problems“

Ein Problemmensch also. Ein Mensch, in deren Welt es Dinge, die trotz ihrer Realitätsferne und ihrer de facto Nichtexistenz  – solche, wie die Zwei-Staaten-Lösung – zum internationalen Konzensus gehören, den man gefälligst zu respektieren habe, nicht gibt. Klar, dass eine solche Dreistigkeit entsprechend bestraft werden muss.

Mein problematisches Dasein muss also auch durch persönliche Eigenschaften belegt werden, die mir verpasst werden. So spreche ich nicht, sondern „rattere herunter“ , „rufe“ oder  „lache unschön auf“. Überhaupt scheine ich für die Reporterin entschieden zu oft

Unschön. Das Lachen, aber auch die journalistische Ausdrucksweise.
Unschön. Das Lachen, aber auch die journalistische Ausdrucksweise.

aufzulachen. Vielleicht hat ihr mein Humor nicht gefallen?, denke ich mir heute. Ganze zwei Mal erwähnt sie es im Text. Ansonsten ist meine Gesprächsweise „herausfordernd“, meine Stimme hat „einen Hauch von Trotz“ und auch habe ich die Frechheit, Dinge zu ignorieren, die für alle eigentlich so „simpel“ sein sollten wie das ABC: Siedlungen sind illegal.

Jennifer Bligh berichtigt das Völkerrecht.
Jennifer Bligh berichtigt das Völkerrecht.

So simpel möchten es SPIEGEL und bento haben. Leider ist das Völkerrecht selbst dort anderer Meinung. Somit wird es die UNO, die man für alles heranzieht, was nur ein wenig Hauch von Verleumdung gegen Israel mit sich trägt, auf völkerrechtlicher Ebene auch etwas differenzierter handhaben. Soweit also zu „Chaya sieht es anders“.

Übrigens müsste ich bento und Jennifer Bligh etwas mitteilen, was sie vielleicht so noch nicht gehört haben: Der SPIEGEL hat den Siedlungsbau auch anders gesehen. Vor 1979 nämlich. Da waren die Siedler noch mutige Pioniere, oder aber gänzlich uninteressant. Und das ist wahrlich nicht Chaya, die es herausgefunden hat, sondern Ulrich W.Sahm. Ob er damit auch Teil eines Problems ist? Das kann gut sein. Immerhin wurde er als Journalist aus allen deutschen Mainstreammedien verbannt.

Bei einem weiteren Thema scheint es bento darauf anzulegen, einen Anruf von der Presseeinheit der israelischen Armee zu erhalten. Jennifer Bligh/bento behaupten nämlich, die drei Jugendlichen Eyal, Gil-ad und Naftali, die im Sommer 2014 in Gush Etzion entführt und

bento macht der Hamas die Entführung streitig. Ein Fall für den Pressesprecher der IDF?
bento macht der Hamas die Entführung streitig. Ein Fall für den Pressesprecher der IDF?

ermordet worden sind, seien nur „angeblich“ von der Hamas entführt worden. Dass die Hamas selbst es anders sieht, die beiden Attentäter auf die Ausführung hin vorbereitet hat, die Entführung gefeiert und daraufhin sich auch in einen Krieg mit Israel gestürzt hat („Operation Fels in der Brandung“), schien an Jennifer Bligh vorbeigezogen zu sein. Wie auch, denn als ich ihr diese Information mitgeteilt habe, hat sie nur auf das Tempo geachtet, in welchem ich es gesagt habe („EswirdeinSatzzueinemWort“), der Inhalt war zu herausfordernd, um ihn zu verstehen. Da bin ich natürlich selbst daran schuld. Wie auch sonst an diesem Unglücksartikel.

Den absoluten Wissensmangel und die ins geübte Auge stechende Abwesenheit von jeglicher Professionalität bei diesem Text versucht der Artikel mit Meinungsmache zu vertuschen. Es gibt

Tja, was ist mit ihnen? Ich weiß es nicht, aber wenigestens haben sie mein "Allahu Akbar" gelassen.
Tja, was ist mit ihnen? Ich weiß es nicht, aber wenigestens haben sie mein „Allahu Akbar“ gelassen.

zwar den „roten Kasten“, der über die Situation in Judäa und Samaria aufklären will. Aber in einer der fetten Absatzüberschriften steht „Und was ist mit den Menschen in Gaza?“ Ich würde die Frage gerne zurück stellen, was ist denn mit den Menschen in Gaza? Was haben sie mit meiner Anwesenheit in Judäa zu tun? Vielleicht sollte man dafür die Menschen in Gaza fragen und nicht mich, die ich dieses Fleck Land im Leben nicht betreten habe, und die Fragestellerin ebenso (sie hat ja erst vor Kurzem ihre eigene jüdische Verwandschaft entdeckt und ist so nach Israel gekommen)? Ich antworte also, Gaza sei geräumt worden. So wird es auch zitiert. Der Interpretationsfreiraum für diese bombenfeste (wortwörtlich) Faktenlage wird den noch weniger gebildeten Lesern

Gut, dass bento Bescheid weiss.
„Unrealistisch“: Nur gut, dass bento Bescheid weiss.

gelassen. Auch die Tatsache, dass es noch nie einen palästinensischen Staat gegeben hat, wird zur Auslegung freigestellt. Hatten wir schon „simpel“ gesagt? Ja, Geschichtsumschreibung war noch nie so simpel wie im 21.Jahrhundert. 

Noch ein bisschen zum Insiderwissen: 

Als ich den Artikelentwurf per Email bekommen habe, sah er noch ganz anders aus. Da wurde über die Attentate gesprochen, die sich bei uns in der Gegend ereignet haben. Da findet die Tatsache, dass ich gegen Enteignungen von palästinensischem Privatbesitz bin, Erwähnung.. Da habe ich noch berichtet, dass ich Palästinenser in einer Farm besucht habe. Da sei der Zugang zur Siedlung über die Felder der arabischen Nachbarn noch offen, meine Redeart nicht „herausfordernd“, sondern „Meisterleistung“ und was meine Sichtweise auf die jüdische Religion angeht, so sei sie „differenziert und reflektiert“. Sogar mein Vorwissen zum Thema israelisches Gesetz und internationales Recht wird erwähnt.

All das verschwindet nach der Veröffentlichung. Meine Bitte, die Arbeit bei der „Jüdischen Rundschau“ zu erwähnen und das „Rufen“ als Prädikat aus dem Text zu entfernen, wird nicht berücksichtigt. Heraus kommt ein an Information mangelndes, Gift und Galle spuckendes und von Vorurteilen geradezu getränktes Essay, das, anstatt mich als Person vorzustellen und Einblick in meine selbst für Fortgeschrittene komplizierte Welt zu gewähren, sich an der eigenen Richtigkeit und Rechtschaffenheit ergötzt und alles daran setzt, mich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu diffamieren. Nicht umsonst wurde der Beitrag wohl  nicht mehr und nicht weniger, als unter dem Schlagwort „Gerechtigkeit“ publiziert.

Gerechtigkeit und ein ungerechter Artikel. Ganz nach SPIEGEL-Tradition.
Gerechtigkeit und ein ungerechter Artikel. Ganz nach SPIEGEL-Tradition.

Bevor die Kommentare auf der Artikelseite zensiert worden sind, habe ich einige davon lesen können. Nicht alle waren vernichtend. Es gab offenbar genug klardenkender Leser, die die Schreibweise dieses Textes angeprangert haben. Ein Kommentator namens Heinz hatte danach gerufen, mich beim „deutschen Staatsanwalt“ zu verklagen, weil ich mit meinem Wohnsitz die Genfer Konvention bräche. Schade, dass ich davon keinen Screenshot gemacht habe.

Mancher möge sich jetzt fragen, „war es das Ganze wert? Hattest du diese Verleumdung nötig?“

Ich sage eindeutig – ja. Ich sehe jetzt schon, dass die Veröffentlichung mir  mehr Leser und Follower eingebracht hat und mich mehr ins deutsche Bewusstsein gerückt hat. Das ist sehr gut, es ist eins meiner Ziele bei meiner Arbeit und es freut mich, wenn mehr und mehr Menschen auf die Realität aufmerksam werden, die ich versuche zu vermitteln.

Demnach – Respekt und Hochachtung gebühren SPIEGEL und bento eindeutig nicht für diese „Meisterleistung“. Aber ein verschmitztes „Danke“ – definitiv. Und, wie es so schön im Hebräischen heißt, „seid mir gesund!“ Wer Hebräisch kann, wird die Andeutung verstehen. 🙂


Weitere Rezensionen und Kommentare zu dem Artikel bei bento:
Gerd Buurmann
Roger Letsch
Elisabeth Lahusen

Mein Karavan wird populär

Mein kleiner Karavan in den judäischen Bergen zieht immer mehr Besucher an. So hat mich neulich eine Gruppe aus Deutschland durch das „Keshet“-Reisebüro und die Reisefirma „Israelreise.de“ in Alon Shevut besucht und eine Führung sowie einen Blick in den

Reisegruppe "Keshet Journeys", 29.01.16
Reisegruppe „Keshet Journeys“, 29.01.16

Karavan bekommen (29.01); weitere Reisegruppen erwarte ich in den nächsten Wochen. Ich finde es immer wieder schön, wenn deutsche Besucher, vor allem auch solche, welche tatsächliches Interesse an Israel und an unserem Leben in den Siedlungen zeigen, kommen und die Führung mitmachen. Erstens, weil ich es mag, meine Erfahrungen und mein Wissen mit anderen zu teilen, und zweitens, weil ich noch immer ein Freund des deutschen Humors bin und auch ganz gerne „Landsleute“ treffe – beispielsweise Gruppenteilnehmer aus Köln und dem Rheinland 🙂

(c) Jennifer Bligh
(c) Jennifer Bligh

Ein weiterer spannender Besuch ereignete sich heute – die Journalistin Jennifer Bligh, zusammen mit dem Fotografen Jonas Opperskalski, kamen in unsere Siedlung, um mit mir ein Interview für das Magazin bento durchzuführen. bento scheint ein neues Jugendmagazin von SPIEGEL ONLINE zu sein, und so, wie ich es auf seiner Webseite mitbekommen habe, konzentriert es sich mehrheitlich auf persönliche Features – Lebensgeschichten, Interviews, Lebenswahrnehmungen. (Spannend fand ich auch die „Über uns“-Seite – die meisten der dort schreibenden Autoren und Autorinnen haben blaue, leuchtende Augen.)

Jennifer und Jonas haben mich mehrere Stunden lang begleitet. Jonas zeichnete sich durch seine Vorliebe für gutes Licht und seine professionellen Fotos aus (er ist auch einer der zentralen SPIEGEL-Fotografen, wurde ich aufgeklärt) und ließ sich unglaublich für den lokalen Sonnenuntergang begeistern. Jennifer erklärte mir, sie sei schon einige Male in Siedlungen unterwegs gewesen; mit ihr zusammen haben wir längere Zeit verschiedene Themen besprochen, die vor allem in meinem vorherigen Interview bei Deine-Korrespondentin.de aufgekommen waren (wie gut, dass es dieses Interview damals gegeben hat!). Fragegrad – von trivial bis tricky und teilweise auch gemütaufreibend – was eigentlich auch zu erwarten war.

Die Leitlinie von bento oder von Jennifer, was Israel angeht, kenne ich zwar persönlich nicht, aber dafür sollte das Resultat dieses Gesprächs umso spannender werden. Mal schauen also, wie sehr sich SPON und bento ähneln bzw,unterscheiden (von den Talkbackisten erwarte ich alleridings schon im Voraus nicht viel Gutes).

Die ersten Fotos von der Fotosession, der ich mich im Rahmen der Reportage unterzogen habe, stelle ich schon online, die offiziellen werden dann mit der Veröffentlichung folgen. Danke an Jennifer!


 

Eine eher weniger erfreuliche Nachricht gibt es leider auch – eins der Reisebüros, mit welchen ich zusammenarbeite, hat den Besuch der Gruppe bei mir abgesagt. Wie schon das ganze letzte halbe Jahr über, sind „Sicherheitsbedenken“ angeführt worden. Solche Dinge – zuvor hatte ich dieselben Fälle mit Reisegruppen seitens der Bundeszentrale für politische Bildung – ärgern mich immer ungemein, und dabei tut es mir vor allem für die Reiseteilnehmer selbst leid.

Der Ärger kommt auf, wenn ich von den Reiseveranstaltern neben der Absage für den Besuch bei mir höre, dass für diese Gruppen trotz „Sicherheitsbedenken“ ein Besuch in arabisch-palästinensischen Orten eingeplant ist wie Ramallah oder gar Bet Lehem oder Bet Jalla, welche nur wenige Kilometer von mir entfernt auf der selben Autobahn liegen. Trotz der Tatsache, dass auch in der unmittelbaren Umgebung arabischer Ortschaften Touristenbusse und „Nichtjuden“ von Steinewerfern angegriffen worden sind – darunter lassen sich selbst palästinensische Politiker und christliche Geistliche finden – sind es immer wieder unsere Orte, zu denen der Zugang von offiziellen Stellen verweigert wird, so, als würde den Reisenden  gerade in der Siedlung eine Gefahr auflauern. Kein Vortrag in einem Konferenzsaal, mag er noch so lebendig gestaltet sein, kann einen tatsächlichen Besuch ersetzen und ein Gefühl für die Situation vor Ort vermitteln.

Trotzdem muss ich sagen, dass ich für auch nur die geringste Möglichkeit, mein Thema weiterzuvermitteln, dankbar bin.

Soweit also die Neuigkeiten.

 

Aktuelle Einblicke I / Die Duma-Affäre

Um ein besseres Bild von der sogenannten „Duma-Affaere“ zu erhalten, sollte ich uns alle zunaechst auf denselben Wissensstand befoerdern und die neuesten Aktualisierungen im Ermittlungsfall sowie die sich darum drehenden Ereignisse veroeffentlichen.  Kurzes Verzeichnis: 

  1. Rund um die Ermittlungen
  2. Das Hochzeitsvideo
  3. Duma-Fall – Fortsetzung
  4. Letzter Stand der Ereignisse

Rund um die Duma-Ermittlungen

Gleich zu Beginn der Woche (28.12) liessen die groesseren israelischen Nachrichtenseiten Channel 2 und YNET im Namen des Inlandsgeheimdienstes verlauten, noch in dieser Woche wuerden die ersten Anklageschriften gegen die inhaftierten Verdaechtigen im Fall Duma veroeffentlicht werden.  Dies wuerde zumindest zu einem Teil die Geruechtekueche lahmlegen, welche seit mehreren Wochen um die Verdaechtigen, ihre Identitaet und die Schwere ihrer Anklage brodelt.

Um noch einmal die bisher bekannten Fakten in Erinnerung zu rufen: Vor knapp einem Monat veroeffentlichte der Inlandsgeheimdienst Shin Bet (Shabak) eine Meldung, welcher nach die ersten Verdaechtigen im Fall der Brandbombenattacke im arabischen Dorf Duma in Samaria, bei welcher drei Mitglieder der Familie Dawabshe ums Leben gekommen waren, festgenommen seien und verhoert wuerden. Der Anschlag geschah am 31.07.15, am Ort wurden ein Hassgraffiti auf Hebraeisch sowie ein Davidsstern-Zeichen gefunden, und einige der Indizien liessen darauf hindeuten, dass es sich hierbei um eine vorsaetzliche Attacke  juedischer Extremisten handeln koennte. In diese Richtung ermittelte auch seit einem halben Jahr die Abteilung fuer juedisch-nationalistische Verbrechen des Shin Bet.

In den Verhoerraeumen des Shin Bet wurden seit etwa einem Monat mehrere Verdaechtige festgehalten und verhoert, es handelte sich um ein knappes Dutzend, davon einige Minderjaehrige (offizielle Angaben wurden nicht gemacht). Die Verdaechtigen wurden von Anwaelten der Menschenrechtsorganisation „Honenu“ vertreten, welche sich verstaerkt fuer Israelis aus der Siedlerbewegung einsetzt. Alle Festgenommenen befanden sich in sogenannter Administrativhaft, welche verhaeuft bei palaestinensischen Tatverdaechtigen angewandt wird und die es ermoeglicht, bestimmte Personen, die in einen Tathergang involviert sind bzw. wichtige Informationen zu Terrorverbrechen besitzen, ohne Anklage, Prozess oder Zugang zum Anwalt fuer eine bestimmte Zeit festzunehmen und zu verhoeren. Dabei gibt es im israelischen Recht das Prinzip der Sonderregelung fuer sog.„Tickende Zeitbomben“, wobei Verdaechtige, die direkt in Anschlaege verwickelt sind bzw. Informationen besitzen, deren Freigabe die unmittelbare Rettung von Menschenleben bewirken kann, auch unter Einsatz von starkem physischen und psychologischen Druck verhoert werden koennen.

Vor etwa anderthalb Wochen wurde in den ersten Medien der Verdacht geaeussert, die Verdaechtigen wuerden von den Ermittlungsbeamten waehrend der zahlreichen Verhoere gefoltert werden.  Die Meldung erreichte schnell die israelischen Mainstreammedien und wurde grossflaechig aufgerollt. Die Anwaelte der Organisation „Honenu“, welche erst 21 Tage nach der Inhaftierung mit den Verdaechtigen sprechen konnten, schilderten vor laufenden Kameras die Details der brutalen Behandlungen, welche ihrer Behauptung nach ihre Mandanten erlitten haben sollten. Saemtliche oeffentliche Personen, von Knessetmitgliedern bis religioesen Autoritaeten und Journalisten aeusserten sich zu dem Verdacht, ebenso israelische Menschenrechtsorganisationen wie ACRI. Die meisten von ihnen verurteilten eine moegliche Anwendung von Terror unter Vorwand des Gestaendniseinholens. Andere wandten sich allerdings gegen den Verdacht und die aufkommenden Anschuldigungen gegen die Vorgehensweise des Shin Bet. (Mehr darueber kann in diesem Artikel nachgelesen werden.)

Waehrend die Presse lebhaft das Thema diskutierte, wurden innerhalb der religioes-zionistischen Gemeinschaft

Protest gegen die Folter. Tel Aviv (Quelle: Ha'aretz)
Protest gegen die Folter. Tel Aviv (Quelle: Ha’aretz)

von Aktivisten, zumeist Freunden und Bekannten der Verdaechtigen, Demonstrationen fuer die Freilassung und die Untersuchung des Folterverdachts organisiert. Sie verteilten Flugblaetter, welche zumeist den Slogan „Ein Jude foltert keinen Juden“ als zentrales Statement brachten. Einige der Vorsitzenden der Bezirksregierungen in Judaea und Samaria wandten sich mit einem Protestbrief an Premierminister Netanyahu. Knessetabgeordneter Bezalel Smotritch („Juedisches Heim„) aeusserte sich zum Thema mit der These, es existiere in Israel per definitionem kein  „juedischer Terror“, da Terror in diesem Fall einen feindlichen Angriff auf den Staat und die Gesellschat bedeuten wuerde, die juedischen Mordverdaechtigen aber nicht als Feinde, sondern als gewoehnliche Verbrecher gewertet werden sollten (INN). Er bekam starken Gegenwind aufgrund seiner Aussagen, auch aus seiner eigenen Partei.

Im Laufe der Tage folgten Rueckmeldungen von Politikern, so dem Erziehungsminister und Vorsitzenden der religioes-zionistischen Partei „Juedisches Heim“ Naftali Bennett, dem stellvertretenden Verteidigungsminister Eli Ben Dahan und der Justizministerin Ayelet Shaked (beide Parteiangehoerige von „Juedisches Heim“), welche sich zusammen mit Premierminister Binjamin Netanyahu an die Seite des Inlandsgeheimdienstes stellten und den Folterverdacht abwiesen.  Sowohl Bennett als auch Shaked beteuerten in ihren Aussagen, sie haetten nach Veroeffentlichung des Verdachts Anfragen an den Justizberater der Regierung sowie die zustaendigen Stellen des Shin Bet gestellt, welche den Ermittlungsprozess ueberwachten, und Nachforschungen in die Wege geleitet. Aus diesen haette sich ergeben, dass der Shin Bet nach Recht und Gesetz gehandelt habe, auch gegenueber den inhaftierten Minderjaehrigen.

Die Jerusalem Post zitierte am 22.12. den Minister Bennet folgendermassen:

„So wie ich dem Shin Bet vertraue, wenn er die Moerder von Juden jagt, so vertraue ich ihm auch in diesem Fall  – aber nicht ohne nachzupruefen und nachzufragen, und genau das tue ich auch. (…) Wenn man eine schlafende Familie verbrennt, so ist das ein Terroranschlag. Bei einem Terroranschlag tut man alles, was man kann, um die Verantwortlichen ausfindig zu machen. Man tut alles, im Rahmen des Gesetzes.“

Ebenso kommentierte Bennett die Proteste, vor allem aus den Reihen der Siedlerbewegung, welche gegen den Shin Bet aufgekommen waren:

„Du kannst nicht verleugnen, was vor deinen Augen passiert, weder die „Price Tag“-Aktionen (Vandalismus-Vorfaelle seitens juedischer extremer Gruppierungen, welche mit der sogennanten „Huegeljugend“ assoziiert werden, Anm.DS), noch die Morde in Duma, noch den Mord des Jungen (Mohammed Abu Khdeir) in Jerusalem. Es gibt dort eine neue Herangehensweise, welche von einigen gestoerten Anarchisten verfolgt wird in der Absicht, die Verbindung zwischen dem juedischen Volk und dem Staat Israel zunichte zu machen. (…) (Diese Herangehensweise ) ist das komplette Gegenteil von dem, wonach religioeser Zionismus gestrebt hat, seit er von Rabbiner (Avraham Yitzhak) Kook ins Leben gerufen wurde.“

Premierminister Netanyahu liess verlauten, die laute „Hetze“ der rechtsgerichteten Organisationen und oeffentlichen Personen gegen den Inlandsgeheimdienst, welcher sich pausenlos fuer die Sicherheit der israelischen Buerger einsetze, waere nicht akzeptabel. In sozialen Netzwerken wurde Bennett vielfach als Marionette des Shin Bet beschimpft und seine Aussagen als Verrat an der Loyalitaet zu „seiner Waehlerschaft“ aufgenommen. Es folgten sogar Drohungen, sodass am 26.12. Channel 2 und weitere Medien berichteten, dass die Bewachung um Bennett verstaerkt werden wuerde.


Das Hochzeitsvideo

Videoausschnitt. Quelle: Mako
Videoausschnitt. Quelle: Mako

Am 23.12. veroeffentlichte das israelische Channel 10 als Erstes ein Video von einer religioesen Hochzeit in Jerusalem, in welchem man eine grosse Menge feiernder Maenner, jung und alt, sehen konnte, welche im Saal zu einem Lied mit einem religioesem Rachemotiv mit erhobenen Gewehren, Pistolen, Messern und sogar einer Brandbomben-Attrappe in den Haenden voller Euphorie tanzten und sangen. Im Video ist ausserdem zu sehen, wie ein mit Kapuze bedeckter Tanzender das Bild des ermordeten Babies Ali Dawabshe hochhielt und es nach einigen Minuten Tanz

Quelle: Ynet. Im roten Kreis: Das Bild von Ali Dawabshe
Quelle: Ynet. Im roten Kreis: Das Bild von Ali Dawabshe

mit einem Messer durchstach. Die Hochzeit, die in Wirklichkeit einige Wochen vor Veroeffentlichung des Videos stattgefunden hatte, bekam schnell den Titel „Die Hasshochzeit“ verpasst und loeste eine Furore aus. Von allen Seiten des politischen Spektrums hoerte man schockierte Rueckmeldungen. So kommentierte der Knessetabgeordnete Bezalel Smotritch („Juedisches Heim“), welcher zuvor erklaert hatte, es wuerde sich beim Mord in Duma nicht um um einen Akt des Terrors handeln:

„Widerlich. Die boese Ideologie der „Price Tag“-Attacken ist nicht der Leitweg des religioesen Zionismus, Punkt. Wer das nicht versteht, der soll sich das Video ansehen, das Channel 10 veroeffentlicht hat. (…)

Dieser seltsame Tanz mit dem Bildnis des im Schlaf getoeteten Babies repraesentiert eine gefaehrliche Ideologie und den Verlust der Menschlichkeit. Es ist unsere Aufgabe, diese Ideologie und dieses Verhalten auf schaerfste Weise zu verurteilen und klarzumachen, dass es nicht Teil der Siedlerideologie und des religioesen Zionismus ist, und ebenso keinen Teil im Rahmen der legitimen demokratischen Ausdrucksfreiheit im Staat Israel darstellt.“

Ein Hochzeitsbesucher und offenbar Anhaenger der radikalen Kach-Partei. (Quelle: Mako)
Ein Hochzeitsbesucher und offenbar Anhaenger der radikalen Kach-Partei. (Quelle: Mako)

Bei der besagten Hochzeit wurden die Kinder der Familien Aschbal und Goldberg getraut. Beide Familien waren in der extremen Szene innerhalb der Siedlerbewegung bekannt. Einer der geladenen Gaeste, welchen man im Clip erkennen konnte, war der Anwalt Itamar Ben Gvir aus der Organisation „Honenu“. Als dieser in einem Interview nach der Enthuellung zur Rede gestellt wurde – insbesondere angesichts der „Messerattacke“ im Video auf das Abbild von Ali Dawabshe, sagte er (NRG):

Rechtsanwalt Itamar Ben Gvir. Quelle: INN
Rechtsanwalt Itamar Ben Gvir. Quelle: INN

„Das ist eine dumme Tat, aber ich verstehe nicht, warum man von jetzt an die gesamte ‚Huegeljugend‘ fuer diesen Tanz verantwortlich machen will. Wenn ein Araber ein Attentat gegen einen Juden ausuebt, im Vergleich zu einem daemlichen Tanz, dann kommen und sagen uns alle Linken, verallgemeinert nicht, macht nicht alle zu Schuldigen. Und hier werden prompt alle ‚Huegeljugendlichen‘ schuldig gesprochen, und ein ganzer Chor von Heuchlern, der mit Freundschaftsumarmungen auf Abu Mazen (Mahmud Abbas) zulaeuft, der Strassenkreuzungen nach Selbstmordattentaetern benennt, schreit hier den Schrei des beraubten Kosaken.“

Ausserdem behauptete Ben Gvir, er habe aus der Entfernung, wo er getanzt habe, das Bild und das Messer nicht sehen koennen. Zudem fuehrte er an, dass die Tatsache, dass private Aufnahmen einer Hochzeit vom Inlandsgeheimdienst und den Sicherheitskraeften konfisziert worden waren, um diese anschliessend der Presse zu uebergeben, eine zivilrechtliche Klage nach sich ziehen koennte. Das Schlimmste aber, so Ben Gvir, sei, dass durch das passende Timing der Veroeffentlichung von der Folteraffaere abgelenkt werden wuerde, um diese ungestoert fortsetzen zu koennen.

In den Tagen nach der Veroeffentlichung offenbarten sich weitere Details zu dem Hochzeitsvideo, welches auch „Bluthochzeit“ von manchen Medien genannt wurde. Diese brachten allerdings mehr zur Verwirrung als zur Klaerung des Falls bei, da das offizielle Narrativ der „gewalttaetigen Extremistenhochzeit“ nun von Details angefochten wurde, die eher auf andere Moeglichkeiten hindeuteten:

So enthuellte man in den News-Outlets von Ynet und Kikar Hashabat den Inhalt mehrerer SMS, welche der Vater des Braeutigams, Shachar Aschbal, und ein Shin Bet-Koordinator noch am Tag der Hochzeit ausgetauscht hatten. Der Koordinator beglueckwuenschte ihn. Der Vater bat diesen, nicht mit einer Vermummungsmaske zur Hochzeit zu kommen, weil dort auch aeltere Menschen dabei seien. Dieser erwiderte, der Vater solle nicht zuviel trinken. Darauf der Vater: „Maximum wirst du mich nach Hause bringen, du muesstest ja wissen, wo ich wohne.“

Ausserdem wurde in einem anderen Beitrag der Saalbesitzer in Jerusalem interviewt, und dieser berichtete, waehrend der Hochzeit seien in den Saal mehrere dutzend Shin Bet- und Polizeibeamte in Zivil gestroemt und waeren bei dem besagten gefilmten Tanz dabei gewesen, haetten allerdings nichts unternommen.

⇒ Wie lautete die Rueckmeldung des Shin Bet auf die Enthuellung der SMS?

„Im Zuge der regulaeren Vorgaenge zur Terrorvermeidung halten Shin Bet-Beamte von Zeit zu Zeit Kontakt zu den Familien der Verdaechtigen, welche bei gewalttaetigen und radikalen Aktivitaeten auffaellig werden. Das wird getan, um durch deren Unterstuetzung die Aktivitaet der Verdaechtigen zu maessigen und diese zu normativem Verhalten zu fuehren.“

◊◊◊

Auch die Rueckmeldungen der Familien wurden in der Presse veroeffentlicht.

⇒ Das hatten die Eltern des Brautpaares zum Hochzeitsvideo zu sagen:

Lenny Goldberg, Vater der Braut (eine Audioaufnahme mit dem Inhalt wurde den Walla!-Nachrichten zugespielt, 24.12.15):

„Die ganze Angelegenheit mit der Hochzeit diente dazu, den Shin Bet aus der Patsche zu helfen, um die Jugendlichen weiter zu quaelen. Die oeffentliche Meinung war gegen den Shin Bet, und die Hochzeit soll jetzt alles legitimieren, was sie tun. Das ist alles euer Spiel, um ihr Blut fliessen zu lassen. Ich habe mit allen getanzt, in Freude, ich habe an nichts gedacht. Denkst du, das sei die einzige solche Hochzeit? Ja, Juden koennen auch manchmal Kaempfer sein, sie sind nicht immer die Verlierer, die sterben muessen.

– Das war spontan (das Foto von Dawabshe und das Messer? Unklar, Anm.DS), es gab ein Programm – eine Band, die Hochzeitszeremonie und ein Tanz mit den Waffen. Was ist so schlecht an Waffen? Was, Juden koennen nicht mit einer Waffe sein, sie muessen immer mit einem Messer im Ruecken sein? (…) Nein, ich denke nicht, dass das in Ordnung gewesen ist (das Messer im Foto), aber Duma ist mir egal. Mich interessieren Juden, die tagtaeglich umgebracht werden, wie heute und gestern auch. Was ist deine Obsession mit Duma und mit Arabern? Was ist mit all den Juden, die umgebracht werden? Dich interessiert das Baby von Duma? Mich interessiert es nicht, mich interessieren die Juden, die umgebracht werden. Und weil sie umgebracht werden, erheben sich Leute, um etwas zu tun, was die Armee tun sollte, wenn sie es denn getan haben. Ich weiss das nicht. 

Wenn sie es denn getan haben, dann sind sie nicht anders als die Volkshelden von damals, die Leute von der Etzel, von der Lechi (Untergrundorganisationen vor der Staatsgruendung), die das Gesetz in die Hand genommen haben, als juedisches Blut vogelfrei gewesen ist. (…) Ich entschuldige mich nicht, ich verurteile nicht. Ich bin keiner, der verurteilt.“

 

Shachar Aschbal, Vater des Braeutigams (Armeeradio, 24.12.15):

„Wir fuehlen uns sehr bedraengt. Man hat unsere Privatspaehre verletzt, das war eine private Veranstaltung. Das ist ein elendes Video, es repraesentiert nicht unsere Anschauungen und wir verurteilen es. (…)

An diesem Abend hatte ich nicht mitbekommen, was vor sich ging, ich ging um die Gaestetische herum, es war ein gluecklicher Tag, das ist unser erster Sohn gewesen, den wir verheiratet haben. Im Nachhinein habe ich von den Anwesenden gehoert, es waere das und das gewesen; ich habe Gaensehaut bekommen und sagte auch, haette ich das gewusst, haette ich es gestoppt. Das war ein solches Lied, ein aufruehrerisches Lied, das zur Rache aufruft, es stammt von Samson aus dem Buch der Richter. Das Lied wird auch auf saekularen Hochzeiten gespielt; und das Ganze in der Atmosphaere der letzten Tage… (…) Ich war selbst sehr ueberrascht. Das war ein solches Lied und alle anderen waren normal, das war eine Sache von 2 Minuten.

Radio: Hattest du gesehen, wer das Bild und das Messer gehalten hat?

Ich habe nichts gesehen. Es waren viele Jugendliche, wir kannten einen Teil nicht. 

Radio: Das waren eure Gaeste, ihr kanntet sie nicht

Ueberhaupt nicht, es kamen Jungen von ueberall her, sogar mein Sohn meinte, er kenne viele von denen nicht. Es kann sein, dass es waehrend des Events provoziert wurde. (…)

Radio: Es wurden auch Gewehre gehoben, hattest du das nicht gesehen?

Ich hatte nichts mitbekommen, ich war ganz in meine Freude vertieft. Aus der Ferne habe ich gesehen, wie Schilder hochgehalten wurden, ich dachte, es waeren Schilder mit den Bildern der Festgenommenen oder der letzten Terroropfer gewesen. (…) Im Nachhinein hatte uns das keine Freude gemacht, wir waren sehr wuetend darueber. Aber ich habe das Gefuehl, dass jemand das mit schlechten Absichten veroeffentlicht hat, absichtlich, um Schaden zu bewirken. Das war unsere private Veranstaltung. 

Radio: Bei allem Respekt fuer eure Privatsphaere, aber vielleicht war es wichtig, dass  man das gesehen hat und weiss, dass es dieses Phaenomen gibt, denkst du nicht? 

Ja, es handelt sich hier um einige Wenige, die Dinge tun, die nicht ehrenhaft sind. Aber man macht davon nun Gebrauch, um alle damit schlecht zu machen und zu verallgemeinern. Das ist nicht in Ordnung. (…) Einen Teil kannten wir, einen anderen nicht, das war in einer Situation der Begeisterung, der Extase, jede Hochzeit kennt diese Extasen. Aber der Rest der Hochzeit verlief entspannt, mit schoenen Liedern. Man nutzt das jetzt, um gegen eine bestimmte Gemeinschaft zu hetzten, vielleicht, um von der Folteraffaere abzulenken…

Radio: Weisst du, ob das auch auf anderen Hochzeiten stattfindet, nur wird das dort nicht oeffentlich?

Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass speziell dieses Lied so eine Erregung hervorruft. Man sagte mir auch, das wuerde auch einen Effekt bei nichtreligioesem Publikum haben. (…) Ich habe es wirklich nirgendwo mehr gesehen, ich bin ehrlich. Wir sind normative Menschen, wir haben moralische Werte, wir dienen in der Armee, lieben den Staat, haben uns fuer ihn aufgeopfert, es repraesentiert uns nicht. Man hat hier Rufmord begangen, unseren Namen schlecht gemacht, und das ist nicht fair. Es gibt so etwas wie Privatsphaere. (…) Es tut weh, dass man sich mit diesen Aufnahmen jetzt mehr beschaeftigt, anstatt auch ueber andere Dinge zu berichten, beispielsweise ueber aktuelle Terrorattacken. (…)

Radio: Aber verstehst du, was fuer Entsetzen das ausloest, wenn man sich diese Aufnahmen anschaut?

Es tut uns weh, wir entschuldigen uns, wir verurteilen es. Wir sind wuetend auf diejenigen, die es ohne unser Wissen getan haben.

Radio: Man nennt es schon „Die Bluthochzeit“.

Das schmerzt sehr! Das ist die Hochzeit meines Sohnes, man will, dass es Freude bereitet. Menschen lieben es nunmal, auf dem Blut von anderen zu tanzen! Und zu unserem Leidwesen, anstatt zu uns zu kommen und uns zu stuetzen und zu sagen, wir wissen, es ist nicht leicht, es war nicht unsere Schuld, gehen Juden hin und nennen es „die Bluthochzeit“.

◊◊◊

Wie das Portal NRG heute (29.12) berichtete, wurde mittlerweile der erste Verdaechtige aus dem „Hochzeitsvideo“ festgenommen. Er soll aus der Siedlung Kfar Tapuach stammen. Nachdem das Video ans Licht gekommen war, hatten die Polizei aus der Judaea und Samaria-Abteilung sowie die Armee Ermittlungen eingeleitet, um den ihrer Aussage nach den „zahlreichen Gesetzeswidrigkeiten“, die im Videoclip zu sehen waren, nachzugehen – darunter das Weitergeben von Feuerwaffen in die Haende von Jugendlichen, und die Anstiftung zu Hass (Ha’aretz, 24.12.15).


Duma-Fall – Fortsetzung

Zurueck zum Duma-Fall. Bisher hatte sich der Shin Bet einer Stellungnahme bezueglich seiner Verhoermethoden im Fall Duma enthalten. Am 24.12. brachten die Zeitung Ha’aretz, ebenso wie Ynet und andere Medien die erste offizielle Aeusserung des Inlandsgeheimdienstes. In dieser wies der Shin Bet die Anschuldigung der Anwaelte von „Honenu“  von sich, die Verdaechtigen waeren  erniedrigt, angespuckt oder sexuell belaestigt worden und es waere ein Suizidversuch von einem der Inhaftierten vorgenommen worden (Ha’aretz). Allerdings gab er zu, dass einige der Verdaechtigen nach der Sonderregelung der „Tickenden Zeitbombe“ verhoert wurden, mit allen daraus folgenden Konsequenzen in Druckanwendung waehrend der Verhoere (siehe Erklaerung oben). Waehrenddessen traf sich auch der stellvertretende Justizberater der Regierung, Raz Nazri (Interview mit ihm auf Deutsch hier), mit den Verdaechtigen.

Im Laufe der gesamten letzten Tage forderten die Familien und Verwandten der Verdaechtigen von den offiziellen Stellen, einen unabhaengigen Untersuchungssausschuss zu den Folteranklagen aufzustellen (Channel 2, NRG).

Am Abend des 27.12 wurde ich Zeugin einer Demonstration auf der King George-Strasse in Jerusalem. Erwachsene, Jugendliche und 1045115_10154000618716842_6876299559811281072_nKinder, an ihrem Aeusseren als nationalreligioes zu erkennen, standen  an der Ampel Ecke King George-Strasse und Ben Yehuda-Passage, hielten Plakate hoch, auf welchen in Rot und Schwarz „Ein Jude foltert keinen Juden“, „Es gibt keinen juedischen Terror, sondern einen arabischen Terror“ und „Wir sind alle Brueder“ geschrieben stand. An einem Baum war ein Schild angelehnt, auf dem geschrieben stand, “ wir wollen einen Staat nach der 10012496_10154000618521842_5733765269339165516_nTora!“, aber dieses wurde offenbar nicht zugelassen, um Provokationen zu vermeiden. Einige hielten Reden. Ein lokaler Bettler stand auf der anderen Seite der Strasse und schrie auf die Demonstranten ein, sie wuerden gegen den Staat Israel vorgehen und seien alle insgesamt Boesewichte.

Die Demonstration verlief friedlich. Ich stellte mich zu einigen der 1936538_10154000618846842_1934651845488239411_nJugendlichen hin und wir verfielen in eine Diskussion ueber die Legitimation der Folter gegenueber der Schwere des Tatverdachts. Die Maedchen, mit welchen ich sprach, beteuerten mir voller Eifer, sie und ihre Bekannten wuerden zuverlaessige Quellen haben, welche die Folter bestaetigten. Ausserdem koennten sie nicht glauben, dass es tatsaechlich Juden gewesen waren, und dass die Indizien gegen dies sprechen wuerden. Sie waren sich nicht einig, ob bei besonders schweren Verbrechen nun Foltermethoden zur Lebensrettung angewandt werden sollten oder nicht, und sagten, es wuerde sich hier nicht um einen solchen Fall handeln. Ausserdem zeigten sie eine generell negative Grundeinstellung dem Shin Bet und den entsprechenden Organen gegenueber, welche, so sagten sie, sowohl in der Vergangenheit als auch jetzt Anschuldigungen fabrizieren und Gestaendnisse erzwingen wuerden.

◊◊◊

Was zunaechst als verantwortungslose Verleugnung der Realitaet klingen mag, laesst sich durchaus nicht ganz so leicht aus der Welt raeumen. Auch die bekannte Jerusalem Post-Publizistin Caroline Glick („The One State Solution“) ging in ihrer Kolumne „Israels hausgemachte Feinde“ am 24.02 gegen den Folterverdacht auf die Tatsache ein, dass in der Vergangenheit mehrfach bekannt geworden war, dass der Shin Bet internen Anweisungen zufolge V-Leute als Provokatoren einsetzte und Aktionen inszenierte, um auf deren Basis gegen unliebsame Kritiker in der nationalreligioesen Szene vorzugehen. Eins solcher Beispiele, so schrieb Glick, war die juedische Pseudo-Terrorgruppe namens

Agent Avishai Raviv ("Champagne") auf einer Anti-Rabin-Demonstration 1994. Quelle: News1
Agent Avishai Raviv („Champagne“) auf einer Anti-Rabin-Demonstration 1994. Quelle: News1

„Eyal“, welche von Shin Bet-Agent Avishai Raviv (Code-Name: Champagne) in 1994 zusammengestellt wurde, zu einer Zeit, als das nationalreligioese Lager vehemente Kritik an den Oslo-Vertraegen uebte und sich gegen diese stellte. Auch das beruehmte Bild von PM Yitzhak Rabin mit einer Naziuniform bei einer Anti-Oslo-Demonstration  war das Handwerk Avishai Ravivs. Die Organisation flog auf, ebenso wurde die Identitaet Ravivs enthuellt. In ihrem Text verurteilte Glick allerdings mit aller Schaerfe die Versuche, die „auf eigenem Mist gewachsenen“ Extremisten und Feinde des israelischen Staates mithilfe der Folteranklagen als die eigentlichen Opfer darzustellen.


 

Zum letzten Stand der Ereignisse:

Gestern (28.12) wurde die erste offizielle Anklageschrift gegen einen der Verdaechtigen veroeffentlicht (NRG). Allerdings handelte es sich dabei nicht etwa um den Fall Duma, sondern einen schon laenger her liegenden Fall von einer angeblichen gewalttaetigen Auseinandersetzung des Angeklagten mit einem Polizeibeamten. Dem Angeklagten wurde Hausarrest verordnet. Nach Angaben von „Honenu“ wurde er 29 Tage festgehalten, von welchen er 17 Tage lang keinen Anwalt sehen durfte.

In der Familie und in der Organisation „Honenu“ reagierte man empoert auf die Wendung der Ereignisse:

„Nach 30 Tagen, in welchen unser 17-jaehriger Junge brutale Quaelerei erlitten hat, welche auch Erniedrigungen und Gewalt beinhaltete, stellte sich heraus, dass unser Sohn in einem alten Fall angeklagt wurde. Die gesamte Rechtfertigung, welche der Shin Bet fuer sich einholte, um unseren Jungen zu quaelen, als sei er des Mordes in Duma verdaechtigt gewesen, beweist unsere Behauptung, dass der Shin Bet Gebrauch von Luege und Betrug gemacht hat, und das gegenueber dem gesamten Rechtswesen und der Obrigkeit. Wir fordern erneut, dass ein parlamentarischer Ausschuss in Beisein von Abgeordneten die Grausamkeit und den Betrug der ‚juedischen Abteilung‘ des Shin Bet untersuchen soll (…)“.

 

 

 

Die Siedlerdeutschen, Annonce

Liebe Leser.

Wie wir alle mittlerweile schon wissen müssten – irgendwo im wilden Westjordanland, hinter allen grünen Grenzen, liegen  geheimnisvolle und gefährliche Betriebe. Sie nennen sich die Siedler-Fabriken. Und diese gemeingefährlichen Siedler-Fabriken produzieren  lauter illegale Güter, welche eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellen. Etwa wie die ebenso geheimnisvollen Atomanlagen des Iran, nur noch furchteinflößender.

Diese illegalen Güter sind die eigentliche Waffe der Zionisten, die hinter der Weltverschwörung stecken und Welt in ihre Gewalt bringen wollen – wie die Juden von damals, aber das darf man ja nicht sagen. Auf der Abschussliste der Fabrikbetreiber stehen ganz oben die Palästinenser, die Ureinwohner des Heiligen Landes Palästina, welche dort schon zehntausend Jahre lang friedlich zu leben versuchen, aber von den Zionisten und den Siedler-Fabriken brutal unterdrückt werden.

Quelle: A voice from palestine
Quelle: A voice from palestine

Was macht aber eine Siedler-Fabrik? Sie produziert Güter und bringt sie unter die Kontrolle der Siedler. Was dem ganz normalen Alltagsmenschen als ganz normales Alltagsgut erscheint, ist in Wirklichkeit made by Siedler!

Zum Beispiel: Das Siedlerauto, der Siedlerbus, die Siedlerstraßen, die Siedlerhäuser, die Siedlerbücher und die Siedlerparteien, die von Siedlerführern (schon der Klang des Wortes lässt Gänsehaut aufkommen!) geleitet werden. Es gibt heutzutage auch Siedlerprodukte wie Siedlerobst, Siedlergemüse und den Siedlerwein. Zum Glück sind die Freiheitskämpfer der Europäischen Union den Plänen der Fabrik auf die Schliche gekommen, und konnten den Siedlerwein und das Siedlergemüse ausfindig machen und kennzeichnen.

(Es gibt sogar einen Siedler-Verlag – aber der befindet sich in Deutschland und verlegt – oh Wunder! – keine Siedlerbücher etwa, sondern Bücher wie „Es war einmal ein Palästina“ des israelischen Historikers Tom Segev – linksgerichtet, aber empfehlenswert. Na, wenigstens wurde dieser noch von den Zionisten verschont…)

Aber auch ganz normal wirkende Menschen können von der Marke

Quelle: salem-news.com
Quelle: salem-news.com

in Besitz genommen worden sein. So gibt es eine große Anzahl von Siedlerkindern, Siedlerjugendlichen und Siedlerpaaren oder auch Siedlereltern – alle zusammen heißen sie Siedlerfamilien. Die Mütter der Familien, die Siedlerfrauen, sind wie ihre Männer und die Siedlerführer alle im Schießen geübt. Habt ihr das schon gewusst?

Jetzt haben wir also schon viel von Siedlerjuden gehört. Die mit der Fabrik und der Weltverschwörung. Aber hättet ihr gedacht, dass die fanatische und angsteinflößende Siedlerbewegung auch bei anderen Völkern und Staaten Gefallen findet?

Es gibt sie alle – Siedleramerikaner, Siedlerinder, Siedlerrussen, Siedlerperuaner, Siedleräthiopier, Siedlerjemeniten, Siedlermarokkaner und sogar Siedlersyrer.

Und jetzt kommen wir zum Hauptpunkt – es gibt auch SIEDLERDEUTSCHE!

Ja! Es gibt sie! Und sie leben mitten unter uns! Sie leben in ihren Siedlerhäusern mit ihren Siedlerkindern, trinken Siedlerwein und machen Likes unter die Facebook-Posts von Siedlerführern.

Aufgenommen beim Einkaufen in einem Siedlersupermarkt
Aufgenommen beim Einkaufen in einem Siedlersupermarkt

Einer von ihnen ist er. Er heißt Netanel von Bocksberg, kommt aus Bonn und hat sich schon vor Jahrzehnten mit den Siedlern verbündet.

In einer der nächsten Einträge des vorliegenden Siedlerblogs wird er uns seine Geschichte erzählen. Exklusiv aus dem wilden Westjordanland hinter den grünen Grenzen, der Welt der Siedlerfrauen und des Siedlerweins.

Quelle: salem-news.com
Quelle: salem-news.com

 

Randbemerkung. Zensur in Deutschland.

In diesen Tagen bin ich unwillkürlich Mitwisser eines Zensurfalls geworden, der mich etwas aufgewühlt hat. Es hat nicht wirklich etwas mit Siedlern zu tun, aber der Betroffene ist ein guter Freund von mir. Es hat auch nichts mit Israel zu tun, aber im Fall dreht es sich um Juden. Ohne Namen zu nennen, Linkverweise zu geben, auf bestimmte Medien hinzuweisen, möchte ich nur sagen, dass ich nun ein weiteres Mal aus meinem nahen Umfeld die Bestätigung bekommen habe, dass deutsche Medien zensieren. Nein, nicht die Redakteure, die einen Artikel von seinen wesentlichen Inhalten befreien, oder durch ihre Schlagzeilen den Inhalt verdrehen, das ist alles hinreichend bekannt und gar nicht mehr Aufsehen erregend. Es geht um tatsächlich schwerwiegenden Eingriff in die Meinungsfreiheit und das Recht der Öffentlichkeit auf Wissen.

Die letzten mir persönlich gut bekannten Fälle waren Tuvia Tenenbom, dessen ZEIT-Redakteur ihn mehrfach versucht hatte, vor dem Druck seiner Kolumnen oftmals den Inhalt zu verbieten. Auch kennt jeder, der ein wenig Berührung mit dem Buch „Allein unter Deutschen“ gehabt hatte, die Geschichte, dass der erste Verlag, Rowohlt, das Buch ehemals gar nicht drucken wollte, ohne zuvor Zensur an den Aussagen einiger Interviewpartner von Tenenbom vorzunehmen. Tenenbom pfiff darauf, und ließ es woanders abdrucken. Das Buch wurde Bestseller, der störrische Verlag wurde blamiert, und die ZEIT-Kolumnen wurden beinahe alle im Originalformat abgedruckt. Erfolgsgeschichte von einem Mann mit  Mut zu Nachdruck.

Der andere Fall war der des Ulrich Sahm, an die 40 Jahre lang Korrespondent bei sämtlichen deutschen Medien zum Thema Nahost, zuletzt bei n-tv. Wohnhaft in Israel. Spätestens seit der Eröffnung der Facebook-Gruppe „Ulrich Sahm zurück ins deutsche Fernsehen“ müsste die Öffentlichkeit wissen, dass Ulrich Sahm nicht mehr in den nationalen deutschen Medien zu finden ist. Er wurde von dort verbannt, und das nachhaltig bei sämtlichen Presseorganen, und das wegen seiner pro-israelischen Haltung. Die Details zu seiner Entlassung kann Ulrich bei Gelegenheit selbst bestätigen. Das erschwert heutzutage für den auch nicht mehr so jungen, aber noch immer auf außergewöhnlich hohem Niveau stehenden Experten die Veröffentlichung seiner Recherchen, und offenbart die ideologische Korruption seiner ehemaligen Arbeitgeber. Aber auch er hat seine Nische gefunden. Es gibt private Netzwerke wie Audiatur Online, und zum Glück hat Ulrich Sahm einen guten Namen bei dem gemeinen Volk und unternimmt regelmäßig Vortragsreisen in Deutschland, und es gibt Leute, die ihn hören wollen. ich würde mich nicht wundern, wenn es in der nächsten Zeit noch mehr davon geben wird – vorausgesetzt, Ulrich wird nicht davon absehen, weiterhin unerschrocken seine Recherchen und Kritik öffentlich zu machen. Solche, die die nationalen Medien nicht bei sich in den Publikationen sehen wollen.

Nun ist mein anonymer Freund, den ich zu Beginn erwähnt habe, weder Tuvia Tenenbom noch Ulrich Sahm, sondern nur ein Mensch mit einer bestimmten Funktion, und auch noch Jude.  Und als Jude mit Funktion, sozusagen „Funktionsjude“ (liebe nichtjüdischen Nichtzyniker, verzeiht den jüdischen Zynismus), kam er neulich mit den deutschen Medien in Kontakt, und wurde sogar von einem solchen Medium zu seinen Ansichten gefragt. Nach den neuesten Ereignissen wurde es auch in Deutschland von Interesse, was Juden in ihren Gemeinden von ihrem Leben halten. In Frankreich sagen die Juden das offen – wir fühlen keine Sicherheit, wir wandern aus, und die ersten Gruppen nach der Attacke am 13.11 kamen schon angereist (Ynet berichtete). So wurde mein Freund befragt, aber das, was er zu antworten gedachte, gefiel dem Journalisten nicht. Er wurde gebeten, seine Antworten zu revidieren. Revidieren? Ja, denn die Antwort, die er gegeben habe, würde den Terror mit dem Islam in Zusammenhang bringen. Mit dem Islam? Islamistischer Terror mit dem…? Ja. Und so musste mein Freund die Antwort umändern, und als er das tat und aus der ehemals deutlich formulierten Antwort ein geschmacks- und geruchlose Suppe geworden war, da war der Journalist sichtlich zufrieden, und brachte das einvernehmliche Endergebnis ans Volk.

Als ich das Ergebnis sah, wusste ich, dass irgendetwas faul war. Aus Privatschutzgründen kann ich es leider nicht mit euch teilen. Denn mein Freund wollte zwar noch nie ein „Funktionsjude“ sein, und noch weniger ein „Hofjude“, wie viele (und leider auch ich) so manche  jüdische Funktionäre in Deutschland und andernorts schimpfen, wenn diese das sagen, was die Politkorrektheit hören möchte. Aber er entsagte sich auch nicht des Interviews und bestand darauf, dass die Affäre nicht publik gemacht werden sollte. Und so wie hier, wissen wir nicht, sofern uns das nicht zufällig über den Weg läuft wie mir, wie viele andere öffentlich zitierte Menschen dazu gebracht wurden, ihre Meinungen zensiert und umgeschrieben zu bekommen. Und damit einverstanden gewesen waren, aus Angst, ihren Namen, ihre Stelle, ihren Einfluss? zu verlieren. Denn dann werden sie auch das bisschen Gutes, das sie im kleinen Umfeld vielleicht noch bewirken können, nicht mehr tun können.

Und für uns von außen, die wir nicht immer hinter den Kulissen sein können, erscheint alles freundlich und harmonievoll, und aufeinander abgestimmt. Manchmal sagen wir auch, abwinkend, „die wurden dafür bezahlt“. Mein Freund wurde für das Schwanzeinziehen, vor das er gestellt wurde, nicht bezahlt.Und so sehr ich mich für sein Schwanzeinziehen schäme, so tut es mir auch weh, zu wissen, wie sehr Zensur Teil unseres Alltags darstellt. Und dass viele gute Menschen, die etwas mehr zu verlieren haben als Blogger wie ich, vor ihrer Diktatur einknicken.

Es ist keine allzu große Leistung, als Privatperson einen Blog aufzumachen (in meinem Fall sogar in einem fernen Land) und dort all das frei heraus zu posaunen, was die öffentlichen Medien bei sich nicht haben wollen. Mein Blog hat nun beinahe 70.000 Besucher, fast 1000 Kommentare, ich bekomme wöchentlich und manchmal mehrmals in der Woche private Mails mit Lob und Unterstützung, werde interviewt und führe Gespräche mit deutschsprachigen Gruppen im Namen einer Bundesinititative (BpB, siehe hier). Und als Bloggerin und Privatperson sage ich dort das, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann, und niemand schreibt mir vor, was ich zu sagen habe. Es mag mutig klingen – aber eigentlich ist es das nicht. Denn ich brauche keine Konsequenzen zu fürchten – nicht von der Zielgruppe, für die ich schreibe und vor welcher ich auftrete.

In Deutschland sitzen Menschen mit klugen Gedanken und guten Herzen, und auch sie würden gerne das sagen, was ihnen auf den Lippen liegt und in der Seele schmerzt. Aber Deutschland scheint kein Land zu sein, das Diskussion stärkt, das Nonkonformismus akzeptiert, in welchem ein Konzensus einfach übergangen werden kann. Ein wenig haben die sozialen Netzwerke den staubigen Vorhang, der die deutsche Meinungsfreiheit umhüllt, angehoben. Aber der Lichtstrahl, der unter dem Vorhang hervorbricht, ist noch zu klein, und die Luft noch immer nicht erstickend genug, als dass Menschen effektiv nach Frischluft suchen würden.

Zensur hin oder her. Jeder ist im Endeffekt verantwortlich für das, was er sagt, schreibt, oder zu sagen und zu schreiben unterlässt. Jeder hat nur die Kräfte, die ihm zur Verfügung stehen, um etwas zu bewirken, und die nur eigene freie Wahl. Ein jüdisches Sprichwort besagt, „wenn Zusya in den Himmel kommt, wird Gott ihn nicht fragen, ‚wieso bist du nicht wie der Prophet Moses gewesen?‘, Er wird ihn fragen, ‚wieso bist du nicht Zusya gewesen?'“

Ich habe mit euch in dieser Randbemerkung diese Episode aus meinem Alltag geteilt, weil es mich persönlich berührt und getroffen hat, und ich würde wollen, dass wir, vor allem auch ich, etwas aus dieser Geschichte mitnehmen.

Was, das kann jeder für sich selbst entscheiden. Die Gedanken sind schließlich frei.