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Zum Weiterlesen: Palästinenser – von der Macht eines Wortes

Der Publizist Tomas Spahn auf der Meinungsplattform Roland Tichy in einer knappen, prägnanten und historisch dennoch sehr umfassenden Übersicht über die Entstehung des Begriffs „Palästinenser“ und die Rolle der – deutsche Medien, natürlich, wie könnte die moderne Geschichte ohne sie… Auch mir hat Tomas Spahn einige neue Fakten offenbart, und wer sich auf diese Übersicht nicht verlassen will, kann sich gerne die Erstquellen vornehmen und wird sich bestätigt wissen. Wie es heißt, „wer suchet, der findet“.  ( Für den Linktipp danke ich IK. )


 

Von der Macht eines Wortes Oder Als der SPIEGEL die Palästinenser erfand

Tomas Spahn, 22.03.2016

Palästinenser – ein Volk? Ja, vielleicht. Vor 3.000 Jahren … Über die Legende der Palästinenser und wie deutsche Medien ein Volk erfanden.

Palästina ist ein Begriff, der bis weit in die Vergangenheit reicht. Er findet sich erstmals im Tanach als Bezeichnung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, mit denen die frühen Hebräer des Öfteren zu tun hatten: Den Philistern – oder besser: Phéléshétjm (F-L- Sh-T-J-M).

Von den Philistern zu Palästina

Féléshétjm, das waren jene überwiegend in Städten wohnenden Menschen, mit denen die damals noch in Sippen lebenden inländischen Semiten regelmäßig Probleme hatten. Die Geschichte von Simson und Delilah ebenso wie die Legende von David und Goliath sind herausragende Beispiele, wie dieser Konflikt in das Alte Testament Einzug gehalten hat.

Doch zwischen Féléshétijm und Hebräern gab es durchaus auch friedliche Phasen der Koexistenz. Die häufig noch als Nomaden durch das Land ziehenden Sippen gingen zum Handel in die Städte der „Palästiner“, einige sogar siedelten sich dort an, wurden zu wohlhabenden Menschen – und wurden dennoch von den Küstenstädtern argwöhnisch beäugt. Bekannt sind auch Vertragsabschlüsse zwischen den Stadtführern und den Nomaden über die Nutzung von Wasserstellen – für die Nomaden von existentieller Bedeutung.

All das findet sich berichtet im Tanach. Israels Archäologen, allen voran Israel Finkelstein, haben mit ihren Forschungen weiteres Licht in die Geschichte gebracht und kamen zu der Überzeugung, dass jene Féléstétjm auch die „Kanaanäer“ (Kénýnjm) des Alten Testaments waren. Und dass aus Kanaanern und Hebräern im Laufe der Zeit jene Völker wurden, die im antiken Israel und Jahudah lebten.

Als die Griechen in Folge der militärischen Invasion des Alexander die Herrschaft über den Landstrich übernahmen, bedienten sie sich des altsemitischen Begriffs der „Féléshétjm“ und es entstand Παλαιστίνη – Palaistinéh. Als die Römer 63 vc die jüdischen Priesterkönige der Hasmönäer, deren Vorfahren 167 vc den unabhängigen Staat Judäa gegründet hatten, entmachteten und zurück in die Tempel schickten, übernahmen sie erst einmal die jüdische Bezeichnung. Roms neue Provinz im fernen Orient bekam im Jahre 6 nc von Kaiser Augustus den Namen Judaea. Doch da die ortsansässigen Juden ein aufmüpfiges Volk waren und Rom mit wenig humanen Mitteln einen dritten Aufstand um Bar Kochba erst 135 nc abschließend niederschlagen konnte, wollten die römischen Besatzer nun alles tilgen, was an die Juden erinnerte. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal in der menschlichen Geschichte sollte jegliche Erinnerung an eine im Kampf unterlegene Gruppe final ausradiert werden.

Roms Kaiser Hadrian ließ daher das antike Jerusalem schleifen und es als Aelia Capitolina neu aufbauen. Die Provinz Judaea wurde im Rückgriff auf jene jüdischen Gegner der Kupferzeit in Palaestina umbenannt.

Kein jordanisches Palästina, kein palästinensisches Israel

Diese Maßnahme der siegreichen Kolonialherren der Antike wirkt bis heute. Denn als nach dem großen Waffengang der europäischen Imperien das 636 nc von den arabischen Gotteskriegern zwangsislamisierte Gebiet 1920 nc völkerrechtlich aus dem osmanischen Herrschaftsbereich herausgelöst wurde, griffen die poströmischen Sieger Großbritannien und Frankreich erneut auf die altsemitisch-griechisch-römische Bezeichnung zurück. Es entstand das Mandatsgebiet „Palestine“ oder Palästina, welches nun auch kurzfristig das Gebiet jenseits des Jordan umfasste und in dem – gemäß alliierter Zusage – eine Heimstatt auch für Juden geschaffen werden sollte.

Doch bereits 1923 wurde das Mandatsgebiet wieder geteilt und es entstanden Cisjordanien – im Wesentlichen das heutige Israel und Gaza – sowie Transjordanien. Für dieses Protektorat hatten die Briten bereits 1921 Abd Alah ibn Husain, Sohn des von den Sa’ud vertriebenen Sherif von Mekka, als Emir eingesetzt. Der wurde am 25. Mai 1946 König des in die Unabhängigkeit entlassenen Jordaniens und wegen seiner kooperativen Haltung gegenüber dem jungen Staat Israel am 20. Juli 1951 in Jerusalem von einem arabischen Extremisten ermordet. Heute ist Abd Alahs Urenkel Abd Alah bin al-Husein König des Steppenstaates – nach wie vor ein enger Verbündeter des Westens und liberaler Muslim.

So wurde schon mit der Teilung des Mandatsgebietes der antike Begriff Palästina wieder reduziert auf jene klassische Region zwischen Mittelmeer und Jordan. Ein „palästinensisches“ Jordanien, in dem die „Organisation zur Befreiung Palästinas“ – kurz PLO – 1970 mit syrischer Unterstützung einen Bürgerkrieg entfachte und von den Truppen des damaligen jordanischen Königs unter der Führung des aus Cisjordanien/Judäa stammenden Muhamad Daud bis Juli 1971 aus dem Land gejagt worden war, hat es niemals gegeben.

Die Eindringlinge

Aber – gab es nun ein cisjordanisches Palästina? Am 29. November 1947 hatten die Vereinten Nationen mit Resolution 181 (II) die Teilung Cisjordaniens in zwei demokratisch zu organisierende Staaten beschlossen. Der eine dieser zwei Staaten wurde nach dem Abzug der britischen Mandatstruppen am 14. Mai 1948 als Israel proklamiert und ist – trotz zahlreicher Versuche seiner Nachbarn, ihn auszulöschen – bis heute die einzig funktionierende Demokratie in der Region. Die nach den arabischen Angriffskriegen verbliebenen, nicht–israelischen Gebiete der römischen Provinz Palaestina werden heute autoritär entweder von der Hamas oder der PLO verwaltet – und diese haben mangels eigener historischer Identität sich den altsemitischen Begriff der Féléshétjm zu eigen gemacht, um damit ihren Anspruch auf das ehemalige Mandatsgebiet Cisjordanien zu begründen.

Das lässt es zweckmäßig erscheinen, noch einmal einen Blick auf die historischen Wurzeln des Begriffs „Palästina“ zu werfen – und zu einem für seine heutigen Anspruchserheber möglicherweise irritierenden Ergebnis zu kommen. Denn der altsemitisch-hebräische Begriff des „Féléshétjm“ lässt sich unschwer auf das Peh-Lamed-Shin des hebräischen Alphabets zurückführen. Félésh – das steht im Ivrit bis heute für „eindringen“. Féléshétjm – das waren für die Autoren des Tanach nichts anderes als „Eindringlinge“.

Historisch lässt sich das gut nachvollziehen, denn zwischen 1200 und 1000 vc kam es im östlichen Mittelmeerraum zu einer Völkerwanderung von Nordwest nach Südost, in deren Zuge nicht nur das vermutlich hethitische Troja vernichtet wurde, sondern die mit den in ägyptischen Archiven als „Seevölker“ beschriebenen Migranten mit militärischer Gewalt Siedlungsraum an den Küsten Ostägyptens und dem heutigen Israel erobern wollten. Die antiken Städte der Philister von Gaza bis Ekron waren ebenso Ergebnis dieser Völkerwanderung wie die Küstenstädte des heutigen Libanon.

Selbstverständlich waren diese Migranten für die ortsansässige Bevölkerung „Eindringlinge“ – und so ist es naheliegend, dass der Tanach dann, wenn er von „Féléshétjm“ spricht, tatsächlich „Eindringlinge“ und nicht etwa „Palästinenser“ meint. Die Küsten des kupferzeitlichen „Palästina“, das damals mangels Féléshétjm noch nicht so genannt werden konnte, wurden von einer Welle möglicherweise durch dorische Kriegsflüchtlinge oder klimatisch bedingte Hungerflüchtlinge erfolgreich übernommen. Eines allerdings waren diese aus hebräischer Sicht seinerzeit „echten“ Palästinenser zu keinem Zeitpunkt: Araber. Sie waren nicht einmal Semiten, sondern werden sich erst im Laufe der Jahrhunderte mit den ortsansässigen Semiten vermischt haben.

Viele unterschiedliche Menschen – keine Palästinenser

Als der britische Agent Thomas E. Lawrence zwischen 1917 und 1918 den Kampf des Sherif von Mekka gegen die Osmanen organisierte, kam er auch in die Region des heutigen Israel. Dort traf er auf zahlreiche Menschen unterschiedlichster Identität. Auf muslimische Araber und von Russland vertriebene Tscherkessen. Auf christliche Armenier und Aramäer. Auf Juden und sogar auf Berber, die in Folge der Niederschlagung des Aufstandes des Panarabisten Abd al’Qadir aus dem französischen Algerien in das Osmanische Reich geflüchtet waren. Auch gab es in den Gebieten zwischen Mittelmeer und Jordan nach wie vor Drusen und Maroniten. Eines allerdings gab es nicht: Palästinenser.

Und das blieb auch so – bis 1968 ein 1929 in Kairo geborener Araber dem deutschen Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ ein Interview gab. Dieser ägyptische Araber hatte 1957 als Fremdarbeiter in Kuwait eine Untergrundbewegung gegründet, die sich den Namen „Organisation zur Befreiung Palästinas“ gab. Sein Name lautete Yasir Arafat, Sohn der Verbindung eines aus Gaza stammenden Vaters und einer aus Jerusalem stammenden Mutter, die in den 1920er Jahren nach Kairo gezogen waren.

Abu Ammar und die arabische Nation

Als sich dieser Arafat 1968 erstmals mit dem SPIEGEL-Redakteur Helmut Sorge traf, nannte sich der frühere Muslimbruder Abu Amar und war Kopf einer Terrormiliz, die sich – so der Hinweis der Magazins – die Befreiung „Palästinas“ zum Ziel gesetzt hatte. Abu Amar Arafat spricht in dem Interview, das irgendwo in Jordanien nahe der Grenze zu Israel geführt wurde, laut deutscher Übersetzung von „arabischen Soldaten“, die „das Volk“ befreien werden. Er betrachtete sich laut dieser Übersetzung als Sprecher „unseres palästinensischen Volkes“ und „Vertreter des arabischen Volkes zwischen Atlantik und Persischem Golf“.

Nicht nur bei dieser letzten Formulierung wird es heikel – denn ein „arabisches Volk“ zwischen Atlantik und Persischem Golf hat es nie gegeben. Die Bewohner des Maghreb – Überbleibsel unterschiedlichster Besiedlungsphasen und lange Zeit christlich-römische Provinzen – wurden erst im Zuge des arabisch-islamischen Imperialismus zwangsarabisiert. Wenn Arafat diese Berber- und Maghreb-Stämme als „arabisches Volk“ bezeichnet, so folgt er damit letztlich der islamischen Idee seiner Muslimbrüder von der allumfassenden „Umah“, die jedoch nur Gläubige und Ungläubige kennt und regional- wie zeittypisch von Stämmen statt von Völkern ausgeht.

Gleichzeitig nutzt Arafat in dem in englischer Sprache geführten Interview angelsächsische Begriffe, um seinem westeuropäischen Besucher sein Anliegen zu erklären. Und der ist nun  ausgerechnet ein Deutscher und muss für seine Leser den englischen Text derart übersetzen, dass der Germane es auch versteht.

Die Deutschen und der Volksbegriff

Nun hat die deutsche Sprache – kultur-historisch bedingt – ein Volksproblem. Denn anders als das Angelsächsische unterscheidet sie faktisch nicht zwischen Nation und Volk. Die Idee des ethnisch reinen Staatsvolkes, mit der zuletzt Adolf Hitler einen bedeutenden und wichtigen Teil der Deutschen erst vertrieb und dann vernichtete, um anschließend die Welt mit einem Vernichtungskrieg im Namen „seines“ Volkes zu überziehen, ist in ihrem Kern tatsächlich ziemlich deutsch.

Für dieses deutsche „Volk“ nun gibt es kein wirkliches, angelsächsisches Äquivalent. Denn „folk“, welches man gewillt sein könnte als Übersetzung zu nutzen, hat mit dem deutschen „Volk“ wenig gemein. Weshalb der Deutsche „folk“ als „ländliche Bevölkerung“ versteht. Will er jedoch vom „Volk“ sprechen, so bedient er sich im Angelsächsischen der Begriffe „people“ oder „nation“. Beide aber entsprechen dem deutschen „Volk“ nicht. Denn das deutsche „Volk“ ist emotional. Es charakterisiert – im altgermanischen Stammesdenken verankert – eine durch das Blut geeinte Gemeinschaft eines Willens und eines Zieles – und ist deshalb für Führung stets anfällig. So fiel es denn auch den nationalsozialistischen Machtübernehmern in den dreissiger Jahren nicht schwer, die Losung des 1871 geeinten deutschen Nationalstaats, die da lautete „Ein Reich – Ein Volk – Ein Gott“, in „Ein Volk – Ein Reich – Ein Führer“ zu pervertieren und damit nicht nur das Reich über das Volk zu setzen, sondern auch Gott durch Hitler zu ersetzen.

Die englischen „people“ nun sind erst einmal nur Menschen. Und „nation“ steht gemäß seinem lateinischen Ursprung für eine Gruppenzugehörigkeit qua Geburt – im deutschen Verständnis als „Nation“ von Staatsbürgern unterschiedlichsten Ursprungs zu verstehen.

Von der „arab nation“ und den „people of palestine“

Arafat spricht in dem Interview von „arab nation“ und „people of palestine“. Beides hat mit dem deutschen Volksbegriff nichts zu tun. Denn „the arab nation“, die arabische Nation, das war seinerzeit das Schlagwort des ägyptischen Fellachen Gamal abd a’Nasir, mit dem jener die sunnitisch-islamischen Länder, welche in diesem Falle tatsächlich vom Atlantik bis an den Indischen Ozean reichten, einen wollte. „The arab nation“ – das war das säkulare Pendant zum islamischen Kalifat.

Arafat hing damit einer zu jener Zeit schon ausrangierten, politischen Großmachtidee an, die 1958 den Ägypter Nasir zum Staatsoberhaupt der aus Ägypten und Syrien bestehenden „Vereinigten Arabischen Republik“ gemacht hatte. Lange hielt diese V. A. R. nicht. Schon 1961 verabschiedete sich Syrien aus dem Kunstprojekt – und der Panarabismus wurde zu einem Merkmal des sogenannten Nasserismus.

Dennoch ist nachvollziehbar, dass Arafat dieser panarabischen Idee des Nasir, die ihn offenbar geprägt hatte, auch 1968 anhing. Denn er brauchte, um mit seiner Terrororganisation erfolgreich zu sein, nicht nur eine Idee, sondern vor allem Geld. Dieses konnte er um so erfolgreicher bei den reichen Arabern einfordern, je erfolgreicher er ihnen ein schlechtes Gewissen einreden konnte. Die Idee des einen arabischen Volkes war dabei durchaus wirkungsvoller als der Versuch, für irgendwelche entfernten Vettern, die man laut Lawrence noch vor 50 Jahren im Zweifel für verweichtlichte Osmanenknechte gehalten hatte, in die Taschen zu greifen.

Gleichzeitig aber verstand sich Amar-Arafat als Kämpfer jener Menschen, die nach 1946 dem Aufruf seines Bekannten, dem Mufti von Jerusalem, gefolgt waren und ihre Heimat in der Erwartung, im Gefolge siegreicher arabischer Truppen heimzukehren, verlassen hatten. Dieses wiederum waren „the people of palestine“ – die Menschen von Palästina. Die waren 1968 noch weit davon entfernt, als eigenständiges Volk wahrgenommen zu werden, geschweige denn sich als solches zu verstehen. Denn – siehe oben – es waren Araber und Aramäer, Christen und Muslime – und selbst die Nachkommen von berberischen Rifbewohnern und zahllosen anderen Zuwanderern, die das Schicksal im Laufe der Jahrhunderte dorthin verschlagen hatte.

Wie der SPIEGEL das palästinensische Volk erfand

Der SPIEGEL übersetzte in treu-deutscher Manier all diese sich bei Arafat mangels Volksidee vermengenden Begriffe mit „Volk“ – und das, obgleich Arafat doch immer noch davon träumte, ein arabisches – oder besser: ein nicht-jüdisches – „Palästina“ in der großen, panarabischen Idee zu verwirklichen.

Da Arafat ein durchaus nicht dummer Mensch war, erkannte er recht schnell, welch positive, propagandistische Unterstützung ihm diese SPIEGEL-Hilfe bieten konnte. Als er 1974 vor der UN auftrat, adelte die Vollversammlung den Freischärler Arafat in wenig nachvollziehbarer Weise. Aus der Al Fatah als „Bewegung zur Befreiung Palästinas“ des Jahres 1968 war zwischenzeitlich die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ PLO geworden. Die wurde, obgleich sie sich bis zu diesem Zeitpunkt niemals irgendwelchen Wahlen gestellt hatte geschweige denn über ein Staatsgebiet und staatliche Verwaltungsstrukturen verfügte, als „offizielle Vertretung des palästinensischen Volkes“ anerkannt. Eines Volkes, das es selbst sechs Jahre zuvor noch nicht einmal in Arafats kühnsten Fatah-Träumen gegeben hatte.

Noch 2015 adelte „DER SPIEGEL Geschichte“ den als Terroristen gestarteten Ägypter als „Mr. Palestine“, für „seine Landsleute“ dazu durch seinen „bewaffneten Kampf“ gemacht.

„Seine Landsleute“ – ägyptische Araber? Oder alle heutigen und früheren Bewohner Cisjordaniens, aus dem Israel, Gaza und die  Westbank wurde, die nicht jüdischen Ursprungs sind? Und von denen kaum einer jemals gefragt wurde, ob er sich tatsächlich von einem Kairoer Berufsrevolutionär  (um an dieser Stelle diese nettere  Bezeichnung für terroristischer Freischärler zu verwenden) vertreten fühlt?

Möglich, dass sich viele der Bewohner im Westjordanland und im Gaza-Streifen heute als Anhänger Arafats verstehen. Ob sie damit bereits ein „Volk“ sind, darf allein schon mit Blick auf die Hamas angezweifelt werden. Denn die steht in gewisser Weise bis heute noch in der Tradition des frühen Abu Amar und träumt vom panarabischen Kalifat – aber selbstverständlich nicht wie dereinst Nasir in einem säkularen Staat, sondern unter dem Banner des Islam. Und dessen Staatsidee ist immer noch die Umah, in der Völker und Demokratie keine Rolle spielen.

Das Volk für den Westen und den Anti-Israelismus

Aber für den dummen Westen und die in Anti-Israelismus geeinten, mehr oder weniger „Vereinten Nationen“ macht es sich natürlich besser, von einem „palästinensischen Volk“ zu erzählen. Denn damit kann man das erfolgreiche, demokratische Israel vortrefflich als Unrechtsstaat diffamieren. Deshalb sind heute Teile jener Bewohner der früheren römischen Provinz Palaestina immer noch scheinbar zu Unrecht Vertriebene (die ihre Heimat dereinst freiwillig verlassen hatten) oder Bürger eines demokratischen Staates, dessen Existenzrecht von vielen Nachbarn bis heute nicht anerkannt wird – und das dennoch nach wie vor eine Bastion von Freiheit und auch Säkularismus im Nahen Osten ist.

Zionistischer Siedlerkolonialismus…

Ach ja. Nicht neu, der Begriff. In allen seinen Abarten und Wandlungen. Die Überschrift hier will jedoch nicht andeuten, dass ich mich im neuesten Beitrag mit dem Begriff befassen möchte; das wäre mir, ehrlich gesagt, zu blöd.

Nein, der „zionistische Siedlerkolonialismus“ ist ein Untertitel des Buches einer gewissen Petra Wild, einer deutschen Islamwissenschaftlerin und Palästina-Aktivistin, über die ich bei einer lässigen Google-Suche schon gleich  viel erfahren konnte, und das nur auf den ersten Blick (man stelle sich den zweiten und den dritten vor…oder lieber nicht).  Das Buch heißt „Apartheid und

Petra Wild.
Petra Wild.

ethnische Säuberung in Palästina“, eine 240 Seiten langes Hetzpamphlet mit Wissenschaftsanspruch aus dem Jahr 2013. Rezensionen dazu finden sich auf Hagalil (negativ), Promedia (positiv, verfasst vom Verlag) und  in der Süddeutschen Zeitung (wen überrascht es? – Positiv).

Warum kümmert mich aber eine „Islamwissenschaftlerin und freie Autorin“ Petra Wild?

pgd-djp-palaestinasalonEigentlich nur, weil die Dame heute in Berlin um 16 Uhr in Berlin, in den Räumen der „Palästinensischen Gesellschaft in Deutschland“ (Wissmannstraße 9) ihren Vortrag mit dem Titel „Boykott versus israelische Siedlungen“ halten wird. Man darf raten, für welche Option sie sich aussprechen wird. Das Ganze im Rahmen einer wunderbaren Initative namens „Palästina Salon“. Welche Themen der „Salon“ erörtert, könnt ihr hier auf dem Flyer lesen: Eigentlich alles zwischen „LIteratur, Kunst, Kultur“, „Apartheids Mauer (sic!)“, „illegale Siedlungen“ und „historische Geschichte Palästinas“. palaestinasalon

Frau Wild wurde übrigens im Laufe ihrer Karriere auch vom berühmt-berüchtigten KenFM interviewt, und natürlich vom Professor Moshe Zuckermann, einem „Israelkritiker“ herzlich rezensiert. Ein Blick auf die Wikipedia-Darstellung von Zuckermann und dem richtigen Lesen der politisch-korrekten Codes („Israelkritiker“, „Antisemit! Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument“, „Was heißt Solidarität mit Israel?“ „Die Ideologie der israelischen Rechten“) reicht vollkommen.

Was will ich mit dem Beitrag bezwecken, fragt ihr euch vielleicht?
Nun, zumindest einen kurzen Blick in die Israelhass-Szene Deutschlands gewähren und auf diese Entwicklungen aufmerksam machen, die sich in letzter Zeit ziemlich gut fortzupflanzen geschafft haben (als würden sie das Demographieproblem der deutschen Gesellschaft aufholen wollen). Es gibt verstärkte Antiisrael-Aktivitäten, vor allem in der Hauptstadt, aber auch woanders. BDS und andere Arten von Boykott-Unterstützung und DIffamierung schießen aus dem Boden, sind gut miteinander vernetzt und ziehen sowohl Junge als auch Alte an.

Mein Rat – gebt einfach Acht, und fallt nicht auf reißerische Veranstaltungstitel ein. Im Endeffekt ist das immer nur derselbe griesgrämige alte Kaiser in immer wieder neuen Kleidern schlechter Qualität, aber dafür aus leuchtenden Farben.

 

Zum Weiterlesen: Der SPIEGEL im Kontext, U.Sahm

Im Lichte der aufgekommenen Diskussion ueber die Einstellung des SPIEGELs zu juedischem Wohnen in Judaea und Samaria (Westjordanland) und die journalistische Integritaet seiner Mitarbeiter und Redaktion, welche auf die Veroeffentlichung ueber mich im bento folgte, moechte ich eindruecklich auf den folgenden Artikel verweisen, den ich vor einigen Monaten hier wiedergegeben habe, naemlich ueber die sich ueber Jahre hinweg wandelnde Einstellung des SPIEGELs gegenueber juedischen Siedlungen. Der Text ist von Ulrich W.Sahm und wurde zuerst bei Audiatur Online veroeffentlicht. Sehr relevanter und lesenswerter Beitrag, gerade im aktuellen Kontext.


 

Von Neuzeit-Pionieren zu illegalen Menschen

Ulrich W.Sahm, 08.09.15

Die israelischen Siedlungen gelten zurzeit in der westlichen Presse und Politik als Kern aller Konflikte in der arabischen Welt. Gäbe es sie nicht, würde himmlischer Frieden von Marokko bis Afghanistan herrschen.

Hunderttausende Syrer, Iraker, Ägypter und Jemeniten wären noch am Leben und Europa müsste sich nicht mit Flüchtlingsmassen plagen. Da der SPIEGEL nicht müde wird, den siedelnden jüdischen Sündenbock an die Wand zu malen, bot sich an, das Archiv dieser Zeitung nach der Wurzel des Übels zu durchforsten.

Die Wahrnehmung der Siedlungen seit 1967
Es geht bei diesem Artikel keineswegs darum, den rechtlichen oder politischen Status der Siedlungen zu klären. Es soll hier der Wandel in der Wahrnehmung der Siedlungen dargestellt werden, im Wesentlichen anhand des öffentlich zugänglichen Archivs des Spiegels.

Erste Siedlungen interessierten niemanden
Im September 1967, wenige Monate nach dem Sechs-Tage-Krieg, gründeten Israelis in Kfar Etzion die erste Siedlung in den frisch besetzten Gebieten. Im Etzionblock hatten vor der Staatsgründung 1948 Juden in mehreren Dörfern auf legal gekauftem Land gelebt. Doch die Jordanier hatten sie bei blutigen Schlachten vertrieben. Nun wollten die ehemaligen Siedler und ihre Nachkommen heimkehren. Keine deutschsprachige Zeitung bemerkte diesen ersten Schritt zur späteren Siedlungspolitik.

 

Ähnlich ging Rabbi Mosche Levinger beim Pessach-Fest 1968 vor. Er mietete sich im Park-Hotel ein, um in Hebron, der Stadt der Erzväter, zu bleiben. Bei Pogromen waren 1929 alle Juden aus der Stadt Hebron vertrieben worden, in der sie fast 3.000 Jahre lang ununterbrochen nahe den Gräbern des Abraham und biblischer Erzväter gewohnt hatten.

Diese Neubesiedlung im ehemaligen jüdischen Viertel der arabischen Grossstadt Hebron löste in Israel Kontroversen und Demonstrationen aus. Interessant sind die Begriffe, die „Der Spiegel“ am 27.5.1968 veröffentlichte. Was das Wochenmagazin heute „illegale Siedler“ bezeichnet, hiess damals: jüdische Pilger, Israelis, Pilger-Stosstrupp, Parkhotel-Bewohner, strenggläubige Juden, Ansiedler, Eindringlinge, israelischen Pioniere, wilde Hebron-Siedler, Hebron-Pioniere.

Bewunderung für die Leistungen der Pioniere
In den Jahren danach werden Siedlungen immer wieder erwähnt, etwa bei Politikertreffen. Verständnisvoll spricht man vom Sicherheitsgürtel israelischer Wehr-Siedlungen. 1970 heisst es im Spiegel: „Den acht Pionieren vom „Kibbuz Golan“ folgten inzwischen Tausende weitere Kibbuzniks in die 1967 von Israel eroberten Gebiete. Heute siedeln Israelis bereits in 14 Dörfern auf den Golan-Höhen, neun Wehrdörfer baute Israel in Westjordanien, fünf Siedlungen gründeten die Israelis in den letzten drei Jahren auf der ehemals ägyptischen Sinai-Halbinsel.“

Strategische, geopolitische und wirtschaftliche Motive veranlassten Israels Regierung nach dem Sechs-Tage-Krieg, in den eroberten Gebieten Wehrsiedlungen anzulegen. „Je mehr Siedlungen in strategisch wichtigen Gebieten begründet werden“, proklamierte Vizepremier Jigal Allon, „umso eher sind wir künftig in der Lage, sichere Grenzen zu errichten.“ Mosche Dajan spricht gern von „neuen Tatsachen“, die mit den Wehrdörfern geschaffen würden, von „Israelisierung“ besetzter Gebiete. Und so berichtet der Spiegel ohne Erwähnung eines „Völkerrechts“ und ohne auch nur ansatzweise von „Illegalität“ zu sprechen:
„In kurzer Zeit entwickeln sich dann die Siedlungen der Neuzeit-Pioniere zu florierenden Unternehmen: Landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 4,5 Millionen Mark verkauften die Dörfler auf den Golan-Höhen im vergangenen Jahr. Nach einem Fünf-Jahres-Plan sollen dort bis 1975 etwa 3500 weitere Israelis in 17 Dörfern angesiedelt werden. Drei städtische und zwei weitere Touristik-Zentren im Gesamtwert von 300 Millionen Mark sind geplant. Das Nachal Dikla und das Nachal Sinai am Golf von Suez produzieren Wintergemüse, das bis nach Frankfurt und Zürich geflogen wird. Der Nachal Jam an der Bardawill-Lagune auf der Sinai-Halbinsel fing letztes Jahr 600 Tonnen Fische. Im salzhaltigen Jordantal züchten israelische Forscher Fische, die in bestimmten Salzwasser-Konzentrationen leben können. Letzte Woche weihten die Israelis am Toten Meer sogar ein Thermalbad ein — genau an der Stelle, wo vor fast 2000 Jahren römische Legionäre kurten. Die Wehrsiedlungen im Jordantal, oft nur einige hundert Meter von der Front entfernt, sind längst keine Provisorien mehr; sie sehen eher aus wie Musterfarmen: mit Blumenbeeten um die luftgekühlten Wohnhäuser, mit Swimming-Pool und modernsten Traktoren.“

Positive Darstellung
Bemerkenswert ist hier nicht nur die durchweg positive Darstellung der Siedlungen. Die Spiegel-Autoren scheinen die „Neuzeitpioniere“ für ihren Fleiss zu bewundern. Und ganz nebenher wird da erwähnt, dass es offensichtlich auch keinerlei Widerspruch in Europa gab. Wie selbstverständlich wird der Export der Siedlungswaren nach Zürich und Frankfurt erwähnt. Wohl zum Ausgleich werden da kurz Proteste in Israel erwähnt: „Der Kabinettsbeschluss erregte nicht nur die Araber, sondern auch linke Israelis. Der sozialistische Abgeordnete Uri Avnery sah darin „ein Manöver gegen den Frieden“. Vor dem Haus von (Ministerpräsidentin) Golda Meir demonstrierten Studenten mit Slogans wie „Entweder Frieden oder Ansiedlung“ und „Sicherheit — ja; Annexion — nein“.“

1979 kam die Wende
Israel verhandelte 1979 mit Ägypten über Frieden und so auch über das Schicksal der Siedlungen im Sinai. Deutschland versteifte sich auf das „Selbstbestimmungsrecht“, die ideologische Basis für die deutsche Wiedervereinigung. Israel wurde gedrängt, die PLO anzuerkennen, damals noch eine Terrororganisation. Menachem Begin und Anwar Sadat redeten über eine palästinensische Autonomie, die Palästinensern mehr gegeben hätte als die 1993 von Jitzhak Rabin und Jassir Arafat ausgehandelten Osloer Verträge. Doch die PLO lehnte ab. Für die Medien, und so auch für den Spiegel, war das eine Gelegenheit, die Siedlungen als „Hindernis für den Frieden“ darzustellen. Aussenminister Mosche Dajan sagte damals schon seinem deutschen Amtskollegen Genscher, dass Israel ein komplettes Abräumen aller Siedlungen nicht akzeptieren könne, weil damit das Westjordanland „judenfrei“ gemacht würde. Dieses Motiv in Nazisprache taucht immer wieder auf, zuletzt gegenüber Frank-Walter Steinmeier.
Inzwischen waren die Siedler zu einem zunehmend kontroversen Thema geworden, etwa mit der Gründung der Gusch Emunim Bewegung. Da änderte sich auch der Ton in der Berichterstattung. Hier Begriffe aus einem Artikel im Spiegel vom 26.11.1979: Gusch Emunim, Israels radikale Siedler-Sekte, Gruppe orthodoxer jüdischer Glaubenseiferer, Fanatiker mit einflussreichen Freunde, chauvinistische Zeloten, amokblinde „Vorläufer des Faschismus“, vaterländische Eiferer, pseudo-messianische Minderheit.

Wie heisst das besetzte Westjordanland?
Bemerkenswert ist hier, wie sich die Bezeichnung von Cisjordanien wandelt. Es wurde zunächst „Westjordanien“ genannt, dann „Westufer des Jordans“, „Judäa und Samaria“ oder auf Englisch „Westbank“. Erst in neuerer Zeit bürgerte sich der Begriff „Palästinensergebiete“ für das gesamte Westjordanland bis zur „Grenze von 1967“ ein. Diese „Grenze“ war freilich nur eine zwischen Israel und Jordanien ausgehandelte „Waffenstillstandslinie“, ohne Auswirkungen auf künftige diplomatische Verhandlungen, laut dem Rhodos Abkommen von 1949.

Illegale Siedlungen
Der Begriff „illegal“ wurde in den ersten Jahren nach 1967 allein für Siedlungen verwandt, die ohne Segen der israelischen Regierung errichtet worden sind. Sie waren also gemäss israelischer Vorstellung illegal. Das galt nicht für die Siedlungen in Gusch Etzion oder von der Regierung errichteten Städte wie Kirjat Arba oder Maaleh Adumin.
In einem Interview mit Mosche Dayan erwähnten Spiegel-Reporter am 13.08.1979, dass die Amerikaner in den besetzten Gebieten errichtete israelischen Siedlungen für „illegal“ halten. Aus dem Kontext geht jedoch hervor, dass hier nicht pauschal alle Siedlungen gemeint sind, sondern nur die sogenannten „Vorposten“, die „wild“ errichtet worden sind. Israel hatte sich tatsächlich im Rahmen der sogenannten „Roadmap“ von 2003 dazu verpflichtet, sie zu räumen.

Mit der Rede von Präsident Barack Obama in Kairo am 4. Juni 2009 begann eine neue Sichtweise. Obama wollte den Islam und die arabische Welt „umarmen“. Er bezeichnete erstmals die israelischen Siedlungen als „illegitim“ und seitdem werden die Siedlungen grundsätzlich allesamt für „illegal“ erklärt. Er kreierte damit nicht nur eine neue Sprachregelung, sondern schuf gleichzeitig ein exklusives Völkerrecht speziell für Israelis. Zuvor hatten amerikanische Präsidenten darauf geachtet, die Siedlungen als „Hindernis für den Frieden“ zu bezeichnen. Sie galten damit als Objekt für künftige Verhandlungen, wie viele andere Steine des Anstosses. Indem jedoch Obama die Siedlungen für illegitim, also de facto „illegal“ bezeichnet und ihr Verschwinden gefordert hat, setzte er dem Friedensprozess und den israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen einen Todesstoss. Der palästinensische Chefverhandler Saeb Erekat wurde sinngemäss zitiert: „Wenn die Amerikaner die Siedlungen für illegal halten, können sie von uns Palästinensern nicht mehr erwarten, darüber zu verhandeln. Denn dann ist es die Aufgabe der Amerikaner, diesen illegalen Zustand abzuschaffen.“

Berufung auf das Völkerrecht
Mit der Darstellung der Siedlungen als „illegal“ verschärfte sich auch die Diskussion um das „Völkerrecht“. Dabei ist das Völkerrecht keineswegs eindeutig. Manche Juristen fragen, ob die Genfer Konvention zwingend auf die von Israel besetzten Gebiete anwendbar sind. Denn israelische Siedler werden von niemandem „gezwungen“, in die besetzten Gebiete zu ziehen, was in der Genfer Konvention „Deportation“ oder „Transfer“ entspräche. Das Westjordanland hat zudem seit dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches 1917 keinem souveränen Staat gehört. Jordanien oder Ägypten waren nur Besatzer. Was also in der Welt seit der Rede Obamas 2009 als Konsens gilt, ist unter Völkerrechtlern durchaus umstritten.

Kennzeichnung von Waren aus besetzten Gebieten
Der Reigen um eine Kennzeichnung von Waren aus den besetzten Gebieten begann durch Zufall. Pflichtbewusste Zöllner im Hamburger Hafen bemerkten 2010, dass Sodastream, Hersteller von Wassersprudlern, keine Adresse im Kernland Israels nachweisen konnten. Doch das Freihandelsabkommen mit der EU sah vor, dass Waren „Made in Israel“ aus Israel stammen müssten. Die besetzten Gebiete gehörten nicht dazu. Sodastream weigerte sich, Zoll in Höhe von 19.155,46 Euro zu entrichten. Der Fall kam vor das EU-Gericht und da wurde entschieden, dass Waren aus den besetzten Gebieten voll verzollt werden müssten. Israel sollte fortan die Herkunft seiner Waren genau kennzeichnen. Derartige Vorschriften gelten nur für Israel und nicht für andere Länder wie Türkei oder Marokko. So wurde eine Kampagne losgetreten, die sich nicht nur die BDS (Boykott)-Bewegung zunutze machte.

Die Darstellungen heute
Heute beschränkt sich die Darstellung der Siedlungen beim Spiegel, bei der ARD und vielen anderen Medien fast ausschliesslich auf Negativ-Themen. Die modernen Schlagworte sind Häuserzerstörungen, Wasserklau, Landenteignungen oder Überfälle extremistischer Siedler auf Palästinenser. Dass in den Siedlungen, darunter in Vierteln Jerusalems jenseits der „Grünen Linie“, eine halbe Million normale Israelis leben, wird vollkommen negiert: Linke, Fromme, Einwanderer, Rechte und Araber.

Die Berichterstattung geht sogar einen gefährlichen Schritt weiter, indem über „illegale Siedler“ gesprochen wird, wobei nur Juden im Sinne der Lex–Obama gemeint sind. Niemals würde SPON so über Palästinenser schreiben, die in „illegal“, also ohne Baugenehmigung errichteten Häusern, wohnen oder siedeln.

Wer Menschen für „illegal“ erklärt, spricht ihnen das Recht auf Leben, das Existenzrecht ab.


 

Zum Weiterlesen: Illegale Siedlungen nach Art der EU

Uebersetzt und veroeffentlicht auf „abseits vom mainstream“, 27.01.16. (Original auf Englisch: hier)


 Illegale Siedlungen nach Art der EU

Nadav Shragai, Israel HaYom, 22. Januar 2016 Währen die Europäische Union Israel wegen einseitig unternommener Schritte in Judäa und Samaria rügt, beteiligt sie sich aktiv an illegaler palästinensischer Bautätigkeit ziwschen Jerusalem und dem Toten Meer – das Ziel ist klar: Israels Interessen in Area C zu untergaben.

Es gibt etwas betrügerisch Idyllisches an den Hügeln von Judäa und Samaria, einen Ort, der zur Korsettstange der Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern geworden ist. Israel hat seit Jahren ständige Anstrengungen der Eindämmung der Palästinenser in der Gegend geführt. Die Palästinenser streben die Schaffung territorialer Kontinuität zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil der Westbank an; sie sagen, es sei für ihren zukünftigen Staat entscheidend wichtig, während Israel danach strebt die städtische und Sicherheitskontinuität von Ost nach West, von Jerusalem nach Ma’aleh Adumim bis zum Toten Meer zu behaupten. Die Israelischen Verteidigungskräfte definieren den fraglichen Bereich als „zentralen Teil der strategischen Tiefe, die Israel braucht“, als Teil ihrer Definition der „verteidigungsfähigen Grenzen“. Dieser Strategieentwurf zielt darauf Israel zu ermöglichen, seine Hauptstadt zu verteidigen und ebenso „einen Sicherheitsgürtel für den Fall eines Konflikts an der östlichen Front zu schaffen“.

Illegale palästinensische Bautätigkeit ist in dieser Gegend seit Jahren verbreitet. Im Verlauf der vergangenen 20 Jahre haben palästinensische Dörfer und Städte langsam den Korridor zwischen Jerusalem und Ma’ale Adumim geschlossen, durch den eine wichtige Autobahn verläuft; sie sind ihr bis auf 1,5 km an sie herangerobbt. Die Europäische Union schleust Millionen Dollars in das Gebiet, mit dem sie praktisch Hunderte palästinensische Unterkünfte unter Missachtung der israelischen Souveränität über Area C baut, die nach den Oslo-Vereinbarungen von 1993 unter voller israelischer ziviler wie Sicherheitskontrolle verblieben. Es scheint, dass Boykotte durch Konsumer der EU nicht mehr reichen; sie ist inzwi8schen zu einem aktiven Spieler vor Ort geworden. Die Fingerabdrücke von Brüssel und Washington befinden sich überall auf der ungestümen internationalen Opposition zu Israels Plan aus den östlichen Hängen des Scopus-Bergs in einen Nationalpark zu machen – ein Plan, der palästinensisch Bautätigkeit nahe des östlichen Zugangs zu Jerusalem zu verhindern – ebenso auf der Aufschub, der israelischer Bautätigkeit im Bereich E1 auferlegt wurde, der sich über 7 Kilometer zwischen Jerusalem und Ma’ale Adumim erstreckt.

Doch während Israel die Forderungen der USA und der EU zum Baustopp in Judäa und Samaria beachtet und damit auf die Schaffung von Kontinuität zwischen Jerusalem und Ma’aleh Adumim verzichtet, sind es die Palästinenser, die mit der aktiven Unterstützung der EU die Gegend mit Hilfe von illegaler Bautätigkeit umgestalten, die langsam territoriale Kontinuität zwischen Ramallah und Hebron schafft. Die palästinensische Bautätigkeit entlang des Abschnitts der Autobahn 1 zwischen Jerusalem, Ma’aleh Adumim und Jericho hat sich im Verlauf der letzten Jahre verdreifacht. Daten der Zivilverwaltung, die kürzlich dem Knessetausschuss für Judäa und Samaria vorgelegt wurden, weisen darauf hin, dass in dem Bereich derzeit 6.500 Palästinenser in etwa 1.220 illegal gebauten Häusern leben und dass diese Zahl mit jeder Woche zunimmt. Die PA führt mit Unterstützung von Geld aus der EU ein Wettrennen durch, um das Gebiet zu bevölkern und auf eine Weise Fakten vor Ort zu schaffen, die Israels Plan Jerusalem und Ma’ale Adumim zu verbinden durchkreuzen würde. Avivit Bar-Ilan, Leiter der Abteilung Europäische Organisationen im Außenministerium, traf sich vor kurzem mit Repräsentanten der EU und forderte, dass die Finanzierung illegaler palästinensisch Bauten in dem Gebiet eingestellt wird. In ihrem Briefing vor dem Ausschuss zu Judäa und Samaria sagte Bar-Ilan, sie wurde informiert, dass die Europäer nicht nur planen die Finanzierung palästinensischer Bautätigkeit fortzusetzen, sondern die EU bereite derzeit juristische Schritte gegen Israel vor, mit der die Entschädigung für Verluste durch Israels Entscheidung mit EU-Geldern gebaute illegale Gebäude abzureißen entstanden, angestrebt wird.

Die X-Akten

Wie Brüssels Boykott-Politik ist die „Kriegserklärung“ der EU gegen Israels Souveränität in Area C nichts Neues, aber inzwischen nimmt das eine neue Dimension an, die zur Folge hat, dass wichtiges Handeln Israels gegen illegale palästinensische Bautätigkeit im Bereich E1 verhindert. Die Gruppe Regavim, einen Nichtregierungs-Organisation, die ihren Auftrag als die Anstreben von „Sicherstellung verantwortlicher, legaler, rechenschaftspflichtiger und umweltfreundlicher Nutzung des nationalen Landes Israels“ beschreibt, glaubt, dass die Palästinenser ein System entwickelt haben: Zuerst wird illegaler Bau betrieben; gibt die Zivilverwaltung dann eine Abrissanordnung aus, reichen die Palästinenser beim Obersten Gerichtshof eine Petition dagegen ein; das Gericht erlässt dann einen einstweilige Verfügung und setzt ein Datum zur Anhörung fest; die Staatsanwaltschaft reicht zahlreiche Aufschubanträge ein, um die Widerlegung des Staats zu verzögern; der Fall sammelst in den Regalen des Gerichtshofs Staub an und nach ordnungsgemäßer Angabe wird der Fall wegen Stillstands geschlossen. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Die Petition wird abgelehnt, die einstweilige Verfügung bleibt in Kraft und das illegale Gebäude ist gegen Abriss „versichert“. Seit mehreren Jahren hat die Zivilverwaltung inzwischen gewarnt, dass Einsprüche beim Obersten Gerichtshof „Teil Rechtsprozesses“ geworden sind. Regavim reichte einen eigenen Antrag gegen das entdeckte System beim Obersten Gerichtshof ein, in dem geltend gemacht wird, dass den Rechtsverletzern erlaubt wird für den Preis einer Einreichungsgebühr „legale Immunität zu kaufen“. Der Antrag wurde abgelehnt. Regavim weigerte sich allerdings das Thema fallen zu lassen: Eine zufällige Überprüfung von 153 von 2008 bis 2011 eingereichten Anträgen an den Obersten Gerichtshof, bei denen Palästinensern einstweilige Verfügungen gegen Abrissanordnungen gewährt wurden, stellte fest, dass der Staat in 139 Fällen (90%) Fortdaueranträge eingereicht hatte. Bei einigen Fällen gab das Gericht bis zu sieben „Inaktivitätswarnungen“ an die Staatsanwaltschaft; tatsächlich kamen die Anträge mit Ausnahme von 9 Fällen niemals zur Anhörung, weil der Staat dem Gericht nie eine Antwort vorlegte. Ein weiterer Überblick in der Sache, diesmal aus dem Jahr 2013, stellte fest: „In 90% der Fälle wurde die von Bau-Rechtsbrechern eingereichte Anträge mit Zustimmung beider Seiten und vorbehaltlich der Garantie des Staates, dass er keinen Abriss illegaler Bauten betreiben wird aus den Akten gestrichen… In dieser Sache gab es keine Anhörung.“

Regavim schlussfolgert – und der Ausschuss zu Judäa und Samaria pflichtet dem bei – dass die Palästinenser ein offenes Spiel zur Übernahme von Area C betreiben und jetzt europäisches Geld in Höhe von 100 Millionen Euro zur Verfügung haben.

Fakten vor Ort

Israel sehr einen beschränkten Spielraum, wenn es um dem Entgegenwirken des Gebarens der EU geht. Einerseits würde Israel nichts lieber tun als etwa 500 Gebäude abzureißen, die im Großraum Ma’ale Adumim mit europäischem Geld errichtet wurden; aber andererseits sind ihm die Hände durch eine Realität gebunden, die voller Boykott-Drohungen wie auch de-facto-Boykotten steckt. Israel muss außerdem zugeben, dass eine weitere Überlegung ihm die Hände bindet, nämlich die Tatsache, dass in vielen Fällen die täglichen Operationen internationaler Gruppen innerhalb der palästinensischen Gesellschaft Israel beträchtliche Ressourcen kostet. Der Beitrag der EU zur illegalen palästinensischen Bautätigkeit überall in Judäa und Samaria ist in dem Bereich besonders offenkundig, der sich entlang der Autobahn 1 zwischen Ma’ale Adumim und dem Toten Meer erstreckt; dieser ist inzwischen mit illegalen Siedlungen von Beduinen und Palästinensern gespickt, die illegal an Israels Wasser- und Stromversorgungsnetz angeschlossen sind. Der Staat hat über die Nationale Straßengesellschaft Israels beträchtliche Ressourcen in den Bau einer fortschrittlichen, sicheren Autobahn investiert, die Jerusalem mit dem Toten Meer verbindet, aber der Verkehr wird inzwischen von palästinensischen LKW und Bulldozern behindert, die mit Geschwindigkeit Null fahren, dazu von Ziegen- und Schafherden, die nach Belieben die Straße überqueren.

Die Palästinenser betreiben derzeit ein neues Projekt, das zum Teil von der Schweiz finanziert wird: Die illegale Erweiterung einer Straße, die den Bereich von Tekoa, nordöstlich von Hebron, mit dem Toten Meer verbindet. Diese Erweiterung dringt in einen schmalen israelischen Korridor in Area C ein, der zwei ansehnliche Blöcke palästinensischer Gemeinden trennt. Sollte sie vollendet werden, würde das den Palästinensern gestatten ihre Blöcke zu verbinden, während verhindert wird, dass Israel den Raum Tekoa mit dem Toten Meer verbindet. Es gibt reichlich Beweise, dass die Unterstützung der Palästinenser durch die EU von passiver diplomatischer und finanzieller Hilfe in aktive Beteiligung an den illegalen Bauprojekten der PA angestiegen ist. MK Moti Yogev (HaBayit HaYehudi), der den Ausschuss zu Judäa und Samaria leitet, sagt, dass eines der Ziele darin besteht Entwicklungsprojekte in Area C mit der ausdrücklichen Absicht israelische Kontrolle des Gebiets auszuhöhlen und palästinensische territoriale Kontinuität voranzubringen. Sollte das erreicht werden, würde eine solche Kontinuität verhindern, dass der Staat israelische Gemeinden in der Gegend unterstützt oder einen Anspruch darauf als Teil der Beibehaltung verteidigungsfähiger Grenzen anmeldet. Yogev sagt, Vertreter des Staates habe seinem Ausschuss klar gemacht, dass die Regierung anstrebt das Recht aufrecht zu erhalten und Land in Area C abzusichern, besonders nahe der Autobahn 1 und dem Großraum Ma’ale Adumim. Dieser Plan ist allerdings vor Ort nicht zu bemerken. Die PA unternimmt nichts um ihre wachturm- und palisadenartige Bestrebungen zu verbergen: Von der EU gespendete, vorgefertigte Häuser werden über Nacht hingestellt; sie haben kompletten Wasser- und Stromanschluss dank von der EU gelieferten Tankwagen und Generatoren, was den Palästinensern gestattet vor Ort Fakten zu schaffen. Die EU betrachtet ihre Unterstützung der Palästinenser als eine Art „Gebot“, das sie glaubt, Israels Handeln in Area C sei illegal. Vertreter der Zivilverwaltung sind durch den Flaschenhals juristischer Verfahren frustriert, der Abrissanordnungen abwürgt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, sein Büro sei „nicht in der Lage die Richtigkeit der Daten von Regavim zu kommentieren, da sie auf zufälligen Überprüfungen basieren, deren Parameter unklar seien.

Die Staatsanwaltschaft repräsentiert in ihrer Antwort an den Obersten Gerichtshof nicht ihre eigene Position, sondern die der staatlichen Behörden, die mit der Durchsetzung von Baurecht in Judäa und Samaria beauftragt sind. Sie [die Behörden] müssen den von der Regierung vorgegebenen Prioritäten folgen, entsprechend der ihnen zur Verfügung stehenden, begrenzten Ressourcen.“ Die Staatsanwaltschaft sagt: „Ähnliche Behauptungen Regavims in der Vergangenheit sind vom Obersten Gerichtshof bestritten worden; dieser entschied, dass Regavims Antrag auf veralteten Daten basierte und Mutmaßungen anstellte, denen faktische Begründung fehlte.“ Wie auch immer, es gibt wenig Meinungsverschiedenheit zu der Tatsache, dass nur ein Bruchteil der illegalen palästinensischen Bauten in der Gegend geschliffen wurde. Informell gibt es auch keine Meinungsverschiedenheit darüber, warum so wenige Abrissanordnungen durchgesetzt werden, da es politische Einschränkungen gibt, die in Erwägung gezogen werden müssen. Regavim mag es politische Feigheit nennen, aber das Verteidigungsministerium sagt, die komplexe politische Realität erfordert, dass gewisse Zugeständnisse gemacht werden müssen. Israel versucht mit diesen Einschränkungen klarzukommen, indem es drei Orte bildet, an denen illegale beduinische und palästinensische Siedler in der Zukunft zwangsgeräumt werden: bei Kedar im Gush Etzion, eine bei Abu Dis östlich von Jerusalem und die dritte bei Jericho in Area C.

Was die EU angeht, so stimmte sie Montag über eine Resolution ab, die die Vereinbarungen zwischen der EU und Israel auf die Gebiete innerhalb er Grenzen von 1967 beschränkt; sie sagt dabei, alle Abkommen mit Israel müssten „unmissverständlich und ausdrücklich“ eigen, dass sie „nicht auf die besetzten Gebiete anzuwenden sind“, was praktisch Geschäfte mit israelischen Gemeinen in Judäa und Samaria, Ostjerusalem und den Golanhöhen ausschließt. Derweil ist es die EU, die Siedlungsaktivitäten betreibt – die palästinensischen Siedlungen außerhalb genau dieser Grenzen.

Juden rein und wieder raus

„Hevron, die geteilte Stadt“, pflegt man immer die Schlagzeile zu wählen, wenn man in den westlichen Medien über eine der ältesten nachweislich jüdisch geprägten Städte spricht. Die Teilung wird dabei nicht etwa zugunsten ihrer antiken Bewohner angeprangert, welche seit 85 Jahren darum kämpfen, in diese Stadt zurückzuziehen (seit dem Massaker an der jüdischen Bevölkerung 1929, wohlbemerkt); nein, die Teilung dieser Stadt in zwei Verwaltungsbezirke – einen palästinensischen und einen israelischen – wird dem israelischen Staat und seinen Bürgern zur Last gelegt. Insbesondere an denjenigen der israelischen Bürger, die den Anspruch, in der Stadt ihrer Vorväter zu leben, wahr machen

Teilung der Zonen in Hevron. Quelle: Ministry of Foreign Affairs, Israel
Teilung der Zonen in Hevron. Quelle: Ministry of Foreign Affairs, Israel

und in ehemalige jüdische Häuser, Wohncontainer oder andere Wohnmöglichkeiten ziehen, auf einer Gebietsfläche von etwa 3% der eigentlichen Stadt Hevron, wird kein gutes Haar gelassen. Das gilt für die internationale Presse und das gilt auch für die Mainstreampresse in Israel,  denn eines haben sie gemeinsam mit den internationalen Medien – sie mögen es nicht, wenn Juden die Dreistigkeit besitzen, Besitz zu fordern – womöglich noch zurückzufordern!

Über Hevron habe ich mich mittlerweile viel in diesem Blog ausgelassen. Unter Hebron: FAQs, Hevron – ein Geschäft für Generationen und Die Tagesschau hat wieder zugeschlagen könnt ihr euch mehr über die faktische Situation in Hevron informieren. In meinem Beitrag geht es eher um etwas anderes:

Das besagte Haus. Quelle: Orit Struck, Facebook
Das besagte Haus. Quelle: Orit Struck, Facebook

Am 21.Januar wurde öffentlich, dass Juden in Hevron zwei von ihnen zuvor gekaufte Häuser nahe der Patriarchenhöhle in der Altstadt Hevrons bezogen haben. Der Kauf fand im Geheimen statt, um den Verkäufer nicht in Gefahr zu bringen, die Aufmerksamkeit der Presse nicht auf sich zu ziehen und auch die Gemüter innerhalb der arabischen Bewohner Hevrons ruhig zu halten.

(Ich wurde einmal in einem Kommentar dafür kritisiert, dass die Käufe nicht über Privatpersonen stattfänden, sondern mithilfe von sog.Pseudoorganisationen. Die Mehrheit von Land- und Gebäudeverkauf von Arabern gegenüber Juden findet über Privatpersonen statt, welche durch ihre Kooperation mit den jüdischen Käufern ihr Leben riskieren. Im israelischen Fernsehen wurde vor einigen Wochen in einer „Akte-X“ ähnlichen Fernsehreportage ein  Menschenrechtsaktivist, sein Name ist Ezra Naui, aufgedeckt, der unter dem Deckmantel des Friedensaktivismus Indizien über arabische Landverkäufer sammelte, diese an die palästinensische Autonomiebehörde weitergab, welche diese für die „Straftat“ foltern und töten würden, und dafür Geld von sog.“Menschenrechtsorganisationen“ kassierte, welche zum überwiegenden Teil von europäischen Regierungsinstitutionen stammten. Ezra Naui wurde verhaftet, als er versuchte, einen Tag nach der Ausstrahlung der Sendung aus dem Land zu fliehen.)

Das besagte Haus in Hevron. Quelle: MK Y.Edelstein, Facebook
Eins der besagten Häuser in Hevron. Quelle: MK Y.Edelstein, Facebook

Der Kauf, so behaupten die jüdischen Käufer, wurde rechtmäßig durchgeführt. Zur Besiedlung eines Hauses, dessen Türen aufgebrochen werden mussten, da es zuvor verriegelt und unbewohnt dastand, wurden offenbar auch die notwendigen Dokumente vor Ort gebracht. Die israelische Regierung bestritt die Rechtsgültigkeit des Kaufes selbst nicht. Mehrere Knessetabgeordnete, darunter auch der Knessetsprecher (Likud-Partei) Yuli Yoel Edelstein, beglückwünschten die neuen Einwohner und die Durchführung der waghalsigen Avantüre:

Das „Rachel-“ und das „Leah“-Haus, die heute in Hevron ausgelöst wurden, finden sich nun in einer Reihe von befreiten (erlösten) Gebieten wieder, die für volles Geld über Generationen lang erworben wurden. Diese Gebäude wurden ganz nach Recht und Gesetz gekauft. (MK Y.Edelstein, Facebook)

Einzug ins Haus. Quelle: AFP (Haaretz)
Einzug ins Haus. Quelle: AFP (Haaretz)

Offensichtlich gab es somit zumindest für die offiziellen Stellen keine Probleme mit dem Erwerb der Gebäude, welche mitten in der Hevroner Altstadt, zwischen der Patriarchenhöhle, dem jüdischen und auch muslimischen Heiligtum, und dem neuen jüdischen Viertel liegen – im sogenannten H1-Gebiet, welches Teil des C-Gebietes von Judäa und Samaria darstellt und entsprechend der Oslo-Obkommen von 1994 unter israelischer Militärverwaltung steht (s.Karte oben).

Alles in Ordnung also! Frohes Einziehen, könnte man sagen! Tatsächlich fanden sich die ersten Familien, die das innen recht vernachlässigte Gebäude bezogen, in der Absicht, es schnellstens in Stand zu bringen.

Am nächsten Tag aber füllten ganz andere Nachrichten die israelischen Schlagzeilen: „Die Siedler, die gestern in das Haus in Hevron einbrachen, werden geräumt“, titelte Ynet einen ihrer Artikel. Und tatsächlich: So schnell, wie die jüdischen Bewohner in das Haus gelangten, so schnell katapultiere der israelische Verteidigungsminister Moshe Ya’alon die „Eindringlinge“ wieder heraus, und zwar mit der folgenden Begründung:

Die Behauptung, die Häuser wären mit Recht erworben worden, wird überprüft werden, sowie die politischen und sicherheitstechnischen Aspekte, bevor die Einzugsgenehmigung erteilt wird. Wer gegen das Recht vorgeht, hilft der Besiedlung nicht, sondern fügt ihr schweren Schaden zu. (Ma’ariv, 22.01.16)

Wie Quellen aus dem israelischen Sicherheitsapparat in der Presse am Morgen des 22.01 mitteilten, habe es für einen rechtmäßigen Einzug an bestimmten bürokratischen Prozeduren gefehlt. Kauf hin oder her, aber sich im Haus aufhalten könne sich kein Jude, beschloss somit der israelische Sicherheitsapparat, und der Verteidigungsminister ordnete prompt eine Ausweisung an – die

Quelle: Haaretz - Haverim Leet Tzara
Quelle: Haaretz – Haverim Leet Tzara

auch am Mittag in Form von grauuniformierten Polizei-Spezialeinhalten kam und die widerwilligen Siedler aus dem Haus herausführte bzw. -trug.

Außer der entrüsteten Siedler meldeten sich auch zahlreiche führende Politiker aus dem Likud, der Partei von Ya’alon – und nicht nur die als „Siedlerpartei“ bekannte „Jüdisches Heim“ – zu Wort, solche wie der Einwanderungsminister Ze’ev Elkin, der oben erwähnte Knessetsprecher Yuli Edelstein, der drusische Abgeordnete Ayoob Kara, Tourismusministerin Miri Regev und andere und kritisierten scharf die Entscheidung Ya’alons. Es drängte sich dabei die Frage auf – musste diese demonstrative Geste der staatlichen Gewalt gegen die „Rechtsbrecher“ ausgerechnet jetzt folgen, während sich die Juden von Judäa und Samaria jede Woche die Wunden nach jedem Weiteren der Toten und Verletzten aus ihren Kreisen leckten, und außer einigem bürokratischen Prozedere der Einzug ansonsten rechtsgemäß verlaufen könnte? War etwa erneut das Argument aufgekommen, „was würde die Welt sagen“, wenn ein durch Juden von Arabern gekauftes Haus von diesen besiedelt werden würde – und das in Hevron, der allseits bekannten „geteilten Stadt“?

Wie dem auch sei, trotz der Drohungen der Politiker, sich bei den nächsten Koalitionsabstimmungen zu enthalten, und dem Verlangen nach der Einmischung des Premierministers, wurden die jüdischen Siedler ausgewiesen. Das Büro von PM Netanyahu gab eine Stellungnahme ab, die offenbar versöhnlich klingen sollte:

Der Premierminister unterstützt die Besiedlung und ehrt die Siedler, welche mit großem Mut und Bereitschaft tagtäglich dem Terror gegenüber stehen. Wir sind alle verpflichtet, das Gesetz zu wahren, und in diesem Fall wurden noch nicht alle Bescheinigungen zum Einzug geprüft. Sobald dies geschehen wird, werden die Siedler zu ihren Häusern zurückkehren können, so wie es zuvor schon in ähnlichen Fällen geschehen ist.

Zudem rief Netanyahu seine Koalitionspartner auf, Ruhe zu bewahren. Natürlich wehrte sich auch der Verteidigungsminister Ya’alon gegen die Vorwürfe seitens seiner Parteimitglieder; offenbar hatte er solch starken Gegenwind nicht erwartet.

Welche „Bescheinigungen“ sollten den neuen Häuserbesitzern allerdings gefehlt haben?

Die Presse (so Ynet, Ma’ariv, Haaretz) sprachen von einer „Geschäftsbescheinigung“, einer „Sicherheitserlaubnis“ und einer „staatlichen Bescheinigung“ zum Einzug. Ich, so muss ich zugeben, kenne mich in dieser Art von Bürokratie nur bedingt aus, obwohl ich selbst an Briefings und Vorträgen seitens zahlreicher Kenner  – sowohl von der Armee, als auch von Insidern der Siedlerbewegung aus – teilgenommen habe und weiß, dass die israelische Militärverwaltung innerhalb von Judäa und Samaria sehr viele Komplikationen mit sich brachte und bringt.

Allein die Tatsache, dass auf diesem relativ kleinen Gebiet (etwa 5,6 Quadratkilometer groß) für die etwa 1,8 Millionen arabischen und etwa 360.000 jüdischen Einwohner vier Gesetzesrichtlinien gelten (britische, israelisch-militärische, jordanische und osmanische Gesetzesgebung), macht schwindlig. In regelmäßigen Abständen beanstanden die palästinensischen Araber und die israelischen Juden ihre diskriminierende Behandlung seitens der israelischen Verwaltungsorgane (die Beschwerden gegenüber der unfairen Behandlung der palästinensischen Araber seitens der PA lassen sich nicht in der Öffentlichkeit hören, sonst würden die Beschwerdeträger am nächsten Morgen nicht mehr lebendig aufwachen). Ebenso sind Judäa und Samaria und ihre „Hügeljuden“ (so nannte uns neulich ein Kommentator in diesem Blog) unaufhörlich zentraler Teil des internationalen öffentlichen Interesses, und sämtliche ausländische Journalisten, ausländische Menschenrechtsgruppen und ihre israelischen Pendants, mit frischem europäisch-amerikanischem Geld versorgt, tummeln sich voller Tatendrang auf diesem knapp 6 km² großem Bergland.  Die gesamte Bevölkerung ist durch die letzten knapp 50 Jahre andauernder Zusammenstöße und Konflikte aufeinander aufgestachelt, und in praktisch jedem arabischen Wohnort gibt es Terrorzweigstellen, ob nun von der Hamas, der Fatah, dem Islamischen Jihad und wie sie sich nicht alle zu nennen vermögen. An jeder Straßenkreuzung stehen Soldaten, und dennoch hören Terroranschläge nicht auf, selbst  wenn (oder gerade weil?) die Armee mit den besten Spezialkräften in die entferntesten Gassen von Bet Ummar, Nablus oder Jenin eindringt.

Wie könnte man dort keine Komplikationen erwarten?

Doch anstatt das Leben der Einwohner von Judäa und Samaria zu vereinfachen, zumindest im bürokratischen, wenn nicht im politischen Sinne, fördert die israelische Regierung die Komplexität immer weiter, auch und vor allem gegenüber den eigenen Leuten.

Orit Struck, ehemals Knessetmitglied von der Partei „Jüdisches Heim“, stellte es bildhaft in ihrem Kommentar zur Ausweisung aus dem Haus in Hevron dar:

Eine „Quelle aus dem Sicherheitsapparat“ gab in der Presse bekannt, den Käufern hätten drei Bescheinigungen gefehlt: „Geschäftsbescheinigung“, „Sicherheitserlaubnis“ und „staatliche Bescheinigung“. Den Käufern wurden diese nicht gegeben, und daher würden sie ausgewiesen (und weniger euphemistisch formuiert – vertrieben) werden. (…)

Liebe „Quelle“, schäme dich! Zuerst einmal, wenn ein Araber ein Haus in Hevron kauft und diese drei Bescheinigungen nicht benötigt, ein Jude aber doch – dann ist das ein Armutszeugnis für dich und für die israelische Regierung. Und zweitens, verstecke dich nicht hinter deinem eigenen Rücken. Diese drei Bescheinigungen liegen in deiner Hand – gib sie ihnen!

Was im Endeffekt die Zukunft der beiden Gebäude betrifft, ist momentan fraglich. Ich nehme an, dass die Käufer und ihre Unterstützer den juristischen und den politischen Weg gehen werden, um erneut ins Haus einzuziehen. Vielleicht werden einige von ihnen erneut ins Gebäude selbst vorbringen. Die „Siedler“ führen nur allzu oft einen Zermürbungskampf mit der Regierung, welche mit ihnen genau denselben Zermürbungskampf führt. Am Ende entscheidet es dann oftmals der Mord an dem einen oder anderen Juden irgendwo in Judäa oder Samaria, und mit ihrem Blut werden Türen geöffnet, Baugenehmigungen erteilt, Kindergärten, Schulen und ganze Ortschaften errichtet, und in ihrem Namen leben dann Menschen auf diesem Flecken Land, in Orten wie Shvut Rachel, Bet Haggai, Ma’ale Rechavam, Alon Shvut.

Und eigentlich ist es durchaus nicht nur bei der „Westbank“ so der Fall, sondern wer genau die Geschichte der Rückkehr von Juden ins Land Israel, des neuen Zionismus kennt, der wird wissen, wie viele Ortschaften den Namen derjenigen tragen, die für diese Rückkehr ihr Leben ließen.

Nicht umsonst ist der folgende Vers wohl die bedeutendste Metapher für das Aufleben des jüdischen Volkes im „gelobten Land“:

Ich ging an dir vorbei, und sah dich in deinem Blute wälzen, und sagte dir, in deinem Blute sollst du leben.“ (Jezekiel 16,10)

Es gibt eben nichts Neues unter der Sonne.

 

Im Gefängnis gefoltert? Die Duma-Affäre

In den letzten Tagen und Wochen erregt eine Affäre von besonderer Bedeutung die Gemüter, insbesondere innerhalb der religiös-zionistischen Gesellschaft und der Siedlerbewegung. Sie findet allerdings auch Rückklang innerhalb der israelischen Mainstream-Medien und in den sozialen Netzwerken mehren sich Berichte und Gerüchte und verbreiten sich wie Lauffeuer.

Dabei geht es nicht mehr und nicht weniger als um einen brutalen Verstoß gegen die demokratische Gesetzesordnung des Staates Israel:

Es verstärkt sich von Tag zu Tag der Verdacht, dass einige der festgenommenen Verdächtigen im Fall des Brandbombenanschlags auf die Familie Dawabshe im Dorf Duma (DieSiedlerin.Net berichtete am 03.12.15  über neue Entwicklungen im Ermittlungsfall), darunter mehrere Minderjährige, offenbar aus dem Milieu der sogenannten „Hügeljugend“ (Hilltop Youth), während der Administrativhaft und der Verhöre durch den Inlandgeheimdienst Shin Bet (Shabak)

Ein Jugendlicher der sogenannten "Hügeljugend" in Haft. Illustration. (Quelle: Rotter)
Ein Jugendlicher der sogenannten „Hügeljugend“ in Haft. Illustration. (Quelle: Rotter)

misshandelt wurden. Die Verdächtigen, deren Identität  vom Inlandgeheimdienst nicht preisgegeben wird, werden seit mehreren Wochen ohne Anklage in den Haftanstalten des Shin Bet festgehalten. Dem ist so, seit die Anwendung der Administrativhaft (bei welcher Terrorverdächtige ohne Anklage und Prozess und auf Basis einer erneuerbaren richterlichen Erlaubnis inhaftiert werden dürfen), nach dem Anschlag in Duma verstärkt bei jüdischen Terrorverdächtigen angewandt wird.

Ein halbes Jahr lang hatte die israelische Öffentlichkeit auf Entwicklungen im Falle des Mordes an Sa’ad, Reehan und Ali Dawabshe gewartet, wobei Regierungs- und Sicherheitsvertreter (darunter auch der Verteidigungsminister Moshe Ya’alon) schon kurze Zeit nach dem Anschlag verlauten ließen, ihnen sei die Identität der mutmaßlichen Täter bekannt; doch eine offene Anklageschrift könne aus Gründen des Informations- und Informantenschutzes nicht getätigt werden. Alles Weitere hielt sich im Dunkeln und an die Öffentlichkeit drangen nur Gerüchte und Spekulationen. Bis nun vor etwa drei Wochen die ersten offiziellen Meldungen über „dramatische Entwicklungen“ im Fall veröffentlicht wurden und es bekannt gegeben wurde, dass jüdische Verdächtige im Zusammenhang mit dem Fall vom Shin Bet festgehalten und verhört werden.

Nun sind den Medien und privaten Quellen (darunter Bekannten, Nachbarn und Verwandten mancher der Verdächtigen) zufolge mehrere, wenn nicht gar die überwiegende Mehrheit der Festgenommenen Minderjährige, gegen welche nach ihrer Inhaftierung vor drei Wochen bis einem Monat im Rahmen der Administrativhaft noch keine Anklageschrift erhoben wurde. Erst

"Honenu" (wörtl. "Erbarme dich unser"). Im Untertitel steht: 'Organisation für nationale Rechtsverteidigung'
„Honenu“ (wörtl. „Erbarme dich unser“). Im Untertitel steht: ‚Organisation für nationale Rechtsverteidigung‘

nach mehreren Wochen hatten die Anwälte der Betroffenen aus der Rechtsvertretung der Menschenrechtsorganisation „Honenu“ mit den Inhaftierten sprechen und so über die Haftzeit und die Behandlung durch die Untersuchungsbeamten des Shin Bet erfahren können. Weitere Informationen stammten, laut Veröffentlichungen in Medien wie bei Channel 7, Makor Rishon, NRG/Ma’ariv, von Gefängnisärzten und aus Berichten von Vorladungen der Verdächtigen vor internen Gerichten.

Zuvor lauteten die Anschuldigungen gegen eine widerrechtliche Behandlung der Verdächtigen noch scheinbar recht harmlos: Es wurde behauptet, die Jugendlichen würden von bestimmten religiösen Ritualen wie dem Gebetsriemen-Anlegen oder dem Kerzenzünden an Chanukka abgehalten werden. Die Sprecher des Shin Bet so wie auch der stellvertretende Rechtsberater der israelischen Regierung, Rechtsanwalt Raz Nazri (NRGMakor Rishon, 18.12.15), wiesen die Anschuldigungen zurück und verwiesen auf die Schwere des Verbrechens, welches aufzuklären sei. Aufgrund dessen erfordere es besondere Härte und Nachhaltigkeit bei der Untersuchung, unter Anwendung von Ausnahmeregelungen.


 

Zu Beginn dieser Woche jedoch, am 20.12., fand eine Pressekonferenz der Organisation „Honenu“ statt, auf welcher die von den Verteidigern der Verdächtigen gesammelten Berichte zu einer größeren Präsentation zusammengefasst und der Presse vorgetragen wurde. Da lauteten die Anschuldigungen schon wesentlich anders:  Laut Aussagen der Anwälte wurden die Jugendlichen inhumanen Haft- und Verhörbedingungen ausgesetzt, während der Verhöre physisch misshandelt, durch Schlafentzug gequält und psychologisch bedroht und unter Druck gesetzt, mehrheitlich durch Androhungen von Inhaftierung weiterer Familienmitglieder.

Am selben Tag erreichte mich eine Gruppennachricht über WhatsApp, in welcher grausame Details der angeblichen Folterungen der Verdächtigen beschrieben wurden. Einer der betreffenden Jugendlichen soll, so besagte die Nachricht, einen Selbstmordversuch unternommen haben und befinde sich jetzt in psychiatrischer Behandlung des  Gefängnisarztes; ein anderer solle durch Schläge und weitere physische Misshandlungen an Gliedmaßen gequält worden sein und würde von den Beamten des Mordes an der Familie Dawabshe beschuldigt, obwohl er, so die Behauptung, keinen Bezug zur Anklage habe.

Ich beschloss, die Nachricht auf ihren Wahrheitsgehalt entsprechend der mir zur Verfügung stehenden Mittel zu überprüfen, und untersuchte einige der letzten Berichte über die Affäre – so im israelischen Wochenmagazin „Makor Rishon“, sah mir Videos und Statements der Organisation „Honenu“ und die Berichte zum Thema auf Channel 7 und bei der Onlinezeitung NRG an.

⇒ Im Video, welches am 20.12. bei „Honenu“ veröffentlicht worden war, offenbarten vier Anwälte, darunter auch der in der Siedlerbewegung bekannte politische Aktivist und Anwalt Itamar Ben Gvir,  vor den anwesenden Journalisten Details bezüglich des Misshandlungsverdachtes:

Rechtsabwälte Itamar Ben Gvir (links), Adi Keidar (2 v.l.) und weitere. Quelle: Honenu
Rechtsabwälte Itamar Ben Gvir (links), Adi Keidar (2 v.l.) und weitere. Quelle: Honenu

Rechtsanwalt Adi Keidar berichtete beispielsweise über ein Treffen mit seinem Mandanten, einem Minderjährigen, zu welchem er 21 Tage keinen Zugang hatte. Dem Rechtsanwalt zufolge traf er seinen Mandanten in einem psychisch schweren Zustand an. Über die Misshandlungen, welcher dieser Jugendliche während der letzten 21 Tage erfahren habe, berichtete der Anwalt Folgendes: An einem der Tage, an welchem er zuvor nach tagelangem Schlafentzug verhört wurde, wurde er, mit Handschellen an Beinen und Armen am Stuhl gefesselt, von Ermittlern und höheren Offizieren des Shin Bet mehrfach in seine Weichteile getreten und geschlagen, ohne die Möglichkeit, sich gegen die Attacken zu verteidigen. Anschließend wurde er, noch immer gefesselt, in eine Position versetzt, bei welcher er nach einiger Zeit das Gefühl für einen Teil seiner Gliedmaßen verloren habe. Ab einem bestimmten Zeitpunkt begann der Jugendliche zu schreien, zu betteln und, so Keidar, „seinen Verstand zu verlieren“.

Über einen weiteren Verdächtigen wusste Rechtsanwalt Keidar zu berichten, dass laut seinen Aussagen vor einem internen Gericht er während einer Verhörsitzung durch die Ermittler misshandelt wurde, als dieser nach dreitägigem Schlafentzug in der Befragung einschlief. Die Beamten hatten, so Keidar, dem Jugendlichen der Kopf nach hinten gebogen, bis dieser starke Schmerzen erlitt und sich übergab. Trotz der Anweisung des Gefängnisarztes, ihm eine Ruheperiode vor der nächsten Verhörsitzung zu ermöglichen, wurde er nach der medizinischen Untersuchung erneut zum Verhör geführt und geschlagen.

Rechtsanwalt Itamar Ben Gvir äußerte sich zum Fall:

„Zum jetzigen Zeitpunkt hat der Staat keine hinreichenden Beweise, welche genügend Licht auf die Duma-Mordaffäre werden könnten. Dies kann sich in den nächsten Tagen ändern. Was die Anklage betrifft, so lässt sich momentan nur eine Anklage auf Sachbeschädigung formulieren.“

Außerdem sagte er, „bis zu dieser Untersuchung konnte sich der Staat Israel seiner Demokratie rühmen. Als vor einigen Monaten ein abscheulicher Terrorist in Pizgat Ze’ev (Jerusalem) mit einem Messer in der Hand auf Passanten einstach, ordnete der Premierminister höchstpersönlich an, man solle ihn im Krankenhaus vor der Öffentlichkeit zeigen, seinen Zustand offenlegen und ihn ebenso mit einer guten Mahlzeit versorgen, um zu zeigen, dass in Israel Demokratie herrsche. Nach dem vorliegenden Ermittlungsfall steht fest, es gibt keine Demokratie in Israel. Heute ist ein schwarzer Tag für die israelische Demokratie.“

Ben Gvir forderte die Haftrichter und die Öffentlichkeit auf, die Vorgehensweise der Shin Bet-Ermittler zu unterbinden,  da seiner Ansicht nach eine Grenze überschritten worden war.

Dazu muss man sagen, dass nicht nur die Anwälte der in manchen (vor allem linksgerichteten) Kreisen der israelischen Gesellschaft umstrittenen Organisation „Honenu“ auf diese Berichte eingingen, sondern auch beispielsweise die Bürgerrechtsorganisation „Vereinigung für Bürgerrechte/ACRI, welche sich u.a. verstärkt für die arabische Minderheit, Frauen und Flüchtlinge einsetzt und eher weniger für die Verteidigung der „Hügeljugend“ und der Siedlerbewegung bekannt ist. Das Besondere dabei ist, dass sich ACRI in ihrem Statement auf eine interne Untersuchung der linksgerichteten, propalästinensischen Organisation „Btselem“ stützte.

Channel 7 zitierte das Feedback von ACRI:

„Der Bericht der Verteidiger der Verdächtigen im Fall der Terrorattacke auf das Dorf Duma über ihren Verhör durch den Shin Bet erweckt den Verdacht, dass dabei widerrechtliche Verhörmethoden angewandt worden sind. Diese Verhörmethoden wurden durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als illegal befunden, und das nach Anträgen durch den Verein gegen Folter und dem Zentrum zum Schutz des Individuums, welche sich u.a. auf Untersuchungen der Organisation „Btselem“ beriefen. Wir rufen die Verantwortlichen im Justizministerium dazu auf, die Beschwerden der betreffenden Personen unverzüglich zu  untersuchen.“

Am Abend nach der besagten Konferenz fand eine spärliche Demonstration von Verwandten der Verdächtigen vor dem Haus des Shin Bet-Leiters in Jerusalem statt (Link hier). Die Demonstranten standen mit Plakaten auf einer Straßenseite und riefen „Keine Beweise, dafür aber Folter“.



Einige ausführliche Einblicke in die Diskussion um die Affäre vermittelten zwei Parallelartikel zu dem Thema, aus welchen ich einige Auszüge anführen möchte, für Interessierte.

Noch vor der Wendung der Ereignisse veröffentlichte das Magazin „Makor Rishon“ am 18.12.15 zwei Artikel zum Thema; das eine ein exklusives Interview mit der Mutter eines der Minderjährigen, das zweite mit dem stellvertretenden Rechtsberater der Regierung, Anwalt Raz Nazri.

Die Mutter hatte laut ihrer Aussage ihren minderjährigen Sohn, welcher vor etwa drei Wochen vom Inlandgeheimdienst verhaftet worden war, 21 Tage nicht gesehen und keinen Kontakt zu ihm gehabt. Da die Veröffentlichung jeglicher Details zur Untersuchung selbst sowie jegliche Andeutung auf die Identität der Verdächtigten oder ihrer nahen Verwandten strikt untersagt worden war, hielt sie sich lange Zeit zurück und ging erst dann an die Öffentlichkeit (auch das, ohne ihre Identität preiszugeben), als sie spürte, dass ihr Sohn möglicherweise in Lebensgefahr sei.

„Das erste Mal, als ich erfahren habe, was als Anschuldigung gegen meinen Sohn vorliegt, war in den Medien, als von ‚dramatischen Entwicklungen im Fall des Mordes, der schon einige Monate das Land in Atem hält‘ die Rede war. Dann wussten schon alle, dass es um Duma ging. (…) Wir haben keine Informationen bekommen. Wir, die Familie, und auch die Anwälte, hörten davon aus den Nachrichten und nicht von einem Richter. (…) Ich fühle mich, als seien wir in einem schlechten Film aufgewacht. Du wachst in einer Realität auf, in der du in einem Augenblick von einem normativen Bürger zum Staatsfeind geworden bist.“

Die Mutter erklärte im Interview, sie fürchte sich davor, dass ihrem Sohn etwas angehängt werden würde. Ihre Hauptsorge, so die Frau, gelte aber dem gesundheitlichen Zustands ihres Sohnes, dem psychischen als auch dem  physischen. „Ich weiß nicht, wer diese Bedingungen aushalten kann. Ich weiß nicht, was für einen Sohn ich zurückbekommen werde.“ Laut einem der  Berichte soll ein Jugendlicher versucht haben, sich das Leben zu nehmen.

Hügeljugend. Illustration. Quelle: The Marker
Hügeljugend. Illustration. Quelle: The Marker

Ihren Sohn beschreibt die Mutter als einen Jugendlichen, der seine ideologischen Ziele im Blickfeld hatte, ohne aber seine familiären Pflichten zu vergessen. Die Schule habe er abgebrochen, „es gibt viele, die das israelische Schulsystem nicht aushalten„. Offenbar hatte sich ihr Sohn der „Hügeljugend“, einer jugendlichen, religiös und ideologisch motivierten, anarchistisch veranlagten Gruppierung, angeschlossen und lebte in provisorischen Vorposten auf den Hügeln innerhalb Judäa und Samaria.

"Hügeljugend" bei einer Demonstration. Illustration. Quelle: Danieloz.Wordpress.Com
„Hügeljugend“ bei einer Demonstration. Illustration. Quelle: Danieloz.Wordpress.Com

„Es gab zwischen uns keine Distanz und keinen Kontaktabbruch. Er ist in einem liebevollen Haus aufgewachsen und konnte sie auch zurückgeben. Er wusste, dass ich nicht einverstanden war mit allem, was er sagte, und ich wusste, dass er nicht mit allem einverstanden war, was ich sagte.“

Würde man sie darüber informieren, dass ihr Sohn irgendeine Rolle beim Mord in Duma gespielt habe, würde sie es nicht glauben – jetzt erst recht nicht mehr. „Wir sind treue Bürger, wir glauben an den Staat, aber nichtsdestotrotz fällt es uns sehr, sehr schwer im Angesicht dessen, wie die Menschenrechte hier mit Füßen getreten werden. Wir haben absolut kein Vertrauen in die Untersuchungsabteilung des Shin Bet.

Das Parallelinterview von Anwalt Raz Nazri stellte eine etwas andere Perspektive dar. Seit 2011 im Amt, entstammt Nazri ebenso der religiös-zionistischen Gesellschaft und lernte als Jugendlicher in den mit ihr assoziierten Einrichtungen. Den Kampf gegen den angehenden Terror nimmt er sehr ernst und sieht seine Bekämpfung als oberste Priorität – im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Die Behauptungen, die Verdächtigen würden in ihrer Haftzeit in den Rechten der religiösen Ausübung eingeschränkt werden, wies er entschieden von sich (wie erwähnt, fand das Interview vor der Pressekonferenz statt, auf welcher Details zu möglichen Misshandlungen während der Verhörzeit vorgestellt worden waren). „Terror ist Terror„, sagte er im Interview, „es wird kein Antiterrorgesetz für Araber und eins für Juden geben, dieselbe Vorgehensweise wird wie bei arabischem, so auch bei jüdischem Terror angewandt. Der Duma-Vorfall ist ein schwerwiegender Sonderfall. (…) Was ich dazu sagen kann, ist, dass es sich um schwerwiegende Anklagen handelt, daher wurde auch Gebrauch von Ausnahmeregelungen für solche Fälle gemacht.“

Weshalb wird aber der Anschlag in Duma als ein Terrorakt und nicht als ein reguläres Mordverbrechen gesehen? Ist jeder Mord als

Hügeljugend. Illustration. Quelle: INN
Hügeljugend. Illustration. Quelle: INN

Terror zu werten? „Es gibt im israelischen und internationalen Gesetz Definitionen für Terror. Wenn die Tat aus ideologischen, religiösen, nationalistischen oder rassistischen Beweggründen ausgeführt wurde, um dadurch öffentliche Organe zu bestimmten Handlungen zu zwingen, dann ist es Terror. Und genau das ist die Definition für die radikale Gruppe, die versucht, Einfluss auf die Handlungen der Regierung zu nehmen durch Terrorakte gegen die arabische Bevölkerung.“ Trotz dieser Aussagen wollte Nazri keineswegs die um ein Vielfaches größeren und mörderischeren Ausmaße des arabischen Terrors relativieren. Außerdem sprach er sich unter den gegebenen Bedingungen der anhaltenden Terrorbedrohung für die Anwendung der umstrittenen Administrativhaft bei Personen aus, die die Öffentlichkeit gefährden könnten: „Ich bin für Menschenrechte (bezogen auf inhaftierte Terrorverdächtige, Anm.DS), aber wir haben nicht das Privileg, nur diese zu betrachten. Auch das Recht auf Leben ist ein Menschenrecht, und dieses haben wir zu schützen.

Hügeljugend. Illustration. Quelle: NRG
Hügeljugend. Illustration. Quelle: NRG

Während für Nazri die Vorgehensweise der offiziellen Organe unter den gegebenen Umständen als gerechtfertigt gilt, deutete die Mutter des festgenommenen Minderjährigen auf einen anderen Aspekt hin. Der Minister für innere Sicherheit hatte sich zum Thema geäußert, „Wir setzen alles daran, dass es Beweismittel geben wird.“Das ist eine gefährliche Aussage“, konterte sie, „sie gibt der Untersuchungsabteilung grünes Licht, alles zu machen, was man wolle.

„Man muss jedes Graffiti, jedes Verbrechen aufklären, aber mit den regulären Mitteln, die dazu zur Verfügung stehen. Der Polizei und dem Shin Bet wurde hier die Legitimation gegeben, das zu tun, was ihnen gefällt. Es wurde eine Auffassung kreiert, nach welcher die Untersuchungsabteilung nach bestem Wissen und Gewissen wüten konnte. Die Rechtsorgane und das politische Regime (…) stehen momentan mit dem Rücken zur Wand und das kann zu einer Katastrophe führen. Es ist eindeutig, dass sie nicht mit einem Mal aufstehen und behaupten würden, ‚wir haben uns geirrt, wir haben in die falsche Richtung ermittelt.‘ Denn wenn aus den Ermittlungen hier nichts wird, werden viele Rede und Antwort stehen müssen. Und dem gegenüber gibt es einige unpopuläre Jugendliche, welche schon genügend Delegitimation erfahren haben und die man schon als ‚wildes Pack‘ abgeschrieben hat. (…) Sie sind kein ‚wildes Pack‘. Aber wer wird aufstehen und ihren Schrei hören lassen, wer wird aufstehen und sagen, dass hier ein Fehler auf nationaler Ebene begangen wird und es Unschuldige gibt, die den Preis dafür zahlen?“

„Wir leben in einer Zeit voller sicherheitsbezogener Herausforderungen, voller Hasspropaganda“, äußerte sich Anwalt Nazri,  „und in dieser Zeit muss auch ein Akt, der unter normalen Umständen nicht so betrachtet werden würde, schwerwiegender aufgefasst werden, da er einen großen Brand anzetteln kann“. Daher sind seines Erachtens außergewöhnliche Schritte zur Vermeidung der Gefährdung der Öffentlichkeit notwendig.

Die Knessetabgeordnete Zehava Gal-On sagte mir einmal, ‚es gibt 500 administrativ festgehaltene Palästinenser, wo sind da die Proportionen (gegenüber den jüdischen Inhaftierten, Anm.DS)?‘ Ich sagte ihr, ‚was soll man machen, wenn der Umfang des arabischen Terrors den des jüdischen um ein Vielfaches übersteigt?‘ Ich suche keine Gleichstellung, es muss hierbei auch keine sein. Der Fakt, dass dasselbe Gesetz bei Juden und Arabern angewendet wird, ist Gleichstellung genug.“

„Ich suche keine mediale Aufmerksamkeit und bin keine Frau des zivilen Aufstandes, aber auch nachdem diese Affäre ihr Ende finden wird, werde ich den Kampf nicht ruhen lassen„, erklärte die Mutter des Verdächtigen. „Ich kämpfe nicht nur für meinen Sohn und die anderen, sondern ich kämpfe für das ganze jüdische Volk. Wir können es uns nicht erlauben, dass das, was momentan passiert, sich in Zukunft in einem jüdischen und demokratischen Staat wiederholt. Diese Ungerechtigkeit muss aufhören.“

Hügeljugend. Illustration. Quelle: Omer Messinger/FLASH90
Hügeljugend. Illustration. Quelle: Omer Messinger/FLASH90

 

 

NEWS: Griechenland macht nicht mit!

Gute Nachrichten!

Auch Griechenland, so wie zuvor schon Ungarn, hat erklaert, bei der besonderen Kennzeichnung von Produkten aus israelisch-juedischen Siedlungen durch die EU-Einfuhrbehoerde nicht mitzumachen!

Nach dem Besuch des griechischen Premierministers Alexis Tsipras in Israel in diesen Tagen, bei welchem er sich mit Premierminister Binyamin Netanyahu traf, erklaerte die griechische Regierung, es werde den EU-Richtlinien nicht folgen und Produkte, welche in Industriegebieten ausserhalb der „Gruenen Linie“ hergestellt wurden, nicht anders kennzeichnen als auch andere israelische Produkte – sprich, mit der Trademark „Made in Israel“. Griechenland reagiert damit auf die neue und theoretisch gesehen verbindliche Richtlinie der EU, welche diese nach langjaehrigem Ueberlegungsprozess in diesem November gefaellt hat.

Ob es fuer Griechenland und auch fuer Ungarn fuer diesen Schritt rechtliche Konsequenzen seitens der EU gibt, ist noch nicht bekannt.

Der deutsche Bundestag , und Kanzlerin Angela Merkel in seinem Namen, reagierten im November mit Kritik auf das neue EU-Vorhaben und betitelten dieses als „falsch“, aeusserten sich jedoch nicht dazu, ob sie der Richtlinie folgen wuerden oder nicht. Wie schon bekannt, entfernte das Berliner Kaufhaus KaDeWe nach der Veroeffentlichung der neuen Anweisungen die ersten „Siedlerprodukte“ – Weine aus den Golanhoehen, stellte sie aber nach intensiven oeffentlichen Protesten wieder ins Regal und entschuldigte sich.

Quelle: Web
„Inspektion. Kennzeichnungspflicht von Waren aus den illegalen israelischen Siedlungen“ steht auf dem Schild Quelle: Web

In Bremen wurden am 28.11. derweil schon selbsternannte „Inspektoren fuer Waren aus illegalen Siedlungen“ gesichtet. Die aelteren Ladies, Mitglieder der BDS-Boykottbewegung, in weisse Plastikoveralls mit Papierschildern auf dem Ruecken gekleidet, wanderten mit Flugblaettern und Papierfaehnchen durch die Filialen von Karstadt und Rossmann und versuchten, israelische Produkte zu markieren, bei welchen sie „Siedlerherkunft“ vermuteten. Die moderne „Kauft nicht bei Juden“-Kampagne, mit welcher die Aktivistinnen der BDS-Bewegung „Israel zwingen“ beabsichtigten, „sich dem Voelkerrecht zu unterwerfen“ (TAZ), stiess auf taube Ohren bei Karstadt und Rossmann – sie wurden der Filialen verwiesen und bekamen  Hausverbot trotz Protesten. Aehnliche Vorfaelle aus anderen Staedten sind bisher nicht bekannt geworden.

(Quelle: Times of Israel , 01.12.15)

Ungarn macht nicht mit. KaDeWe würde gerne, aber…

Wenige deutschsprachige Medien (es belief sich meiner Suche nach auf lediglich 2  – RTF1 und Kath.net , ebenso wie das deutschsprachige jüdisch-schweizerische Magazin Tachles und die Jüdische Allgemeine)berichteten über die Erklärung des Außen- und Handelsministers Péter Szijjártó, bei der Etiketiterung israelischer Produkte aus den Siedlungen entsprechend der neuen EU-Richtlinie vom November 2015 nicht mitzumachen. Über 21.000 Mal wurde der Artikel der Jerusalem Post online geteilt, welche über den Besuch des Ministers in Israel am 16.11. und seine Aussagen beim Frühstückstreffen des Israelrates für außenpolitische Beziehungen berichtete. Szijjartó bezeichnete die Ettiketierung als „irrational“ und kritisierte diese Entscheidung der EU im Rahmen weiterer ausgiebiger EU-Kritik, welche der Diplomat auf der Reise parat hatte, insbesondere bezüglich der EU-Politik gegenüber Flüchtlingen und der Terrorbedrohung. Politische Korrektheit und Scheinheiligkeit würden verhindern, dass auf wichtige Dilemmas auf gebührende Art und Weise reagiert werden würde, sagte er.

Solche deutlichen Reaktionen gab es dagegen im Land der Einigkeit, des Rechtes und der Freiheit seitens der Regierung nicht zu hören. Dort verwies man ganz auf die Rechtsgrundlage für die EU-Richtlinie, hinter der man sich einig stellte, versicherte aber, es würde zu keinem Boykott führen und keinen beabsichtigen; außerdem nähmen sich die Betriebe wohl auch die Freiheit heraus, bei der Etikettierung nicht mitzumachen und die Ministerien würden sich auch erlauben, die Zuständigkeit für die Beaufsichtigung der Etikettierung nicht auf sich zu nehmen – so geht es zumindest aus dem Artikel der Jüdischen Allgemeinen hervor. Und neben Reaktionen einer gewissen Anzahl empörter Juden in Deutschland gab es auch Rückmeldungen seitens prominenter Deutscher zum Thema – so wie beispielsweise der berühmte Kommentar „Lex Anti-Israel“ von Ralf Schuler in der BILD und die Feststellung, die Etikettierung führe zur Stigmatisierung, von Bundestagsabgeordnetem für Solingen, Remscheid und Wuppertal, Jürgen Hardt.

(Am Ende, so würde ich meinen, werden es die Endverbraucher sein, die über die Zukunft des israelischen Exports in Europa entscheiden werden – mit oder ohne Etikett. Ich persönlich würde Israel raten, seinen Markt viel mehr nach Nah- und Fernost auszubauen.)

(Danke an heplev für die Links)


Seit Freitag, dem 20.11. und diesem SPIEGEL-Artikel ist ein Sturm durch das deutsch-jüdische Netz gezogen, den man fürwahr als Shitstorm bezeichnen kann. Ein wahrer Shitstorm – und das wegen „Siedlerwein„! (Eine weitere Bereicherung für das Siedler-X-Wörterbuch) Er richtete sich gegen das mehrheitlich in italienisch-österreichischem Besitz befindende Berliner Kaufhaus KaDeWe, welches am besagten Freitag mehrere Weinsorten aus den Golanhöhen (das „Siedler-Areal“ hat sich entsprechend den EU-Ansichten geweitet!) aus dem Sortiment gezogen hatte – um sie mit einer korrekten Kennzeichnung entsprechend den neuen EU-Richtlinien zu versehen, so die Sprecher des Kaufhauses laut SPIEGEL. Die gesetzestreue Eifrigkeit von KaDeWe wurde ausnahmsweise nicht belohnt: Eine Massenkampagne gegen die Entscheidung brach im Internet los, sämtliche Aktivisten schickten Protestbriefe an die „Nazi-Erben“ des Kaufhauses, welches während des nationalsozialistischen Regimes vom ehemals jüdischen Eigentümer enteignet worden war. Protestmemes (Grafiken) geisterten im Netz herum; die Nachricht vom „Israelboykott“ des deutschen Kaufhauses erreichte die israelische Presse und auch Premierminister Netanyahu meldete sich zu Wort.

Es dauerte kaum ein paar Tage, bis die Leitung des KaDeWe seine „unsensible“ Entscheidung überdacht hatte (FAZ) und die Weine wieder ins Regal stellte – mit der alten Etikettierung.

Rückmeldung des KaDeWe an Volker Beck
Rückmeldung des KaDeWe an Volker Beck

Volker Beck (Die Grünen) bekam eine persönliche Antwort des KaDeWe zum Thema, und auch ein offizielles Statement veröffentlichte die Geschäftsleitung zum „falschen Verhalten“ auf der Facebook-Seite. Die FAZ mochte zwar behaupten, das „Schwanzeinziehen“ des KaDeWe erfolgte auf die Rüge seitens Premierminister Netanyahu – aber wir wissen es besser. 😉

Jedenfalls war der Zusammenhalt und Aktivismus der Beteiligten gegen diese erniedrigende Entscheidung des KaDeWe geschlossen, eindrucks- und wirkungsvoll gewesen, und man möchte hoffen, dass in Zukunft ähnliche Aktionen folgen, sollte noch jemand beschließen, die leckeren Golan-Weine oder das Tote Meer-Salz aus den Regalen zu entfernen. Denn die leckeren Weine und der Likör aus Gush Etzion gelangen (leider!) nicht nach Deutschland, auch nicht nicht organisch rein hergestellten Produkte der Firma Givot Olam und, wenn mich nicht alles täuscht, auch nicht die süße Halva von ACHVA. Nur ca.1% der Produkte, welche in Betrieben außerhalb der „Grünen Linie“ hergestellt werden, werden insgesamt nach Europa exportiert. Für diese Leckerbissen müsst ihr euch also

Werner Hartstock und ich im "Hamama", Kfar Etzion.
Werner Hartstock und ich im „Hamama“, Kfar Etzion.

herbemühen – so wie Reiseleiter Werner Hartstock von den Sächsischen Israelfreunden, mit dem wir heute abend im Restaurant „HaHamama“ („Gewächshaus“) im Kibbutz Kfar Etzion gegessen haben. Auch ihr seid herzlich eingeladen, vorbeizuschauen! Keine Sorge, die Soldaten unterwegs beißen nicht, wir versorgen sie zu Genüge mit Leckerbissen, während sie auf uns Acht geben.

🙂

 

(Danke an Maria Fuhrmann für die Links)

 

Beide am selben Tag verloren (NEWS)

Einundhalb Stunden vor Shabbat-Eingang, am Freitagnachmitag, 13.11, schaute ich auf mein Telefon und erstarrte. „Zwei Getötete im Attentat auf israelisches Auto“, lautete die Newsmeldung, und ihr folgten weitere, ähnliche. Ich prüfte schnell nach, es handelte sich um einen Terroranschlag, in unserer Gegend wieder einmal – südlich von Hevron. Zwei jüdische Fahrer, erschossen auf der Autobahn 60. Noch vor einer halben Stunde war ich selbst diese Autobahn hinaufgefahren, Richtung Norden, Jerusalem. Zunächst hieß es, es seien ein Mann und eine Frau. Bald genug offenbarte sich ein anderes Detail – es waren ein Vater und sein Sohn. Die ersten Nachrichtenseiten hatten auch schon Bilder parat. Die Terroristen, die offenbar auf das Auto von einem Hinterhalt aus geschossen hatten, waren geflüchtet, die Armee fahndete nach ihnen. Die Opfer waren noch an Ort und Stelle verstorben. Der Rest der Insassen im Auto wurde von der israelischen Ambulanz evakuiert.

Quellen: INN, Lina Gorodetsky
Quellen: INN, Lina Gorodetsky

697486_cDie ersten Bilder offenbarten schon Einiges – es lagen Blumen im Wagen der Ermordeten. Eines war klar – es handelte sich um eine Familie, die unterwegs war, um den Shabbat, den heiligen siebten Tag der Woche, in Frieden und Ruhe zu verbringen. Vielleicht bei Freunden oder im Familienkreis.

Geschockt schossen mir Gedanken durch den Kopf, „ob ich sie kenne? Vielleicht sind es Bekannte von mir?“. Ich rief zwei Freunde an. Der eine sagte, es handle sich um seinen Freund aus der Siedlung Kiryat Arba-Hevron. Die andere sagte mir den Familiennamen, den ich nicht kannte. Shabbat war schon vor der Tür, es war zu spät, um weitere Nachrichten abzuwarten. Von Trauer gedrückt, mache ich mein Telefon aus. Den ganzen Abend und den nächsten Tag dachte ich nur an die vom Unheil getroffene Familie, die sicherlich mit im Wagen gesessen hatte. An das furchtbare Gefühl, kurz vor einem Familienabend in eine solche abscheuliche Leere geworfen zu sein; an die Ehefrau, die beide am selben Tag verloren hatte, Ehemann und Sohn. Daran, dass nichts sie trösten konnte in diesen grausigen Stunden.

Am Samstagabend ging der Shabbat zu Ende. Gleich darauf offenbarten sich weitere Details zu dem Terroranschlag, welche die Nachrichten preisgaben:

Yakov Litman und Sohn Netanel, sel.Andenkens
Yakov Lipman und Sohn Netanel, sel.Andenkens

Bei den Erschossenen handelte es sich um Rabbiner Yaakov Litman, 44, und seinen Sohn Netanel, 17. Sie waren im Familienauto mit Mutter Noa und weiteren Kindern unterwegs, um mit dem zukünftigen Bräutigam ihrer Tocher Sarah Techiya, zu feiern. Sarah, 21,  sollte in dieser Woche heiraten. Yaakov, der Familienvater, war Grundschullehrer der ersten Klasse in Kiryat Arba.

Die Terroristen hatten sich neben der Autobahn 60 südlich von Hevron mit einem Gewehr in den Hinterhalt gelegt. Die Autobahn sollte dort wohl eine Kurve machen, und so würde ein Auto, das vorbeifuhr, dort das Tempo verlangsamen. Die Familie Litman fuhr kurz vor 15 Uhr diese Strecke entlang. Die Terroristen schossen auf das Auto und flüchteten in Richtung der arabischen Dörfer Yatta und Durra. Yaakov, sein Sohn Netanel und ein weiterer, Dvir, wurden verletzt, die ersten beiden schwer. Laut Angaben des israelischen Notfallservices MDA kontaktierte Netanel, der selbst seit dem 15.Lebensjahr als Freiwilliger bei der MDA arbeitete, die Ambulanz und erlag kurze Zeit später seinen Verletzungen – ebenso sein Vater. Yaakovs Frau Noa und der Sohn Dvir, der ebenso von Schüssen verletzt worden war, erzählten im Nachhinein, an der Tatstelle war zuallererst ein Ambulanzwagen des palästinenischen „Roten Halbmonds“ vorbeigefahren. Die Fahrer sahen die Terroropfer, weigerten sich aber, erste Hilfe zu leisten, und verwiesen sie auf die

Yaakov sel.A. und seine Frau Noa
Yaakov sel.A. und seine Frau Noa

israelische Ambulanz. Damit fuhren sie davon. Als die Armeekräfte und die jüdischen Helfer zum Tatort gelangten, blieb ihnen nichts mehr übrig, als den Tod von Yaakov und Netanel Litman festzustellen. Die anderen Familienmitglieder wurden im Schockzustand ins Krankenhaus in Jerusalem evakuiert.

Am Abend des 14.11. fand die Beerdigung in Jerusalem statt. An die 1000 Menschen incl. Staatsdiener, solche wie der Präsident Reuven Rivlin, die israelischen Oberrabbiner und der Minister Uri Ariel, waren anwesend. Inmitten der Trauernden saß die weinende Familie Litman, weitere Angehörige und Kollegen.  Der Direktor der Schule, an welcher Yaakov  unterrichtete, wandte sich an die Regierungsvertreter: „Das ist kein Begräbnis von Vater und Sohn, sondern ein Begräbnis von Märyrern, welche für das jüdische Volk starben. Ihr, die ihr hier steht, seid Vertreter der Staatsgewalt, und ihr könnt nicht behaupten, dieses Blut klebe nicht an euren Händen!“ „Wer wird mich bei der Hochzeit begleiten, Papa?!“, hörte man die herzzerreißenden Schreie von Tochter Sarah Techiya.

Yaakov Litman hinterließ Ehefrau Noa und die Kinder Sarah Techiya, Dvir, Moria, Tehila und Avia – die Jüngste erst sechs Jahre alt.

Quellen: INN
Quellen: INN

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In der ersten Reihe: Mutter Noa, Tochter Sarah Techiya. Quelle: INN
In der ersten Reihe: Mutter Noa, Tochter Sarah Techiya. Quelle: INN

Auch das Attentat von Paris erwähnten die Redner bei der

Das Tel Aviver Rathaus.  Quelle: Facebook
Das Tel Aviver Rathaus.
Quelle: Facebook

Beerdigung. Der Terror von Paris dominiert auch in Israel den größten Teil der regulären Berichterstattung. Auf das Rathaus von Tel Aviv, das Gebäude der Knesset und die Altstadtmauern wurden im Zeichen der Solidarität mit Frankreich die Farben der frazösischen Flagge projeziert. Viele Online-Surfer, auch in Israel, färbten gestern ihr Profilbild auf Facebook in französische Nationalfarben. Mit einer solch rapiden Entwicklung an internationalen Geschehnissen wird die israelische Öffentlichkeit wahrscheinlich bald vergessen, dass die Straßen ihres eigenen Landes mitunter  nicht anders aussehen als die Konzerthalle von Bataclan – und das nicht erst seit gestern….

NEWS: Illegale Juden-Produkte offiziell gebrandmarkt

Quelle: YNET
Quelle: YNET

Das Land ist in Aufruhr: Die EU-Kommission hat heute nach längerem Hin- und Her, nach hitzigen Diskussionen, amerikanischen Protesten, israelischen Aufschreien und wohlwollender Zustimmung der überwältigenden Mehrheit der EU-Abgeordneten, endlich den Worten Taten folgen lassen:

Von nun an werden illegale Juden-Produkte offiziell mit einem Vermerk „Illegales Juden-Produkt“ gebrandmarkt.

Ach nein, Entschuldigung. Entsprechend den Regeln der politischen Korrektheit heißt das: „Die EU führte die Kennzeichnungspflicht für Produkte mit Herkunft aus von Israel seit 1967 besetzten Gebieten ein.“ (JPOST) Oder auch: „Die EU erkannte offiziell die neuen Richtlinien zur Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen auf besetztem Land an“. Die ZEIT formulierte es noch eindeutiger: „Kennzeichnungspflicht: Obst aus jüdischen Siedlungen wird markiert.“

Sämtliche israelische Medien berichteten von der Entscheidung der EU-Kommission, von deren Anstalten, diese Entscheidung schon seit 2012 durchzudrücken, ich in diesem Artikel im September dieses Jahres geschrieben habe. (Mein ausführlicher Standpunkt dazu lässt sich dort nachlesen; an diesem hat sich nichts geändert.) Es machte in den Medien ein wenig den Eindruck, als sei die Entscheidung aus heiterem Himmel gefallen, wobei das Thema schon seit Längerem in der Luft lag und eigentlich zu erwarten gewesen war- immerhin war die Entscheidung, die Ausarbeitung aktueller Kennzeichnungsrichtlinien voranzutreiben, völlig demokratisch gefallen. Die offiziellen EU-Vertreter gaben sich über die Zeit hinweg Mühe, die politische Bedeutung dieser Kennzeichnung herunterzuspielen und es als ein lediglich „technisches Belangen“ hinzustellen.

Was die de facto unterschiedliche Behandlung von Waren innerhalb und außerhalb der „Grünen Linie“ angeht, so kann man nicht sagen, dass die Kennzeichnungspflicht ein „lange nicht angegangenes Unrecht“ wieder gut zu machen oder ein bürokratisches Verfehlen zu korrigieren käme: Schon seit 2003 haben Produkte aus den Golanhöhen, Judäa und Samaria einen anderen Zahlencode als Produkte aus dem Rest Israels; ebenso sind sie ausgeschlossen von dem Freihandelsabkommen zwischen Israel und der EU. Diese Richtlinien waren und sind seit Jahren in Kraft.  (Mehr dazu: siehe hier, FAQs in Englisch)

Welchem Ziel sollte dann die faktische Kennzeichnung von Produkten im Supermarkt dienen, die von allen Konflikt- und Streitregionen, aus welchen das Essen in die europäischen Supermärkte gelangt, nur die vermaledeite „Westbank“ und seine Juden mit dem Illegalen-Stern auszeichnet?!

Im Artikel der Jerusalem Post vom 11.11.15 fanden sich Rückmeldungen zweier israelischer Fabrikbesitzer zum neuen Gesetz. Der erste war Zwi, der Besitzer dreier Fabriken im Industriegebiet der Siedlung Barkan (Südsamaria):

„Offensichtlich wird es einen bestimmten Effekt haben, aber ich glaube, dass dieser gering sein wird, denn beim Handel gibt es keine Politik, nur Interessen“,

kommentierte dieser die Entscheidung.

„Diejenigen, die daran Interesse haben, unsere Produkte zu kaufen, werden sie kaufen. Diejenigen, die betroffen sein werden, das werden nur die Palästinenser sein. Denn wenn die Fabriken geschlossen werden aufgrund alledem, dann sind es die palästinensischen Arbeiter, die darunter zu leiden haben werden. Israelis haben keine Probleme, eine neue Arbeit zu finden.“

Ein anderer, Luria aus der Weinkelterei in Shilo (Samaria), äußerte sich wie folgt:

„Wenn man Produkte kennzeichnet aus Orten, die Sie Siedlungen nennen, in einem oder zwei Jahren wird es soweit sein und alles, was aus Israel kommen wird, wird gekennzeichnet werden. Denn diejenigen, die diese Kennzeichnung wollen, sehen keinen Unterschied zwischen Shilo, Ariel (Städte in Samaria) und Jerusalem.“

Was die offizielle Stellungsnahme zur Entscheidung der Kommission anging, so äußerten sich wahlweise Politiker dazu, darunter auch die Vizeaußenministerin Zipi Hotovely. Nebenher sah man in einigen der Nachrichtenausgaben Gerüchte  herumgeistern, so beispielsweise, dass die israelische Regierung nun ihre Beziehungen zu der EU überdenken müsse,

Zipi Hotovely. Foto: Times Of Israel
Zipi Hotovely. Foto: Times Of Israel

Die Antwort von Vizeaußenministerin Hotovely fiel so aus:

Es ist ein eindeutiger Prozess zur Delegitimisierung Israels. (…) Wir sehen keinen Unterschied zwischen der Indestriezone von Barkan und der Industriezone von Haifa oder Ashdod. In unseren Augen steht Israel gegenüber der Bedrohung eines Boykotts. Und es ist deshalb wichtig, das Folgende zu erwähnen: die israelische Wirtschaft blüht. Es wird kein Schaden für die israelische Wirtschaft entstehen. Im Gegenteil, der Schaden wird die rund 10.000 palästinensischen Arbeiter treffen.

„Europa sollte sich schämen“,

vermeldete auch Regierungschef Binyamin Netanyahu. Gespräche und Zusammentreffen mit Vertretern der EU hat Israel infolge des Beschlusses vorerst auf Eis gelegt.

Dreimal dürft ihr raten, wer die Entscheidung der EU-Kommission mit lauter Stimme begrüßte und die „Taten, die Worten folgen“, lobte: Natürlich, die Palästinensische Autonomiebehörde. Denn einem Organ wie der PA, da die eigenen Untertanen unter Todesdrohungen von jeglicher Normalisierung mit den benachbarten Israelis fernhält, sich selbst bereichert und bewaffnet, Verhandlungsgespräche torpediert, sich in Milliardenschulden bei Israel verstrickt und parallel staatsverordnete Judenhetze betreibt, liegt es nicht daran, für die eigenen palästinensischen Bürger die Arbeitsplätze zu sichern. Schließlich wird die PA von der Fatah geführt, der „Haraqat a-Tahrir al-watani al-Falastini حركة التحرير الوطني الفلسطيني „, der palästinensischen nationalen Befreiungbewegung, und wer

Flagge der Regierungspartei der Palästinensischen Autonomiebehörde, der Fatah
Flagge der Regierungspartei der Palästinensischen Autonomiebehörde, der Fatah

„Palästina befreien“ will, will keine Arbeitsplätze schaffen. Erst recht nicht beim zionistischen Feind. Und sollte es einmal an Geldern für die Auszahlung von Gehältern und Renten fehlen, so ist dieselbe Hand, welche „jüdische Siedlungsprodukte“ markiert, auch diejenige, welche 19 Millionen an die PA als „Unterstützungsgeld“ zahlt.  Die EU als Vereinigung unterstützt die Schaffung eines „palästinensischen Staates“ (lässt sich auf der Webseite der „EU Unterstützung für die Palästinenser“ nachlesen) und trotz der Abwesenheit jeglicher Einigungen, geschweige denn eines funktionierenden Friedens- oder wie man ihn auch immer nennen will-Prozesses nimmt sie eine eindeutig parteiische Position ein.

Alles deutet darauf hin, dass die Entscheidung der EU, gerade jetzt, zu dieser Zeit (und nicht schon 2003 oder vorher  – denn jüdische Siedlungen gibt es schon seit 1967!) die Kennzeichnungspflicht durchzuführen keinesfalls nur ein „technisches Belangen “ darstellt.

Es bleibt abzuwarten, wie die israelische Regierung und das neue „Anti-Boycott (BDS) Office“ unter der Leitung von Innenminister Gilad Erdan auf diese Herausforderung reagieren werden und ob sich das angesichts der kaum die 1% überschreitenden Exportmenge aus Judäa und Samaria in die EU überhaupt lohnt.

Auf dem israelischen Nachrichtenportal 0404 hingegen wird schon von einem israelischen Supermarktbesitzer im Norden berichtet, der infolge der Entscheidung der EU beschlossen hat, alle in der EU hergestellten Produkte aus seinen Regalen zu entfernen. Auch arabische Produkte hat er entfernt, und auf Waren aus den Siedlungen vergibt er 20% Rabatt: „Hier verkaufen wir nur blau-weiße (israelische) Produkte und wir entschuldigen uns nicht!“, steht auf dem Zettel auf einem der Regale geschrieben.

Nun ja, nicht umsonst steht schon in der Tora geschrieben, die Juden seien ein „halsstarriges Volk“(5.Buch Moses, 9, 13)

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Ein weiterer fachkundiger Artikel zum Thema: bei Lizas Welt