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500 Kinder aus Samaria singen zum Unabhängigkeitstag

Der 5te Iyar 5778 ist das hebräische Datum für den Unabhängigkeitstag Israel. Wenn der 5te Iyar wie in diesem Jahr auf einen Freitag fällt, werden die Feierlichkeiten um einen Tag nach hinten verschoben.

In diesem Jahr ist der Staat 70 Jahre alt geworden und daher fielen die Festlichkeiten besonders aufwendig und beeindruckend statt. Da die jüdische Bevölkerung von Judäa und Samaria besonders israelverbunden und zionistisch zu charakterisieren ist, wurde in jeder jüdischen Ortschaft die Zeremonie zum Unabhängigkeitstag mit viel Effort durchgeführt.

Ein Projekt war in diesem Jahr besonders zu Ehren der 70 Jahre organisiert worden: 500 Kinder aus Samaria im Kindergartenalter wurden dazu ausgewählt, das Lied „Tfila/Gebet“ der israelischen und internationalen, im Jahr 2000 tragisch verstorbenen Sängerin Ofra Haza gemeinsam aufzuführen. Das Projekt wurde von dem Regionalvorsitzenden von Samaria, Yossi Dagan, initiiert. Das Lied wurde von den Kindern im Kindergartenalter eine Woche lang nach verschiedenen Stimmen (!) einstudiert und schließlich an verschiedenen Stellen im Samaria-Gebiet sowie bei einem gemeinsamem Gesang auf dem Kabir-Berg aufgeführt.

Und so sah das Resultat aus: (Quelle: Ynet)

 

Der Liedtext lautet:

„Er, der dort oben in den Höhen sitzt, Er, der alle Kranken heilt

Er, der den Kindern die Freude gibt, Er, der Der richtet

Er, der im Himmel ist, Er, der Einzige,

Er, der Große und Ehrfürchtige

Er, der uns vor jeder Not beschützt!

Refrain: 

Oh, Gott

Schütze uns alle wie Kinder, schütze uns und verlasse uns nicht

Gib uns Licht und Jugendfreude, gib uns immer und immer wieder Kraft

Oh Gott

Schütze uns alle wie Kinder, schütze uns und verlasse uns nicht

Gib uns Licht und Jugendfreude, und gibt uns die Möglichkeit zu lieben!

Was bleibt uns übrig von all den Tagen, was bleibt uns von jedem Tag

Sonne der Freude, viele Blicke, Tage und Nächte voller Träume

Er, der im Himmel ist, Er, der Einzige,

Er, der Große und Ehrfürchtige

Er, der uns vor jeder Not beschützt!

Refrain

(Lyrics: Bezalel Aloni, Musik: Henry Bratter)

Beileid für Lama

Lama Marwan Mousa. Quelle: Mondoweiss
Lama Marwan Mousa sel.A.. Quelle: Mondoweiss

Das ist Lama Marwan Mousa. Auf dem Bild ist Lama sechs Jahre alt, sie ist die Nichte von Ashraf, einem bekannten Inhaber der Autowaschanlage bei der noerdlichen Einfahrt nach Efrat in Gush Etzion.  Ihre Eltern kommen aus El-Khader, einem Vorort von Betlehem. Am spaeten Samstagabend, da kam ich gerade zurueck von einem Freundetreffen in Bet Jalla, war Lama zu Besuch bei ihren Freundinnen bei der Familie von Ashraf. Die Strasse, an welcher das Haus von Ashraf gelegen ist, grenzt an die Einfahrtsstrasse nach Efrat, und diese wiederum ist eine Seitenstrasse der Autobahn 60. Die Beleuchtung auf dieser Strassenstrecke ist spaerlich, und die Strasse hat keinen Buergersteig. Es war spaet am Abend, als die sechsjaehrig e Lama und ihre Freundinnen vors Haus und zur Strasse gingen, offensichtlich, um dort zu spielen. Ob die Eltern diesem gaenzlich zugestimmt hatten, sei dahingestellt. Aber mittlerweile ist es leider nicht mehr so wichtig. Denn als Lama und die anderen Maedchen an der Strasse entlang gingen, erfasste ein nach Efrat fahrendes Auto

Israelische und palaestinensische Notaerzte versuchen, lama wiederzubeleben. Quelle: Ma'an
Israelische und palaestinensische Notaerzte versuchen, lama wiederzubeleben. Quelle: Ma’an

das Kind und ueberfuhr sie. Lama war auf der Stelle tot, noch bevor die Notfallwagen des Roten Davidsterns an der Unfallstelle ankommen konnten. Auf die Ambulanzwagen aus Efrat, welche hoechstwahrscheinlich aus dem Sicherheitszentrum benachrichtigt wurden (da die Strasse unter staendiger Videoueberwachung steht) folgten die Notfallwagen des palaestinensischen Roten Halbmonds.  Auch sie konnten nichts mehr fuer Lama tun. Ihre Leiche wurde auf Anweisung der palaestinensischen Notfallleitung in Betlehem an das Regierungshospital in Bet Jalla ueberfuehrt.

Lama. Quelle: Internet
Lama. Quelle: Internet

Ich erfuhr von dem Unglueck am selben Abend und wartete auf den Folgetag, um mehr darueber zu erfahren. Zunaechst kursierten Geruechte in den lokalen Gruppen auf Facebook, es haette sich um einen versuchten Anschlag gehandelt, weil die Strasse angeblich mit Steinen blokiert gewesen war, um einen Hinterhalt gegen die Autofahrer zu planen. Dieses Geruecht erwies sich schnell als gegenstandslos. Die Bezirksverwaltung von Efrat und der Buergermeister Oded Revivi liessen nichts von sich hoeren, daher mussten sich die Einwohner selbst informieren. Bald darauf folgten Berichte – auf Times of Israel und in den palaestinensischen Agenturen wie Ma’an. Ich begann, mich bei Einwohnern von Efrat zu informieren, was genau geschehen sei. Ein junger Mann, Natan, berichtete mehr darueber, er erzaehlte, dass er mit dem Autofahrer gesprochen habe, der unter Schock stuende.  Ein weiterer sprach ueber den genauen Tatort. Auch ueber die Berichte der arabischen Medien konnte ich ein wenig Information bekommen, und diese anhand meines Wissens um die Gegend bei der Einfahrt nach Efrat (durch meine Arbeit im Sicherheitszentrum) ueberpruefen.

Stimmen der arabischen Medien

Die Berichte dieser Medien waren selbstverstaendlich alles andere als neutral, wie zu erwarten, aber einige Details konnte man dennoch herausfischen – so den Namen des Maedchens, ueber die palaestinensischen Einsatzkraefte. Auch Zitate eines Augenzeugen und eines israelischen Polizeisprechers waren dort, aber der Rest war hoffnungslos von antiisraelischer Agenda durchdrungen.

Den Augenzeugen Ali Mousa zitierte Aljazeera im Artikel vom 11.09.16 so:

„Der israelische Siedler stieg aus dem Auto aus und fing an zu schreien, ‚was habe ich getan! Was habe ich getan!'“

Anschliessend schrieb Aljazeera, Ali sei sich nicht sicher, ob der Fahrer oder „ein anderer Siedler“ den Notruf gewaelt habe. Die Paramediker konnten allerdings bei ihrer Ankunft nichts tun, denn Lama war fast augenblicklich tot gewesen.

Man muss es Aljazeera zugute halten, dass es notierte, dass beide Seiten – sowohl die palaestinensischen als auch die israelischen Behoerden – bestaetigt hatten, dass es sich dabei um einen Unfall gehandelt habe. Auch die Familie, so Aljazeera, habe dies bestaetigt. Dagegen waren Berichte von der Agentur Ma’an oder Gulf News wahrheitsverfaelschend und tendenzioes; so schrieb Gulf News in einem Artikel, es sei ein Unfall mit Fahrerflucht gewesen und der Taeter sei nicht bekannt, und Autoattacken gegen Palaestinenser wuerden auf regulaerer Basis vorkommen, dabei wuerden die „Siedlertaeter“ nicht erfasst oder nicht bestraft werden.

Auch Aljazeera liess es sich nicht nehmen, von „Siedleraggression“ zu sprechen. Die Familie soll ausserdem den Verdacht geaeussert haben, dass der Taeter nicht strafrechtlich verfolgt werden wuerde, da es sich um einen Siedler handle.

Stimmen aus Efrat

Aber lassen wir Aljazeera, Ma’an und Gulf News, deren Einstellung zu der juedischen Bevoelkerung von Judaea und Samaria und den israelischen Behoerden eigentlich bekannt sein duerfte.

Was sagten zu dem toedlichen Unfall die unmittelbar betroffenen Einwohner von Efrat?

Gabriel Danzig aus Efrat postete in einer lokalen Facebookgruppe den folgenden Kommentar am 12.09:

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An diejenigen, die ihr Auto bei Ashraf und seinem Team gewaschen bekommen ausserhalb der Einfahrt im Norden von Efrat, seine Nicht wurde vor zwei Tagen in einem tragischen Autounfall getoetet. Bitte ueberlegt es euch, eine Beileidskarte oder ein Geschenk an die Familie zu senden. Ich bin sicher, sie wuerden dafuer dankbar sein und es ist etwas, das ein guter Nachbarn tun wuerde. Ich werde es gerne ueberbringen.“

Daraufhin begann eine lange Diskussion mit Dutzenden von Teilnehmern, welche sich um die folgenden Themen drehte – was genau sollte man der trauernden Familie bringen? Blumen? Eine Beileidskarte? Essen? Eine Frau, Ruth, schlug vor, Essen vorzubereiten, wusste aber nicht, was. Jemand sagte, er habe bei der Familie nachgefragt und man solle Reis und Kaffee mitbringen. Andere fragten nach dem Namen, wie lange eine Trauerperiode bei den Muslimen dauert und ob das einen Einfluss auf das Opferfest hat, welches gerade gefeiert wird (E’id al-Ad’ha). Niemand kam auf die Idee, diesen Vorschlag mit Gegeneinwaenden zu torpedieren, lediglich eine Frau fragte vorsichtig, ob es erlaubt sei, als Israeli zum Haus der Familie zu kommen.

Ich lasse hier die Einwohner fuer sich sprechen:

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Ruth: „Danke, dass du eine solch barmherzige Aktion hier teilst. Was fuer eine Tragoedie.“

Ariella: „Danke, dass du uns Bescheid gibst.“

Michele: „So eine Tragoedie. Was fuer eine herzliche Geste. Was wuerde angemessen sein und sollen wir es so zum Laden hinbringen?“

Ruth: „(…) Ich weiss, dass sie eine dreitaegige Trauerperiode haben und es ist ueblich, Essen zu bringen, aber ich habe keine Ahnung, ob es besonderes Essen gibt oder ob sie alles essen wuerden, was wir ihnen vorbereiten.“

Noa: „Die letzte Nacht hat E’id al-Ad’ha begonnen, wo sie Schafe schlachten. Ich weiss nicht, ob das einen Einfluss auf die Trauer hat.“

Deborah: „Weiss jemand, was sie fuer Trauerbraeuche haben, Essen etc.“

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Micol: (…) „Als ich den Unfall gesehen habe, war mein erster Impuls, dass Efrat dort einen Buergersteig bauen muesste. Danke, dass ihr diese Diskussion initiiert habt. Ich habe mich seit Samstagabend gefragt, was wir als Gemeinschaft fuer diese Familie tun koennten.

Gabriel Danzig: „Hallo an alle, ich habe mit meinem Freund Achmed gesprochen, der die Fmailie kennt. Er sagt, dass sie ein dreitaegiges Trauersitzen im Dorf haben und besucht werden. Ich nehme an, der Feiertag unterbricht die Trauer nicht. Er denkt, wir sollten etwas danach tun. Er sagte, ich solle ihn uebermorgen an der Autowaschanlage treffen. Er sagte ebenso, dass die Sicherheit von Efrat mit ihm ueber dieses Thema geredet habe, vielleicht plant unser Buergermeister etwas?“

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Chavi: „Es ist eine tolle Idee angesichts der Tatsache, dass die PA ueberall berichtet und herumerzaehlt, sie sei als Maertyrerin gestorben. Sehr traurig und sehr tragisch. Die gesamte Woche bereiten sie sich auf den kommenden Feiertag und (jetzt die) Trauer. Alles ist zu und niemand arbeitet dort. Vielleicht koennen die Leute von Efrat bei der Anlage Blumen und Kerzen und Briefe ablegen, damit sie diese finden. Und andere koennen sie nach den Feiertagen besuchen.“

Von einem arabischen Freund aus der Gegend habe ich erfahren, dass der Buergermeister von Efrat, Oded Revivi, einen Beileidsbrief an die Familie von Ashraf und Lama geschrieben hat. Durch die Organisation Roots hat er diesen Brief ins Arabische uebersetzt. Jetzt ueberlegen wir gemeinsam, wie man ihn weiterverbreiten koennte. Er duerfte eine etwas andere Realitaet im Gegensatz zu der Berichterstattung von Aljazeera, Ma’an, Gulf News & Co. darstellen.

 

 

Ferien-Sommermodus

Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, war ich einige Zeit nicht im Blog aktiv. Das liegt vor allem daran, dass ich momentan in einer Art „Sommerpause“ bin. Es ist heißer Sommer bei uns im Land, und die Israelis verbringen ihn auf verschiedene Art und Weise: Die meisten Erwachsenen arbeiten; Erwachsene mit Kindern genießen die Ferien mit den Kindern, sofern sie Urlaub bekommen bzw. sie quälen sich die langen Monate durch  (2 bis 2,5 Monate je nach Kindesalter) bis zum 1.September, wenn der erste Schultag ist. Unmengen von Witzen, Filmen und Texten wurden über diese erheiternden / ermüdenden Sommermonate der Schulferien gedreht.

Studenten haben etwas mehr Genuss von den Semesterferien, sie verdienen entweder etwas mehr Geld, weil sie mehr Zeit zum Arbeiten haben als während des Semesters, oder fliegen ins Ausland. Staatsangestellte (so etwas wie Beamte, aber nicht ganz) und Knessetabgeordnete haben einige Wochen komplette Sommerpause. Kinder und Jugendliche haben in der ersten Hälfte ihrer Ferien Ferienlager und Kinderprogramme, und in der zweiten Hälfte haben sie freie Zeit und quälen ihre Eltern, bis diese mit ihnen in den Urlaub fahren oder an die Großeltern verfrachten.

Auch – natürlich auch – in den Siedlungen, den Ortschaften in Judäa und Samaria, herrscht der Ferien-Sommermodus. Die meisten der Siedlungen liegen auf den Bergen und der ständige Wind macht die Hitze erträglicher und holt die Menschen am Nachmittag und Abend aus den Häusern heraus für ein Abendessen im Freien oder einen Spaziergang.

Die Bezirksverwaltungen und einzelne Ortschaften organisieren Konzerte,

Klezmer-Festival in Samaria. Foto: Facebook
Klezmer-Festival in Samaria. Foto: Facebook

 

veranstalten Erlebnistage für die ganze Familie, Freizeitangebote für Groß und Klein gibt es in Hülle und Fülle – natürlich alles verbunden mit der Natur, es bietet sich ja auch an. Beispielsweise können Trecker gemietet und gefahren werden:

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Nahe Alon Shevut
Im Norden von Samaria. Foto: Facebook
Im Norden von Samaria. Foto: Facebook

Kinder und Jugendliche machen Aktivitäten gemeinsam mit dem Jugendzentrum, dem lokalen Sportverein, den Freunden aus der Schule, dem Kindergarten

Bilder aus Otniel. Quelle: Facebook
Bilder aus Otniel. Quelle: Facebook

 

Kleider- und Schmuckstände von Designer/-innen werden aufgebaut, es gibt Malworkshops für Kinder, Clowns, Kletterwände,

Foto: Facebook
Foto: Facebook

Bergwanderungen, Aktivitäten auf Farmen und Streichelzoos, Wasserquellen zum Plantschen und was nicht alles noch. Die Kinder müssen ja beschäftigt werden (wie oben erwähnt), und wenn die Eltern

Ziegenmelken in Samaria. Foto: Facebook
Ziegenmelken in Samaria. Foto: Facebook

oder Großeltern mit dabei sein können, um so besser. Wie man vielleicht schon weiß, Kinder und Kinderunterhaltung werden insbesondere in den Gemeinschaften von Judäa und Samaria großgeschrieben.

Wer sich die Originalstimmung bei einer solchen Veranstaltung anschauen möchte, soll sich dieses Video ansehen, aus der Ortschaft Meytarim im Süden Hevrons:

Auch für die Senioren wird man in den Gemeinden aktiv, so wie beispielsweise ein gemeinsamer Workshop mit älteren Einwohnern in Gush Etzion:

Quelle: Bezirksverwaltung Gush Etzion
Quelle: Bezirksverwaltung Gush Etzion

 

Daheim kann man sich im Sommer ebenso entspannen und sich das Leben schön gestalten. So werden provisorische Schwimmbecken aufgebaut,

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Gärten neu bepflanzt,

Fragt mich nicht, was das für eine Pfalnze ist.
Fragt mich nicht, was das für eine Pflanze ist.

auf Bäume geklettert und auf der Straße gespielt

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Die Zeit wird natürlich auch für Erneuerungen und Bau genutzt und so werden gleich neue Häuser gebaut, die die alten Karavane ablösen sollen.

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Es beginnt die Erntezeit für Früchte wie Granatäpfel, pünktlich zum jüdischen Neujahr, für welches der Granatapfel als Symbol dient.

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Trauben, Pflaumen und Feigen sind schon lange herangereift. Die Felder zeigen üppige Pflanzen und die arabischen Feldbesitzer ernten die Früchte fleißig – ich sehe jeden Morgen Tender und Autos und die Bauern selbst, welche die Ernte einsammeln. Zur Pflaumenernte habe ich hier schon etwas geschrieben.

Trauben auf einem arabischen Feld
Trauben auf einem arabischen Feld

Auch ich habe meinen Garten etwas erneuert, obschon ich noch immer auf meinen Feigenbaum warten muss, aber Geranien, Ysop (bekannt als das Za’atar-Gewürz) und Minze sind schon da und zeigen schöne Blüten. Und auch dem Rosmarinstrauch habe ich endlich gebührenden Platz gegeben.

Wen es interessiert, was die arabischen Einwohner unserer Gegend so machen, hier ein paar Bilder aus Nablus und Ramallah:

Sprich, wie ihr seht, Judäa und Samaria ist im Ferien-Sommermodus.

Mögen wir von hier nur gute Nachrichten hören! Schönen Sommer uns allen!

 

NEWS: 13-Jährige ermordet. Hallels letzter Tanz

Heute (30.06.16) um etwa 9 Uhr morgens drang ein 17-jähriger Terrorist in das Haus der Familie Ariel im Vorort der Großsiedlung Kiryat Arba bei Hevron ein. Der Attentäter kletterte über den Sicherheitszaun, der die Ortschaft umgibt, und gelangte in das nächstgelegene Haus. Er verschloss hinter sich die Tuer und begab sich in das Kinderzimmer der Familie, dort schlief eins der Kinder von Rina und Amichai Ariel, die 13-jährige Hallel Jaffa.

Von da an begann ein Alptraum.

Hallel Yaffa Ariel. Quelle: Internet
Hallel Yaffa Ariel. Quelle: Internet

Der Terrorist fing an, auf das schlafende Mädchen einzustechen. Hallel war am vorherigen Abend von einer Tanzaufführung, bei welcher sie mitgemacht hatte, spät zurueckgekommen, die Ferien hatten am Sonntag begonnen, und Hallel schlief aus. Der Attentäter, selbst noch keine 18 Jahre, überraschte sie im Schlaf und stach auf sie mit insgesamt acht Stichen ein. Hallel verlor das Bewusstsein, ihr Blut verschmierte den Boden.

Als der Terrorist (ich erwähne generell keine Namen von Attentätern) noch über den Zaun gekommen war, alarmierte dies das Sicherheitszentrum von Kiryat Arba, da der Zaun mit einer Signalanlage versehen ist. Auf den Kameras wurde der Eindringling erkenntlich. Die Mitarbeiterinnen des Zentrums (ich habe einige Zeit in einem solchen im Gush Etzion gearbeitet) benachrichtigten die

Das Haus von Hallel und ihrer Familie. Quelle: Maariv
Das Haus von Hallel und ihrer Familie. Quelle: Maariv

innere Sicherheitseinheit, welche aus freiwillig in ihr dienenden Einwohnern besteht, und ebenso die Armee. Die ersten, die sich am Schnellsten zum Eindringungsort aufmachen konnten, waren die Schutzmänner der Sicherheitseinheit. Sie eilten zum Zaun und begannen, aus verschiedenen Richtungen das Haus einzukesseln, da es nicht klar gewesen war, wo sich der Täter in diesen Momenten befand. Anschließend, so berichtete einer von ihnen im Nachhinein den israelischen Medien, näherten sie sich dem Haus, bis drei von ihnen schließlich ins Innere des Hauses vordrangen – Yehoshua (Shuki), Chanoch und Amichai – der Vater des Mädchens, welcher ebenso in der Einheit diente. Dank diesem konnte wohl auch die Tür geöffnet werden, die zuvor vom Attentäter verschlossen worden war.

Kiyat Arba - Tatort, Bani Na'im - Wohnort des Terroristen
Kiyat Arba – Tatort, Bani Na’im – Wohnort des Terroristen

Als die drei hineingelangten, gingen sie in Richtung des Kinderzimmers. Direkt am Eingang sprang der Terrorist auf einen von ihnen, Yehoshua, und begann, auch auf ihn einzustechen. Chanoch erschoss den Angreifer. Auf dem Bett erblickten die drei die blutende Hallel. Sie wurde von den angekommenen Notfallärzten herausgebracht, ebenso der schwerverletzte

Hallels Zimmer. Die ersten Rettungseinsatzkräfte haben das Zimmer schon gereinigt.
Hallels Zimmer. Die ersten Rettungseinsatzkräfte haben das Zimmer schon gereinigt.

Yehoshua. Nach den ersten Wiederbelebungsversuchen wurde sie in den Notfallwagen gebracht und ins Hadassah-Krankenhaus gefahren, ebenso der verletzte Yehoshua. Die Frau von Yehoshua, die ebenso als Freiwillige des „Roten Davidssterns“ und als Krankenschwester arbeitete, sah den Ambulanzwagen fahren, als sie auf dem Nachhauseweg auf der Straße in der Siedlung war und stieg zu; der Patient offenbarte sich ihr als ihr Mann.

Hallel mit ihren Eltern Amichai und Rina und mit juengeren Geschwistern bei einem Besuch auf dem Tempelberg. Quelle: Nana
Hallel mit ihren Eltern Amichai und Rina und mit juengeren Geschwistern bei einem Besuch auf dem Tempelberg. Quelle: Nana

Im Krankenhaus fand das Drama sein bitteres Ende, zumindest, was Hallel anbetraf. Der Leiter des Traumazentrums des Hadassah-Krankenhauses berichtete den Nachrichtendiensten, Hallel sei durch die Messerstiche zu schwer verletzt worden und die Wiederbelebungsversuche hatten nicht geglückt. Hallel verstarb an ihren Wunden. Yehoshua befindet sich noch immer in der Notaufnahmestation und wird operiert.

Hallel beim Auftritt. Quelle: INN
Hallel beim Auftritt. Quelle: INN

Das Drama war vorbei, der Alptraum hatte erst begonnen. Für die Familie, Freunde und Nachbarn von Hallel; den Vater, einen Pädagogen und Weinbauern, für ihre Mutter Rina. Für die Schülerinnen der ehemaligen achten Klasse der Mittelschule in Kiryat Arba, welche Hallel vor einigen Tagen erfolgreich abgeschlossen hatte. Für ihre Tanzgruppe, mit welcher die 13-Jährige erst vor einem Tag eine erfolgreiche Aufführung gehabt hatte. Hallel liebte es zu tanzen, so erzählen ihre Eltern und Nachbarn.

„Sie hatte einen guten Charakter, ein gutes Mädchen, immer beliebt und von Freundinnen umgeben. Sie liebte diesen Ort, das schöne Haus, das Grün, sie fühlte sich sehr wohl“, so berichtete der Nachbar, der als Sicherheitsoffizier in der Siedlung fungiert, dem INN.

Der jüdischen Tradition entsprechend soll ein Toter so schnell wie

Das Trauersitzen (Shiva) von Familie Ariel. Auch Premierminister Netanyahu kam zu Besuch. Quelle: Nana
Das Trauersitzen (Shiva) von Familie Ariel. Auch Premierminister Netanyahu kam zu Besuch. Quelle: Nana

möglich begraben werden. Daher wurde die Beerdigung auf 18 Uhr Ortszeit gesetzt. Hallel wurde auf dem alten jüdischen Friedhof von Hevron, in der Hevroner Altstadt, in welcher sich die jüdische Gemeinde Hevrons befindet, beerdigt. Hunderte von Menschen erschienen auf der Beerdigung und begleiteten Hallel auf dem letzten Weg.

Was die offiziellen Reaktionen auf den Mord von Hallel und die Attacke auf Yehoshua angeht, so äußerte sich Premierminister Netanyahu zu dem Attentat und erklärte, die Arbeitsvisa für die Verwandten des 17-jährigen Terroristen zu streichen. Armeeeinheiten haben mittlerweile die Stadt Bani Na’im bei Hevron eingekesselt, in welcher der junge Attentäter gelebt hatte, die Familienmitglieder verhört und ebenso die Einfahrt nach Bani Na’im mit Betonblöcken versperrt Der Vater wurde aufs Armeerevier

mitgenommen. Die Mutter, so veröffentlichte es Ynet, beteuerte, nicht geglaubt zu haben, dass ihr Sohn die Attacke vollführt haben soll: „Er meinte immer, er wolle ‚etwas tun‘, aber wir dachten, er würde nur Spaß machen“.
Auch innerhalb des Gebietes von Judäa bis nach Ramallah im Norden Jerusalems wurden Straßensperren von der Armee errichtet.

(Quellen: Channel 2, Jerusalem Post, INN, Ynet, Walla)


Ein weiterer Artikel, aus persoenlicher Sicht geschrieben, laesst sich hier finden: Barbara Sofer, Jerusalem Post (uebersetzt): Je Suis Hebron


Bani Na’im, ebenso wie die gesamte Umgebung von Hevron, ist durchsetzt von Terrorzellen der Hamas und anderer islamistischer Terrororganisationen, und ihre Einwohner sind sehr anfällig für Radikalisierung. Zahlreiche Attentäter, welche Attacken auf

Terroregion Großraum Hevron - Karte
Terroregion Großraum Hevron – Karte

Zivilisten und Soldaten in und außerhalb der „Grünen Linie“ verübt hatten, auch in dem letzten halben Jahr, stammten aus dieser Region:  Dura  – Yatta – Bani Na’im  – Hevron- Sse’ir (alShuyuch)  – Halhul. So die drei Attentäter, welche in diesem Monat  (Juni) die Terrorattacke im Sarona-Zentrum in Tel Aviv zu verantworten hatten; der Attentäter, der vor etwa einem halben Jahr Jakov Don und Ezra Schwarz in einem Stau bei Alon Shevut erschoss; der Mörder von Dalia Lemkos im Oktober 2014, und schließlich auch die Entführer der drei Jugendlichen, Eyal, Gil-ad und Naftali, welche genau vor einem Jahr, am 30.06.14 , ermordet und eingebuddelt auf einem Feld beim Hevroner Vorort Halhul gefunden wurden.


spiegel-online-logoSeitens der deutschen Berichterstattung dürften diejenigen, die die heutigen Nachrichten größeren Medienkonzerne verfolgt hatten, eine kleine Überraschung erlebt haben:
So berichtete der SPIEGEL in einer uncharakteristisch informativen datazdfund sachlichen Art und Weise über den Terroranschlag und erwähnte ebenso die Terrorwelle und die israelischen Opfer der Attacken des letzten Dreivierteljahres. Die Meldung stammte aus der Nachrichtenagentur dpa.

Bei der „Tagesschau“ musste man Vorarbeit leisten:
Der Studentin Noemi Becher aus Frankfurt fiel in der Nachrichtenausgabe der „Tagesschau“ auf, dass der Mord mit tagesschau128-_v-banner3x1keinem Wort erwähnt wurde. Daraufhin schrieb sie einen Brief an die Onlineredaktion. Wenig später veröffentlichte die Webseite einen kurzen Bericht zum Attentat. Noemi postete auf ihrem Facebook-Profil:

Eigeninitiative hilft. Nachdem ich bei der Tagesschau nichts zum Attentat in Kiryat Arba gefunden habe, habe ich mich per Mail an die Redaktion gewendet und sie darauf aufmerksam gemacht, dass der Terror nicht in Tel Aviv anfing und dort auch nicht aufgehört hat. Ich habe auch ausdrücklich gefordert, dass der Attentäter nicht als das Opfer dargestellt wird. Kurz darauf erschien der Artikel auf ihrer Webseite. Zusammen mit den anderen, die eventuell auch eine Mail geschickt haben, haben wir etwas bewirkt.

Auch andere Medien meldeten sich im Laufe des Tages – so beispielsweise die BILD, RTL Online, Hamburger Morgenpost. Offenbar ließ sich der Mord an einer unschuldigen 13-Jährigen nicht einfach übergehen.

Der Bericht von ZDF heuteplus.
Der Bericht von ZDF heuteplus.

Am Ende des Tages kam auch das ZDF heuteplus mit einem gar außergewöhnlichen Bericht auf, welches sowohl einfühlsam und respektvoll über den Mord von Hallel berichtete, als auch mehr als deutlich auf den Hass hinwies, welcher in der palästinensischen Gesellschaft geschürt wird und dem vor allem Jugendliche ausgesetzt werden.

Leider schrieb keins der erwähnten Medien darüber, welche Überzeugungen der Attentäter selbst vor seiner Tat hegte. So verherrlichte er auf seinem Facebookprofil die jugendliche Terroristin, ebenso aus Bani Na’im, die vor einigen Monat Soldaten in Hevron angegriffen hatte und dabei erschossen worden war. So schrieb der 17-Jähriger, dessen Cousin laut Ynet bei einer versuchten Autorammattacke im März dieses Jahres von Soldaten erschossen worden war, am vorherigen Samstag auf Facebook:

„Ich will sterben. Das Sterben ist ein Privileg.“


Mein Bekannter Me’ir aus der Ortschaft Bet Haggai im Norden Hevrons berichtete einige Stunden nach dem

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Attentat, vor der Einfahrt nach Hevron (von seinem Haus aus zu sehen) würde eine lange Autoschlange stehen, die Autos wären mit Flaggen geschmückt und es würde gehupt werden: Sie hupen sicherlich deshalb, weil sie gute Zeugnisse heimgebracht haben“, schrieb Me’ir sarkastisch.

Ein anderer Bekannter, Moshe Rahmanov, veröffentlichte das folgende Bild und betitelte es „Bunkerbetten – bald im Angebot“:
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Es wäre lustig, wenn es nicht so realitätsnah wäre.

Beton und Farben

Wenn wir schon beim vorherigen Eintrag beim Thema Jugend und Kinder gelandet sind, dann werden die folgenden Bilder wohl passend sein.
Wie ich schon erwähnt habe, leben im Gusch Etzion, eine Gegend mit ca. 22.000 Einwohnern, sowie in ganz Judäa sehr viele Kinder und Jugendliche – überdurchschnittlich viele innerhalb der jüdischen Bevölkerung, und erst recht innerhalb der arabischen.

Die jüdische Gesellschaft in den Siedlungen legt besonderen Wert auf Kindererziehung, auf Freizeitbeschäftigung, Bildung und vor allem Sozialisierung. Beinahe jeder der 19 Siedlungen im Ballungsraum Gusch Etzion (Ost und West) hat ein Jugendzentrum und mindestens eine Jugendgruppe für verschiedene Altersgruppen von Kindern und Jugendlichen. Nachmittagsaktivitäten innerhalb von Hobbygruppen sind populär wie Zeichnen, Gymnastik, Tanz, Ballett, und auch in Rahmen des Unterrichts werden viele Projekte veranstaltet, die die Kinder und Jugendlichen aus der Klasse in die Umgebung befördern – Wandern, Freiwilligenarbeit, Gestaltungsprojekte.

Nun habe ich bei einem meiner täglichen Gänge zur Arbeit einige Werke zweifellos junger Künstler entdeckt, dort, wo sie zweifellos eher weniger zu erwarten wären: Auf den Betonschutzwällen und Armeewachpunkten an der großen zentralen Verkehrskreuzung. Die Betonaden, wie sie bei uns heißen, stehen vor den Haltestellen und an der Kreuzung aus der bitteren Notwendigkeit heraus, die Wartenden vor Autoattentaten zu schützen, wie sie leider vor allem in der letzten Zeit die Fußgänger und Reisende betroffen haben. Die Armeewachpunkte dienen als Schutzstand für Soldaten für den Fall, dass sich ein größeres Attentat ereignet und es beispielsweise zu Schusswechsel kommt.

Diese Bilder, die ich weiter unten zeige, sind eine kleine Illustration dessen, wie man Leben auch in schweren Bedingungen lebenswert gestalten kann. Nicht nur der berühmte und berühmt gemachte britische Wandkünstler Banksy weiß, wie man Bilder auf die palästinensische Seite der Sicherheitsmauer in Bet Lehem malt – aber diese Bilder werden wohl kaum die internationale Presse erreichen.

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Soldaten-Wachpunkt. Dahinter: Haltestelle Richtung Hevron.

„Gusch Etzion – Haus Israels“, eins der Slogans der Regionalverwaltung.

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Soldatenwachpunkt. Dahinter - Haltestelle Richtung Hevron.

Ein Zitat aus dem Buch Jeshayahu/Jesaja, Kap.2 Vers 4, die Prophezeihung für die Menschheit in der Endzeit: „Und sie werden ihre Schwerter zu Spaten umschmieden und ihre Speere zu Baumscheren (und kein Volk wird gegen ein anderes in den Kampf ziehen und man wird keinen Krieg mehr lernen).“

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Soldatenwachpunkt, Haltestelle Richtung Jerusalem

„Lächel mal – alles ist zum Guten“, bekannter und beliebter Spruch in ganz Israel.

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Soldatenwachpunkt und Haltestelle Richtung Jerusalem

„Noch ist unsere Hoffnung nicht verloren.“ Zitat aus der israelischen Nationalhymne (geschrieben von Naftali Herz Imber).

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Betonschutzwälle.

Zitat des 22-jährigen Offiziers Uriel Peretz sel.A., welcher 1998 im Südlibanon bei einem Überfall von Terroristen getötet wurde. In seinem Notizblock im Offizierskurs schrieb er:
„Aus all den Dornen, die mir in den Körper eingedrungen sind, könnte man eine quadratmetergroße Rasenfläche anlegen, aber das sind nicht einfach nur Dornen. Das sind Dornen Israels. Wer in diesem Land lebt, muss auch seine Dornen mit Liebe annehmen können.“ Ein Teil dieser Notiz steht auf dem Betonwall.

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„Einigkeit“. Daneben – eine Israelkarte, wie man sie sich wünscht – ohne die Waffenstillstandsgrenzen von 1948.

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„Am Israel Chai“ – „Ich lebe, mein Vater lebt noch, das jüdische Volk lebt“, Paraphrasierung auf den Ausspruch von Josef, dem Sohn des Vorvaters Ja’akov. Daneben: „Unsere Herzen werden wie ein Herz weiterschlagen“.

Es gibt ein Sprichwort im Hebräischen, das heißt „Es gibt zwei Arten, eine Lage zu beschreiben. Einmal kann man sagen: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Oder man kann sagen: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“
Meine Hebräischlehrerin aus Köln, gebürtige Israelin, pflegte zu sagen: „Der erste Satz gilt für die Deutschen, und der zweite für die Israelis.“

Kindersegen und Kulturschock

Kinderreiche Familien. Etwas, was ich bisher nur in Israel kennengelernt habe. Ja, es gab bei uns in der lokalen Gemeinde in Köln einen Rabbiner mit ganzen 8 (dann 9, 10, 11, 12) Kindern. Aber dieser war dann auch der Einzige in der Umgebung, und niemand konnte sich an ihm messen. Er war und blieb ein Familienphänomen und fernab allem Gewöhnlichen. Für mich als Einzelkind eines alleinerziehenden Elternteils waren schon drei Geschwister eine bemerkenswerte Erscheinung, die es sich zu studieren lohnte. Das war in Deutschland.

Hier in Israel war und bleibt alles ganz anders – und noch immer etwas nicht ganz Nachvollziehbares für mich. Hier heißen kinderreiche Familien „kindergesegnet“, und ein berühmter Satz, ich weiß gar nicht mehr, aus welcher alten Fernsehserie er stammen soll, heißt „Kinder bedeuten Freude“. Meist nutzt man ihn hier zum Spaß, wenn der Nachwuchs mal wieder furchtbares Chaos veranstaltet oder lärmt oder sonstwie bemerkbar wird. Aber ob es dabei bleibt? Weit gefehlt. Kindergesegnete Familien sind hier eine gewohnte Erscheinung, und nein, nicht nur bei den „Ultraorthodoxen“, also dem Stereotypenbild des Durchschnittseuropäers von einem religiösen Juden – dem mit dem schwarzen Hut, langem Bart, Frack und Frau mit langem Rock und Babybauch hintendran.

In allem macht sich die Kinderliebe bemerkbar – in den Unmengen an Freizeitangeboten für Kinder, in den großen Familienpackungen im Supermarkt für praktisch alles, in der Beliebtheit von Vielzimmerwohnungen und großen Häusern mit Garten, in der seltenen Haltung von Haustieren (wer will Katze und Hund, wenn man schon 5 Kinder hat?)…

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Quelle: peopleil.org.il

Natürlich ist ein solcher Ort für alljährlichen Babyboom die Siedlungen. Hier lebt das nationalreligiöse Kontingent – sprich, gläubige Juden aller Farben und Ausrichtungen, die den Zionismus, den jüdischen Glauben und den Staat hochschätzen. Und auch Kinder schätzen sie sehr. Siedlungen sind Bastionen für Nachwuchs jeder Altersstufe, sie strotzen nur so vor Kindergärten, Schulen, Internaten, Freizeitangeboten, Jugendgruppen, Spielplätzen und anderem mehr. Junge Erwachsene, sofern nicht verheiratet, dürften bisweilen wohl von einem Leben in einer Siedlung irgendwo in den Bergen gelangweilt sein; für Eltern mit Kindern ist so ein Ort ideal. Kinder werden nicht geplant. Sie kommen, und wie und wann sie kommen, das entscheiden Gott und die Biologie, und wenn sie kommen, dann sind sie herzlich willkommen. Jeder bekommt irgendeinen originellen Namen verpasst – bei den nationalreligiösen Juden sind Namen mit viel Bedeutung, Neuschöpfungen und bis dato ungenutzte Namen aus den Heiligen Schriften sehr beliebt -, jeder wird getätschelt, geliebt, von Kleinkindalter bis zur Armee oder Heirat von allen Nachbarn gekannt und begutachtet. Kindererziehung in Siedlungen ist vielfältig, angereichert mit viel Zuwendung und Hingabe zu jedem Einzelnen, es gibt viele Angebote für diejenigen Sprosse, die sich nicht an das reguläre Erziehungssystem anpassen, Konzentrationsschwächen oder Übeschuss an Energie haben (und davon gibt es sehr, sehr viele!).

Aber dennoch ist die Herangehensweise standartisiert, und mächtig anders als die, die ich in meiner Kindheit erleben durfte. Und hier gibt es dann jedes Mal einen kleinen Kulturschock für mich, wenn ich von einem intensiven Austausch in einer solchen Familie irgendwo zurückkomme.

wpid-20150620_211827.jpgDieses Wochenende war ich bei meinem Studiumskollegen Me’ir in einem kleinen Ort namens Bet Haggai in Judäa, südlicher der Stadt Hevron. Er und seine Frau Adi haben, sollen sie bloß gesund sein, 9 Kinder, der letzte ist erst vor Kurzem geboren worden. Den ganzen Shabbat habe ich bei ihnen zugebracht, und natürlich waren alle Kinder um mich herum, und sie waren alles andere als ruhig, entspannt oder, nennen wir es, behutsam. Es gibt  Familien, da haben die Geschwister mehrere Jahre Altersunterschied. Es gibt auch Paare, die bevorzugen es, jung zu heiraten und Kinder im frühen Alter und schnell nacheinander auf die Welt kommen zu lassen – somit sparen sie sich die Mühe der Kindererziehung im späten Alter, und haben noch viel Energie übrig.

Wir kamen  auf Kindererziehung zu sprechen, wobei ich mir vorkam, als würde ich die arme Frau mit Fragen durchlöchern und von ihr Antworten erwarten, die ihr ganz selbstverständlich schienen. Ich konnte es aber einfach nicht lassen, für all das eine Erklärung zu verlangen, was mir neu und unerwartet schien. Wie gesagt, mein familiärer Hintergrund ist komplett anders, und in nichts vergleichbar. Wie könnte ich da nicht fragen?

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Foto: Yossi

Also erzählte mir Adi, wie sie zu den Namen der Kinder kamen: Jedes Kind habe seine spezielle Geschichte zum Namen, und obwohl es üblich ist, dass die Mutter den Namen entscheidet, sprachen die beiden sich gemeinsam ab.

Ob es gewollt gewesen war, dass die Kinder nicht mehr als anderthalb-zwei Jahre Altersunterschied untereinander hätten: Auf Kinder zu verzichten und das als Argument zu nutzen wäre eben das Einfachste, was viele tun würden, und sie würden auf etwas anderes verzichten – Luxus, Ruhe, Zeit – aber nicht auf Kinder.

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Foto: Chaya Tal.

Warum sie ihre älteren Töchter nicht mit Jungs spielen lassen würde: Sie seien schon groß, und da wäre die Interaktion mit Mädchen und Jungen schon anders. Was getrennte Schulen anginge, sie selbst sei in einer gemischten Schule großgeworden und könne sich selbst nicht Unterricht nur für Mädchen bzw.nur für Jungen vorstellen, aber ihre Kinder kämen damit gut zurecht, und Statistiken bewiesen auch besseres Lernklimat und Lernqualität in getrennten Schulen.

Ich konnte auch die Dynamik im Haushalt beobachten. Ich habe schon viele kinderreiche Familien besucht, und jedes Mal ist die Dynamik anders, und sehr interessant. Je näher du dich der Familie fühlst, desto genauer schaust du hin und merkst die Beziehungen zwischen den Geschwistern, zwischen den Kindern und den Eltern, ihre Aufnahmefähigkeiten, ihre Offenheit bzw. ihre Charakterentwicklung und so vieles mehr.

Man kriegt immer Fotoalben vorgesetzt („hier war ich klein! Hier war meine Bat Mitzwa!“), Kinder stapeln sich praktisch um dich herum – der eine will mit dir spielen, die andere führt dich im Haus und in der Umgebung herum, der dritte erzählt dir alles über seine Legospielzeuge, und du wunderst dich, wie die Eltern mit dem Geschrei zurechtkommen. Bis dann die Eltern kommen, und ebenso schreien, dass es ruhig werden sollte. Der Geräuschpegel sinkt um ein Geringes, und die Mutter seufzt, wie es wieder unmöglich ist, und man nichts hört, und nicht zur Ruhe kommt. Ich denke mir gerade noch – ja, wieso wolltest du denn dann 9 Kinder haben? Aber schon sehe ich sie lachen, irgendeinen Kleinen umarmen, sich mit den anderen zwei unterhalten, und zwischen diesem und jenem sagt sie – sie machen so viel Spaß, die Kleinen, sie sind ein Völkchen für sich, ich liebe es.

Und wohlbemerkt, das Ganze geht schon über ein Jahrzehnt so. Für mich unvorstellbar, für sie ganz normale Realität. In der Familie haben sie nicht nur Großeltern, sondern sogar Ur- und Ur-Ur-Großeltern! Das passiert, wenn man Generation für Generation mit 19 Jahren heiratet. Ich war so erstaunt, ich konnte es zunächst gar nicht glauben.

Die älteren Mädels werden dazu beordert, auf die Kleinen aufzupassen, wenn die Eltern schlafen. Damit es nicht langweilig wird, kommen diese eine ganze Horde Freundinnen besuchen, und alle sitzen gemeinsam im Mädchenzimmer und tratschen und spielen stundenlang. Die Kleinen haben Ausgehzeiten. Von wegen Dorfluft und freies Leben – auch hier will man nicht, dass die Kinder lange außer Haus bleiben, wohl mehr aus Prestige heraus als aus irgendeiner anderen Sorge.
Vor Shabbat-Eingang segnen die Eltern jedes ihrer Kinder, nach jedem Segen küsst das Kind die Hand der Eltern – das verschafft Respekt und Elternachtung.

Das Neugeborene ist natürlich das beliebteste Spielzeug aller, und fast jeder der älteren Geschwister weiß, wie man es hält, dass es nicht schreit, wie man es streichelt, wie man es wiegt, selbstverständlich auch der Vater. Babysache ist auch Männersache. Und wenn der fünfjährige Bruder den Dreijährigen abfragt, wie denn wohl die Tiere im Bilderbuch heißen, schweige ich voller Bewunderung und höre ihnen zu…

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Quelle: peopleil.org.il

Bei allen Feierlichkeiten sind die Kinder dabei, es wird begrüßt, dass sie in die Synagoge gehen (wobei  junge Mädchen das eher seltener tun). Gekleidet sind alle mehr oder weniger im selben Stil – bunte Kleider und Röcke, viele Stickmuster und Spitzen  und Blumen und darunter ellenbogenlange Shirts (manche auch nur schulterverdeckt) bei Mädchen, Sporthosen, Stoffhosen, Jeans und

Foto: Chaya Tal
Foto: Chaya Tal

T-Shirts oder Hemden  und Sportschuhe bei Jungs. Viele Farben, meist bunt durcheinander, öfter mal auch nicht zusammengehörende Kleidungsstücke wie Turnschuhe und Festkleider, weiße Hemden und Sandalen…Immer endlos viel Wäsche in und um die Waschmaschine herum, Spielzeuge und Kinderbücher in jeder Ecke, und man denke bloß nicht, dass jemand sich die Mühe macht, Schuhe daheim auszuziehen…

Und es gibt noch viele andere, minimale alltägliche Aspekte, die mich staunen lassen: über die Ausdauer der Eltern, die Ausdauer der Kinder, und der Glauben dahinter.

Als Mensch gänzlich ohne Erfahrung mit Großfamilien, kann ich mir nicht vorstellen, wie man sich bei solch eine Anzahl von Menschen im Haushalt jedem individuell widmen kann, für jeden Zeit und Verständnis finden kann, wie man die Persönlichkeiten zu beobachten und zu entwickeln schafft. Ich habe das Gefühl, als käme bei der Massenerziehung von Kindern der persönliche Bezug und die Vertiefung in die Welt der Kinder zu kurz. Aber die Zeit vergeht, aus den Kindern wachsen gesunde, selbstbewusste, sicher innerhalb

Quelle: Gush Etzion Tourist Association
Quelle: Gush Etzion Tourist Association

der Gesellschaft stehende, moralisch hohe, zufriedene und frohe junge Menschen heran, die nicht bis zum 30. oder 40.Lebensjahr auf Selbstsuche sind oder sich Drogen, Alkohol und sonstigen „Zeitvertreiben“ widmen, sondern ihrerseits früh heiraten, Familien gründen, diese liebevoll umsorgen und darunter noch Zeit fürs Lernen, fürs Arbeiten, für sozialen Aktivismus finden. Sie bauen Häuser, gehen wandern, dienen in der Armee, sorgen für Kinder und Gemeinde…. und der Kreis geht von vorne los.

Ich merke, ich habe noch  viel zu tun, wenn ich diese Gesellschaft tatsächlich in ihrem Inneren kennenlernen will. Sie ist mir lieb und teuer, aber noch immer etwas fremd.

Nach dem Anschlag. Eine Mail.

Der Tatort auf der Karte.
Der Tatort auf der Karte.

Gestern, am 14.05.15, kurz nach 1 Uhr nachmittags (israelische Zeit) wurde an der Bushaltestelle in der Nähe des Einfahrtstores von Alon Shevut ein Attentat verübt . Ein palästinensischer Autofahrer raste in eine Gruppe wartender Jugendlicher am Straßenrand und fuhr dann im selben Tempo weiter. Kurze Zeit später wurde er von der Armee angehalten, die sofort nach der Nachricht Straßensperren errichtet hatte, und verhaftet. Der Terrorist gestand die Tat. Vier (entgegen den ersten Berichten über drei) der jungen Leute wurden verletzt, einer davon schwer (Arye) und der andere mittelschwer (Ido).

(⇒ Ich hatte in einer kurzen Meldung auf das Attentat auf meiner Facebook-Seite aufmerksam gemacht.)

Auf der Nachrichtenseite YNET wurde das Video des Attentats veröffentlicht, welches von der privaten Sicherheitskamera der Einwohner von Alon Shevut gefilmt wurde und das Attentat aufgezeichnet hatte. Einer der Leichtverletzten, Benjamin Frenkel (25),  berichtete den Journalisten von YNET: „Ich stand mit einem weiteren Menschen an der Haltestelle nach Bet Shemesh, da wir beide nach Hause fahren mussten. Er sah das Auto im Augenwinkel auf uns zukommen, griff mich und schrie ‚Weg!‘. Wir wichen zurück, aber das Auto traf uns doch. Ich flog etwa einen Meter weg, er noch weiter. Ich stand auf und meldete den Anschlag per Notruf. Ich lief dann dem Auto hinterher, aber der Täter flüchtete. Später kamen dann die Armee und die Ärzte und brachten uns von hier weg. Per Funk wiesen sie an, Straßensperren zu errichten.“

Auf derselben Kreuzung waren schon mehrere Attentate verzeichnet worden, die letzten waren die Entführung und Ermordung von Eyal, Gil-ad und Naftali im Juni 2014, zu deren Erinnerung an der besagten Bushaltestelle ein Mahnmal errichtet worden war. Genau gegenüber der Haltestelle ereignete sich im November 2014 ein Auto-Anschlag, bei welchem Dalia Lemkus angefahren und danach vom Terroristen erstochen wurde. Spätestens seit diesem Anschag wurden auf jeder Bushaltestelle entlang der Region von Zentral-Gush Etzion Soldaten zur Verstärkung platziert.


 

Nach dem Attentat meldete sich heute in der Rundmail der Siedlung Alon Shevut eine Frau namens Itta M. zum Thema, neben anderen, die baten, für die Genesung der Verletzten zu beten und mögliche Reaktionen auf das Geschehene besprachen. Hier ist, was sie schrieb:

Als jemand „Erfahrenes“ in der Umgehensweise mit Terroranschlägen seit der Zweiten Intifada, möchte ich mit euch einige „Tipps“ zum Umgang mit dem Geschehenen teilen:

Der gestrige Anschlag an der Kreuzung von Alon Shevut reiht sich in eine lange Liste von Vorkommnissen ein, die wir im letzten Jahr über uns ergehen lassen mussten – die Entführung der drei Jungen, der „Fels in der Brandung“-Krieg, Anschläge und versuchte Anschläge. Ein jedes solches Erlebnis hinterlässt seine Spuren, vor allem, wenn wir von Kindern und Jugendlichen reden. Das einfache existenzielle und natürliche Sicherheitsgefühl, das jedes Kind bei sich zu Hause und in seiner Umgebung verspürt, wird angegriffen. Jedes Vorkommnis schließt sich an die vorherigen an und holt von Neuem die Ängste und Befürchtungen an die Oberfläche. Der immerwährende Stress und der Frust führen zu einem Empfinden von Wut gegenüber der Armee und der Regierung, die nicht genug für unsere Sicherheit sorgen.

Wenn wir Kindern helfen wollen, damit umzugehen:

  • Bitte schaut aufmerksam hin, wenn ihr Kinder seht, die bedrückt, blass, verstört wirken. Jüngere Kinder könnten zum Bettnässen zurückkommen, sie könnten Angst haben, alleine zu bestimmten Orten zu gehen, wohin sie in der Regel immer allein hingegangen sind.
  • Verschafft ihnen die richtige Information. Es kann sein, dass sie sich von Gerüchten, z.B. von ihren älteren Geschwistern, nähren. Unterstreicht, dass es Sicherheitskameras an der Kreuzung gibt, dass die Soldaten und die Krankenwagen sofort gekommen sind, der Terrorist gefasst wurde. Stärkt in ihnen das Gefühl, dass die Situation unter Kontrolle ist.
  • Ein Kind, das Angst hat, alleine rauszugehen – sei es zum Spielplatz, zum Hobby, zur Bibliothek: Geht zusammen. Begleitet es, auch wenn es früher alleinen gegangen ist. Die Enthaltung von etwas ist ein typisches Verhaltens nach einem Trauma. Helft dem Kind, zu einer geregelten Routine zurückzukehren, die das Trauma unterbrochen hat.
  • Lasst Platz für Furcht, für Sorge, findet das, was das Kind beruhigen kann: Malen, Sport, Massage (ja, ja, sogar für Kinder), Schreiben, Essen, Psalmen lesen, Spielen mit den Freunden, Spaziergang zur Schule mit jemand anderem, Handyspiele etc.
  • Wenn euch Symptome für seelischen Notstand auffallen: Schwierigkeiten beim Einschlafen, Bettnässen, Enthaltung von alltäglichen Tätigkeiten, die länger als 3 Tage nach dem Attentat anhalten, holt euch professionelle Hilfe. Man kann sich an die psychologische Beratungsstellen in den Schulen wenden, an den Familienarzt, an die Psychologen in der Bezirksverwaltung.
  • Jugendliche empfinden nicht weniger Stress und Angst als Kinder. Sie übersetzen den Stress in wütende Reaktionen auf die gegenwärtige Situation, manche treten bestimmten Organisationen bei oder machen bei Demonstrationen mit. Bei manchen dieser Demonstrationen sind verbrecherische Elemente dabei, die ein Interesse daran haben, die allgemeine Stimmung zu radikalisieren.

Ich würde allen Eltern empfehlen, (insbesondere) jeden jugendlichen Sohn zu begleiten, aufmerksam das Verhalten zu beobachten und Grenzen zu setzen, die diesem dabei helfen können, auf sich selbst Acht zu geben. Es mangelt bei uns nicht an wunderbaren Menschen, bei denen ein Eintrag ins Führungsregister aus ihrer Jugendzeit in ihrem erwachsenen Leben gestört hat (und ich meine dabei nicht die bloße Organisation von Demonstrationen oder eine politische oder moralische Stellungnahme). Ich mache mir Sorgen um die wütenden und verbitterten Teenager, die sich ohnmächtig fühlen und Gefahr laufen könnten, nicht abgewägte Dinge zu tun, die sowohl der Gemeinschaft, als auch ihnen persönlich Schaden hinzufügen könnten.

Alles Gute

Itta M.

Für mich persönlich ist diese Mail an die Bewohner von Alon Shevut, vor deren Haustüren erneut ein widerlicher Angriff auf ihr Leben ausgeführt wurde, ein unglaublich starkes Beispiel an gegenseitiger Verantwortung, Glauben an das Wohl der Gemeinschaft…. und einfach persönlicher Fürsorge. Ich bin dankbar, Teil einer solchen Gemeinschaft zu sein.

Alon Shevut - am Horizont. Illustration.
Alon Shevut – am Horizont. Illustration.

Heute

Was war denn heute alles los?

Eigentlich nur der Anfang einer neuen Woche. Die Arbeiter aus der Umgebung kamen für verschiedene Aufgaben in die Siedlung angefahren, Traktoren wurden bei dem Nachbarn gesichtet, Väter und Mütter fuhren zur Arbeit, Kinder und Jugendliche freuten sich bei strahlendem Sonnenschein und warmer Luft auf Unterrichtsende, mein Nachbar und Freund Yo’av ging in der Nachmittagshitze joggen und ich war seit dem Morgen mit dem Streichen von Holz beschäftigt, das für die Veranda vor die Synagoge benötigt wird. Dabei erwischten mich auch einige der Nachbarn und es hagelte Erfolgswünsche und Lobpreisungen, nach dem Motto, „sie hat ja keine Kinder und muss wohl nicht zur Arbeit, da kann sie sich das leisten“. Was ja auch eigentlich gar nicht holz2holz1verkehrt ist. Streichen ist keine kurze Arbeit und auch nicht immer sehr bequem, auch wenn es mir persönlich viel Spaß macht, vorausgetzt, man hat die richtige Kleidung an und das richtige Werkzeug zur Hand.

Am Nachmittag erhielt ich dann nach kurzem Handwerk-Einkauf im nahegelegenen Kibutz Kfar Etzion überraschenden Besuch von 6-7 Mädchen, die Größte vielleicht 1.45m hoch, die bei der Tochter einer Nachbarin Geburtstag feierten. Ich kam zum Haus und entdeckte die kleine bunte Kindergruppe, mit Brot und Würstchen ausgestattet, die vor meinem Haus versammelt standen und die mannigfaltigen Katzen bestaunten, die bei mir gelegentlich ein und aus gehen, wenn ich nicht hinschaue. „Schau, da waren Katzen bei dir drin!“, riefen sie mir alle durcheinander zu, „es waren drei!“ „Nein, vier!“ „Eine!“ „Drei!“

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Tuli in der Sonne, heute morgen.

Nachdem sich die Mädchen nicht auf die Katzenzahl einigen konnten, quatschten wir ein wenig über Katzen im Allgemeinen, Katzen, die mir gehören, wie sie essen, was sie essen, wo man sie streichelt, ob sie kratzen, wer Katzenallergie hat, wer Katzen mag und wer vor ihnen Angst hat und warum. Als meine Tuli erschien, trotteten alle Mädels neugierig in die Wohnung, um sie sich von Nahem anzusehen, ihr Futter zu geben (Roggenbrot!), um ein wenig zu kreischen und kichernd zu erschaudern, wenn diese an ihnen vorbeilief, und zu streicheln. Daneben erzählten sie mir und sich alles Mögliche, bestaunten den Tisch, die Unterteller, die Uhr mit der Israel-Karte drauf, den Magnet-Kulli auf meinem Kühlschrank und erklärten meine Katze für wunderschön und mein Haus für cool.

Als sie sich dann erinnerten, dass da noch andere Freundinnen auf sie warteten, versprachen sie mir, für einen weiteren „Katzenunterricht“ wiederzukommen und liefen davon.

Ich blieb schmunzelnd zurück. Meine Lebensweise hat volle Anerkennung bei der neuen Generation bekommen! Ich kann mich für heute eindeutig bestätigt und zufrieden fühlen, das Haus zu gestalten hat sich gelohnt.  😉