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Dieses Jahr an Purim – Party in Teko’a

Jedes Purim-Fest wird etwas anders gefeiert. Das Fest der Rettung der jüdischen Diaspora im Persischen Reich durch die jüdische Königin Esther und ihren Onkel Mordechai, die Schicksalswandlung für die Juden in Persien und Midien und der Hauptstadt Shushan (Shosh) und die Abwehr ihrer Feinde nach dem Auffliegen des Vernichtungsplans von Großvisier und Judenfeind Haman  – heute, viele Generationen später, hat Purim viele zusätzliche praktische und geistige Elemente als Feiertag erhalten, spirituelle Erzählungen und Erklärungen haben sich darum gesammelt, Bräuche wie selbstvergessenes Trinken und Verkleidungsumzüge füllen diesen überaus fröhlichen und sozialen Feiertag. Im ganzen Land Israel und in der Diaspora feiern alle Juden gemeinsam – außer den Bewohnern von Jerusalem und seiner unmittelbaren Umgebung. Diese feiern, der Tradition und der Niederschrift in der Esther-Rolle entsprechend, einen Tag danach – etwas, was sich bis heute hält!

Jedes Purim verbringe ich anders. Das vorletzte Jahr war ich, als Pippi Langstrumpf verkleidet, in Hevron bei der jüdischen Gemeinde und habe hier darüber berichtet – und auch über die Bräuche und meine persönlichen Erlebnisse an diesem Tag. Das letzte Jahr verbrachte ich bei einer Ladies Night Party in unserem nahegelegenen Vergnügungspark „Eretz Ha’Ayalim“ und hatte mich, in einer Hommage an meine Lieblingshaustiere, als Katze verkleidet (leider finde ich keinen Bericht dazu).

Natürlich auch mit Tamburin. In der lokalen Synagoge in Alon Shevut

Dieses Jahr wollte ich, infolge meiner Wissenserweiterungen bezüglich des Arabischen und der arabisch-palästinensischen Bevölkerung, etwas Ausgefalleneres als Kostüm wählen und auch diesmal wollte ich feiern gehen. Also fuhr ich, nach einiger Beratung mit lokalen Freunden, nach Bethlehem und handelte mir dort mithilfe eines Freundes ein nicht allzu teueres, aber qualitatives traditionelles Kleid einer arabischen Dorfbewohnerin aus der Gegend von Bethlehem aus. Das sogenannte „Thob Falastini“ wird usprünglich per Hand mit einem jeweils ortstypischen Dekorationsmuster, „Tatreez“ genannt, verziert (in meinem Fall natürlich maschinell…sonst müsste man über ganz andere Preise sprechen) und dazu gehören generell noch ein Schal und eine Kopfdekoration. Ich habe dabei die Kopftuchalternative „Hijab“ (einfaches muslimisches Kopftuch) gewählt und den Gürtel auf Empfehlung der Verkäuferinnen in der Bethlehemer Einkaufsmeile zu einem Kopfschmuck umfunktioniert und das Ganze dann mit Stecknadeln auf dem Kopf zusammengebastelt.

In der Synagoge vor dem Lesen

Der Effekt war ganz ansehnlich. In der Synagoge, am Abend, beim Lesen der Esther-Rolle, waren die Reaktionen zumeist als „Begeisterung“ zu deuten; viele waren überrascht, denn wenn sich bei uns jemand als „Araber“ verkleidet (und das taten in diesem Jahr bei uns und generell im ganzen Land sehr viele), dann ist meistens die Keffiyah das Hauptkleiderstück, und dann natürlich die Beduinenroben, aber

In der Synagoge vor dem Rolle-Lesen

keine „palästinensische Nationaltracht“. Ich denke, im Allgemeinen kann man alle Reaktionen zusammengezählt (frühmorgens in der Siedlung;in der Synagoge; auf der Bushaltestelle; bei der Party; bei Freunden; auf Facebook) als „Faszination“ beschreiben. In meinen Augen auf jeden Fall etwas Positives – trotz zusammenstoßender politischer Narrative und Realitäten sollte Traditionen Respekt gebühren. Und wann sonst kann man als festlich gekleidete arabische Bauernfrau in einer Siedlung herumlaufen, wenn nicht an Purim? 😉

Das Feiern erledigte ich dann in Teko’a, einem Großort (die größte Ortschaft der Regionalverwaltung Gush Etzion mit ca.3700 Einwohnern) im Osten der Gush Etzion-Region, an der Grenze zur Judäischen Wüste. Teko’a ist bekannt für seine gemischte, sprich säkular-religiöse Einwohnerschaft, für  interessante und kontroverse Persönlichkeiten wie der Rabbiner Menachem Fruman, für seine Musik- und Bierfestivals – und für Parties. Neben allen

Netta und ich

möglichen anderen Veranstaltungen am Samstagabend (11.03) wurden zwei Ladies Only Feiern organisiert, zwischen denen ich mit meiner Freundin Netta aus Bat Ayin (Gush Etzion) bis etwa zwei Uhr morgens pendelten. „Ladies Only“, das heißt natürlich Zutritt für Männer verboten, aber es heißt keinesfalls Langeweile.  Eine DJ unterhielt eine der Parties, die einer verrückten Disco-Nacht für Mädels zwischen 15 und 55 ähnelte, mit einem beeindruckenden Mix aus neuesten Charthits aus Israel und der Welt, hebräischen Folksongs und religiös adaptierten Schlagern; es gab Henna-Malerei auf Hände und Füße und künstlerische Gesichtsschminke und eine Menge Alkohol im Angebot. Auf der zweiten Party gab es eine etwas „heimischere“ Atmosphäre und dort wurden Wein und Gemüse mit Tahini-Sauce umsonst angeboten – Musik natürlich inklusive (aber keine künstlerischen Extras). Um etwa Mitternacht formierte sich ein Kreis aus den tanzenden Frauen und gemeinsam summten und sangen wir eine Weile umarmt; die einen beteten, die anderen drehten Piruetten im Raum und wieder andere standen still und ließen den Feiertag in ihre Seele hineinsinken.

Fellaha (Dorfbewohnerin) oder nicht? 😉

Das Feiern ging bis in die frühen Morgenstunden hinein und Netta und ich hatten irgendwann beschlossen, heimzufahren. Zu schlafen schaffte ich es nicht mehr – am Morgen musste zum zweiten Mal die Esther-Rolle gelesen und dann die Geschenke verteilt werden, ein Festmahl musste auch gegessen werden – und dann konnte man sich etwas ausruhen. Das Wetter war nicht sonderlich fröhlich – kalt und windig und ein Staubsturm fegte an diesem Tag durchs Land. Aber alles in Allem war die Stimmung überall positiv und festlich.

Leider habe ich aus Teko’a keine besonders gut gelungenen Bilder, aber solltet ihr euch eine Vorstellung von der Purim-Feier und Festumzug in der jüdischen Gemeinde in Hevron machen wollen – fernab der hässlichen Schlagzeilen und Verleumdungen, mit welchen die internationale Presse die Juden Hevrons regelmäßig bedenkt – dann schaut in die Galerie meines Freundes Shmuel Mushnik, eines Malers und Touristenführers aus Hevron, hinein – hier. Ein paar Beispiele aus der Galerie findet ihr nachfolgend. (Achtet auf das Bild mit den Mädels in Keffiya neben dem im Kopftuch mit roter Jacke – diese hatten sich als „europäische Friedensaktivistinnen“ in Hevron plus verkleidet, die regelmäßig den schon recht angespannten Alltag durcheinanderbringen und die Bewohner provozieren.)

Auf dass auch nächstes Jahr es ein so ausgelassenes Purim-Fest gibt!

Held der Stunde

Shuki Gilboa und seine Frau Shulamit. Quelle: Kikar Hashabat
Shuki Gilboa und seine Frau Shulamit. Quelle: Kikar Hashabat

Dieser Mann, Shuki (Yehoshu’a) Gilbo’a, hat am Donnerstag, dem 30.06., um die neun Uhr vormittags sein rechtes Augenlicht verloren. Als er nach einigen Notoperationen aus dem Operationssaal gefahren wurde und ihn seine Frau empfing, erzählte sie ihm, dass er auf rechtem Auge für immer blind sein würde.

„Er sagte nur zwei Worte – ‚Alles ist zum Guten'“, erzählte sie.

Shukis Frau Shulamit war dabei, als dieser einen Notfallruf über das örtliche Funkgerät bekam und mit Weste und Gewehr aus dem Haus stürmte. Es bestand ein Verdacht auf ein fremdes Eindringen in die Ortschaft Kiryat Arba. Nur wenige Minuten später, als Shuki gemeinsam mit einem weiteren Kollegen-Schutzmann ins betroffene Haus der Familie Ariel am Rande von Kiryat Arbastürmte, in welchem sich der Terrorist verschanzt haben sollte, hatte er bereits die Messerklinge des Terroristen abbekommen. Der 17-Jährige arabische Jugendliche aus der Ortschaft Bani Na’im hatte sich im Kinderzimmer der 13-jährigen Hallel verschanzt, nachdem er diese im Schlaf abgestochen hatte, und sprang auf Shuki, als dieser zur Tür vordrang. (Bericht ueber Hallel hier)

Shuki wurde schwer verletzt. Sein Kollege erschoss den Attentäter. Shulamit erhielt die Nachricht von zwei Verletzten, und so, wie sie es der Nachrichtenplattform Ynet berichtet, hatte sie den starken Verdacht, dass es sich bei dem einen um ihren Mann handelte.
Selbst eine Krankenschwester und Freiwillige bei dem Roten Davidsstern, lief sie zur Kreuzung bei der Ausfahrt aus der Ortschaft, bei welcher auch der Notfallwagen vorbeigefahren kam, hielt ihn an, sprang hinzu und leistete selbst ihrem Mann die erste Hilfe. Von da an blieb sie bei ihm, ohne ihn zu verlassen – bis jetzt. Sie erzählte Shuki vom verlorenen Auge. Sie erzählte auch der Presse von den Schmerzen ihres Mannes, aber auch davon, dass sie an seine Inneren Kräfte glaube und dass die Unterstützung von Familie, Freunden und der gesamten israelischen Gemeinschaft überaus hoch sei, aus vielen Orten riefen sie Menschen an und ermutigten sie – nicht nur aus Judaea und Samaria:

„Wir werden von Liebe überhäuft“.

Der Heilungsprozess ist erst am Anfang, und es wird viel Zeit der Erholung brauchen, auch viel Zeit der Eingewoehnung. Aber die innere Einstellung ist seit jeher ein grosser Faktor bei der Heilung. Zusammen mit Shulamit glaube ich fest daran, dass dieser grosse Mann – ein einfacher Einwohner von Kiryat Arba – den Schmerz und den Verlust ueberwinden wird. Er ist fuer uns alle ein grosses Beispiel, und wir werden ihn tatkraeftig und im Geiste immer unterstuetzen.

NEWS: Familienvater tot nach Schussattentat nahe Otni’el

(Aktualisiert) Und wieder trifft der Terror die Berge Hevrons. Diesmal kein Einbruch in eine Ortschaft wie bei Dafna Me’ir und Hallel Yaffa Ariel.

Der Terrorort und die Gegend auf der Karte
Der Terrorort und die Gegend auf der Karte

Diesmal ein Schussattentat, eines von vielen des letzten Dreivierteljahres, eines von vielen aus der Zeit, seit welcher wieder Juden in diesen Bergen leben. So wie die Familie Litman, die 13.11.15 von einem Schussattentat auf der Autobahnstrecke nahe Otni’el am Freitagabend, kurz vor Schabattbeginn, auseinander gerissen wurde, so auch diesmal, eine Familie:
Michael Mark, 48, und seine Frau Chava, 40, sowie zwei ihrer Kinder, Pediya (15) und Tehila (13).

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Michael Mark sel.A. Quelle: Israel Hayom

Michael Mark, 48 Jahre, Vater von zehn Kindern, war der Direktor der Religionsschule für Jungen (Yeshiva) in Otniel. Einer meiner guten Freunde lernte dort bis zu seiner Armeezeit. Mark war bekannt als ein offener, sehr hilfsbereiter Mann, ein Rollenbeispiele fuer die Schueler der Yeshiva, in der gesamten Ortschaft beliebt und respektiert. Die Tochter Tehila lernt gemeinsam mit den Töchtern meiner guten Freunde aus dem Dorf Bet Haggai bei Hevron.

Die Familie war auf der Autobahn unterwegs; bei der Kreuzung Adoraim wurden sie offenbar von hinten von einem Wagen mit arabischen Insassen überholt. Als diese vorne waren, eröffneten sie aus dem Inneren des Wagens Feuer. Über 19 Schüsse wurden auf das Fahrzeug der Familie Mark abgefeuert. Das Auto verlor die Kontrolle, überschlug sich, landete auf dem Dach. Im Wagen war der sehr schwer verletzte Michael Mark

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Das Auto der Familie Mark. Quelle: Walla!co.il

eingeklemmt, offenbar mit den Kindern. Seine Frau wurde aus dem Wagen geschleudert und lag vor dem Fahrzeug. Auch sie war schwerverletzt, ebenso die Tochter Tehila – mehrere Bauchschüsse hatten sie getroffen. Der Sohn, Pediya, war der einzige, der sich einigermaßen bewegen konnte.

Rettungskräfte erreichten die Unfallstelle und begannen die Wiederbelebungsversuche an Michael, doch mussten bald aufgeben, dieser gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Michael Mark starb an seinen Verletzungen am Unfallort. Die mehrfach im Oberkörper getroffene Chava wurde ins Hadassa-Hospital evakuiert, ebenso die mittelschwer bis schwer verletzte Tehila. Pediya wurde noch am Unfallort behandelt und danach ebenso ins Krankenhaus gefahren.

Familie Mark vor dem Attentat. Tochter Orit im Vordergrund. Quelle: INN
Familie Mark vor dem Attentat. Tochter Orit im Vordergrund. Quelle: INN

Wieder eine Familie auseinandergerissen, wieder mehr Waisen und Witwen, die unverschuldet die Narben der Verluste in ihren Seelen bis zum Lebensende tragen werden, und womöglich werden physische Narben

Michael und seine Frau Chava. Quelle: INN
Michael und seine Frau Chava. Quelle: INN

hinzukommen. „Gestern haben meine Tochter und ihre Freundinnen um eine ermordete Klassenkameradin geweint, heute weinen sie um eine weitere verletzte Freundin“, schrieb Me’ir Dana Picard, mein guter Freund aus der Ortschaft Bet Haggai südlich Hevrons, welcher schon einige seiner Freunde bei Terrorattacken in den Südhevronbergen verloren hatte.

Wieder war es eine Attacke auf Zivilisten, von Arabern auf Juden, von Muslimen auf Juden, von denjenigen, die dem Leben den Tod vorziehen und andere dafür in den Tod zwingen wollen.

UPDATE:
Das Video der Waisen von Michael Mark. Quelle: INN
Das Video der Waisen von Michael Mark. Quelle: INN

Am zweiten Tag nach dem Attentat veroeffentlichten die Waisen der Familie Mark ein kurzes Video, in welchem sie um das zahlreiche Kommen zum Begraebnis ihres Vaters baten: „Papa war nicht nur unser Vater, sondern ein Vater von ganz, ganz vielen Menschen“, sagte Orit. Und eine weitere Tochter, Shira, fuegte hinzu:

„Nehmt etwas Gutes von Papa mit, werdet bessere Menschen, werdet liebender.“

Tehila Mark. Quelle: NRG
Tehila Mark. Quelle: NRG

Auf der Beerdigung, welche am Sonntag, dem 04.07. erschien auch der gegenwaertige Mossad-Direktor Yossi Cohen, welcher ein Cousin des ermordeten Mark ist. Die Tochter Tehila, die bei

Mossad-Direktor Yossi Cohen, ein Cousin des Ermordeten, mit Neffe Pediya. Quelle: NRG
Mossad-Direktor Yossi Cohen, ein Cousin des Ermordeten, mit Neffe Pediya. Quelle: NRG

dem Anschlag schwer verletzt worden war, wurde im Krankenbett zum Beerdigung gefahren.

Die Tochter Orit, in ihrer Grabrede, wandte sich an den Vater selbst, erzaehlte von seiner Liebe zu den Kindern, der Unterstuetzung, die speziell sie von ihm erfahren hatte und bat zum Schluss:

„Papa, du hast immer eine Loesung fuer alles gefunden. Du warst so begabt und so gut, es ist nicht fassbar, dass du nicht mehr hier sein wirst. Geliebter Papa, bete fuer unsere Mutter, die du so geliebt hast, fuer Tulik (Tehila), unsere Heldin, dass ihr Bauch in Ordnung sein wird, dass sie an diesem Trauma nicht zerbricht. Auch fuer unseren Pediya. Er hat alles gesehen, er erinnert sich an alles, es brennt in seinem kleinen Herzen. Papa, schau von oben herab, schau, wie stark wir sind.“

 

(Quellen: Kol Israel Radio, Ynet, Channel 2, INN)


Die Regierung hat angekündigt, auf das Verlangen von Erziehungsminister und Vorsitzendem der Partei „Jüdisches Heim“ Naftali Bennett hin eine Kabinettssitzung am heutigen Abend statt morgen abzuhalten: „Terroristen halten keinen Schabbat ein“, meinte Naftali Bennett. Laut den Medienberichten fordert Bennett die Sperrung der Autobahn 60, auf welcher sich die zahlreichen Attentate ereigneten, für palästinensischen Verkehr.

Ganz ehrlich, ich kann nicht glauben, dass das der Gesamtsituation irgendwie helfen wird.

NEWS: 13-Jährige ermordet. Hallels letzter Tanz

Heute (30.06.16) um etwa 9 Uhr morgens drang ein 17-jähriger Terrorist in das Haus der Familie Ariel im Vorort der Großsiedlung Kiryat Arba bei Hevron ein. Der Attentäter kletterte über den Sicherheitszaun, der die Ortschaft umgibt, und gelangte in das nächstgelegene Haus. Er verschloss hinter sich die Tuer und begab sich in das Kinderzimmer der Familie, dort schlief eins der Kinder von Rina und Amichai Ariel, die 13-jährige Hallel Jaffa.

Von da an begann ein Alptraum.

Hallel Yaffa Ariel. Quelle: Internet
Hallel Yaffa Ariel. Quelle: Internet

Der Terrorist fing an, auf das schlafende Mädchen einzustechen. Hallel war am vorherigen Abend von einer Tanzaufführung, bei welcher sie mitgemacht hatte, spät zurueckgekommen, die Ferien hatten am Sonntag begonnen, und Hallel schlief aus. Der Attentäter, selbst noch keine 18 Jahre, überraschte sie im Schlaf und stach auf sie mit insgesamt acht Stichen ein. Hallel verlor das Bewusstsein, ihr Blut verschmierte den Boden.

Als der Terrorist (ich erwähne generell keine Namen von Attentätern) noch über den Zaun gekommen war, alarmierte dies das Sicherheitszentrum von Kiryat Arba, da der Zaun mit einer Signalanlage versehen ist. Auf den Kameras wurde der Eindringling erkenntlich. Die Mitarbeiterinnen des Zentrums (ich habe einige Zeit in einem solchen im Gush Etzion gearbeitet) benachrichtigten die

Das Haus von Hallel und ihrer Familie. Quelle: Maariv
Das Haus von Hallel und ihrer Familie. Quelle: Maariv

innere Sicherheitseinheit, welche aus freiwillig in ihr dienenden Einwohnern besteht, und ebenso die Armee. Die ersten, die sich am Schnellsten zum Eindringungsort aufmachen konnten, waren die Schutzmänner der Sicherheitseinheit. Sie eilten zum Zaun und begannen, aus verschiedenen Richtungen das Haus einzukesseln, da es nicht klar gewesen war, wo sich der Täter in diesen Momenten befand. Anschließend, so berichtete einer von ihnen im Nachhinein den israelischen Medien, näherten sie sich dem Haus, bis drei von ihnen schließlich ins Innere des Hauses vordrangen – Yehoshua (Shuki), Chanoch und Amichai – der Vater des Mädchens, welcher ebenso in der Einheit diente. Dank diesem konnte wohl auch die Tür geöffnet werden, die zuvor vom Attentäter verschlossen worden war.

Kiyat Arba - Tatort, Bani Na'im - Wohnort des Terroristen
Kiyat Arba – Tatort, Bani Na’im – Wohnort des Terroristen

Als die drei hineingelangten, gingen sie in Richtung des Kinderzimmers. Direkt am Eingang sprang der Terrorist auf einen von ihnen, Yehoshua, und begann, auch auf ihn einzustechen. Chanoch erschoss den Angreifer. Auf dem Bett erblickten die drei die blutende Hallel. Sie wurde von den angekommenen Notfallärzten herausgebracht, ebenso der schwerverletzte

Hallels Zimmer. Die ersten Rettungseinsatzkräfte haben das Zimmer schon gereinigt.
Hallels Zimmer. Die ersten Rettungseinsatzkräfte haben das Zimmer schon gereinigt.

Yehoshua. Nach den ersten Wiederbelebungsversuchen wurde sie in den Notfallwagen gebracht und ins Hadassah-Krankenhaus gefahren, ebenso der verletzte Yehoshua. Die Frau von Yehoshua, die ebenso als Freiwillige des „Roten Davidssterns“ und als Krankenschwester arbeitete, sah den Ambulanzwagen fahren, als sie auf dem Nachhauseweg auf der Straße in der Siedlung war und stieg zu; der Patient offenbarte sich ihr als ihr Mann.

Hallel mit ihren Eltern Amichai und Rina und mit juengeren Geschwistern bei einem Besuch auf dem Tempelberg. Quelle: Nana
Hallel mit ihren Eltern Amichai und Rina und mit juengeren Geschwistern bei einem Besuch auf dem Tempelberg. Quelle: Nana

Im Krankenhaus fand das Drama sein bitteres Ende, zumindest, was Hallel anbetraf. Der Leiter des Traumazentrums des Hadassah-Krankenhauses berichtete den Nachrichtendiensten, Hallel sei durch die Messerstiche zu schwer verletzt worden und die Wiederbelebungsversuche hatten nicht geglückt. Hallel verstarb an ihren Wunden. Yehoshua befindet sich noch immer in der Notaufnahmestation und wird operiert.

Hallel beim Auftritt. Quelle: INN
Hallel beim Auftritt. Quelle: INN

Das Drama war vorbei, der Alptraum hatte erst begonnen. Für die Familie, Freunde und Nachbarn von Hallel; den Vater, einen Pädagogen und Weinbauern, für ihre Mutter Rina. Für die Schülerinnen der ehemaligen achten Klasse der Mittelschule in Kiryat Arba, welche Hallel vor einigen Tagen erfolgreich abgeschlossen hatte. Für ihre Tanzgruppe, mit welcher die 13-Jährige erst vor einem Tag eine erfolgreiche Aufführung gehabt hatte. Hallel liebte es zu tanzen, so erzählen ihre Eltern und Nachbarn.

„Sie hatte einen guten Charakter, ein gutes Mädchen, immer beliebt und von Freundinnen umgeben. Sie liebte diesen Ort, das schöne Haus, das Grün, sie fühlte sich sehr wohl“, so berichtete der Nachbar, der als Sicherheitsoffizier in der Siedlung fungiert, dem INN.

Der jüdischen Tradition entsprechend soll ein Toter so schnell wie

Das Trauersitzen (Shiva) von Familie Ariel. Auch Premierminister Netanyahu kam zu Besuch. Quelle: Nana
Das Trauersitzen (Shiva) von Familie Ariel. Auch Premierminister Netanyahu kam zu Besuch. Quelle: Nana

möglich begraben werden. Daher wurde die Beerdigung auf 18 Uhr Ortszeit gesetzt. Hallel wurde auf dem alten jüdischen Friedhof von Hevron, in der Hevroner Altstadt, in welcher sich die jüdische Gemeinde Hevrons befindet, beerdigt. Hunderte von Menschen erschienen auf der Beerdigung und begleiteten Hallel auf dem letzten Weg.

Was die offiziellen Reaktionen auf den Mord von Hallel und die Attacke auf Yehoshua angeht, so äußerte sich Premierminister Netanyahu zu dem Attentat und erklärte, die Arbeitsvisa für die Verwandten des 17-jährigen Terroristen zu streichen. Armeeeinheiten haben mittlerweile die Stadt Bani Na’im bei Hevron eingekesselt, in welcher der junge Attentäter gelebt hatte, die Familienmitglieder verhört und ebenso die Einfahrt nach Bani Na’im mit Betonblöcken versperrt Der Vater wurde aufs Armeerevier

mitgenommen. Die Mutter, so veröffentlichte es Ynet, beteuerte, nicht geglaubt zu haben, dass ihr Sohn die Attacke vollführt haben soll: „Er meinte immer, er wolle ‚etwas tun‘, aber wir dachten, er würde nur Spaß machen“.
Auch innerhalb des Gebietes von Judäa bis nach Ramallah im Norden Jerusalems wurden Straßensperren von der Armee errichtet.

(Quellen: Channel 2, Jerusalem Post, INN, Ynet, Walla)


Ein weiterer Artikel, aus persoenlicher Sicht geschrieben, laesst sich hier finden: Barbara Sofer, Jerusalem Post (uebersetzt): Je Suis Hebron


Bani Na’im, ebenso wie die gesamte Umgebung von Hevron, ist durchsetzt von Terrorzellen der Hamas und anderer islamistischer Terrororganisationen, und ihre Einwohner sind sehr anfällig für Radikalisierung. Zahlreiche Attentäter, welche Attacken auf

Terroregion Großraum Hevron - Karte
Terroregion Großraum Hevron – Karte

Zivilisten und Soldaten in und außerhalb der „Grünen Linie“ verübt hatten, auch in dem letzten halben Jahr, stammten aus dieser Region:  Dura  – Yatta – Bani Na’im  – Hevron- Sse’ir (alShuyuch)  – Halhul. So die drei Attentäter, welche in diesem Monat  (Juni) die Terrorattacke im Sarona-Zentrum in Tel Aviv zu verantworten hatten; der Attentäter, der vor etwa einem halben Jahr Jakov Don und Ezra Schwarz in einem Stau bei Alon Shevut erschoss; der Mörder von Dalia Lemkos im Oktober 2014, und schließlich auch die Entführer der drei Jugendlichen, Eyal, Gil-ad und Naftali, welche genau vor einem Jahr, am 30.06.14 , ermordet und eingebuddelt auf einem Feld beim Hevroner Vorort Halhul gefunden wurden.


spiegel-online-logoSeitens der deutschen Berichterstattung dürften diejenigen, die die heutigen Nachrichten größeren Medienkonzerne verfolgt hatten, eine kleine Überraschung erlebt haben:
So berichtete der SPIEGEL in einer uncharakteristisch informativen datazdfund sachlichen Art und Weise über den Terroranschlag und erwähnte ebenso die Terrorwelle und die israelischen Opfer der Attacken des letzten Dreivierteljahres. Die Meldung stammte aus der Nachrichtenagentur dpa.

Bei der „Tagesschau“ musste man Vorarbeit leisten:
Der Studentin Noemi Becher aus Frankfurt fiel in der Nachrichtenausgabe der „Tagesschau“ auf, dass der Mord mit tagesschau128-_v-banner3x1keinem Wort erwähnt wurde. Daraufhin schrieb sie einen Brief an die Onlineredaktion. Wenig später veröffentlichte die Webseite einen kurzen Bericht zum Attentat. Noemi postete auf ihrem Facebook-Profil:

Eigeninitiative hilft. Nachdem ich bei der Tagesschau nichts zum Attentat in Kiryat Arba gefunden habe, habe ich mich per Mail an die Redaktion gewendet und sie darauf aufmerksam gemacht, dass der Terror nicht in Tel Aviv anfing und dort auch nicht aufgehört hat. Ich habe auch ausdrücklich gefordert, dass der Attentäter nicht als das Opfer dargestellt wird. Kurz darauf erschien der Artikel auf ihrer Webseite. Zusammen mit den anderen, die eventuell auch eine Mail geschickt haben, haben wir etwas bewirkt.

Auch andere Medien meldeten sich im Laufe des Tages – so beispielsweise die BILD, RTL Online, Hamburger Morgenpost. Offenbar ließ sich der Mord an einer unschuldigen 13-Jährigen nicht einfach übergehen.

Der Bericht von ZDF heuteplus.
Der Bericht von ZDF heuteplus.

Am Ende des Tages kam auch das ZDF heuteplus mit einem gar außergewöhnlichen Bericht auf, welches sowohl einfühlsam und respektvoll über den Mord von Hallel berichtete, als auch mehr als deutlich auf den Hass hinwies, welcher in der palästinensischen Gesellschaft geschürt wird und dem vor allem Jugendliche ausgesetzt werden.

Leider schrieb keins der erwähnten Medien darüber, welche Überzeugungen der Attentäter selbst vor seiner Tat hegte. So verherrlichte er auf seinem Facebookprofil die jugendliche Terroristin, ebenso aus Bani Na’im, die vor einigen Monat Soldaten in Hevron angegriffen hatte und dabei erschossen worden war. So schrieb der 17-Jähriger, dessen Cousin laut Ynet bei einer versuchten Autorammattacke im März dieses Jahres von Soldaten erschossen worden war, am vorherigen Samstag auf Facebook:

„Ich will sterben. Das Sterben ist ein Privileg.“


Mein Bekannter Me’ir aus der Ortschaft Bet Haggai im Norden Hevrons berichtete einige Stunden nach dem

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Attentat, vor der Einfahrt nach Hevron (von seinem Haus aus zu sehen) würde eine lange Autoschlange stehen, die Autos wären mit Flaggen geschmückt und es würde gehupt werden: Sie hupen sicherlich deshalb, weil sie gute Zeugnisse heimgebracht haben“, schrieb Me’ir sarkastisch.

Ein anderer Bekannter, Moshe Rahmanov, veröffentlichte das folgende Bild und betitelte es „Bunkerbetten – bald im Angebot“:
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Es wäre lustig, wenn es nicht so realitätsnah wäre.

Hevron – ein Geschäft für Generationen

Die Machpela-Höhle in der Darstellung des jüdischen Künstlers Nachshon, 1993.
Die Machpela-Höhle in der Darstellung des jüdischen Künstlers Nachshon, 1993.

Und Saras Leben dauerte 127 Jahre – dies waren die Lebensjahre Saras. Und Sara starb in Kiryat Arba, das ist Hevron, im Land Kena’an. Und Avraham kam, sie zu betrauern und zu beweinen. Und Avraham erhob sich von der Trauer und sprach zu den Nachkommen Hets wie folgt: Ein Fremder und ein Einheimischer bin ich unter euch; gebt mir bei euch eine Grabstelle und ich werde meine Tote begraben. (1.Buch Moses, Kap. 23, 1-4

So beginnt einer der zentralen Abschnitte der Tora über die Lebensgeschichte der Vorväter des jüdischen Volkes. Der Bericht über den Tod Saras, ihr Begräbnis und die damit zusammenhängende Suche nach dem passenden Grabareal offenbart uns mithilfe von 20 Versen einen der wichtigsten historischen Beweise für den jüdischen Anspruch auf das Land Israel und seine heiligen Stätten, insbesondere die sogenannte „Höhle der Patriarchen“. Hevron (Hebron) ist ein wichtiger Streitpunkt im modernen arabisch-israelischen Konflikt, von immenser nationaler und religiöser Bedeutung für Juden und Muslime und neuerdings auch ein Vorwand fuer makabre Geschichtsumschreibung seitens internationaler Organisationen.  Hevron ist bekannt für blutige Auseinandersetzungen zwischen den jüdischen und muslimischen Bevölkerungsgruppen, ist aber auch ein Symbol für das Aufleben jüdischen Lebens seit 1967, und einmal im Jahr wird es zum Massenpilgerort fuer Zehntausende von Juden. Hier möchte ich dies etwas ausführlicher darlegen und mehr Verständnis für die Konfliktzone Hevron ermöglichen.


Jüdischer Kontext

Am dieswöchigen Shabbat (Samstag) wird in den Synagogen der Abschnitt unter dem Namen „Das Leben Saras“ aus dem 1.Buch Moses vorgelesen – wobei es in diesem Abschnitt mehr um die Folgen von Saras Tod geht denn um ihr Leben. Es wird dort Detail für Detail ein Kaufvertrag beschrieben, welchen Avraham, der einige Kapitel zuvor aus dem Gebiet von Mesopotamien in das Land Kena’an am Mittelmeer einwandert und dort großes Ansehen als geistiger Führer erhält, mit dem lokalen Herrscher in der Stadt Kiryat Arba-Hevron nach dem Tod seiner Frau schließt.

Wie läuft es ab? Schauen wir hin:

Und die Nachkommen Hets antworteten Avraham und sagten ihm, Höre uns, unser Herr, du bist für uns ein Prinz Gottes, begrabe deine Tote in einem unserer Gräber. Niemand von uns wird dir sein Grab verweigern, um deine Tote zu begraben. Und Avraham erhob sich und verneigte sich vor dem Volk, den Söhnen Hets, und sagte ihnen: Wenn es euch genehm ist, dass ich meine Tote begrabe, sprecht für mich mit Efron, Sohn Zochars, und er soll mir die Machpela-Höhle am Rande seines Feldes für eine ganze Summe als Grabareal geben. Und Efron sass inmitten der Söhne Hets. Und Efron der Hettiter antwortete Avraham im Beisein der Söhne Hets und aller Anwesenden am Stadttor, wie folgt: Nein, mein Herr, höre mich an, ich gebe dir das Feld und die Höhle, die dort ist. Vor den Augen meines ganzen Volkes gebe ich sie dir, begrabe deine Tote. Und Avraham verneigte sich vor dem Volk und sprach vor allen zu Efron: So höre mich an, ich gebe dir Geld für das Feld, nimm es von mir an und ich werde meine Tote dort begraben.  Und Efron antwortete Avraham wie folgt: Höre mich an, mein Herr, das Land kostet 400 Silbershekel, und zwischen mir und dir, was ist das schon? Und begrabe deine Tote. Und Avraham vernahm Efron und wog das Geld, welches sie vor dem Volk abgemacht hatten, ab, 400 Silbershekel nach der gängigen Währung. Und so ging das Feld von Efron, das bei der Höhle Machpela bei Mamre liegt, das Feld und die Höhle und jeder Baum auf dem Feld und an seinen Grenzen an Avraham als Erwerb über, vor den Augen aller Anwesenden der Söhne Hets. Und daraufhin begrub Avraham Sara, seine Frau, in der Machpela-Höhle bei Mamre, das ist Hevron, im Lande Kena’an. (ibid., Kap.23, 5-19)

Dieser Kaufvertrag, welchen Avraham im Zuge das Abschnitts mit einer Nachdrücklichkeit, die einen staunen lässt, ausarbeitet, wird von diesem Punkt an und weiter als Beleg für die Legitimität der Nachkommen Avrahams, Yitzhaks (Isaaks) und Yakovs an diesen Ort sein. Nach Sara, Avrahams Frau, werden ebenso Yitzhak, seine Frau Rivka (Rebekka) und deren Sohn Yakov mit Ehefrau Leah in diesem Familiengrab bestattet (Yakovs zweite Frau, die Vormutter Rachel, wird bei der Stadt Betlehem-Efrata begraben). Sie sind mitunter die wichtigsten Identifikationsfiguren der jüdischen Religionsgemeinschaft; die Gründer und Verbreiter des jüdischen Glaubens und seiner Werte. Ebenso stellen sie die familiäre Brücke zwischen dem Land, welches in den Schriften wiederholt diesen Individuen für ihre Nachkommen versprochen wird, und den Nachkommen selbst dar, welche nach einer langen Exilzeit in Ägypten das jüdische Gesetzbuch erhalten und als selbstständiges Volk in das Land ziehen.

In diesem Kontext sollte es auch verständlich werden, weshalb Avraham in diesem Dialog mit den Hettitern einen großen Wert auf einen korrekten Geschäftsablauf  legt – und weshalb die Tora dies detailliert festhält. Saras Tod in diesem Land, welches nicht ihr Heimatland darstellt und welches sie mit Avraham abseits jeglichen sozialer Konzensus erreichen und besiedeln, schafft Fakten und deutet für Avraham selbst die Richtung an, die er von nun an gehen muss. Nicht länger sind sie Wanderer an diesem Ort, sondern werden sesshaft und erhalten ihren ersten Anteil am Land.

Die Tora ist kein Ereignisprotokoll und ebenso kein Geschichtsbuch, sondern eine Orientierungshilfe und Anweisung für diejenigen, die für ihre Ausführung verantwortlich gemacht wurden – die Juden, Nachkommen, Avrahams, Yitzhaks und Yakovs. Sie setzt Akzente dort, wo etwas von Relevanz für zukünftige Generationen ist. Wenn das Geschäft, welches Avraham im betreffenden Abschnitt mit dem Lokalherrscher schließt, in der Tora so ausführlich beschrieben wird, dann dafür, um die Nachfahren über dies zu informieren und Schlüsse daraus zu ziehen.

Der Kaufvertrag von Avraham – es ist ein klassisches Zeugnis von jüdischem Landerwerb, welches mit absoluter Legitimität geschlossen wurde. Und wieso „jüdisch“? Weil Avraham in sämtlichen jüdischen und auch christlichen Schriften unbestreitbar als Wegbereiter für  Yitzhak und Yakov, seinem Sohn und Enkel, festgelegt wurde, aus welchen sich später die Träger des göttlichen Gesetzes, der Tora, entwickelten – das Volk der Juden.


Hevron – kurzer Geschichtsrückblick
Hevron auf der Karte
Hevron auf der Karte

Hevron ist eine der zentralen Städte der biblischen Geschichte. 39 Mal tauchen Hevron und ihre Beistadt Kiryat Arba in den jüdischen heiligen Schriften auf. Neben den Grabstätten der Vorväter und -mütter war Hevron Teil des Stammeserbes von Juda, dem Sohn Yakovs (daher der Name des Gebiets – Judäa). 7 Jahre lang war Hevron die Regierungsstadt König Davids, noch vor der Eroberung Jerusalems von den Jevusitern und gilt aufgrund des Patriarchengrabs als eine der vier heiligen Städte des Judentums – neben Jerusalem, dem Standort der beiden jüdischen Tempel auf dem Tempelberg. Entsprechend den Versionen einiger Historiker war es Herodes, unter dessen Leitung das eindrucksvolle Steingebäude über der Höhle errichtet wurde.

Das Herodes-Gebäude über der Höhle mit den zwei angebauten Minaretten.
Das Herodes-Gebäude über der Höhle mit den zwei angebauten Minaretten.

Nach dem Zusammenfall der jüdischen Souveränitaet im Land Israel und der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung durch die Römer verblieb Hevron eine Stadt in der Hand der lokalen Idumäer.  Später folgte die byzantinische Eroberung der Gegend, und die Patriarchenhöhle wurde mit einer byzantinischen Kirche versehen, welche im Laufe verschiedener Eroberungen zerstört und wieder aufgebaut wurde. Hevron verblieb eine wirtschaftlich und religiös wichtige Stadt,  in welcher sich weiterhin Juden ansiedelten und das Recht freier Religionsausübung an ihrer heiligen Stätte genossen.

Mit dem Aufkommen des Islams Anfang des 7.Jahrhunderts, welcher die zentralen Persönlichkeiten sowohl aus dem Judentum als auch aus dem Christentum in seine Glaubenslehre übernahm, besannen sich auch muslimische Geistliche auf die bis dato nur als jüdisch und christlich bekannte heilige Stätte. Im Sprachgebrauch entwickelte sich der Begriff „Al Khalil“, der arabische Name fuer die

Das Grabmal von Leah
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Im Inneren des Baus – islamische Dekorationen der Grabstätte

Stadt Hevron – „(Die Stadt) des Freundes„, bezogen auf Avraham. Über der Grabstätte wurde die Ibrahim-Moschee errichtet, allerdings hatten Juden sowie Christen immer noch freien Zugang zum Heiligtum. In der relativ kurzen Zeit der christlichen Herrschaft der Kreuzfahrer über das Land wurde erneut eine Kirche am Grabmal errichtet. Während der mamelukischen (türkisch-muslimischen) Herrschaft über das Land Israel, damals ein Teil von Gross-Syrien (13.-16.Jhdt), wurden Repressalien gegen Juden und Christen in Hevron eingeführt, die nach und nach ihre Religionsausübung und den Zugang zur Höhle einschränkten, bis schließlich der Zugang

Rechts im Bild sieht man den Treppenaufgang, wo sich die7.Stufe befand, bis zu welcher die Juden gehen durften.
Rechts im Bild sieht man den Treppenaufgang, wo sich die7.Stufe befand, bis zu welcher die Juden steigen durften.

gänzlich verboten wurde. Juden wurde es unter Androhung von Strafe untersagt, höher als bis zur siebten Stufe der Steintreppe, welche in die Moschee führte, zu steigen. Das erniedrigende Verbot hielt sich bis zum Ende der osmanischen Herrschaft und dem Beginn des britischen Mandats über Palästina in 1920.

1929 schließlich wurde nach dem muslimischen Massaker an der jüischen Bevölkerung im August 1929 die etwa 1500 Mitglieder zählende jüdische Gemeinde von den britischen Verwaltern aus Hevron evakuiert. Ab den 30er Jahren des 20.Jhdts und bis zum Ende des Sechs-Tage-Krieges und der Eroberung Hevrons durch die israelischen Streitkräfte von den Jordaniern durfte kein Jude mehr in Hevron wohnen.


 Alle Jahre wieder

Mein erster Besuch in Hevron ereignete sich genau vor vier Jahren. Damals lernte ich noch im Institut „Machon Ora“ für jüdisches Denkwesen in Jerusalem, und unsere Klasse wurde zum Wochenende nach Kiryat Arba-Hevron gefahren. Wir wurden in der Turnhalle einer Schule untergebracht, für die Shabbat-Mahlzeiten auf Familien innerhalb der Siedlung verteilt, und zu den Gebeten gingen wir zu Fuß durch die Gassen Hevrons auf der israelisch verwalteten Seite der Stadt zum Grabmal.

An diesen zwei Tagen im Jahr, wenn in der Tora die Geschichte von Saras Begräbnis gelesen wird, geschieht etwas Besonderes in Hevron. Die Stadt füllt sich mit Massen von farbig gekleideten Menschen, Männern, Frauen und Kindern. Sie wandern durch die Straßen, sie wandern auf den Hügeln, füllen das einzige Restaurant des jüdischen Viertels und die Betstuben, besuchen das Grab der Vorväter und die Grabstätte von Ruth, der Urgroßmutter König Davids. Die Besucher sind jüdisch, sie kommen aus ganz Israel und dem Ausland und sie haben das ganze Jahr über gewartet, um an diesem Tag, dem Tag des Erwerbs dieser Höhle und ihrer Wandlung zum nationalen Kulturgut, hier an diesem historischen Ort zusammen zu treffen und zu feiern.

Drei Mal im Jahr können und dürfen jüdische Besucher frei im israelisch verwalteten Teil Hevrons umherlaufen, unter Bewachung zahlreicher Sicherheitskräfte. Einer davon ist dieses Wochenende. Dann können sie auch den Yitzhak-Saal im Grabmal besuchen, welcher an regulären Tagen nur für Muslime geöffnet ist. Mehrere Tausend Besucher pflegen an diesem Wochenende nach Hevron zu kommen, manchmal werden es sogar über zwanzig- und dreißigtausend. Die Atmosphäre ist wie die eines Festes.

– Vor vier Jahren war mir dieses Ereignis gänzlich unbekannt; es regnete in Strömen, das Wasser im Wasserhahn des Schulgebäudes war eiskalt; mein Hebräisch war noch nicht ganz das Beste und über alle politischen und religiösen Nuancen wusste ich erst recht nicht Bescheid. Überall auf jeder Ecke standen Soldaten mit Gewehren und in warmen Jacken, und trotz des schlechten Wetters waren überall Besucher zu sehen. Entlang der Route von der Siedlung Kiryat Arba Richtung Grabmal hatten sich Soldaten auf den Dächern verschanzt, um mögliche Scharfschützen zu entlarven und den Weg zu sichern. Ich wusste nicht ganz, wie ich auf die Soldaten reagieren sollte und beschloss spontan, jedem von ihm einen guten Shabbat zu wünschen und zu lächeln – immerhin waren sie hier in der Kälte auch für mich da. Einige fragte ich nach der Situation in Hevron aus. Ich hatte viel zu viele Fragen. Ein junger

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Soldat, etwa 20, war auf einem Hügel stationiert, und es war schon Abend und bitterkalt. Bis heute erinnere ich mich daran, wie ich ihm aus unserer Schule über Steine stolpernd heiße Teebecher brachte. Mehr hatte ich ihm nichts zu geben, und auch sonst meinte er, sein Vorgesetzter würde ihn „umbringen“, wenn er ihn im Dienst essen und trinken sähe.

Bei diesem Besuch lernte ich auch ein nettes älteres Paar aus Kiryat Arba namens Ilana und Amram Yifrach kennen. Wir waren mit meinen Klassenkameradinnen bei ihnen zu Besuch. Wer hätte gedacht, dass ich sie später als die Großeltern des im Juli 2014 entführten und ermordeten Eyal Yifrach identifizieren würde…


UNESCO und ihr Beitrag zur Islamisierung

Die UNESCO gilt als eine der bedeutendsten weltumspannenden Organisationen für Schutz und Erhaltung religiös und historisch wichtiger Stätten. Ebenso heißt es in der Selbstbeschreibung der Organisation, „UNESCO encourages international peace and universal respect for human rights by promoting collaboration among nations“ – „die UNESCO unterstützt internationalen Frieden und universellen Respekt für Menschenrechte durch die Förderung von Zusammenarbeit zwischen Nationen.“

Nun wurde am 21.Oktober diesen Jahres eine Resolution von der UNESCO veröffentlicht, deren Inhalt zufolge das Grabmal der „Höhle der Patriarchen“ und das Grab von Yakovs Frau Rachel als „islamische heilige Stätten“ anzuerkennen seien. Ägypten, Tunesien, Marokko, Algerien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate reichten den Entwurf zur Resolution im Namen der Palästinensischen Autonomiebehörde ein, in welchem diese zwei Stätten sowie die Klagemauer in Jerusalem zu islamischen Stätten erklärt und entsprechend in muslimische Namen umbenannt werden sollten. So, als hätte es all das, was im obigen Text nur knapp zusammengefasst worden ist, einfach nicht gegeben.

Die Resolution, die schließlich vom Stapel ging, wurde aufgrund starkem internationalem – mehrheitlich jüdischem Druck auf die Vorsitzende der UNESCO Irina Bokova – revidiert. Die Klagemauer, eines der wenigen Überreste des alten jüdischen Tempelkomplexes, wurde nicht als „islamische Stätte“ mit eingerechnet und auch nicht in den „Al-Buraq-Platz“ nach dem Pferd von Prophet Muhammad umbenannt. Der Protest gegen die muslimische Vereinnahmung der Klagemauer fiel stark aus, und die arabischen Staaten mussten zurückweichen. Nicht so bei den anderen beiden Stätten, dem Grab Rachels inmitten von Betlehem – und dem Grab der Vorväter. Diese wurden am besagten 21.Oktober „islamisch“ – eine Entscheidung, die in ihrer Groteske an das Resultat der mamelukischen Eroberung von Hevron im 13.Jhdt erinnern könnte. Aus einer heiligen Stätte für alle drei abrahamitischen Religionen, aus dem Grabmal der Vorväter des jüdischen Volkes wurde ein ausschließlich islamischer Heiligenort, angestrengt durch juden- und christenfeindliche muslimische Staaten und mit der überzeugten Unterstützung der Weltgemeinschaft. Was kann man dazu sagen? So sieht in der Praxis offenbar die „Förderung von Zusammenarbeit zwischen Nationen“ und die „Unterstützung internationalen Friedens“ aus.

Was die Juden Hevrons anging, so waren sie von der UNESCO-Resolution nicht sonderlich bewegt, überhaupt schien diese Entscheidung an ihnen vorbeigegangen zu sein. Im Status Quo, den Gefahren auf den Straßen von Hevron und der Sehnsucht nach der Rückkehr in die „Stadt der Väter“ hat sich nichts geändert.

Und auch im diesen Jahr, trotz der Unruhen und des erneut regnerischen, kalten Wetters, erwartet man in Hevron Besucher – ferne Kinder der tief in Hevroner Erde begrabenen Väter und Mütter, die sie Jahr für Jahr besuchen kommen…

Quelle: Flash90/INN
Quelle: Flash90/INN

NEWS: Brand in Bet Haggai

Der Teufelskreis der Rache scheint wohl wieder aufs Vollste geöffnet zu sein.

Habe Bericht und Fotos von meinem Freund Me’ir Dana-Picard und seiner Familie aus der Siedlung Bet Haggai bei Hevron bekommen. Arabische Terroristen haben heute nachmittag dort die Felder und den Berghang, auf welchem das jüdische Dorf Bet Haggai steht, angezündet, und das Feuer konnte mit knapper Not gelöscht werden, bevor es die Häuser ergreifen konnte.

So schnell kann auch ein Mord geschehen, wie der Mord heute Nacht in Duma. So schnell kann man Menschen Schaden zufügen. Ich habe die große Befürchtung, dass es dabei nicht bleiben wird, und die Telefone in den Sicherheitszentren in Judäa und Samaria nicht still bleiben werden, und dennoch bete ich für Ruhe.

Ich fühle unbändige Trauer über die Welle der Untaten, die ein weiteres Mal über uns hereinbricht. Und wer daran zweifelt, oder das Eine über das Andere zu stellen meint  – ich werde die Untaten auf beiden Seiten erwähnen, weil das unser Leben hier ausmacht. Das ist auch ein Teil des Lebens in Judäa und Samaria. Und daher erzähle ich darüber.

Shabat Shalom.

 

Die ARD und ihre Lieblings-Geisterstadt

Es ist das Jahr ders Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen. Aufgrund dieses erfreulichen Ereignisses wurden wir deutschsprachige Juden in den letzten Monaten mit einigen relativ sanftmütigen Beiträgen zum Thema Israel verwöhnt und durften uns ein wenig von dem sonstigen Stil der Berichterstattung der deutschen Mainstream-Medien ausruhen.

Die Schonzeit wird wohl mit dem folgenden Beitrag beendet sein. Gefilmt vom Tel Aviver Fernsehteam der ARD und moderiert von Korrespondent Markus Rosch ist das Video „Verlorene Kindheit zwischen Siedlern und Soldaten“, welches am 28.06.15 im Ersten im Rahmen des Programms „Weltspiegel“ ausgestrahlt worden ist.

Handlungsort ist Hevron, Spitzname – Geisterstadt. Hauptpersonen: der arabische Junge Jussuf al Rajabi, seine Mutter Sahar, die religiöse NGO-Aktivistin Leah Shakdiel, das ARD-Filmteam, Siedler Ofer Ohana, ‚Siedlerjugend‘, Soldaten. Dauer  – ca. 7 Minuten.  Thema: Unterdrückung der arabischen Mehrheit in Hebron.

Es sei vorausgeschickt: Verweise auf FAQs und Antworten zum Thema Hevron führen auf diese Seite – FAQs und Antworten zu Hevron – es lohnt sich, bei Anmerkungen darauf zu schauen! 


Arabisches Hevron.
Arabisches Hevron, links unten – Taxistände, Grenze des Verwaltungsbereiches der israelischen Armee.

Das Filmteam des ARD inklusive Markus Rosch gelangt im genannten Beitrag nach Hevron (arabisch: al Khalil). Für das ARD-Team ist Hevron – eine Stadt mit einer Viertelmillion Einwohner, die Vororte nicht mitgerechnet – eine „Geisterstadt“. Die „letzten Einwohner“, die hier laut dem mit bedeutungsvollen Stimme sprechendem Moderator am Betragsbeginn noch leben, sind fünf palästinensische Familien. Ansonsten ist „Hebron, die größte Stadt Westjordanlands – eine Geisterstadt“. Ungeachtet des Absurds im eigenen Terminus, wird das Image der „Geisterstadt“ vom Moderator im gesamten Beitrag aufrecht erhalten. In den ersten Filmshots des Beitrags sehen die Zuschauer Ruinen, zugerammelte Läden, Graffiti und verlassene Straßen. Ein Schelm, der dabei an etwas anderes denken könnte als an eine verarmte, erbärmliche palästinensische Kleinstadt!  – Wie etwa daran, dass Hevron seit Jahrzehnten das größte Wirtschafts- und Hi-Techzentrum der gesamten palästinensischen

Links oben - mit der silbernen Kuppel - das Shoppingcenter.
Links oben – mit der silbernen Kuppel – das Shoppingcenter.

Autonomiebehörde darstellt. Etwa daran, dass nur einige wenige Meter hinter einer Grenzabsperrung die Straßen voll sind mit Taxis, schönen Autos, Hupen summen in der Luft, Markengeschäfte haben geöffnet, Menschen laufen vergnügt durch saubere Straßen auf dem Weg zur Arbeit und zum Shopping im größten Shoppingcenter des Westjordanlandes. (Wer es nicht glaubt – siehe Hevron FAQ 1)

Das weiß der einfache Zuschauer aber nicht. Das zeigt auch Markus Rosch nicht, und ob er es weiß, bleibt nur zu erraten. Der Anblick im ARD-Beitrag ist trist und trostlos. Fragt sich, wer sind die Geister dieser verlassenen Stadt auf dem Bildschirm?

Das sind die Soldaten und die Siedler.  Sie sind überall. Sie joggen auf der Straße. „Es ist bedrohlich“, kommentiert Markus Rosch . Die israelische Armee hat laut der ARD in diesem Teil der Stadt die Kontrolle.

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Quelle: Jewish Virtual Library

Und das stimmt: Dieses spezielle Gebiet, und noch einige andere, stellen zusammen etwa 20% der eigentlichen Stadt dar, die unter die Regelung des H2-Gebiets seit 1997 unter israelischer Kontrolle fallen. In diesem Gebiet leben ca.9000 Juden. In der Kleinstadt Kiryat Arba, die an Hevron grenzt, sind es 8000, und im jüdischen Viertel Hevrons sind es ca. 1000.

In diesem Gebiet leben aber auch ca. 35.000 Palästinenser. Das Gebeit schließt das Industriegebiet Hevron mit ein, und eine beträchtliche weitere Anzahl von arabischen Vierteln. Laut dem Moderator in der ersten Minute des Videos ist es aber das „Sperrgebiet“, in dem sich Palästinenser „nicht aufhalten dürfen“.

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Palästinenser nahe der Shuhada-Straße. Aus dem Video.
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Eine palästinensische und eine israelische Flagge in Hevron. So nah leben Juden beieinander im Stadtgebiet H2.

Und das stimmt offenkundig nicht: In dem H2-Gebiet, dort, wo die Palästinenser leben, dürfen sie sich auch aufhalten. Allerdings ist das H2-Gebiet so ziemlich das einzige , wo sich auch Juden aufhalten dürfen (FAQ 6). Die H1-Zone – das ist der Rest von Hevron, 80% und gänzlich „judenrein“. Für jüdische Israelis betreten verboten.  Dieses Hevron steht komplett unter palästinensischer Verwaltung. Mit Stadtrat, Bürgermeister und allem drum und dran – inklusive einer sehr informativen Webseite auf Englisch, welche alle notwendige Information bietet für diejenigen unter den deutscher Korrespondenten, die über ihre Jahre hinweg im Nahen Osten noch immer kein Arabisch gelernt haben (FAQ 2, FAQ 3).

Wie schon oft, so ist es auch diesmal die Shuhada-Straße, die ins Visier der ARD-Korrespondenten gerät. Geschlossene Läden, Ruinen und mangelnde Stadthygiene sprechen von sich. Filmen lässt sich in dieser Straße prächtig. Laut der Moderation darf diese Straße „kein Palästinenser betreten“. Seit der Zweiten Intifada ist diese Straße die bekannteste „Apartheid-Straße“ im gesamten Westjordanland. Fragt sich, wie kommt es dazu?

Die Patriarchenhöhle. Synagoge und Moschee mit einer Kirche auf dem Dach.
Das Patriarchengrab. Synagoge und Moschee mit einer Kirche auf dem Dach.

Vor allem liegt es an der Berichterstattung. Lange Zeit war  die Shuhada-Straße, deren Nebenstraßen zum Grab der Patriarchen in Hevron führen, eine der Hauptstraßen in Hevron. Denn das Grab der Patriarchen, oder für Muslime die Ibrahimi-Moschee ist einer der heiligsten Plätze für die Juden, und seit dem 7.Jhdt n.d.Z. auch relevant für die Muslime geworden. Diese Stätte wurde im Laufe der Jahrhunderte hart umkämpft, und ohne sich auf die Geschichte näher einzulassen, haben Juden im Jahr 1967 erstmals seit ca. 1000 Jahren das Recht bekommen, diesen Ort ohne Einschränkungen zu betreten und darin zu beten. Daran war der Sechs-Tage-Krieg der Israelis schuld. Nach der Wiederherstellun der jüdischen Gemeinde um und in Hevron in 1970, nach ihrer Auslöschung im Jahr 1929, wurde diese Stätte für Juden wie für Muslime offengehalten. Lange Rede, kurzer Sinn. Es kam Ende der 80er zur Ersten Intifada. Anschläge, Attentate, Schüsse. Kein angenehmes Leben für Juden inmitten der Krawalle in Hevron. 1994 dann ein Schock für die Weltgemeinschaft – der Jude Baruch Goldstein (wer war das nochmal? FAQ 8) erschoss 29 Muslime in der Grabstätte. Ausschreitungen, Auseinandersetzungen folgten. Die Armee sperrte die Hauptstraße ab aus Sorge, die Juden in Hevron könnten aktive Ziele von Anschlägen werden.

Dann die Zweite Intifada. 2000 bis 2002. Ausschreitungen, Auseinandersetzungen, und Terror, Terror, Terror. Unproportionale Zahl von jüdischen Opfern auf sehr kleinem Raum. Der Terror ging von organisierten Gruppen, aber vor allem von Einzeltätern aus, welche sich erfolgreich in der zivilen Menge mischen konnten – vor allem auf dem sehr aktiven Markt in der Shuhada-Straße. (FAQ 7) Im Jahr 2002 beschloss die Armee, die Straße für privaten Autoverkehr zu sperren, nur noch Palästinenser mit Arbeitserlaubnis bzw. lokal Ansässige die Straße passieren zu lassen. 2005 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Entscheidung. Der Markt wurde geschlossen, die entrüsteten Händler finanziell entschädigt und für sie neue Läden im größeren Teil Hevrons eröffnet. Neue Benutzung finden die Häuser nicht, jüdische Siedler dürfen dort nicht ansässig werden, die Häuser zerfallen.

Palästinenser leben weiterhin in der Shuhada-Straße und ihrer Umgebung, nur steht an einer ihrer Stelle ein Grenzübergang. Neben dem Grenzübergang steht ein Schild. Das verbietet israelischen Staatsbürgern, das Gebiet hinter dem Übergang zu betreten. Palästinensischen Passinhabern verbietet es das nicht. Und entgegen der Behauptung von Markus Rosch, einer ihrer Mitarbeiter hätte den „falschen Pass“ (im Clip wird ein israelischer Ausweis abgebildet), gelangen vor den Augen eines jeden aufmerksamen Besuchers am Grenzübergang zur Kasbah (so nennt sich das alte Zentrum Hevrons, Zone H1) Palästinenser hinein und hinaus. Paare spazieren die Shuhada-Straße entlang. Frauen sitzen hinter den Gitterfenstern der Häuser. Kinder laufen an einem vorbei oder sitzen hinter den Toren der Vorgärten. Eindeutig sind diese Palästinenser keine Inhaber eines israelischen Ausweises. Wohl aber haben sie eine Erlaubnis, in diesem Teil der Stadt zu leben und/oder zu arbeiten. Auf einigen Teilen der Straße verteilt, neben einer größeren Konzentration von jüdischen Anwohnern, stehen Soldaten. Diese fangen sowohl Anfeindungen arabischer Jugendlicher ab, als auch die der zahlreichen, in Pali-Tücher gewickelten linken Aktivist/-innen, welche vor ihrer Nase mit Kameras, Bannern, Flyern oder Touristengruppen herumlaufen.

Deutsche Journalisten filmen, aber möchten nicht gefilmt werden, vor allem nicht von "Siedlern". Aus dem Video
Deutsche Journalisten filmen, aber möchten nicht gefilmt werden, vor allem nicht von „Siedlern“. Aus dem Video

Auch Journalisten laufen dort herum. Viele von ihnen benutzen dasselbe Vokabular wie die ARD und machen genau dasselbe. Sie nennen jüdische Jugendliche die „Siedlerjugend“ (klingelt’s?), behaupten, die Araber dürften die Straße nicht betreten und filmen kleine arabische Jungen. Diese wissen genau, wem man zulächelt, und wie man einige Worte auf Englisch wechselt. Und sie wissen auch, dass ihre Kameras, welche ihnen von den Aktivisten zahlreicher europäischer NGOs ausgeteilt wurden, auf weitaus mehr Verständnis treffen werden, als die der „Siedlerjugend“.

Als das ARD-Team auf den kleinen Jussuf mit dem einen Arm trifft, werden die Szenen rührend, beinahe tragisch. Tragisch ist auch der Kommentar von Markus Rosch. Mit todernster Stimme berichtet dieser von der Gefahr „dort draußen“, wo er und das brave Kamerateam noch vor einigen Minuten von der „Siedlerjugend“ bedrängt worden sind, und nun, seufzt er auf, entspannt sich die Lage, denn „ein Bus mit Siedlern verlässt die Straße“. Der Zuschauer seufzt dankbar auf.

Jussuf und seine Mutter Sahar. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Aus dem Video.
Jussuf und seine Mutter Sahar. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Aus dem Video.

Viele Fragen kommen beim Bericht über den neunjährigen Jussuf auf, der seltsamerweise allein mit seiner Mutter (ohne Geschwister? Unüblich) in einem vierstöckigen Haus lebt (wem gehört das Haus?), kein Geld hat, um aus dem Haus wegzuziehen, wohl aber, um eine kleine Viehherde im dritten Stock zu halten (aus welchen Mitteln wird sie versorgt?), um das eigene Überleben zu sichern (wie genau?).

Natürlich ist auch für die folgenden Faktendarstellungen der kleine Jussuf eine viel verlässlichere Quelle als beispielsweise die palästinensische Stadtverwaltung, oder gar die israelische Armee. Die Freunde des Jungen dürfen ihn nicht besuchen – hat Jussuf keine Freunde in den arabischen Vierteln um die Shuhada-Straße herum? Kann er nicht als Kind einer Palästinenserin in das H1-Gebiet der PA? Und wo geht er genau zur Schule? Joggen darf das Kind folglich Markus Rosch ebenso nicht, das dürfen nur die Siedler. Warum eigentlich – was belegt diese felsenfeste Überzeugung des Korrespondenten?

Dann das mit dem Wasser. „Nur selten wird in dem Niemandsland zwischen jüdischen Siedlungen und militärischen Kontrollpunkten Wasser geliefert“, kommentiert ein wieder einmal todernster Markus Rosch. Wallah? Hören die palästinensischen Wasserleitungen an der Grenze zum „Niemandsland“, in welchem immerhin 35.000 Araber leben, etwa auf? Hat jemand mal gesehen, dass in Hevron 2015 noch immer „Wasserlieferer“ um die Straßen fahren  und Wasserrationen an Familien ausgeben, als seien sie Milchboten? Wo sind denn die Wasserrohre geblieben, die die gesamte Stadt versorgen? Haben die Juden auch aus dem armen Haus von Jussuf das Wasser gestohlen oder vergiftet? Die Idee wäre ja nicht neu.

Aber es gibt auch einen Trost: die guten Juden. Auch diese tauchen im Video auf, sonst wäre die Berichterstattung unerlaubt einseitig und man will ja beide Seiten darstellen. Da die Siedler um das ARD-Team herum sich einfach nicht interviewen lassen wollen (ein vorbeigehender älterer Mann, der etwas in Richtung Kamera murmelt, wird als „schreiender Siedler“ abgetan), sondern nur selber

Leah Shakdiel von "Machsom Watch". Ein Beweis für die ARD, dass es noch gute religiöse Juden gibt.
Leah Shakdiel von „Machsom Watch“. Ein Beweis für die ARD, dass es noch gute religiöse Juden gibt.

mit ihren Smartphones wedeln, schnappt sich Herr Rosch kurzerhand eine religiös wirkende linke Aktivistin namens Leah Shakdiel. Woher sie kommt – unklar. Was sie dort macht – ebenso unklar. Dass sie etwas zu sagen hat – natürlich, noch dazu vor internationaler Kamera: „Es gibt keinen Grund, warum ein Palästinenser, der hier lebt, kontrolliert werden soll.“ Offenbar hat sie nichts von der Zweiten Intifada gehört, oder vom Scharfschützen aus dem Viertel Abu Snena, der am 26.03.2001 die

Baby Shalhevet und ihre Eltern vor dem Attentat 2001. Quelle: calevbenyefune.blogspot.co.il
Baby Shalhevet und ihre Eltern vor dem Attentat 2001. Quelle: calevbenyefune.blogspot.co.il

zehn Monate alte Shalhevet Pass mit einem Kopfschuss ermordete. „Als religiöse Jüdin kann ich das nicht verstehen und nicht akzeptieren, dass die Siedler hier alles im Namen Gottes machen“, sagt Leah. Als religiöse Jüdin scheint sie nicht zu wissen, dass Juden in Hevron in Gottes Namen schon über 3000 Jahre lebten und weiterleben wollen. Und in wessen Namen morden die arabischen Scharfschützen?

Ein jüdischer Mensch abseits des Konzensus kommt einmal kurz zu Wort bei der ARD. In den Untertiteln ist auch er ein „Siedler“, unklar, was er macht, woher er kommt. Er bekommt brav einen Untertitel verpasst, mehr als 3 Sekunden darf er alledings nicht reden. „Wir sind die Herrscher!“, soll er behauptet haben. Nun, das Gebiet steht tatsächlich unter israelischer Verwaltung. In welchem Kontext sagt er das?

Das letzte Wort zu diesem so authentischen, lebensnahen und aufwühlenden Bericht der ARD über die Unterdrückung von einer Viertelmillion Arabern, Bewohnern einer reichen Wirtschaftsmetropole, durch auf 3 Straßen lebende Juden , gebührt meines Erachtens dem kleinen Jussuf al Rajabi.

Dieser berichtet dem Zuschauer über seine Gegend: „Das ist meine Shuhada-Straße, mein Viertel. Keiner aus Hebron darf diese Gegend betreten. Wenn jemand erwischt wird, wird er geschlagen oder landet im Gefängnis“.

Im "Sperrgebiet" dürfen keine Palästinenser sein, so ARD. Moscheen stehen dort aber dennoch und sehen noch gut aus.
Im „Sperrgebiet“ dürfen keine Palästinenser sein, so ARD. Moscheen stehen dort aber dennoch und sehen noch gut aus.

Wenn ein Neunjähriger die Realität mit solch einer Ernsthaftigkeit widerlegt, dann muss man ihm das einfach glauben, und für die Zuschauer des ARD-Fernsehens einfach stehenlassen. Und sollte jemand zufällig einen Palästinenser aus Hevron, einen der 250.000+, über die Shuhada-Straße laufen sehen, etwa weil er dort arbeitet oder wohnt, dann sollte man sich an den Bericht von Jussuf erinnern und der ARD zu Ehren die Augen verschließen. Wo würden wir schließlich hinkommen, wenn die Realität die Berichterstattung deutscher Staatsmedien so unverschämt und strafffrei widerlegen dürfte?
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Rabbiner Levinger, ruhe in Frieden

Rabbiner Moshe Levinger z'l. Quelle: Wikipedia
Rabbiner Moshe Levinger z’l. Quelle: Wikipedia

Am Samstag, dem 17.05.15, ist einer der bekanntesten führenden Persönlichkeiten der Siedlungsrevolution von 1967, ideologischen Grundpfeiler und politischen Aktivisten der Siedlerbewegung, Rabbiner Moshe Levinger, im Alter von 80 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben. Gestern mittag wurde er auf dem antiken jüdischen Friedhof in Hevron beigesetzt. Der Beerdigung wohnten nach Angaben israelischer Medien über tausend Menschen bei, darunter der israelische Präsident Reuven Rivlin, Knessetabgeordnete und landesweit bekannte Rabbiner. Hier nun eine knappe Zusammenfassung der zentralen Stationen in Rabbiner Moshe Levingers Leben.

Rabbiner Levinger wurde 1935 als Kind der deutsch-jüdischen Einwanderer Eli’ezer und Paula Levinger in Jerusalem geboren. Seine Eltern waren vor der nationalsozialistischen Herrschaft zwei Jahre zuvor in das Land geflüchtet. Als junger Mann lernte er bei einem der bekanntesten Anführer der nationalreligiösen / religiös-zionistischen Bewegung namens Rabbiner Zwi Jehuda Kook (⇒ über die Lehren von Rav Zwi Jehuda und seinem Vater, dem Oberrabbiner der jüdischen Gemeinschaft im Land Israel vor der Staatsgründung – Avraham Yitzhak Hacohen Kook – werde ich getrennt berichten).

Rabbiner Levinger folgte der Ideologie, die die Wichtigkeit und zentrale Bedeutung des Landes Israel und der Anwesenheit des jüdischen Volkes auf dessen gesamtem Gebiet unterstreicht und ins Zentrum der zionistischen Bemühungen rückt. Nach dem Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 war es Rabbiner Levinger, gemeinsam mit weiteren jungen Aktivisten wie (Rabbiner) Hanan Porat, der die Bewegung „Gush Emunim“ (der Block der Getreuen) gründete und sich politisch wie gesellschaftlich dafür einsetzte, jüdische Präsenz in das von den Jordaniern befreite Judäa und Samaria zu bringen. „Gush Emunim“ ist der Grundstein der bis heute aktiven Siedlerbewegung zugunsten des Baus neuer Wohnorte hinter der Waffenstillstandslinie von 1948, welche Judäa und Samaria , sowie Ostjerusalem, Gaza und den Golan vom „Kernland Israel“ abtrennte und die erst im Sechs-Tage-Krieg wiedergewonnen werden konnten. Trotz der politischen Unentschlossenheit der israelischen Regierung, alle eroberten Gebiete vollends in den Staat zu integrieren, und der Schaffung des rechtlich fraglichen Status Quo, worunter die Gebiete von Judäa und Samaria (und ebenso der Gazastreifen bis 2005) unter militärische anstelle von offizielle staatliche Verwaltung kamen, bemühten sich Rabbiner Levinger und die Jahr für Jahr wachsende Anhängerschaft, möglichst viele Erfolge in der Besiedelung der Gebiete zu erzielen.

Als besondere Stichworte bei der politischen Aktivität Rabbiner Levingers für die Siedlerbewegung sind die „Park-Hotel-Episode“ in Hevron 1968 und der Siedlungsversuch von Sebastia 1974 (⇒ das Thema „Jüdisches Hevron“ werde ich in naher Zukunft getrennt behandeln).

Rabbiner Levinger gilt als eine Symbolfigur für die Wiedererrichtung einer jüdischen Gemeinde in Hevron, die auch die „Stadt der Patriarchen“ genannt wird, da sich dort die Gräber der Vorväter Avraham, Yitzhak und Ya’akov befinden. Bis zu den arabischen Pogromen 1929 lebten Juden inmitten der muslimischen Gemeinschaft seit hunderten von Jahren. Nach den Pogromen, bei welchem während des bestialischen Massakers mehr als 60 Gemeindemitglieder ihr Leben lassen mussten, wurden die Juden von den Organen des britischen Mandats aus Hevron evakutiert und durften nicht wieder zurückkehren. Nach der Befreiung Hevrons durch die israelische Armee organisierte Rabbiner Levinger eine Gruppe jüdischer Aktivisten, welche sich, als jüdische Touristen getarnt, ein leerstehendes Hotel in Hevron über die Pessach-Feiertage mieten wollten. Die Gruppe zog in das Hotel ein und weigerte sich nach Feiertagsende, dieses zu verlassen, trotz der Anweisung der Militärverwaltung. Die „Beschlagnahmung“ des Hotels durch die Gruppe um Rav Levinger war bis dato ein einzigartiger Präzedenzfall von Aktivismus innerhalb des Staates. Nach längeren Verhandlungen wurden die Aktivisten in eine naheliegende leere Militärbasis überführt, in welcher sie weitere 3 Jahre wohnten und sich weigerten, den  Ort zu verlassen, bis feste Wohngebäude für Juden in der Gegend errichtet sein würden. 1971 schließlich gab die israelische Regierung nach und erteilte die Erlaubnis zur Errichtung der Siedlung Kiryat Arba, welche heute eine der größten Siedlungs- und Absorptionszentren für neue Einwanderer in ganz Judäa und Samaria darstellt.

Dem nicht genug, beschloß Rabbiner Levinger nach der Errichtung von Kiryat Arba, auch für die Rückkehr von Juden in das ursprüngliche Hevron zu kämpfen (dazu siehe später). Er initiierte die Übersiedlung von Frauen mit Kindern in das ehemalige jüdische Krankenhaus im Zentrum des arabischen Hevrons, entgegen dem Widerstand der Armee, und auch diese Tat legte den Grundstein für die heutige jüdische Besiedlung von Hevron und die Rückkehr an historische Plätze, für die archäologischen Ausgrabungen von historischem Maßstab und für die Wiederherstellung der seit 1929 verlassenen Orte.

Rabbiner Levinger (links) und Hanan Porat, Sebastia 1974
Rabbiner Levinger (links) und Hanan Porat, Sebastia 1974

Im Laufe seines Lebens war Rabbiner Levinger die treibende Kraft hinter der Errichtung zahlreicher Siedlungen und Ortschaften in Judäa und Samaria; er gründete und leitete die zivile Regionalverwaltung. Es mangelte nicht an Kontroversen um seine Person durch seine ideologisch fest definierte Ansichts- und Handlungsweise, insbesondere aus dem zentralen und linken politischen Lager. In den letzten Jahren erkrankte Rabbiner Moshe Levinger sehr, was schließlich auch zu seinem Tod führte.

Präsident Reuven Rivlin äußerte sich wie folgt bei der Beerdigung:

„‚Hevron ist die Schwester von Jerusalem‘, schrieb David Ben Gurion an die Erneuerer der jüdischen Anwesenheit in Hevron. Schwer ist für uns die Trennung von dir; dieser Ausdruck bekommt eine neue Bedeutung, jetzt, wo man dich, Rabbi Moshe, der Hevron so teuer ist, zur letzten Ruhe bringt. 

Bei vielen hast du dich mit dem berühmten Sederabend ins Bewusstsein eingegraben, doch ich kenne dich noch als Jerusalemer Jungen. Du bist in einem Heim voller seltener Tiefgründigkeit und Torawissen afgewachsen. Das war dein Kennzeichen. Du warst kein Freund von Konsensus, aber hast niemals die Gelegenheit verschmäht, weitere Menschen für deine Idee zu gewinnen. Du suchtest nicht den Kompromiss, aber du hast auch nie daran gezweifelt, dass nur eine starke Basis dazu führen wird, die jüdische Besiedlung in Hevron zu erneuern. Du glaubtest daran, dass durch den Aufbau von Hevron auch Jerusalem erbaut wird. Du hattest nie aufgehört, an die Erlösung Israels zu glauben und diese zu erwarten. Du hattest um das Recht gekämpft, in Hevron begraben zu werden, und siehe da, genau das geschieht nun.“

Der Todestag von Rabbiner Levinger fiel auf den Vorabend des Jerusalem-Tags, des nationales Feiertags der Befreiung ganz Jerusalems durch die israelischen Streitkräfte von der jordanischen Besatzung. Doch nicht nur Jerusalem wurde in diesem Krieg befreit, sondern auch Hevron, die Stadt, dessen Name für immer mit dem von Rabbiner Moshe Levinger verbunden sein wird. Im Volksmund hatte und hat Rabbiner Moshe einen ganz besonderen Namen: „Der Vater von Hevron.“

Wo der Rabbi tanzen geht…Das Purim-Fest

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Königin Esther mit Fotoapparat

Zur laut dröhnenden Musik wedeln Tiger, Prinzessinen mit Bärten, Sanitäter und Clowns wie wild mit den Armen, ein bis zu den Ohren grinsender Mexikaner wird von einem chassidischen Rabbi auf den Schultern geschwungen, langbärtige Köpfe ruhen auf dem Tisch, in süßen Traum versunken; ein wie im jiddischen Schtetl gekleideter Äthiopier umarmt verliebt die Säule im bunten, kreischenden, von Wein- und Zigarettengeruch erfülltem Raum. Frauen versuchen, ihre heranwachsenden Teenies davon abzuhalten, nach den letzten Tropfen Wein in den Flaschen zu fahnden, und überall laufen durch die Menge wilde Prinzessinen, Tiger, Soldaten, Mini-Bob-Dylans und wer nicht noch alles. In der Nachbarstraße gehen Unbeteiligte vorbei und schauen halbbelustigt, halb skeptisch auf die wilde Feier im oberen Stock. Eine bunte Pippi-Langstrumpf-Figur lehnt sich heraus, winkt den Vorbeigehenden zu, von denen manche irritiert  stehenbleiben, andere lächelnd vorbeigehen.

– Darf ich vorstellen? Das war ein kleiner literarischer Einblick ins feiernde Hebron. Die Juden von Hebron und auf der ganzen Welt feierten am letzten Donnerstag und Freitag (4./5.03.) das Purim-Fest. Was ist Purim? So viele Traditionen, Erklärungen und Motive stecken in dem fröhlichsten und frechsten Feiertag des jüdischen Kalenders, und dabei hat dieser Feiertag kaum bestimmte Verpflichtungen und besteht zumeist aus Musik, Geschenken, Verkleidungen und Trinken. Und doch hat dieser Feiertag eine tiefe Verbindung zu der Essenz der jüdischen Geschichte.


 

Lasst uns kurz auf die Geschichte des Festes schauen:

Zu der Epoche des persischen Reiches, ca. im 5.Jahrhundert vor der neuen Zeitrechnung, wurden die Bewohner des Königreichs Jehuda – Judäa, aus genau der Region, in der ich heute wohne, incl. Jerusalem – nach Babylonien vertrieben und die Orte ihrer Heimat und der Tempel in Jerusalem zerstört. Diese Juden lebten in der 127 Kleinstaaten des persischen Reiches, und einer der Könige des Reiches war ein gewisser Achashverosh, bekannt als Artaxerxes. Die Esther-Rolle, ein Bestandteil der Heiligen Schriften der jüdischen Tradition, berichtet von einem einschneidenden Ereignis der jüdischen Geschichte: Dem ersten Plan  zur „Endlösung der Judenfrage“, entwickelt von einem Minister des persischen Königs, Haman. Dieser stammte von den Erzfeinden des jüdischen Volkes, den Amalekitern, ab, und nach einer Auseinandersetzung mit einem  Anführer der ins Exil getriebenen Juden, Mordechai, holte er vom König die Erlaubnis ein, nicht nur Mordechai, sondern auch sein gesamtes Volk dem Verderben zu widmen. (Haman ist somit der erste dokumentierte Antisemit der Zeitgeschichte.)

Es ist eine mit Intrigen und seltsamen „Zufällen“ gespickte Affäre auf dem Königshof, in welchem ebenso das jüdische Mädchen Esther (Hadassa) eine Hauptrolle spielt. Eine Verwandte Mordechais, wird sie als potenzielle Braut für den König ausgewählt, der nach einem Konflikt mit der eigenen Frau diese entlässt (oder gar, nach einer anderen Version – tötet). Esther, welche ihre jüdische Herkunft auf Wunsch Mordechais nicht preisgibt, wird zur Königin erwählt. Nach der Bekanntmachung des Vernichtungsplans, welcher auf ein bestimmtes Datum angesetzt wird, schmieden Mordechai und Esther einen Plan, wie sie die Vernichtung verhindern können. Der Plan gelingt, Esther erwirkt für ihre Landsleute das Recht, sich gegen Angreifer zu verteidigen und dementsprechend das Todesurteil aufzuheben, und Haman wird für sein Vorhaben bestraft und gehenkt. Zur Erinnerung an die Massenrettung legen Esther und Mordechai fest, dass das ursprüngliche Datum der Vernichtung, an welchem sich das Schicksal gewendet hat, zu einem Tag der Freude, der Geschenke, der guten Taten und des Lachens zu machen. Und so feierten und feiern Juden die Jahrhunderte hindurch das Fest der Rettung, der Einigkeit, der Selbstaufopferung  und dem Sieg des Guten über das Böse, ganz egal, wie die Stimmung um sie herum sein mochte  – ob nun in den dunkelsten Zeiten des Exils, ob mit Kostümen, dröhnender Musik, Tanz und Wein auf offener Straße im eigenen Staat.

Die Bräuche, die das Fest begleiten, sind knapp und sozial ausgerichtet: Neben dem zweifachen Hören der Esther-Rolle abends und morgens hat man ein großes Festmahl mit vielen Gästen zu veranstalten, Freunden mindestens zwei essbare Geschenke zu bringen und ebenso an Bedürftige Essen und Geld zu spenden. Auch ist das Trinken unabdingbar – denn, so wie es im Talmud steht, „der Wein geht hinein, und heraus kommt das Geheimnis“, der Wein verwischt die Grenze zwischen Illusion und Wirklichkeit, er befreit die tiefste Freude, die innigsten Gefühle, lässt Trauer verschwinden und verbindet. Die Tradition der Verkleidungen ist kein usprüngliches Gebot zu Purim, hat aber auch das Element des Festes drin – Verwischung von Identität, von Gut und Böse,  und das Lachen über das Unbekannte und Bedrohliche.


Zurück zu uns in Judäa und Samaria.

Purim-Marathon für Neulinge

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Vorlesung der Esther-Rolle im Naturpark Oz veGaon
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Auch die Kleinsten machen mit

Den Feiertag feiert man in jeder Stadt ein wenig anders, und natürlich hat das in den Siedlungen sein ganz persönliches Flair. Am Abend und am Morgen rennen die Menschen, vor allem die mit den Kindern beschäftigten Frauen (alle Kinder müssen ja geschminkt und geschmückt werden…) den Vorlesungen der Esther-Rolle hinterher, denn es ist ein Pflichtgebot, sie von einer Pergamentrolle vorgelesen zu hören. Meistens gibt es Lesungen in der Synagoge, aber alle beide habe ich persönlich verpasst, und daher waren wir am Abend noch mit Bekannten in das benachbarte Neve Daniel um 11 Uhr gedüst, um dann in einer Gemeinschaft von ebensolchen „Zuspätkommern“, natürlich verkleidet, in einem Haus eines großen bärtigen Mannes die Rolle vorgelesen zu bekommen. Wenn der Name des bösen Haman fiel, wenn man traditionell pfeift, klopft und andersweitig seine „Verabscheuung“ ausdrückt, quäckte der Hausherr mit seltsamer Stimme von der Haustreppe. Einige meiner Bekannten öffneten schon am Abend die Wodkaflasche, und in der Karavansiedlung lief irgendwo Musik, ansonsten war alles ruhig. Am Morgen war es an der Zeit, endlich, endlich die Nachbarschaft zu durchkreuzen nach den Freunden und Nachbarn, denen ich dieses Jahr ein Geschenk vorbereitet hatte.

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Kostümierte Familie aus Peru/Israel
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Alles in den Augen des Betrachters…

Wie erwähnt, ist es ein Gebot, mindestens zwei essbare Produkte an einen Bekannten zu schicken, und mindestens zwei essbare Produkte oder Geld an mindestens zwei bedürftige Menschen. Solche Pakete werden in bunte Tüten verpackt, irgendeiner steckt ein traditionelles Mini-Fläschchen Wein hinzu, es gibt Süßigkeiten und bei manchen auch was Gesundes, und dann geht es darum, die Sachen „an den Mann“  zu bringen, bevor die Sonne sich setzt. Jedes Jahr macht man in meiner Siedlung eine Lotterie, und jeder bekommt eine oder zwei Familien zugewiesen, denen man etwas schenken soll – so auch dieses Jahr. Vor allem für einen Neuling wie mich ist das natürlich sehr kostbar, von meinen mir noch wenig bekannten Nachbarn etwas zu bekommen, mit einem netten Zettel versehen, ebenso wie nachzudenken, was ich denn „meinen Familien“ in die Tüten legen soll.

Durch Alon Shvut sollte eine Maskarade-Prozession gehen, die hatte ich allerdings verpasst. Wer die Karnevalsumzüge aus Deutschland kennt – das ist etwas Ähnliches, und meine Version ist, dass der Brauch mit den deutschen Juden und ihrer Karnevals-Gewohnheit nach Israel importiert worden ist….aber ich habe mir es noch nicht bestätigen lassen.

Ein ganz persönlicher "Karnevalsumzug"...mit dröhnender Musik durch Alon Shvut
Ein ganz persönlicher „Karnevalsumzug“…mit dröhnender Musik durch Alon Shvut

Da ich noch an die wandelnden und laut feiernden Massen von Jerusalem gewöhnt war,  war mir hier es etwas zu still, obwohl in den verschiedenen Häusern Familien gemeinsam feierten. Ein Rabbiner sammelte bei sich die Geschenke für die Bedürftigen, welche er dann in eine Synagoge brachte und den Bedürftigen verteilte. Gut, dass es diese Möglichkeit gab; ich wüßte eindeutig nicht, wer bei uns in der Siedlung wohl bedürftig ist.

Das Fest von Hebron

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An der Haltestelle von Alon Shvut

Am Nachmittag fuhr mit einer Freundin nach Hebron, dort habe ich eine Bekannte, die mir eine Feier versprochen hatte.  Auf den Haltestellen standen bunte Leute und winkten mir zu.

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Pippi Langstrumpf an der Haltestelle Richtung Hebron. Die Betonpfähle sind dafür da, damit Terroristen die Wartenden nicht überfahren.

Im jüdisch-arabischen Teil von Hebron saß fast die ganze Gemeinde der jüdischen Viertel Avraham Avinu und Tel Rumeida in einem Saal voller recht betrunkener, fröhlich tanzender Menschen, und es gab dröhnende Musik, Essen und Wein. (Ich habe noch kein Wort über die jüdische Gemeinschaft in Hebron verloren, ihre Geschichte, von alt bis zu modern, ist unglaublich spannend, teilweise tragisch und hart, und auch nicht leicht zu verstehen – darüber in eine anderen Beitrag.) Der Saal lag ganz nah am Grab der Patriarchen, einem massiven, herodianisch-osmanischen Gebäude, unter welchem die Gräber der Ahnen des jüdischen Volkes – Avraham, Yitzhak, Ya’akov, und ihre Frauen Sarah, Rivka und Leah – liegen. Die Araber Hebrons, auf der Straße neben der Festhalle, schauten staunend zu der Musik aus den Fenstern hoch und zu mir, die ihnen aus dem offenen Fenster zuwinkte.

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Seltsame Treffen

Anschließend machen wir einen Spaziergang durch die Gassen des Teiles von Hebron, welcher uns als israelischen Staatsbürgern zu betreten erlaubt worden war – von unserer eigenen Regierung. Unterwegs wurde ich von einem Anfall von Übermut erfasst und beschloss, meine restlichen Süßigkeiten an die arabischen Kinder zu verteilen. Dank der Aufmerksamkeit, die mir mein buntes Auftreten sicherte, kam ich in Augenkontakt mit vielen arabischen Fußgängern, und manche konnten sich ein Lächeln abgewinnen, andere grüßte ich zuerst. Ich war in Hochstimmung. Soldaten in Shorts und T-Shirts joggten an mir vorbei und riefen etwas von wegen „täglicher Sport“ zu – wie konnten sie so einfach ohne Waffe herumrennen, fragte ich mich, und dann auch sie, als ich später auf sie traf. „Ja, zu Beginn machte es schon Angst, aber dann gewöhnt man sich daran“, erwiderte einer von ihnen lachend.

Die Kinder, denen ich die Süßigkeiten anbot, reagierten recht ambivalent. Zwei kleine Jungs hinter einem Haustor verneinten erst zurückhaltend, aber dann konnten sie nicht widerstehen und lächelten schließlich auch. Eine andere kleine Gruppe hatte zwei sehr dominante 6- oder 7-jährige Mädchen bei sich. Mein ehemaliges Arabisch hatte sich leider komplett verflüchtigt, und die Mädels bestanden darauf, dass ihre jüngeren Brüder ja nichts nahmen. Angst vor Fremden? Abscheu für die „Feinde“? Es konnte alles sein. Einer von den Jungs gab mir einen Keks, und als er schon auf einen „Austausch“ eingehen wollte, zerrte ihn die ältere Schwester oder Cousine zurück. Friedensverhandlung gescheitert? Die Mädchen hatten aber keine Skrupel, an meiner Perücke zu zupfen und zu fragen, ob sie echt sei. So lernten sie von mir auch das Wort „Sse’ar“  – Haare – welches ich ihnen aus Mangel an Arabisch auf Hebräisch zu vermitteln suchte.

Ein jüdischer Junge schaut aus einem Fenster in Hebron
Ein jüdischer Junge schaut aus einem Fenster in Hebron

In der Gasse mit den jüdischen Häusern war nicht viel los. In diesem Teil Hebrons leben Juden und Araber wie einst, vor dem fatalen Pogrom 1929, nebeneinander. Die Feindschaft ist allerdings sichtlich zu spüren. Eine vorbeifahrende junge Frau fragte mich, warum ich den Kindern die Süßigkeiten verteile. „Warum nicht?“, bemerkte ich. „Gut, wenn du meinst…“, antwortete sie und fuhr davon.

Wir plauderten noch mit ein paar Soldaten der Golani-Brigade, die momentan in Hebron stationiert sind, um für Recht und Ordnung im gemischten Stadtviertel zu sorgen. Und dann sahen wir sie – drei Männer mittleren Alters, mit den „Palitüchern“ in Kafiyya-Muster. Sie grüßten die arabischen Kindern und gingen dann in Richtung des Grenzübergangs, der den gemischten vom rein arabischen Stadtteil trennt. Meine Freundin und ich gingen ebenso hin. Obwohl sie nicht einverstanden gewesen war, sprach ich die Männer an – ich war mir sicher, sie waren Europäer. Tatsächlich – zwei erwiesen sich als Engländer und der dritte Mann war deutsch.

Was sie denn so machten, und wie lang sie in Hebron seien, sprach ich ihn auf Deutsch an. Er war sichtlich überrascht, aber erzählte mir, sie seien ein paar Tage da, und von einer christlichen Organisation namens Irgendwas geschickt worden (sie trugen gar ihre Jacketts). Ob sie auch im jüdischen Teil gewesen seien, und das Fest mitbekommen haben, fragte ich. Ja, meinten sie, es gäbe da ein Fest und Musik. Was sie denn machten in Hebron, fragte ich. Sie würden morgens und nachmittags so um den Grenzübergang sein und auf der Straße, denn ich wisse ja, es gäbe hier viele Kinder, und sie würden dafür sorgen, dass die Kinder sicher zur Schule kämen, weil, ich wisse ja, die Soldaten prüften ja die Taschen von den Kindern nach. Aha. Nette Leitlinie. Wüssten sie denn nicht, dass man in Schultaschen auch gefährliche Dinge hineinlegen kann, fragte ich möglichst freundlich nach. Aber das seien doch Kinder, erwiderte mir der Deutsche mit demselben sehr freundlichen Lächeln. Gerade in Taschen von Kindern könnte man aber gefährliche Dinge schmuggeln, bestand ich darauf. Bevor ich unsere „sehr freundliche“ Diskussion weiterverfolgen konnte, rief mich plötzlich ein Offizier zur Seite.

„Warum redest du mit ihnen?“, fragte er mich und klang irgendwie verbittert. „Ich versuche herauszufinden, was sie hier machen, obwohl es mir schon recht klar ist“, antwortete ich ihm. „Rede nicht mit ihnen, lass sie, ich will nicht, dass ihr mit ihnen redet.“ „Wieso nicht? Ich rede mit ihm auf Deutsch, und ich provoziere auch nicht“, rechtfertigte ich mich, aber er blieb auf Seinem. „Wir reden nicht mit ihnen hier. Meinst du, du kannst ihnen etwas erklären, sie von etwas abbringen oder überzeugen? Weißt du, was die machen? Sie kommen jeden Morgen und stehen hier, und bedrängen uns, und grüßen jedes einzelne arabische Kind, und wenn ein jüdisches vorbeikommt, schauen es es nicht einmal an, und sie behindern unsere Arbeit. Sie holen hierher Leute und organisieren Demonstrationen. Wenn ich könnte, würde ich diesen Arschlöchern, und vor allem dem da (er nickte in die Richtung des Deutschen) eine Kugel in den Kopf schießen, aber ich darf es nicht.“ Ein Soldat auf einer Wachtreppe über uns stimmte dem Offizier zu. Ich kannte diese Situation schon von früher, aus meiner Dienstzeit in der Armee; damals hatten mir Soldaten an derselben Stelle von den Aktionen der linken europäischen Aktivisten erzählt. „Ich verstehe dich“, erwiderte ich dem jungen Offizier, „ich würde es auch tun wollen. Ich spreche aber nur mit ihm!“ „Ja, ich weiß, du machst nichts Verwerfliches, aber ich möchte trotzdem lieber nicht, dass Juden mit denen sprechen, es bringt nichts.“

Wir verabschiedeten uns und gingen. Die Sonne setzte sich langsam. Wir diskutierten über den Vorfall, besuchten das Grab der Patriarchen kurz, aber dann trennten sich unsere Wege. Ich fuhr nach Hause, und zum wiederholten Male hatte ich das Gefühl, ich würde diese Stadt und ihr Innenleben nicht in der Lage sein, adequat zu erfassen, und fühlte eine Anspannung auf mir lasten, als würde ich innerlich eingezwängt werden. Ich verstand Hebron noch immer nicht, und eines Tages würde es an der Zeit werden, mich auch in diese komplizierte Materie hineinzufühlen. Mit diesen und anderen Gedanken fuhr ich per Anhalter heim nach Gush Etzion und es erschien mir plötzlich so gewohnt, heimisch und leicht.