In den vergangenen Wochen hatten die Kirschplantagen des Kibbutzes Kfar Etzion im Herzen der Gush Etzion-Region (Judäa) unter Brandattacken von arabischen Attentätern aus der Umgebung zu leiden. Darüber habe ich hier berichtet. Nun gibt es in unserer Region weitere Kirschplantagen (Kirschen werden in Gush Etzion nur von jüdischen Einwohnern gezüchtet), so beispielsweise im auf der anderen Landstraßenseite liegenden Kibbutz Rosh Tzurim. Am 01.06 (Freitag) veranstaltete die Regionalverwaltung von Gush Etzion zwischen 10 und 14.30 Uhr das mittlerweile 16-te Kirschenfestival auf den Feldern des Kibbutz, wobei man für nur 30 Shekel nach Belieben von den Bäumen pflücken und essen sowie an parallelen Aktivitäten für die ganze Familie teilnehmen durfte. Sprich – hab Spaß und iss, bis du kirschrot wirst und platzt 😉 Das Mitnehmen der selbstgesammelten Ernte kostete natürlich noch einmal etwas. Viele hunderte Menschen aus Gush Etzion, Jerusalem und Umgebung ließen sich nicht zweimal dazu einladen und kamen vorbei. (Und ich habe das Ganze verschlafen…)
Klickt auf die schönen Bilder, um sie euch anzuschauen! (Quellen: Gush EtzionTourism, Channel 7)
Im Karavanenviertel von Alon Shvut ist die Gemeinschaft recht nachbarschaftlich und zusammengewachsen. Man kennt sich zumeist gegenseitig, hilft einander, leiht sich Dinge aus, gibt einander Ratschlaege, macht Witze in der gemeinsamen WhatsApp-Gruppe, bietet erste Hilfe bei Naturkatastrophen (Schnee und Regen) und ihren Konsequenzen (Stromausfall und Kabelbrand) an, kocht fuer stillende Muetter und was nicht alles noch.
Karmit mit ihrer Juengsten
Auch gemeinsame Abende, vor allem vom Frauen, werden ab und zu veranstaltet. Von einem solchen habe ich einmal berichtet, „Kleidertausch“-Abend vor etwa zwei Jahren, der bei uns in der Synagoge stattgefunden hat (natuerlich gab es in der Zwischenzeit weitere Treffen). Vor einigen Tagen fand ein „Frauenabend“ bei einer Einwohnerin, Naomi, statt. An die 20 junge Damen im Alter zwischen 20 und 45 Jahren hatten sich versammelt; eine davon brachte ihre kleinste Tochter mit, der Rest liess die Vaeter auf diese aufpassen. Die Kinder von Naomi – oh Wunder – schliefen und ihr Mann Elias, auch er knapp 30, wurde „ausser Haus“ geschickt.
Alle Maedels wurden gebeten, etwas zu essen zu bringen: der geraeumige Salon von Naomi fuellte sich alsbald mit Salaten, Q
Da hatten wir schon das Meiste gegessen.
uiches und Suppen, eine Nachbarin namens Liat brachte sogar vselbstgemachten Apfelcider mit („mein Mann hat’s gekocht!“). Nach Essen und Plaudereien sollten wir gemeinsam etwas machen, so hatte eine weitere Nachbarin vorgeschlagen und so brachte sie auf Eigeninitiative Bastelmaterial mit (ja, auch „grosse Kinder“ basteln gern, so hatten wir herausgefunden 🙂 ) und die letzte Stunde, bevor alle heimgingen, waren wir damit beschaeftigt, Blumentoepfe anzumalen und darin Mini-Kaktusse zu pflanzen. Als zur Mitte unserer Bastelstunde eine Frau aus Alon Shvut selbst gekommen war, um ein wenig ihren Lieblingskandidaten fuer die bevorstehenden Wahlen fuer das Regionalkonzil von Gush Etzion (am 14.02.17 ist es soweit) zu werben, konnte ihr kaum eine
Die Kaktusse und wir
Aufmerksamkeit schenken („was fuer ein Wahlprogramm hat er denn? – Moment, ich will die Pompons da fuer den Topf!“).
Nachdem alle langsam, aber sicher heimgegangen waren (Elias war zurueck ins Haus gekommen, Naomis Kinder wachten auf und die Zeit naeherte sich Mitternacht), folgten dann Dankeschoen-Nachrichten, Fotos vom Essen und Kaktussen, mit vielen Smilies versehen, ueber WhatsApp. Und ich konnte mir von Liats Ehemann das Apfelcider-Rezept abholen. Hoffentlich kriege ich es demnaechst hin. 😛
Ueber unsere kleine Frauengruppe moechte ich euch Aussenstehenden nun einige „kuriose Details“ offenbaren 😉
Alle der Maedels, mit mir inklusive, leben in den Wohncontainern bzw. Leichtbauten vor Ort. Alle ausser mir sind verheiratet. Von allen Anwesenden waren mindestens fuenf hochschwanger (ob mehr schwanger waren, konnte ich so einfach nicht feststellen). Eine war mit einem wenige Wochen altem Sohn dabei, eine weitere mit einer unter einem Jahr alten Tochter. Drei weitere haben daheim ein Baby unter einem Jahr, allerdings waren es von allen nur drei Frauen, fuer die es das erste Baby bzw.die erste Schwangerschaft war – alle anderen hatten schon mindestens zwei Kinder. Die Mehrheit der Frauen arbeitet als Lehrerinnen oder in einem anderen Fach im Sozial- und Gemeindewesen. Eine ist freischaffende Kuenstlerin mit eigenem Studio. Mit Ausnahme einiger weniger hat jede mindestens einen BA-Abschluss. Von ihren kulturellen Wurzeln her sind die meisten
Von links: Liat – die mit dem Cider-, Maya und Yaffa – die mit dem Studio.
europaeischstaemmig; eine hat tunesische Wurzeln, eine andere jemenitische, eine weitere persische und die Frau mit der Tochter indische Wurzeln (habe ueber die Familie hier berichtet). Die kulturell europaeischen Frauen hatten zu einem Teil orientalische Maenner geheiratet – so liegen die Wurzeln von Elias, dem Mann der Gastgeberin Naomi, in Marokko. Die meisten der Frauen trugen lange oder knielange Roecke und Kopfbedeckungen, allerdings nicht alle – unsere Bastelinitiatorin Hana trug Jeans und offene Haare, Liat eine Strickmuetze und Yaffa, die Kuenstlerin, nur ein breites Haarband statt einem Tuch oder „Turban“, wie manche nationalreligioese Frauen gerne ihre Kopftuecher auftuermen. An Paruecken, wie man sie aus der ultraorthodoxen Welt kennt, denkt bei uns niemand.
Wenn ihr mehr wissen und nachfragen wollt, nutzt gerne die Kommentarspalte!
Weitere Waldbrände in verschiedenen Landteilen, weitere Ortschaften bedroht, die meisten davon jüdisch. Die Polizei spricht offen von Brandstiftung. Das Feuer aus dem Waldstück bei Dolev (Binyamin) breitete sich bis zum Nachbardorf Talmon aus und verursachte einen Großbrand. Das Internet-Kurznachrichtenportal 0404 berichtete über palästinensisch-arabische Brandstifter, die beim Zündeln nahe der Siedlung Beit El beobachtet wurden. Sicherheitskräfte wurden zum Ort gerufen und sollen mehrere Brandlegungen erkannt haben. Ob die Täter festgenommen wurden, ist unbekannt.
Auch der Vorsitzende der Regionalverwaltung von Samaria, Yossi Dagan, lud vom Brand betroffene Familien in Gasthäuser und provisorische Notunterkünfte im Samaria-Gebiet ein, die für Ausnahmezustände größeren Ausmaße mit der Zusammenarbeit mit dem Heimatschutz der IDF errichtet worden waren.
(Also wohl doch keine Schreibpause… Die Nachrichten lassen einen nicht ruhen…!)
In Israel wüten Waldbrände. Kreuz durchs Landeszentrum bis in den Norden brennen Bäume, das Feuer breitet sich durch starken Wind über weite Flächen aus, beschädigt Privatbesitz und bringt die Einwohner vielerorts in Lebensgefahr. Innerhalb von etwa drei Tagen hat der Flächenbrand über 10 Orte erreicht, darunter Städte wie Atlit, Zikhron Yakov und Nahariya im Norden, kleine Ortschaften wie Neve Shalom und Latrun und Nataf in den Jerusalemer Bergen; mehrere dutzend Häuser wurden durch das Feuer teilweise oder gänzlich zerstört und hunderte von Menschen aus ihren Häusern evakuiert. Am Schlimmsten traf es bisher die Stadt Zikhron Yakov an der Nordküste und die Ansiedlung Nataf in den Jerusalemer Hügeln; beide Gegenden sind dicht bewaldet. So sind in Zikhron Yakov beispielsweise an die 30 Häuser in den letzten 48 Stunden abgebrannt worden. Das Feuer von Nataf breitete sich durch starken Westwind weiter Richtung der Autobahn 1 aus; bisher ist nicht klar, ob der Verkehr in der Nacht weiterfließen wird oder gestoppt wird.
Auch an zwei Orten in Samaria, im Binyamin-Gebiet, ist der Waldbrand nicht vorbeigegangen: Gestern spätabends (22.11) begann sich ein Brand unweit der Siedlung Dolev auszubreiten. Er gelangte über den Ortszaun bis an die Häuser und Wohnkontainer, 3 davon fingen Feuer; Gasballons in der gesamten Ortschaft begannen zu platzen. 21 Feuerwehrteams konnten in einigen Stunden die Kontrolle über das Feuer gewinnen. 20 Häuser mussten geräumt werden. Auch eine Armeebasis in Binyamin wurde heute von einem Flächenbrand bedroht und musste evakuiert werden.
Woher kommt diese Waldbrandepidemie?
Zum Einen verläuft die gegenwärtige Winterzeit fast gänzlich ohne Regen. Die Erde und die Vegetation sind ausgetrocknet, in der Luft steht Staub und heftige Windböhen, laut Wetterberichten bis zu 100 km/h, fegen durchs Land.
Zum Zweiten aber steht keine Hitze an. Die Luft ist trocken, aber nicht heiß; die Chance, dass sich Laub durch Sonneneinstrahlung von selbst entzündet, ist gering; auch ist momentan keine Lagerfeuersaison.
Die Vermutung fällt also größtenteils auf den Verdacht auf Brandstiftung.
Aus eigenen Erfahrungen durch meine Arbeit im Sicherheitszentrum von Efrat weiß ich, wie verbreitet und häufig Waldbrand durch das Zündeln seitens lokaler arabischer Dorfbewohner verursacht wird – in Judäa und Samaria ist es eine bekannte Erscheinung und wird Terrorattacken angeglichen. Beduinische Spurenleser der IDF werden bei der Aufspürung der Täter eingesetzt.
Nun stellt sich die Frage, ob auch die Waldbrände der letzten Tage durch fremde Hand und mit Terrorabsicht verursacht worden sind. Im Falle des Brands von Nataf in den Jerusalemer Bergen berichteten die Medien von der Verhaftung 4 Verdächtiger, Bauarbeiter an einer lokalen Baustelle. Bei Bauarbeitern handelt es sich in den allermeisten Fällen um arabische Stundenlöhner.
Heute abend äußerte sich die Polizei gegenüber Channel 2 und sprach von einer „Welle dee Brandstiftung“ im ganzen Land. Die eigentlichen Untersuchungen werden wohl erst nach einem Rückgang der Brände durchgeführt werden können. Momentan sind die israelischen Löschkräfte überfordert; PM Netanyahu hat sich an die Lãnder Griechenland und Kroatien gewandt, mit welchen es ein Abkommen zur gegenseitiger Unterstützung bei Waldbränden gibt.
***
Derweilen veröffentlichte der Direktor der Feldschule von Kfar Etzion in Gush Etzion, Yaron Rozenthal, einen Aufruf, in welchem er Facebooknutzer um Sachspenden für die Betroffenen bat und obdachlose Familien zu kostenlosen Übernachtungen in das Gasthaus der Feldschule Kfar Etzion einlud. Die Region um Gush Etzion wird regelmäßig zur Sommerzeit von Brandstiftungen geplagt. Es bleibt nur zu hoffen, dass wir von der gegenwärtigen Plage verschont bleiben.
Zwei entgegengesetzte News aus dieser Woche, die die Gemeinschaften in Judäa und Samaria berühren:
Kinder aus Ma’ale Michmash (Binyamin) in Georgien bei einem Autounfall verunglückt.
Achino’am Grinfeld sel.A. Quelle: Walla
Zwei Kinder der Familie Grinfeld aus der Ortschaft Ma’ale Michmash (Binyamin-Südsamaria, mehr dazu hier), Achino’am (10) und Nevo (5), sind bei einem schweren Autounfall während eines Familienausflugs der Grinfelds in Georgien getötet worden. Die Familie – Vater Hanoch, Mutter Noa und vier ihrer Kinder –
Nevo Grinfeld sel.A. Quelle: Walla
Nevo, Ivri, Achino’am und Yiftach – waren mit einem Jeep im georgischen Nationalpark Tusheti unterwegs. Den ersten Ermittlungen zufolge sei der Jeep der Familie vom Weg abgekommen, habe sich überschlagen und in einem Kanal am Wegesrand gelandet. Mehr konnte die Polizei vor Ort nicht mitteilen. Achinoam und ihr Bruder Nevo starben bei dem Unfall, zwei weitere Brüder und der Vater wurden leicht verletzt, die Mutter schwer.
Hier liegt Ma’ale Michmash
Das israelische Konsulat vor Ort in Zusammenarbeit mit dem israelischen Außenministerium organisierten die Notüberführung der Familie nach Israel und landeten – als Ausnahmeflug am Fasten- und Ruhetag Yom Kippur (12.10), an welchem der FLughafen nicht in Betrieb ist – im Ben-Gurion-Flughafen, von dort aus wurden sie ins Hadassah-Hospital in Jerusalem überführt. Noah Grinfeld wurde bisher operiert und ihr Zustand wird noch immer als schwer bewertet. Die Leichen der beiden Kinder werden offenbar heute nachmittag (13.10) in Israel ankommen, die Beerdigung findet voraussichtlich am kommenden Freitag statt. (Quelle: Walla)
Familienfoto links nach rechts: Nevo sel.A., Ivri, Achino’am sel.A., Vater Hanoch und Yiftach. Quelle: Walla
Familie Litman, welche Vater und Sohn beim Attentat verloren hat, hat ihre erste Enkelstochter:
Vor etwa 11 Monaten, am 13.11.15, ermordeten Terroristen auf der Autobahn 60 Richtung Südhevronberge den Rabbiner Yakov
Yaakov Litman und Sohn Netane hy’d
Litman und seinen Sohn Netanel. Die Schwester von Netanel, Sarah Techiya, sollte eine Woche später heiraten. Was als grausiger Terroranschlag und Verlust von Vater und Bruder begann, mündete
in einer „Hochzeit des Jahres“, welche Sarah und ihr Verlobter Ariel in der „Nationalkongresshalle“ in Jerusalem abhielten und zu der sie, zu Ehren der Ermordeten und als
Sara Techiya und Ariel, Quelle: Israellycool
Widerstandszeichen, das ganze Land einluden. Ich habe darüber in „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ berichtet, und war selbst bei dieser berührenden und einzigartigen Hochzeit zugegen.
Wie der Onlinenachrichtendienst INN gestern abend (12.10) mitteilte, ist dem schon fast ein Jahr verheirateten Paar Sarah und Ariel an diesem Versöhnungstag Yom Kippur – sprich, gestern – eine gesunde Tochter geboren worden. Es ist die erste Enkelin von Sarahs Mutter Noa – und dem ermordeten Vater Ya’akov.
Mazal Tov, Sarah Techiya und Ariel!
Der 1. September. Ganz nach der Tradition der guten alten Sowjetzeiten war es in Israel der erste Schultag nach den Ferien für alle Schüler und auch die Öffnung der Kindergärten, und die größte Aufregung herrschte natürlich bei den kleinen Schulanfängern/-innen und den stolzen Eltern.
Nun, ich weiß nicht genau, ob es an der sowjetischen Tradition liegt,
Schülerinnen bekommen Süßigkeiten beim Einstieg in den Schulbus. Foto: Regionalverwaltung Südhevron
dass der erste Schultag bei uns wie in Russland der 1.September ist, aber auf jeden Fall ist es ein groß gefeierter Tag für alle neuen Erstklässler, ihre Eltern und Lehrer (bei den älteren Schülern setzt bekanntlich schnell die „Ich will nicht in die Schule“-Phase ein). Im Radio spielen Lieder zum ersten Schultag, Eltern, Kinder und Erstklässler werden interviewt, die Nachrichten handeln davon, und die Schulbusse im ganzen Land nehmen ihre Fahrten von Neuem auf.
Ayelet aus Tapuach, „Shalom erste Klasse“. Foto: Regionalverwaltung Samaria
Es scheint ein wenig unpraktisch, dass die Schule an einem Donnerstag anfängt, denn dann bleiben nur anderthalb tatsächliche Schultage bis zum Wochenende. Aber, wie mir meine Nachbarin Yona einen Tag zuvor versichert hatte, „als Eltern sind wir über jeden Tag froh, der uns aufatmen lässt“. Kein Wunder, denn wie im vorherigen Beitrag beschrieben, sind die Kinder im letzten Sommerferienmonat zumeist auf die Aufsicht ihrer Eltern und Großeltern angewiesen und es ist durchaus nicht einfach für meist Vollzeit arbeitenden Eltern. Es handelt sich ja nicht um eins oder zwei Kinder, wie es bei der deutschen Bevölkerung auszusehen scheint (die Geburtsrate laut dem Statistischen Bundesamt liegt bei 1.47 Kinder pro Familie, Stand 2014); in Israel liegt die durchschnittliche Kinderanzahl bei stolzen 2,4 (Pressebüro für Statistik, Stand: 2015), und in Judäa und Samaria ist es entsprechend höher: Während es in einer israelischen Durschnittsfamilie 3,72 Familienmitglieder gibt, so beläuft es sich in Familien in Judäa und Samaria auf 4,6 Familienmitglieder im Durchschnitt (Ynet, Stand: 2014, Pressebüro für Statistik).
Wie viele Kinder sind denn nun bei uns in die Schule gekommen?
Greifen wir wieder auf die statistischen Angaben zurück – was erzählen sie uns über Judäa und Samaria?
Szenen aus dem Schulbeginn. Foto: Regionalverwaltung Samaria
In Samaria sind etwa 1100 Kinder Erstklässer geworden. Insgesamt sind es 17300 Schul- und Kindergartenkinder in diesem neuen Schuljahr in Samaria. In Gush Etzion sind es 4930 Schulkinder und 1840 Kindergartenkinder, darunter natürlich auch diejenigen, die zum ersten Mal in die Schule und den Kindergarten kamen. In Gush Etzion selbst gibt es 11 Grundschulen und 4 weiterführende Schulen, und dazu 69 Kindergärten. Die Regionalverwaltung von Südhevron berichtet von etwa 4000 Schul- und Kindergartenkindern. Zu manchen Schuleröffnungen kamen Abgeordnete zu Besuch und grüßten die Kinder und die Lehrer. Der
„Wilkommen im Namen Gottes“. Erstklässler in Gush Etzion. Foto: Regionalverwaltung Gush Etzion
Erziehungminister Naftali Bennet besuchte ebenso einige der Schulen. In diesem neuen Jahr werden neue Reformen, die er veranlasst und durchgebracht hatte, aktuell werden – so beispielsweise eine Verkleinerung von Schulklassen und neue Mathematiklernpläne, die das Erlernen von Mathematik fördern sollen.
Ich wünsche ihnen allen ein erfolgreiches neues Schuljahr.
Schulmädchen aus den Südhevronbergen. Foto: Regionalverwaltung Südhevron
Yamina, palästinensisch-arabische Bäuerin aus Al-Khadr schleppt die Pflaumeneimer
Diese gute Bauernfrau* aus Al-Khadr, dem Dorf/Vorort von Bethlehem – Yamina ihr Name – habe ich heute um die 7 Uhr morgens auf meinem Arbeitsweg durch die Felder unter der Containersiedlung entdeckt. Wobei, zunächst bin ich auf diese Eimer voller Früchte auf dem Pfad neben den Mandelbäumen und einem von einer Steinmauer umgebenden Feld gestoßen. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um Pflaumen handelte. Die Eimer standen vereinzelt auf dem Weg und wie ich weiterging, fand ich die Eigentümerin der Ernte, eine kleingewachsene, eher dickliche arabische
Die vollbeladenen Eimer
Bäuerin, die sich mit einem solchen Eimer und einer ebenso randvollen Kiste auf dem Weg Richtung Schnellstraße dahinquälte. Sonst war niemand in der Nähe.
Ich suchte mir die passenden Worte auf Arabisch zusammen und fragte, ob sie Hilfe brauche. „Ya reit!“, atmete die Frau schwer auf und lächelte. Ich wünschte! Ich fragte, wohin sie das Gut bringen sollte. „Zur Strasse dort drüben.“ Ein Auto sollte sie dort abholen, aber hierher würde es wohl nicht gelangen.
Sie zeigte mir auf die Eimer hinter ihr, ich machte mich auf, diese aufzusammeln. Tatsächlich, sie waren schwer. Ich fragte sie verwundert, „schleppst du das alles alleine?“ „Ah, lahali“ (Ja, alleine),
Pflaumenbäume auf dem besagten Feld, nahe der Gush-Etzion-Kreuzung.
war die Antwort. Ob sie das öfter mache, habe ich nicht gefragt – die arabische Formulierung fiel mir nicht ein. Ich wusste dafür jetzt, wem die üppigen Pflaumenbäume auf dem benachbarten Feld gehoerten.
Wir schleppten mehr oder weniger gemeinsam die Eimer zur Strasse. Yamina wollte von mir wissen, ob ich aus Amerika sei oder „von hier“ und was ich mache. Ich erfuhr so auch ihren Namen und sagte ihr meinen. Er gefiehl ihr. (Dazu muss man sagen, dass „Chaya“ – die Lebendige bzw.Leben – auch im Arabischen ein Name ist.) Als wir die Straße erreicht hatten , umarmten wir uns. Zum Abschied gab sie mir ein paar Pflaumen. Sie blieb dort, in der aufsteigenden Hitze, um auf das Auto zu warten. Ich ging zur Kreuzung und zum Bus.
Was soll ich euch sagen, kein leichtes Leben. Warum um Allahs Willen muss die arme Frau aber diese schweren Eimer – fünf! – so ganz alleine schleppen?…
*Anmerkung: Tut mir leid, dass ich oft keine Gesichter der mit mir sprechenden Personen veröffentliche. Manches geschieht aufgrund des Wunsches, die Identität der Person zu schützen, aber meistens liegt es daran, dass ich es etwas unhöflich finde, bei jeder einfachen Unterhaltung sofort um ein Foto mit dem/der Gesprächspartner/in zu bitten. Ich möchte mich niemandem aufdrängen. Bitte habt Verständnis dafür.
„Bitte fotografiere nicht, wir bitten darum, es nicht zu tun“, wendet sich Orit Mark an mich, die 17-jährige Tochter von Michael (Michi) Mark aus Otni’el, der am Freitagnachmittag, dem 01.07.16, von Attentätern auf der Autobahn 60 erschossen worden war. Ich laufe rot an, nicke schnell und stecke mein Smartphone weg, das ich zuvor herausgeholt habe, um wenigstens ein Foto von den Trauernden für den Blog zu erhaschen. Ein Moment der Peinlichkeit. Die Augen der jungen und erwachsenen Besucher sind für einen kurzen Augenblick alle auf mich gerichtet. Aber Orit selbst wirkt nicht verstört. „Entschuldige, mach dir keine Sorgen. Du bist wunderbar!“, fügt sie hinzu und lächelt dabei ein angenehmes, strahlendes Lächeln und ihre Augen glänzen.
Orit Mark. Quelle: Öffentliche Aufnahme aus dem Facebook-Profil
Die Gestalt von Orit wird mich noch lange begleiten, auch wenn ich sie nur verschämt angeschaut habe und ganz am Ende meines Trauerbesuches, den ich auf Anregung eines Freundes am Donnerstagnachmittag, sechs Tage nach dem Mord an Michi Mark, sie nur kurz umarmen konnte. Obwohl ich es vorgezogen habe, im Hintergrund zu bleiben, ihr zuzuhören und selbst nichts zu sagen.
Michael und seine Frau Chava. Quelle: INN
Orit ist eine von zehn Kindern der Familie Mark aus der Ortschaft Otni’el in den Südhevronbergen. Sie kommt nach den Sommerferien in die 12.Klasse. Orit war es, die nach dem Mord an ihrem Vater ihre Geschwister vor der Kamera versammelte und die Öffentlichkeit darum bat, zu dem Begräbnis zu kommen: „Papa war nicht nur unser Vater, sondern ein Vater von ganz, ganz vielen Menschen“, sagte
Das Video der Waisen von Michael Mark. Quelle: INN
sie im Video. Auch war es sie, deren Grabrede am darauffolgenden Tag in den meisten Medien zitiert wurde. Orit ist es nun, die auf dem niedrigen Stuhl im Wohnzimmer der Familie sitzt, um sie herum junge Leute versammelt, Männer und Frauen, die ihr zuhören. Sie nimmt die Hände der Frauen und Mädchen in die Hand, die zu ihr hinkommen und sie umarmen, lächelt ihnen zu. Es ist der sechste Tag, am nächsten Tag wird die Familie von der traditionellen Trauerperiode, der Shivah (Sieben Tage) aufstehen, nicht mehr auf niedrigen Stühlen sitzen müssen, die Kleidung auswechseln können, sich selbst essen zubereiten können. Die Besucherflut wird abflauen, obwohl nicht vollkommen, denn die Menschen aus der Siedlung und aus den umgebenden Wohnorten werden weiterhin kommen und sie stärken.
Besucher im Haus der Familie Mark
Jetzt ist es aber Orit, welche die sie Umgebenden stärkt. Die Besucher sitzen um sie herum auf Plastikstühlen. Orit erzählt von ihrem Vater. Von dem Guten, was er im Leben getan hat, davon, wie er die Familie gestärkt hat, und dass er ein enormes Licht in sich trug. Immer wieder unterbricht sie sich, um einem anderen Besucher oder Besucherin zuzulächeln und anzusprechen, als würde sie Segen austeilen. Ihre Augen leuchten. Sie weint nicht mehr wie in den ersten Tagen. Ihr Lächeln strahlt jeden an, sie heißt jeden willkommen, sie ist dankbar. Der Blick weich. Jedem wendet sie sich persönlich zu, und hört nicht auf, zu ermutigen. Das offene, jugendliche Gesicht leuchtet. Es ist verrückt. Woher kommt dieses Licht?
Orit hat ein einfaches T-Shirt an, offenbar von einem ihrer älteren Brüder aus seiner Armeezeit. Ein knielanger, leichter schwarzer Rock, sie sitzt barfuß, die lockigen Haare offen. Alles muss so einfach wie möglich gehalten werden in der Trauerperiode. Im Haus und auf der Terrasse sind Tische aufgestellt, Tee, Kaffee, Früchte, Kuchen, für die Besucher, so besagt es die Tradition. Natürlich sind es nicht die Trauernden, die das Buffet aufstellen, sondern Freunde und Besucher. Den Trauernden ist es verboten, Essen vorzubereiten oder sich sonstwie zu beschäftigen, sie dürfen sogar nicht aufstehen, um sich Essen zu holen; das müssen ihnen die anderen bringen.
Es fällt schwer, die Atmosphäre zu beschreiben. Um Orit herum sitzen die Menschen und hören ihr konzentriert zu, die Gesichtsausdrücke zeigen Verständnis, aber kein Erbarmen. Sie zeigen Verbundenheit. „Gespräch ist Verbindung“, zitiert Orit ihren Vater, und wendet sich an alle, immer wieder:
„Verbreitet Gutes, lasst mehr Gutes an eurem Leben teilhaben, seid gute Menschen. Jeder von euch hier ist wunderbar. Gebt anderen Komplimente. viele Komplimente! Sagt zu jemandem, ‚du bist eine gute Seele‘, ‚du bist ein rechtschaffender Mensch‘! Wir haben viel Kraft, unglaublich viel Licht in uns!“
Wenn sie es sagt, und wenn man sie dabei anschaut, werden aus klischeehaften Sätzen Bitten und Vorsätze, die Orit uns vorlegen möchte. Um sie herum erzählen ihr die Besucher von ihrem Vater, gute Erinnerungen. Sie nickt. „Jede Tochter sagt sicherlich von ihrem Vater, ‚Mein Vater ist der Beste‘, auch ich habe es immer gesagt“, und sie lacht dabei ein wenig, „aber ich höre all das von anderen. Dass er ganz und gar gut gewesen ist, dass er etwas Besonderes gewesen ist.“ Mehr als sie selbst erzählen will, will sie andere stärken und ermutigen. Anderen Zuwendung, Licht in die Seele zu geben, von welchen sie möchte, dass andere es in sich entdecken und nutzen.
Ein weiterer Mann sitzt auf einem niedrigen Stuhl. Vielleicht ist es der Bruder. Neben ihm sehe ich einen alten Mann, in traditioneller muslimischer Kleidung. Ein Scheich, vielleicht, oder einfach ein altes Familienoberhaupt. Schon als wir angekommen sind, war im und vor dem Haus eine große Menschenmenge versammelt. Als ich fragte, was passiert war, erklärte man mir, die arabisch-palästinensische Familie, die nach dem Attentat den Verletzten Erste Hilfe erteilte und das Leben von Mutter Chava und Tochter Tehila gerettet hatte, sei zum Trauerbesuch gekommen.
Tatsächlich ging die Geschichte durch die Presse (wäre ich nicht auf sie bei dem Besuch gestoßen, hätte ich getrennt darüber berichtet): Direkt nach dem tödlichen Anschlag, als das Auto sich überschlug und alle drei Insassen verletzt drin eingeschlossen bzw. darum herum lagen, fuhr ein palästinensisches Auto vorbei, darin zwei Insassen – ein Ehemann und seine Frau aus al-Fawar (bekannt als Flüchtlingslager). Das Auto hielt an – so berichtete der Mann, Islam al-Bayd, der israelischen Presse; beide stiegen aus und begannen, die Eingeschlossenen aus
Das Auto der Familie Mark nach dem Attentat. Quelle: Hidabroot
dem Wagen zu zerren – die Tochter Tehilaת ebenso wie ihren Bruder Pedaya.
Tehila Mark bei der Beerdigung, daneben zwei ihrer Brüder. Quelle: Ynet
Die Frau, von Beruf Krankenschwester, begann, den Kindern Erste Hilfe zu leisten. Islam telefonierte mit den palästinensischen und israelischen Notfalldiensten. Da kamen ein Arzt, Dr. Abu Shuruch aus Dahariya bei Hevron, und sein Bruder hinzu. Dr.Abu Shuruch gelang es, Tehilas Blutung zu stoppen. Ebenso behandelten sie die Mutter Chavi, die schwerverletzt worden war. Vor Ort waren noch keine Krankenwagen angekommen, erst kurze Zeit später kamen ein Armeewagen und der israelische Notdienst an und der Arzt rief den Soldaten zu, sie sollen schnell den israelischen Notdienst rufen.
Islam Al-Bayd sprach mit dem israelischen Channel 1 am Tatort und sagte im Interview:
„Ich will nicht, dass mir jemand Danke sagt. Ich habe es aus menschlichen Gründen getan und für Gott.
Dr.Abu Shuruch. Quelle: Channel 1
Nun ist die Familie von Abu Shuruch zu Besuch gekommen; der alte Mann, den ich auf dem Plastikstuhl bemerkt habe, gehört ebenso dazu. Es ist verboten, Fotos zu machen, und außer dem Alten bekomme ich niemanden mehr zu Gesicht. Obwohl Dr.Abu Shuruch berichtet hat, dass auch seine Bekannten seiner Tat zugestimmt haben und er keine Angst vor Drohungen habe, da er seine Pflicht als Arzt getan habe, darf dennoch kein Material nach außen dringen, keine gemeinsamen Fotos entstehen etc. Hier in der Gegend ist es eine Frage von Leben und Tod.
Das Thema der arabischen Nachbarn ist nicht erst seit dem Attentat aufgekommen, sondern hatte die Familie schon länger begleitet. Michi Mark war in Otni’el für seine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber den Bewohnern der umgebenden arabischen Ortschaften bekannt. Offenbar erzog er auch seine Kinder in diesem Geiste; als bei der Beerdigung von Mark dazugekommene Jugendliche anfingen, laut „Rache“ zu rufen, wurden sie schnell leisegepfiffen. Das sei nicht der Weg, erklärte die Familie. Tehila, die auch beim Begräbnis dabei gewesen war, erzählte von der Rettung durch den arabischen Arzt, ihr Satz „es gibt auch gute Menschen, nicht alle Araber sind Terroristen“ wurde immer wieder in den Medien zitiert – das Terroropfer, das statt Hass Worte des Trostes findet. Die Menschenmenge vor dem Haus spricht leise über das Geschehene, über die Familie, will diese rechtschaffenen Menschen sehen, die es gewagt haben, einer jüdischen Familie Hilfe zu lassen, wenige Minuten nachdem andere Angehörige ihres Volkes versucht hatten, diese zu töten.
Das Haus der Familie Mark in Otni’el.
Der Platz vor dem Haus und weiter die Straße herunter, vor der atemberaubenden Aussicht auf die braunen Hügel des judäischen Bergmassivs ist voll mit Autos. Eine weitere Welle von Besuchern strömt herein. Alle möglichen Menschen kommen zur Familie Mark – religiös, säkular, aus allen Ecken des Landes, so schrieb man auch in der Presse, obwohl die nationalreligiösen Juden und Menschen aus der Siedlung den größten Teil ausmachen, Und dennoch – ein buntes Publikum.
„In unserer Familie gibt es alles, Säkulare, Religiöse, Ultraorthodoxe, und wir sind dennoch eine Familie, ein Volk“,
erklärt Orit, und wieder strahlt ihr Gesicht ehrliche Überzeugung aus.
Die Situation, die sich uns im Wohnzimmer bietet, ist absurd, aber charakteristisch hier in Israel: Bärtige Männer, Familienväter, junge Mädchen und ältere Frauen, sitzen und stehen im Kreis und lauschen konzentriert einer Siebzehnjährigen in einem ihr zu großen T-Shirt, schütteln ihr die Hände, neben das Gesagte mit sich, wollen es sich einprägen, damit es, wenn sie das Haus verlassen und in ihren nicht ruhigen, aber dennoch nicht dermaßen erschütterten Alltag zurückkehren. Es fällt mir schwer, sich vorzustellen, dass irgendwo anders so viel Zuwendung, Wichtigkeit und Ehre einem einfachen Mädchen gezeigt wird.
Im Zimmer nebenan liegt Tehila. Sie wurde am vergangenen Dienstag aus dem Krankenhaus entlassen. An ihrer Tür klebt ein
„Tehila, wir lieben dich!“
großes, farbiges Plakat, „Wir lieben dich“, steht darauf. Sie ist von ihren Freundinnen umgeben, sitzt nicht im Wohnzimmer und die Menschenmenge kommt nicht zu ihr. Nicht jeder der Kinder von Michi Mark ist in der Lage, dem Ansturm so gefasst und offen entgegenzustehen wie Orit. Hier und dort erspähe ich die anderen Kinder der Familie – die verheiratete Shira mit ihrem Mann, der eher schüchterne Shlomi mit den langen Schläfenlocken. Draußen sitzt ein eher locker gekleidetes Mädchen mit einer Zigarette in der Hand, mehreren Ohrringen im Ohr, Jeans. Ganz und gar nicht passend zu diesem scheinbar so religiösen Haus. Es ist Miriam, sie ist 18 und die Schwester von Orit. Freundinnen umgeben auch sie, sie plaudern und lachen auch. Jeder nimmt seine Trauer anders wahr, jede Art und Weise muss akzeptiert werden. Die Hauptsache ist es, den Trauernden zu unterstützen, da zu sein, Zuwendung und Verständnis zu geben. Jeder versteht es, jeder nimmt teil an dem Leid – jeder kennt es auch, entweder aus der eigenen Familie, von anderen Freunden, aus demselben Ort, wie dem von Terror geplagten Otni’el, oder auch nur aus den Nachrichten.
Orit. Quelle: Öffentliche Aufnahme aus dem Facebook-Profil
Und daher ist es schwer zu erzählen und darzustellen, wie die Realität hier, in diesem Ort, Otni’el, und auch in anderen Orten so schnell ihr Gesicht wandeln kann, in einigen Sekunden, in denen ein intaktes Leben plötzlich in Scherben zerbricht. Ein Leben, in dem man zwar um die möglichen Gefahren weiß, aber niemals erwartet, dass es gerade über einem zerfällt. Es braucht nur einige Sekunden wie an jenem Freitag auf der Schnellstraße, und die Realität ist anders, unumkehrbar, und niemand ist darauf vorbereitet. Der Tod bricht ein in das ländliche Idyll, das sich die Menschen in einem
Familie Mark vor dem Attentat. Tochter Orit im Vordergrund. Quelle: INN
Ort wie Otni’el aufzubauen versuchen, er steht vor der Tür des schönen, geräumigen Hauses, auf der Terasse im liebevoll gepflegten Garten, er besetzt den gesamten Parkplatz, der niemals der Anzahl der Trauerbesucher gewachsen sein wird. Er nimmt den Platz eines seiner Bewohner ein, der nun nicht mehr sein wird…
Das Leben ist nicht vorhersehbar. Die Realität verändert sich ständig, und wir dürfen nicht erwarten, dass es wie bestellt, so geliefert wird. Der Mensch ist geboren, um sich an das Leben anzupassen und aus jedem Moment, aus jeder Rolle, die er einnimmt im Laufe seiner Lebenszeit, das Beste und das Wichtigste herauszuholen. Die Familie Mark versteht es sehr gut, und sie versteht es auch, wie es den anderen um sie herum, die nicht diese Erfahrung gemacht haben, zu vermitteln ist. Jetzt, da ihre Welt über ihnen zusammengebrochen ist, müssen sie einen neuen Weg vorzeichnen und gehen, im Geiste des immer im Herzen weilenden Vaters, so wie Orit es ausdrückt:
„Jetzt, da Papa nicht mehr hier ist, um das Gute weiterzugeben, werde ich es machen, so gut ich es kann.“
Ich komme noch einmal ins Wohnzimmer hinein, um sich von ihr zu verabschieden. Neue Besucher sind gekommen, darunter ein feierlich angezogenes Paar. Sie sprechen Englisch und wie es sich herausstellt, sind sie ultraorthodoxe Juden aus Amerika, Miami. Orit spricht mit Hilfe einer Freundin mit ihnen, auf einem relativ guten Englisch. Sie erklären ihr, sie seien zu Besuch und hätten gefühlt, dass sie kommen sollten. Orit betrachtet sie, lächelt dankbar, hält die Hand der Frau in ihrer und fragt ihre Freundin, wie man „Grübchen“ auch Englisch sagt. Dann wendet sie sich an die Frau und sagt ihr, fast schon fasziniert – „Ich wollte schon immer solche Grübchen in den Backen haben, all my life!“
Orit, ihr Name bedeutet „Licht“, „die Lichtige“. Offenbar kann Licht vererbt werden. Und alle, die etwas näher an dieses Licht kommen, finden es heraus und stimmen diesem zu. Man kann nur hoffen, dass sie es weiterreichen werden. Das Licht desjenigen, dessen Leben ihm genommen worden war, muss weitergegeben werden, und das ist jetzt die Aufgabe von uns allen.
In diesen Tagen bin ich unwillkürlich Mitwisser eines Zensurfalls geworden, der mich etwas aufgewühlt hat. Es hat nicht wirklich etwas mit Siedlern zu tun, aber der Betroffene ist ein guter Freund von mir. Es hat auch nichts mit Israel zu tun, aber im Fall dreht es sich um Juden. Ohne Namen zu nennen, Linkverweise zu geben, auf bestimmte Medien hinzuweisen, möchte ich nur sagen, dass ich nun ein weiteres Mal aus meinem nahen Umfeld die Bestätigung bekommen habe, dass deutsche Medien zensieren. Nein, nicht die Redakteure, die einen Artikel von seinen wesentlichen Inhalten befreien, oder durch ihre Schlagzeilen den Inhalt verdrehen, das ist alles hinreichend bekannt und gar nicht mehr Aufsehen erregend. Es geht um tatsächlich schwerwiegenden Eingriff in die Meinungsfreiheit und das Recht der Öffentlichkeit auf Wissen.
Die letzten mir persönlich gut bekannten Fälle waren Tuvia Tenenbom, dessen ZEIT-Redakteur ihn mehrfach versucht hatte, vor dem Druck seiner Kolumnen oftmals den Inhalt zu verbieten. Auch kennt jeder, der ein wenig Berührung mit dem Buch „Allein unter Deutschen“ gehabt hatte, die Geschichte, dass der erste Verlag, Rowohlt, das Buch ehemals gar nicht drucken wollte, ohne zuvor Zensur an den Aussagen einiger Interviewpartner von Tenenbom vorzunehmen. Tenenbom pfiff darauf, und ließ es woanders abdrucken. Das Buch wurde Bestseller, der störrische Verlag wurde blamiert, und die ZEIT-Kolumnen wurden beinahe alle im Originalformat abgedruckt. Erfolgsgeschichte von einem Mann mit Mut zu Nachdruck.
Der andere Fall war der des Ulrich Sahm, an die 40 Jahre lang Korrespondent bei sämtlichen deutschen Medien zum Thema Nahost, zuletzt bei n-tv. Wohnhaft in Israel. Spätestens seit der Eröffnung der Facebook-Gruppe „Ulrich Sahm zurück ins deutsche Fernsehen“ müsste die Öffentlichkeit wissen, dass Ulrich Sahm nicht mehr in den nationalen deutschen Medien zu finden ist. Er wurde von dort verbannt, und das nachhaltig bei sämtlichen Presseorganen, und das wegen seiner pro-israelischen Haltung. Die Details zu seiner Entlassung kann Ulrich bei Gelegenheit selbst bestätigen. Das erschwert heutzutage für den auch nicht mehr so jungen, aber noch immer auf außergewöhnlich hohem Niveau stehenden Experten die Veröffentlichung seiner Recherchen, und offenbart die ideologische Korruption seiner ehemaligen Arbeitgeber. Aber auch er hat seine Nische gefunden. Es gibt private Netzwerke wie Audiatur Online, und zum Glück hat Ulrich Sahm einen guten Namen bei dem gemeinen Volk und unternimmt regelmäßig Vortragsreisen in Deutschland, und es gibt Leute, die ihn hören wollen. ich würde mich nicht wundern, wenn es in der nächsten Zeit noch mehr davon geben wird – vorausgesetzt, Ulrich wird nicht davon absehen, weiterhin unerschrocken seine Recherchen und Kritik öffentlich zu machen. Solche, die die nationalen Medien nicht bei sich in den Publikationen sehen wollen.
Nun ist mein anonymer Freund, den ich zu Beginn erwähnt habe, weder Tuvia Tenenbom noch Ulrich Sahm, sondern nur ein Mensch mit einer bestimmten Funktion, und auch noch Jude. Und als Jude mit Funktion, sozusagen „Funktionsjude“ (liebe nichtjüdischen Nichtzyniker, verzeiht den jüdischen Zynismus), kam er neulich mit den deutschen Medien in Kontakt, und wurde sogar von einem solchen Medium zu seinen Ansichten gefragt. Nach den neuesten Ereignissen wurde es auch in Deutschland von Interesse, was Juden in ihren Gemeinden von ihrem Leben halten. In Frankreich sagen die Juden das offen – wir fühlen keine Sicherheit, wir wandern aus, und die ersten Gruppen nach der Attacke am 13.11 kamen schon angereist (Ynet berichtete). So wurde mein Freund befragt, aber das, was er zu antworten gedachte, gefiel dem Journalisten nicht. Er wurde gebeten, seine Antworten zu revidieren. Revidieren? Ja, denn die Antwort, die er gegeben habe, würde den Terror mit dem Islam in Zusammenhang bringen. Mit dem Islam? Islamistischer Terror mit dem…? Ja. Und so musste mein Freund die Antwort umändern, und als er das tat und aus der ehemals deutlich formulierten Antwort ein geschmacks- und geruchlose Suppe geworden war, da war der Journalist sichtlich zufrieden, und brachte das einvernehmliche Endergebnis ans Volk.
Als ich das Ergebnis sah, wusste ich, dass irgendetwas faul war. Aus Privatschutzgründen kann ich es leider nicht mit euch teilen. Denn mein Freund wollte zwar noch nie ein „Funktionsjude“ sein, und noch weniger ein „Hofjude“, wie viele (und leider auch ich) so manche jüdische Funktionäre in Deutschland und andernorts schimpfen, wenn diese das sagen, was die Politkorrektheit hören möchte. Aber er entsagte sich auch nicht des Interviews und bestand darauf, dass die Affäre nicht publik gemacht werden sollte. Und so wie hier, wissen wir nicht, sofern uns das nicht zufällig über den Weg läuft wie mir, wie viele andere öffentlich zitierte Menschen dazu gebracht wurden, ihre Meinungen zensiert und umgeschrieben zu bekommen. Und damit einverstanden gewesen waren, aus Angst, ihren Namen, ihre Stelle, ihren Einfluss? zu verlieren. Denn dann werden sie auch das bisschen Gutes, das sie im kleinen Umfeld vielleicht noch bewirken können, nicht mehr tun können.
Und für uns von außen, die wir nicht immer hinter den Kulissen sein können, erscheint alles freundlich und harmonievoll, und aufeinander abgestimmt. Manchmal sagen wir auch, abwinkend, „die wurden dafür bezahlt“. Mein Freund wurde für das Schwanzeinziehen, vor das er gestellt wurde, nicht bezahlt.Und so sehr ich mich für sein Schwanzeinziehen schäme, so tut es mir auch weh, zu wissen, wie sehr Zensur Teil unseres Alltags darstellt. Und dass viele gute Menschen, die etwas mehr zu verlieren haben als Blogger wie ich, vor ihrer Diktatur einknicken.
Es ist keine allzu große Leistung, als Privatperson einen Blog aufzumachen (in meinem Fall sogar in einem fernen Land) und dort all das frei heraus zu posaunen, was die öffentlichen Medien bei sich nicht haben wollen. Mein Blog hat nun beinahe 70.000 Besucher, fast 1000 Kommentare, ich bekomme wöchentlich und manchmal mehrmals in der Woche private Mails mit Lob und Unterstützung, werde interviewt und führe Gespräche mit deutschsprachigen Gruppen im Namen einer Bundesinititative (BpB, siehe hier). Und als Bloggerin und Privatperson sage ich dort das, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann, und niemand schreibt mir vor, was ich zu sagen habe. Es mag mutig klingen – aber eigentlich ist es das nicht. Denn ich brauche keine Konsequenzen zu fürchten – nicht von der Zielgruppe, für die ich schreibe und vor welcher ich auftrete.
In Deutschland sitzen Menschen mit klugen Gedanken und guten Herzen, und auch sie würden gerne das sagen, was ihnen auf den Lippen liegt und in der Seele schmerzt. Aber Deutschland scheint kein Land zu sein, das Diskussion stärkt, das Nonkonformismus akzeptiert, in welchem ein Konzensus einfach übergangen werden kann. Ein wenig haben die sozialen Netzwerke den staubigen Vorhang, der die deutsche Meinungsfreiheit umhüllt, angehoben. Aber der Lichtstrahl, der unter dem Vorhang hervorbricht, ist noch zu klein, und die Luft noch immer nicht erstickend genug, als dass Menschen effektiv nach Frischluft suchen würden.
Zensur hin oder her. Jeder ist im Endeffekt verantwortlich für das, was er sagt, schreibt, oder zu sagen und zu schreiben unterlässt. Jeder hat nur die Kräfte, die ihm zur Verfügung stehen, um etwas zu bewirken, und die nur eigene freie Wahl. Ein jüdisches Sprichwort besagt, „wenn Zusya in den Himmel kommt, wird Gott ihn nicht fragen, ‚wieso bist du nicht wie der Prophet Moses gewesen?‘, Er wird ihn fragen, ‚wieso bist du nicht Zusya gewesen?'“
Ich habe mit euch in dieser Randbemerkung diese Episode aus meinem Alltag geteilt, weil es mich persönlich berührt und getroffen hat, und ich würde wollen, dass wir, vor allem auch ich, etwas aus dieser Geschichte mitnehmen.
Was, das kann jeder für sich selbst entscheiden. Die Gedanken sind schließlich frei.
Ein bisschen Alltagsbilder:
So sieht mein morgendlicher Fahrtweg von Gush Etzion Richtung Jerusalem aus, auf der Autobahn 60. Und das während der grünen Ampel..!
Die Nachrichten (zumindest in Israel) berichten schon über eine Woche von vermehrten Zusammenstößen von gewalttätigen arabischen Randalierern in Jerusalem mit Sicherheitskräften und ziviler Bevölkerung – auf den Verkehrsstraßen, in der Altstadt, auf dem Tempelberg. Der Tod von Alexander Levlowitz am 13.09.15 (Neujahrsabend) konnte der Bevölkerung nicht entgehen. Seit diesem sind in und um die Hauptstadt herum noch viele Steine und Brandbombencocktails durch die Luft gesaust. Sprich, dass die Lage in Jerusalem angespannter ist, als sie vor Kurzem noch gewesen ist, sollte eindeutig sein.
Ab und zu tauchen Meldungen oder zitierte Aussagen hochrangiger Sicherheitsvertreter auf, welche auf eine „Aufheizung der Stimmung“ auch in den Gebieten von Judäa und Samaria hinweisen. Zwar kann man dort keinen Tag lang von einer „Entspannung“ sprechen, dennoch scheint die Gewaltwelle auch um uns keinen Umweg zu machen. Selten tauchen in den traditionellen israelischen Medien Meldungen zu Unruhen und Attentatsversuchen in Judäa und Samaria auf – seltener, als diese tatsächlich stattfinden. Nicht jeder Angriff auf einen Kontrollposten, auf einen Soldaten, nicht jeder Stein- oder Brandbombenwurf auf ein vorbeifahrendes Zivilauto werden dokumentliert. Internetplattformen und sog.“neue Medien“ wie 0404.co.il, Facebook, aber auch die lokal vertretenen Kanäle mit eher religiös oder konservativ gerichteten Zielgruppe, so die Seite INN.co.il, informieren mal mehr, mal weniger über die Vorkommnisse.
Aus meiner diesjährigen Arbeit beim Sicherheits- und Überwachungszentrum des Regionalbezirkes Efrat weiß ich um die Häufigkeit der „gewohnten“ Vorfälle – Steinwürfe, Brandbomben, verdächtige Personen, und die dadurch verursachten Einsätze von Sicherheitskräften. Es ist für diese kaum möglich, zur Echtzeit die Täter, wenn über diese von einem Zivilisten berichtet wird, zu ergreifen und festzunehmen. Die Meldung, die am Meisten per Funk übermittelt wird nach einem erneuten Einsatz an Ort und Stelle eines Steinwurfes, eines gezündelten Brandes u.ä. – „keine Befunde“. Erst bei speziellen Nachtdurchsuchungen oder Recherche durch armeeinterne Nachrichtendienste können manche der Täter aufgefunden werden, aber auch da ist die Effizienz nicht immer hoch, da die Indizien fehlen, und die Familien bzw. die Bewohner der arabischen Siedlungen die Betreffenden nicht freiwillig herausgeben. Zurück bleiben dann zerschmetterte Fensterscheiben, abgefackelte Wälder, angebrannte Autos und ein ständiges Gefühl, mit einer anderen Realität wäre so bald nicht zu rechnen.
Wie dem auch sei. Am Freitagmorgen schickte der Vorsitzende Davidi Perl im Namen der Regionalverwaltung an die Bewohner von Gush Etzion eine Mail mit dem folgenden Inhalt:
„In den letzten Wochen erleben wir einen fühlbaren Anstieg von Terrorakten in Gush Etzion. Steinwürfe, Brandbomben und Attentatsversuche ereignen sich tagtäglich. Viele Terrorhandlungen, die nur durch ein Wunder bisher keine Opfer brachten.
Die Vorkommnisse, die sich bei uns ereignen, sind Teil abgestimmter und geplanter Aktionen, welche dazu dienen, Schaden anzurichten und die Regionen von Judäa, Samaria und Jerusalem aufzuheizen. Das soll natürlich keinen Trost darstellen, und die Regionalverwaltung ist unermüdlich aktiv in ihrer Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbeauftragten, um eine Truppenverstärkung und einen kompromisslosen Kampf gegen die Terroristen zu erwirken. Ein jeder von Ihnen ist in diesen Tagen gefordert, doppelte Vorsicht walten zu lassen und wachsam zu sein. Es ist sehr wichtig, dass diejenigen der Einwohner, die ihren Wagen noch nicht geschützt haben, dies umgehend tun. Es kostet kein Geld und rettet Leben!
Auf das wir mit Gottes Willen bald Frieden und Gutes erleben werden. „
Etwas von mir: In meinem Alltag, der sich momentan rund um Alon Shvut dreht, erlebe ich momentan keine Unruhen oder Gewalt. Mir geht es gut, und das oben Geschriebene sollte dennoch niemanden stören, hierher zu kommen, insbesondere, wenn jetzt die Sukkot-Feiertage anfangen und ganz Israel zum Wandern und Picknicken aufbricht. In allen Siedlungen hört man bis spät in die Nacht ein Hämmern und Herumwerkeln – die Männer und Jungen (zumeist) arbeiten an den „Laubhütten“ für das Laubhütten (Sukkot-)-Fest, welches am Sonntagabend beginnen wird. Die Bilder werde ich mit euch noch teilen.