Am Samstagabend (02.07.16) veroeffentlichten die israelischen Medien die Entscheidung von Premierminister Netanyahu und
Hallel Yaffa Ariel. Quelle: Internet
Verteidigungsminister Liebermann, als Antwort auf den Mord an Hallel Yaffa Ariel am 30.06. 42 neue Wohneinheiten in der Ortschaft Kiryat Arba bei Hevron zur Ausschreibung und damit zum Bau freizugeben. Sollte dies in die Mainstreammedien gelangen (wenn es nicht schon ist), wird es wieder mit Hoechstwahrscheinlichkeit als ein Preis fuer die Siedlerbewegung und Friedenshindernis abgetan werden.
Es sollte allerdings etwas sonderbar erscheinen, dass die Redefuehrer der „Siedlerbewegung“ ganz anderer Meinung ueber diese „Geste“ seitens der Regierung sind. So reagierte auf die Entscheidung die Vorsitzende der mit der Gemeinschaft in Judaea und Samaria assoziierten Partei“Juedisches Heim“, Shuli Mu’allem-Refaeli:
Die Genehmigung zum Ausschreiben der 42 Wohneinheiten in Kiryat Arba ist nichts anderes als eine leere Ueberschrift. Wir haben uns an Ueberschriften wie den Bau als ‚eine angemessene zionistische Antwort auf Attentate‘ gewoehnt, aber wir haben keinen wirklichen Bau daraufhin gesehen.“
„Es handelt sich in diesem Fall um die Genehmigung von Projekten, die diese schon in der Vergangenheit erhalten haben, und auch diesmal werden sie irgendwo stecken bleiben. Die Oeffentlichkeit kauft das nicht mehr ab und auch die Europaeische Union und die PA beunruhigt diese Erklaerung nicht mehr.“
Das Rueckmeldung der Regionalverwaltung von Judaea und Samaria fiel ebenso negativ und unzufrieden aus:
„Es ist keine eine Besiedlung befuehrwortende Antwort, sondern eine Verhoehung. Diese geringfuegige Genehmigung wird die momentanen Tendenzen (der Regierung) nicht veraendern. (…) Zusammen mit den militaerischen und sicherheitsbezogenen Vorkehrungen, die momentan in der Region von Hevron durchgefuehrt werden, muss auch eine entschiedene und aufrichtige zionistische Besiedlungsaktivitaet erfolgen, so die Genehmigung von tausenden von Wohneinheiten und die Foerderung der Infrastruktur in der Region.“
Und der stellvertretende Vorsitzende der lokalen Bezirksverwaltung von Kiryat Arba, Israel Bramson, aeusserte sich noch vernichtender:
Es handelt sich hier um einen Bluff und um einen Betrug der Oeffentlichkeit. Es ist von Haeusern die Rede, die sich schon seit Monaten im Bauprozess befinden, die Traktoren arbeiten schon vor Ort. Wie immer ist es eine Wiederverwertung von Wettbewerbsausschreibungen. Es gibt nichts Tatsaechliches. Noch eine Ente nach bester Tradition von Netanyahu und Liebermann.“
Shuki Gilboa und seine Frau Shulamit. Quelle: Kikar Hashabat
Dieser Mann, Shuki (Yehoshu’a) Gilbo’a, hat am Donnerstag, dem 30.06., um die neun Uhr vormittags sein rechtes Augenlicht verloren. Als er nach einigen Notoperationen aus dem Operationssaal gefahren wurde und ihn seine Frau empfing, erzählte sie ihm, dass er auf rechtem Auge für immer blind sein würde.
„Er sagte nur zwei Worte – ‚Alles ist zum Guten'“, erzählte sie.
Shukis Frau Shulamit war dabei, als dieser einen Notfallruf über das örtliche Funkgerät bekam und mit Weste und Gewehr aus dem Haus stürmte. Es bestand ein Verdacht auf ein fremdes Eindringen in die Ortschaft Kiryat Arba. Nur wenige Minuten später, als Shuki gemeinsam mit einem weiteren Kollegen-Schutzmann ins betroffene Haus der Familie Ariel am Rande von Kiryat Arbastürmte, in welchem sich der Terrorist verschanzt haben sollte, hatte er bereits die Messerklinge des Terroristen abbekommen. Der 17-Jährige arabische Jugendliche aus der Ortschaft Bani Na’im hatte sich im Kinderzimmer der 13-jährigen Hallel verschanzt, nachdem er diese im Schlaf abgestochen hatte, und sprang auf Shuki, als dieser zur Tür vordrang. (Bericht ueber Hallel hier)
Shuki wurde schwer verletzt. Sein Kollege erschoss den Attentäter. Shulamit erhielt die Nachricht von zwei Verletzten, und so, wie sie es der Nachrichtenplattform Ynet berichtet, hatte sie den starken Verdacht, dass es sich bei dem einen um ihren Mann handelte.
Selbst eine Krankenschwester und Freiwillige bei dem Roten Davidsstern, lief sie zur Kreuzung bei der Ausfahrt aus der Ortschaft, bei welcher auch der Notfallwagen vorbeigefahren kam, hielt ihn an, sprang hinzu und leistete selbst ihrem Mann die erste Hilfe. Von da an blieb sie bei ihm, ohne ihn zu verlassen – bis jetzt. Sie erzählte Shuki vom verlorenen Auge. Sie erzählte auch der Presse von den Schmerzen ihres Mannes, aber auch davon, dass sie an seine Inneren Kräfte glaube und dass die Unterstützung von Familie, Freunden und der gesamten israelischen Gemeinschaft überaus hoch sei, aus vielen Orten riefen sie Menschen an und ermutigten sie – nicht nur aus Judaea und Samaria:
„Wir werden von Liebe überhäuft“.
Der Heilungsprozess ist erst am Anfang, und es wird viel Zeit der Erholung brauchen, auch viel Zeit der Eingewoehnung. Aber die innere Einstellung ist seit jeher ein grosser Faktor bei der Heilung. Zusammen mit Shulamit glaube ich fest daran, dass dieser grosse Mann – ein einfacher Einwohner von Kiryat Arba – den Schmerz und den Verlust ueberwinden wird. Er ist fuer uns alle ein grosses Beispiel, und wir werden ihn tatkraeftig und im Geiste immer unterstuetzen.
Heute (30.06.16) um etwa 9 Uhr morgens drang ein 17-jähriger Terrorist in das Haus der Familie Ariel im Vorort der Großsiedlung Kiryat Arba bei Hevron ein. Der Attentäter kletterte über den Sicherheitszaun, der die Ortschaft umgibt, und gelangte in das nächstgelegene Haus. Er verschloss hinter sich die Tuer und begab sich in das Kinderzimmer der Familie, dort schlief eins der Kinder von Rina und Amichai Ariel, die 13-jährige Hallel Jaffa.
Von da an begann ein Alptraum.
Hallel Yaffa Ariel. Quelle: Internet
Der Terrorist fing an, auf das schlafende Mädchen einzustechen. Hallel war am vorherigen Abend von einer Tanzaufführung, bei welcher sie mitgemacht hatte, spät zurueckgekommen, die Ferien hatten am Sonntag begonnen, und Hallel schlief aus. Der Attentäter, selbst noch keine 18 Jahre, überraschte sie im Schlaf und stach auf sie mit insgesamt acht Stichen ein. Hallel verlor das Bewusstsein, ihr Blut verschmierte den Boden.
Als der Terrorist (ich erwähne generell keine Namen von Attentätern) noch über den Zaun gekommen war, alarmierte dies das Sicherheitszentrum von Kiryat Arba, da der Zaun mit einer Signalanlage versehen ist. Auf den Kameras wurde der Eindringling erkenntlich. Die Mitarbeiterinnen des Zentrums (ich habe einige Zeit in einem solchen im Gush Etzion gearbeitet) benachrichtigten die
Das Haus von Hallel und ihrer Familie. Quelle: Maariv
innere Sicherheitseinheit, welche aus freiwillig in ihr dienenden Einwohnern besteht, und ebenso die Armee. Die ersten, die sich am Schnellsten zum Eindringungsort aufmachen konnten, waren die Schutzmänner der Sicherheitseinheit. Sie eilten zum Zaun und begannen, aus verschiedenen Richtungen das Haus einzukesseln, da es nicht klar gewesen war, wo sich der Täter in diesen Momenten befand. Anschließend, so berichtete einer von ihnen im Nachhinein den israelischen Medien, näherten sie sich dem Haus, bis drei von ihnen schließlich ins Innere des Hauses vordrangen – Yehoshua (Shuki), Chanoch und Amichai – der Vater des Mädchens, welcher ebenso in der Einheit diente. Dank diesem konnte wohl auch die Tür geöffnet werden, die zuvor vom Attentäter verschlossen worden war.
Kiyat Arba – Tatort, Bani Na’im – Wohnort des Terroristen
Als die drei hineingelangten, gingen sie in Richtung des Kinderzimmers. Direkt am Eingang sprang der Terrorist auf einen von ihnen, Yehoshua, und begann, auch auf ihn einzustechen. Chanoch erschoss den Angreifer. Auf dem Bett erblickten die drei die blutende Hallel. Sie wurde von den angekommenen Notfallärzten herausgebracht, ebenso der schwerverletzte
Hallels Zimmer. Die ersten Rettungseinsatzkräfte haben das Zimmer schon gereinigt.
Yehoshua. Nach den ersten Wiederbelebungsversuchen wurde sie in den Notfallwagen gebracht und ins Hadassah-Krankenhaus gefahren, ebenso der verletzte Yehoshua. Die Frau von Yehoshua, die ebenso als Freiwillige des „Roten Davidssterns“ und als Krankenschwester arbeitete, sah den Ambulanzwagen fahren, als sie auf dem Nachhauseweg auf der Straße in der Siedlung war und stieg zu; der Patient offenbarte sich ihr als ihr Mann.
Hallel mit ihren Eltern Amichai und Rina und mit juengeren Geschwistern bei einem Besuch auf dem Tempelberg. Quelle: Nana
Im Krankenhaus fand das Drama sein bitteres Ende, zumindest, was Hallel anbetraf. Der Leiter des Traumazentrums des Hadassah-Krankenhauses berichtete den Nachrichtendiensten, Hallel sei durch die Messerstiche zu schwer verletzt worden und die Wiederbelebungsversuche hatten nicht geglückt. Hallel verstarb an ihren Wunden. Yehoshua befindet sich noch immer in der Notaufnahmestation und wird operiert.
Hallel beim Auftritt. Quelle: INN
Das Drama war vorbei, der Alptraum hatte erst begonnen. Für die Familie, Freunde und Nachbarn von Hallel; den Vater, einen Pädagogen und Weinbauern, für ihre Mutter Rina. Für die Schülerinnen der ehemaligen achten Klasse der Mittelschule in Kiryat Arba, welche Hallel vor einigen Tagen erfolgreich abgeschlossen hatte. Für ihre Tanzgruppe, mit welcher die 13-Jährige erst vor einem Tag eine erfolgreiche Aufführung gehabt hatte. Hallel liebte es zu tanzen, so erzählen ihre Eltern und Nachbarn.
„Sie hatte einen guten Charakter, ein gutes Mädchen, immer beliebt und von Freundinnen umgeben. Sie liebte diesen Ort, das schöne Haus, das Grün, sie fühlte sich sehr wohl“, so berichtete der Nachbar, der als Sicherheitsoffizier in der Siedlung fungiert, dem INN.
Der jüdischen Tradition entsprechend soll ein Toter so schnell wie
Das Trauersitzen (Shiva) von Familie Ariel. Auch Premierminister Netanyahu kam zu Besuch. Quelle: Nana
möglich begraben werden. Daher wurde die Beerdigung auf 18 Uhr Ortszeit gesetzt. Hallel wurde auf dem alten jüdischen Friedhof von Hevron, in der Hevroner Altstadt, in welcher sich die jüdische Gemeinde Hevrons befindet, beerdigt. Hunderte von Menschen erschienen auf der Beerdigung und begleiteten Hallel auf dem letzten Weg.
Was die offiziellen Reaktionen auf den Mord von Hallel und die Attacke auf Yehoshua angeht, so äußerte sich Premierminister Netanyahu zu dem Attentat und erklärte, die Arbeitsvisa für die Verwandten des 17-jährigen Terroristen zu streichen. Armeeeinheiten haben mittlerweile die Stadt Bani Na’im bei Hevron eingekesselt, in welcher der junge Attentäter gelebt hatte, die Familienmitglieder verhört und ebenso die Einfahrt nach Bani Na’im mit Betonblöcken versperrt Der Vater wurde aufs Armeerevier
mitgenommen. Die Mutter, so veröffentlichte es Ynet, beteuerte, nicht geglaubt zu haben, dass ihr Sohn die Attacke vollführt haben soll: „Er meinte immer, er wolle ‚etwas tun‘, aber wir dachten, er würde nur Spaß machen“.
Auch innerhalb des Gebietes von Judäa bis nach Ramallah im Norden Jerusalems wurden Straßensperren von der Armee errichtet.
(Quellen: Channel 2, Jerusalem Post, INN, Ynet, Walla)
Bani Na’im, ebenso wie die gesamte Umgebung von Hevron, ist durchsetzt von Terrorzellen der Hamas und anderer islamistischer Terrororganisationen, und ihre Einwohner sind sehr anfällig für Radikalisierung. Zahlreiche Attentäter, welche Attacken auf
Terroregion Großraum Hevron – Karte
Zivilisten und Soldaten in und außerhalb der „Grünen Linie“ verübt hatten, auch in dem letzten halben Jahr, stammten aus dieser Region: Dura – Yatta – Bani Na’im – Hevron- Sse’ir (alShuyuch) – Halhul. So die drei Attentäter, welche in diesem Monat (Juni) die Terrorattacke im Sarona-Zentrum in Tel Aviv zu verantworten hatten; der Attentäter, der vor etwa einem halben Jahr Jakov Don und Ezra Schwarz in einem Stau bei Alon Shevut erschoss; der Mörder von Dalia Lemkos im Oktober 2014, und schließlich auch die Entführer der drei Jugendlichen, Eyal, Gil-ad und Naftali, welche genau vor einem Jahr, am 30.06.14 , ermordet und eingebuddelt auf einem Feld beim Hevroner Vorort Halhul gefunden wurden.
Seitens der deutschen Berichterstattung dürften diejenigen, die die heutigen Nachrichten größeren Medienkonzerne verfolgt hatten, eine kleine Überraschung erlebt haben:
So berichtete der SPIEGEL in einer uncharakteristisch informativen und sachlichen Art und Weise über den Terroranschlag und erwähnte ebenso die Terrorwelle und die israelischen Opfer der Attacken des letzten Dreivierteljahres. Die Meldung stammte aus der Nachrichtenagentur dpa.
Bei der „Tagesschau“ musste man Vorarbeit leisten: Der Studentin Noemi Becher aus Frankfurt fiel in der Nachrichtenausgabe der „Tagesschau“ auf, dass der Mord mit keinem Wort erwähnt wurde. Daraufhin schrieb sie einen Brief an die Onlineredaktion. Wenig später veröffentlichte die Webseite einen kurzen Bericht zum Attentat. Noemi postete auf ihrem Facebook-Profil:
Eigeninitiative hilft. Nachdem ich bei der Tagesschau nichts zum Attentat in Kiryat Arba gefunden habe, habe ich mich per Mail an die Redaktion gewendet und sie darauf aufmerksam gemacht, dass der Terror nicht in Tel Aviv anfing und dort auch nicht aufgehört hat. Ich habe auch ausdrücklich gefordert, dass der Attentäter nicht als das Opfer dargestellt wird. Kurz darauf erschien der Artikel auf ihrer Webseite. Zusammen mit den anderen, die eventuell auch eine Mail geschickt haben, haben wir etwas bewirkt.
Auch andere Medien meldeten sich im Laufe des Tages – so beispielsweise die BILD, RTL Online, Hamburger Morgenpost. Offenbar ließ sich der Mord an einer unschuldigen 13-Jährigen nicht einfach übergehen.
Der Bericht von ZDF heuteplus.
Am Ende des Tages kam auch das ZDF heuteplus mit einem gar außergewöhnlichen Bericht auf, welches sowohl einfühlsam und respektvoll über den Mord von Hallel berichtete, als auch mehr als deutlich auf den Hass hinwies, welcher in der palästinensischen Gesellschaft geschürt wird und dem vor allem Jugendliche ausgesetzt werden.
Leider schrieb keins der erwähnten Medien darüber, welche Überzeugungen der Attentäter selbst vor seiner Tat hegte. So verherrlichte er auf seinem Facebookprofil die jugendliche Terroristin, ebenso aus Bani Na’im, die vor einigen Monat Soldaten in Hevron angegriffen hatte und dabei erschossen worden war. So schrieb der 17-Jähriger, dessen Cousin laut Ynet bei einer versuchten Autorammattacke im März dieses Jahres von Soldaten erschossen worden war, am vorherigen Samstag auf Facebook:
„Ich will sterben. Das Sterben ist ein Privileg.“
Mein Bekannter Me’ir aus der Ortschaft Bet Haggai im Norden Hevrons berichtete einige Stunden nach dem
Attentat, vor der Einfahrt nach Hevron (von seinem Haus aus zu sehen) würde eine lange Autoschlange stehen, die Autos wären mit Flaggen geschmückt und es würde gehupt werden: Sie hupen sicherlich deshalb, weil sie gute Zeugnisse heimgebracht haben“, schrieb Me’ir sarkastisch.
Ein anderer Bekannter, Moshe Rahmanov, veröffentlichte das folgende Bild und betitelte es „Bunkerbetten – bald im Angebot“:
Es wäre lustig, wenn es nicht so realitätsnah wäre.