Im Karavanenviertel von Alon Shvut ist die Gemeinschaft recht nachbarschaftlich und zusammengewachsen. Man kennt sich zumeist gegenseitig, hilft einander, leiht sich Dinge aus, gibt einander Ratschlaege, macht Witze in der gemeinsamen WhatsApp-Gruppe, bietet erste Hilfe bei Naturkatastrophen (Schnee und Regen) und ihren Konsequenzen (Stromausfall und Kabelbrand) an, kocht fuer stillende Muetter und was nicht alles noch.

Auch gemeinsame Abende, vor allem vom Frauen, werden ab und zu veranstaltet. Von einem solchen habe ich einmal berichtet, „Kleidertausch“-Abend vor etwa zwei Jahren, der bei uns in der Synagoge stattgefunden hat (natuerlich gab es in der Zwischenzeit weitere Treffen). Vor einigen Tagen fand ein „Frauenabend“ bei einer Einwohnerin, Naomi, statt. An die 20 junge Damen im Alter zwischen 20 und 45 Jahren hatten sich versammelt; eine davon brachte ihre kleinste Tochter mit, der Rest liess die Vaeter auf diese aufpassen. Die Kinder von Naomi – oh Wunder – schliefen und ihr Mann Elias, auch er knapp 30, wurde „ausser Haus“ geschickt.
Alle Maedels wurden gebeten, etwas zu essen zu bringen: der geraeumige Salon von Naomi fuellte sich alsbald mit Salaten, Q

uiches und Suppen, eine Nachbarin namens Liat brachte sogar vselbstgemachten Apfelcider mit („mein Mann hat’s gekocht!“). Nach Essen und Plaudereien sollten wir gemeinsam etwas machen, so hatte eine weitere Nachbarin vorgeschlagen und so brachte sie auf Eigeninitiative Bastelmaterial mit (ja, auch „grosse Kinder“ basteln gern, so hatten wir herausgefunden 🙂 ) und die letzte Stunde, bevor alle heimgingen, waren wir damit beschaeftigt, Blumentoepfe anzumalen und darin Mini-Kaktusse zu pflanzen. Als zur Mitte unserer Bastelstunde eine Frau aus Alon Shvut selbst gekommen war, um ein wenig ihren Lieblingskandidaten fuer die bevorstehenden Wahlen fuer das Regionalkonzil von Gush Etzion (am 14.02.17 ist es soweit) zu werben, konnte ihr kaum eine

Aufmerksamkeit schenken („was fuer ein Wahlprogramm hat er denn? – Moment, ich will die Pompons da fuer den Topf!“).
Nachdem alle langsam, aber sicher heimgegangen waren (Elias war zurueck ins Haus gekommen, Naomis Kinder wachten auf und die Zeit naeherte sich Mitternacht), folgten dann Dankeschoen-Nachrichten, Fotos vom Essen und Kaktussen, mit vielen Smilies versehen, ueber WhatsApp. Und ich konnte mir von Liats Ehemann das Apfelcider-Rezept abholen. Hoffentlich kriege ich es demnaechst hin. 😛
Ueber unsere kleine Frauengruppe moechte ich euch Aussenstehenden nun einige „kuriose Details“ offenbaren 😉
Alle der Maedels, mit mir inklusive, leben in den Wohncontainern bzw. Leichtbauten vor Ort. Alle ausser mir sind verheiratet. Von allen Anwesenden waren mindestens fuenf hochschwanger (ob mehr schwanger waren, konnte ich so einfach nicht feststellen). Eine war mit einem wenige Wochen altem Sohn dabei, eine weitere mit einer unter einem Jahr alten Tochter. Drei weitere haben daheim ein Baby unter einem Jahr, allerdings waren es von allen nur drei Frauen, fuer die es das erste Baby bzw.die erste Schwangerschaft war – alle anderen hatten schon mindestens zwei Kinder. Die Mehrheit der Frauen arbeitet als Lehrerinnen oder in einem anderen Fach im Sozial- und Gemeindewesen. Eine ist freischaffende Kuenstlerin mit eigenem Studio. Mit Ausnahme einiger weniger hat jede mindestens einen BA-Abschluss. Von ihren kulturellen Wurzeln her sind die meisten

europaeischstaemmig; eine hat tunesische Wurzeln, eine andere jemenitische, eine weitere persische und die Frau mit der Tochter indische Wurzeln (habe ueber die Familie hier berichtet). Die kulturell europaeischen Frauen hatten zu einem Teil orientalische Maenner geheiratet – so liegen die Wurzeln von Elias, dem Mann der Gastgeberin Naomi, in Marokko. Die meisten der Frauen trugen lange oder knielange Roecke und Kopfbedeckungen, allerdings nicht alle – unsere Bastelinitiatorin Hana trug Jeans und offene Haare, Liat eine Strickmuetze und Yaffa, die Kuenstlerin, nur ein breites Haarband statt einem Tuch oder „Turban“, wie manche nationalreligioese Frauen gerne ihre Kopftuecher auftuermen. An Paruecken, wie man sie aus der ultraorthodoxen Welt kennt, denkt bei uns niemand.
Wenn ihr mehr wissen und nachfragen wollt, nutzt gerne die Kommentarspalte!
“ Alle ausser mir sind verheiratet.“
Liebe Chaya, dann wird es aber höchste Zeit für Dich! 😉
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Ma gucken 😉
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Gute Story, beste Chaya. besonders der Teil, wo die verschiedenen Ethnien angesprochen werden, was zeigt, welche Vielfalt „die Siedler“ hervorgebracht haben. „Alte Bekannte“ wünschen sich jetzt Fragen. Sie sprechen die Sprache gut, die dort verstanden wird. ( https://www.ard-telaviv.de/stream/wende-in-der-nahost-politik/ ) 😉
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