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Im Gefängnis gefoltert? Die Duma-Affäre

In den letzten Tagen und Wochen erregt eine Affäre von besonderer Bedeutung die Gemüter, insbesondere innerhalb der religiös-zionistischen Gesellschaft und der Siedlerbewegung. Sie findet allerdings auch Rückklang innerhalb der israelischen Mainstream-Medien und in den sozialen Netzwerken mehren sich Berichte und Gerüchte und verbreiten sich wie Lauffeuer.

Dabei geht es nicht mehr und nicht weniger als um einen brutalen Verstoß gegen die demokratische Gesetzesordnung des Staates Israel:

Es verstärkt sich von Tag zu Tag der Verdacht, dass einige der festgenommenen Verdächtigen im Fall des Brandbombenanschlags auf die Familie Dawabshe im Dorf Duma (DieSiedlerin.Net berichtete am 03.12.15  über neue Entwicklungen im Ermittlungsfall), darunter mehrere Minderjährige, offenbar aus dem Milieu der sogenannten „Hügeljugend“ (Hilltop Youth), während der Administrativhaft und der Verhöre durch den Inlandgeheimdienst Shin Bet (Shabak)

Ein Jugendlicher der sogenannten "Hügeljugend" in Haft. Illustration. (Quelle: Rotter)
Ein Jugendlicher der sogenannten „Hügeljugend“ in Haft. Illustration. (Quelle: Rotter)

misshandelt wurden. Die Verdächtigen, deren Identität  vom Inlandgeheimdienst nicht preisgegeben wird, werden seit mehreren Wochen ohne Anklage in den Haftanstalten des Shin Bet festgehalten. Dem ist so, seit die Anwendung der Administrativhaft (bei welcher Terrorverdächtige ohne Anklage und Prozess und auf Basis einer erneuerbaren richterlichen Erlaubnis inhaftiert werden dürfen), nach dem Anschlag in Duma verstärkt bei jüdischen Terrorverdächtigen angewandt wird.

Ein halbes Jahr lang hatte die israelische Öffentlichkeit auf Entwicklungen im Falle des Mordes an Sa’ad, Reehan und Ali Dawabshe gewartet, wobei Regierungs- und Sicherheitsvertreter (darunter auch der Verteidigungsminister Moshe Ya’alon) schon kurze Zeit nach dem Anschlag verlauten ließen, ihnen sei die Identität der mutmaßlichen Täter bekannt; doch eine offene Anklageschrift könne aus Gründen des Informations- und Informantenschutzes nicht getätigt werden. Alles Weitere hielt sich im Dunkeln und an die Öffentlichkeit drangen nur Gerüchte und Spekulationen. Bis nun vor etwa drei Wochen die ersten offiziellen Meldungen über „dramatische Entwicklungen“ im Fall veröffentlicht wurden und es bekannt gegeben wurde, dass jüdische Verdächtige im Zusammenhang mit dem Fall vom Shin Bet festgehalten und verhört werden.

Nun sind den Medien und privaten Quellen (darunter Bekannten, Nachbarn und Verwandten mancher der Verdächtigen) zufolge mehrere, wenn nicht gar die überwiegende Mehrheit der Festgenommenen Minderjährige, gegen welche nach ihrer Inhaftierung vor drei Wochen bis einem Monat im Rahmen der Administrativhaft noch keine Anklageschrift erhoben wurde. Erst

"Honenu" (wörtl. "Erbarme dich unser"). Im Untertitel steht: 'Organisation für nationale Rechtsverteidigung'
„Honenu“ (wörtl. „Erbarme dich unser“). Im Untertitel steht: ‚Organisation für nationale Rechtsverteidigung‘

nach mehreren Wochen hatten die Anwälte der Betroffenen aus der Rechtsvertretung der Menschenrechtsorganisation „Honenu“ mit den Inhaftierten sprechen und so über die Haftzeit und die Behandlung durch die Untersuchungsbeamten des Shin Bet erfahren können. Weitere Informationen stammten, laut Veröffentlichungen in Medien wie bei Channel 7, Makor Rishon, NRG/Ma’ariv, von Gefängnisärzten und aus Berichten von Vorladungen der Verdächtigen vor internen Gerichten.

Zuvor lauteten die Anschuldigungen gegen eine widerrechtliche Behandlung der Verdächtigen noch scheinbar recht harmlos: Es wurde behauptet, die Jugendlichen würden von bestimmten religiösen Ritualen wie dem Gebetsriemen-Anlegen oder dem Kerzenzünden an Chanukka abgehalten werden. Die Sprecher des Shin Bet so wie auch der stellvertretende Rechtsberater der israelischen Regierung, Rechtsanwalt Raz Nazri (NRGMakor Rishon, 18.12.15), wiesen die Anschuldigungen zurück und verwiesen auf die Schwere des Verbrechens, welches aufzuklären sei. Aufgrund dessen erfordere es besondere Härte und Nachhaltigkeit bei der Untersuchung, unter Anwendung von Ausnahmeregelungen.


 

Zu Beginn dieser Woche jedoch, am 20.12., fand eine Pressekonferenz der Organisation „Honenu“ statt, auf welcher die von den Verteidigern der Verdächtigen gesammelten Berichte zu einer größeren Präsentation zusammengefasst und der Presse vorgetragen wurde. Da lauteten die Anschuldigungen schon wesentlich anders:  Laut Aussagen der Anwälte wurden die Jugendlichen inhumanen Haft- und Verhörbedingungen ausgesetzt, während der Verhöre physisch misshandelt, durch Schlafentzug gequält und psychologisch bedroht und unter Druck gesetzt, mehrheitlich durch Androhungen von Inhaftierung weiterer Familienmitglieder.

Am selben Tag erreichte mich eine Gruppennachricht über WhatsApp, in welcher grausame Details der angeblichen Folterungen der Verdächtigen beschrieben wurden. Einer der betreffenden Jugendlichen soll, so besagte die Nachricht, einen Selbstmordversuch unternommen haben und befinde sich jetzt in psychiatrischer Behandlung des  Gefängnisarztes; ein anderer solle durch Schläge und weitere physische Misshandlungen an Gliedmaßen gequält worden sein und würde von den Beamten des Mordes an der Familie Dawabshe beschuldigt, obwohl er, so die Behauptung, keinen Bezug zur Anklage habe.

Ich beschloss, die Nachricht auf ihren Wahrheitsgehalt entsprechend der mir zur Verfügung stehenden Mittel zu überprüfen, und untersuchte einige der letzten Berichte über die Affäre – so im israelischen Wochenmagazin „Makor Rishon“, sah mir Videos und Statements der Organisation „Honenu“ und die Berichte zum Thema auf Channel 7 und bei der Onlinezeitung NRG an.

⇒ Im Video, welches am 20.12. bei „Honenu“ veröffentlicht worden war, offenbarten vier Anwälte, darunter auch der in der Siedlerbewegung bekannte politische Aktivist und Anwalt Itamar Ben Gvir,  vor den anwesenden Journalisten Details bezüglich des Misshandlungsverdachtes:

Rechtsabwälte Itamar Ben Gvir (links), Adi Keidar (2 v.l.) und weitere. Quelle: Honenu
Rechtsabwälte Itamar Ben Gvir (links), Adi Keidar (2 v.l.) und weitere. Quelle: Honenu

Rechtsanwalt Adi Keidar berichtete beispielsweise über ein Treffen mit seinem Mandanten, einem Minderjährigen, zu welchem er 21 Tage keinen Zugang hatte. Dem Rechtsanwalt zufolge traf er seinen Mandanten in einem psychisch schweren Zustand an. Über die Misshandlungen, welcher dieser Jugendliche während der letzten 21 Tage erfahren habe, berichtete der Anwalt Folgendes: An einem der Tage, an welchem er zuvor nach tagelangem Schlafentzug verhört wurde, wurde er, mit Handschellen an Beinen und Armen am Stuhl gefesselt, von Ermittlern und höheren Offizieren des Shin Bet mehrfach in seine Weichteile getreten und geschlagen, ohne die Möglichkeit, sich gegen die Attacken zu verteidigen. Anschließend wurde er, noch immer gefesselt, in eine Position versetzt, bei welcher er nach einiger Zeit das Gefühl für einen Teil seiner Gliedmaßen verloren habe. Ab einem bestimmten Zeitpunkt begann der Jugendliche zu schreien, zu betteln und, so Keidar, „seinen Verstand zu verlieren“.

Über einen weiteren Verdächtigen wusste Rechtsanwalt Keidar zu berichten, dass laut seinen Aussagen vor einem internen Gericht er während einer Verhörsitzung durch die Ermittler misshandelt wurde, als dieser nach dreitägigem Schlafentzug in der Befragung einschlief. Die Beamten hatten, so Keidar, dem Jugendlichen der Kopf nach hinten gebogen, bis dieser starke Schmerzen erlitt und sich übergab. Trotz der Anweisung des Gefängnisarztes, ihm eine Ruheperiode vor der nächsten Verhörsitzung zu ermöglichen, wurde er nach der medizinischen Untersuchung erneut zum Verhör geführt und geschlagen.

Rechtsanwalt Itamar Ben Gvir äußerte sich zum Fall:

„Zum jetzigen Zeitpunkt hat der Staat keine hinreichenden Beweise, welche genügend Licht auf die Duma-Mordaffäre werden könnten. Dies kann sich in den nächsten Tagen ändern. Was die Anklage betrifft, so lässt sich momentan nur eine Anklage auf Sachbeschädigung formulieren.“

Außerdem sagte er, „bis zu dieser Untersuchung konnte sich der Staat Israel seiner Demokratie rühmen. Als vor einigen Monaten ein abscheulicher Terrorist in Pizgat Ze’ev (Jerusalem) mit einem Messer in der Hand auf Passanten einstach, ordnete der Premierminister höchstpersönlich an, man solle ihn im Krankenhaus vor der Öffentlichkeit zeigen, seinen Zustand offenlegen und ihn ebenso mit einer guten Mahlzeit versorgen, um zu zeigen, dass in Israel Demokratie herrsche. Nach dem vorliegenden Ermittlungsfall steht fest, es gibt keine Demokratie in Israel. Heute ist ein schwarzer Tag für die israelische Demokratie.“

Ben Gvir forderte die Haftrichter und die Öffentlichkeit auf, die Vorgehensweise der Shin Bet-Ermittler zu unterbinden,  da seiner Ansicht nach eine Grenze überschritten worden war.

Dazu muss man sagen, dass nicht nur die Anwälte der in manchen (vor allem linksgerichteten) Kreisen der israelischen Gesellschaft umstrittenen Organisation „Honenu“ auf diese Berichte eingingen, sondern auch beispielsweise die Bürgerrechtsorganisation „Vereinigung für Bürgerrechte/ACRI, welche sich u.a. verstärkt für die arabische Minderheit, Frauen und Flüchtlinge einsetzt und eher weniger für die Verteidigung der „Hügeljugend“ und der Siedlerbewegung bekannt ist. Das Besondere dabei ist, dass sich ACRI in ihrem Statement auf eine interne Untersuchung der linksgerichteten, propalästinensischen Organisation „Btselem“ stützte.

Channel 7 zitierte das Feedback von ACRI:

„Der Bericht der Verteidiger der Verdächtigen im Fall der Terrorattacke auf das Dorf Duma über ihren Verhör durch den Shin Bet erweckt den Verdacht, dass dabei widerrechtliche Verhörmethoden angewandt worden sind. Diese Verhörmethoden wurden durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als illegal befunden, und das nach Anträgen durch den Verein gegen Folter und dem Zentrum zum Schutz des Individuums, welche sich u.a. auf Untersuchungen der Organisation „Btselem“ beriefen. Wir rufen die Verantwortlichen im Justizministerium dazu auf, die Beschwerden der betreffenden Personen unverzüglich zu  untersuchen.“

Am Abend nach der besagten Konferenz fand eine spärliche Demonstration von Verwandten der Verdächtigen vor dem Haus des Shin Bet-Leiters in Jerusalem statt (Link hier). Die Demonstranten standen mit Plakaten auf einer Straßenseite und riefen „Keine Beweise, dafür aber Folter“.



Einige ausführliche Einblicke in die Diskussion um die Affäre vermittelten zwei Parallelartikel zu dem Thema, aus welchen ich einige Auszüge anführen möchte, für Interessierte.

Noch vor der Wendung der Ereignisse veröffentlichte das Magazin „Makor Rishon“ am 18.12.15 zwei Artikel zum Thema; das eine ein exklusives Interview mit der Mutter eines der Minderjährigen, das zweite mit dem stellvertretenden Rechtsberater der Regierung, Anwalt Raz Nazri.

Die Mutter hatte laut ihrer Aussage ihren minderjährigen Sohn, welcher vor etwa drei Wochen vom Inlandgeheimdienst verhaftet worden war, 21 Tage nicht gesehen und keinen Kontakt zu ihm gehabt. Da die Veröffentlichung jeglicher Details zur Untersuchung selbst sowie jegliche Andeutung auf die Identität der Verdächtigten oder ihrer nahen Verwandten strikt untersagt worden war, hielt sie sich lange Zeit zurück und ging erst dann an die Öffentlichkeit (auch das, ohne ihre Identität preiszugeben), als sie spürte, dass ihr Sohn möglicherweise in Lebensgefahr sei.

„Das erste Mal, als ich erfahren habe, was als Anschuldigung gegen meinen Sohn vorliegt, war in den Medien, als von ‚dramatischen Entwicklungen im Fall des Mordes, der schon einige Monate das Land in Atem hält‘ die Rede war. Dann wussten schon alle, dass es um Duma ging. (…) Wir haben keine Informationen bekommen. Wir, die Familie, und auch die Anwälte, hörten davon aus den Nachrichten und nicht von einem Richter. (…) Ich fühle mich, als seien wir in einem schlechten Film aufgewacht. Du wachst in einer Realität auf, in der du in einem Augenblick von einem normativen Bürger zum Staatsfeind geworden bist.“

Die Mutter erklärte im Interview, sie fürchte sich davor, dass ihrem Sohn etwas angehängt werden würde. Ihre Hauptsorge, so die Frau, gelte aber dem gesundheitlichen Zustands ihres Sohnes, dem psychischen als auch dem  physischen. „Ich weiß nicht, wer diese Bedingungen aushalten kann. Ich weiß nicht, was für einen Sohn ich zurückbekommen werde.“ Laut einem der  Berichte soll ein Jugendlicher versucht haben, sich das Leben zu nehmen.

Hügeljugend. Illustration. Quelle: The Marker
Hügeljugend. Illustration. Quelle: The Marker

Ihren Sohn beschreibt die Mutter als einen Jugendlichen, der seine ideologischen Ziele im Blickfeld hatte, ohne aber seine familiären Pflichten zu vergessen. Die Schule habe er abgebrochen, „es gibt viele, die das israelische Schulsystem nicht aushalten„. Offenbar hatte sich ihr Sohn der „Hügeljugend“, einer jugendlichen, religiös und ideologisch motivierten, anarchistisch veranlagten Gruppierung, angeschlossen und lebte in provisorischen Vorposten auf den Hügeln innerhalb Judäa und Samaria.

"Hügeljugend" bei einer Demonstration. Illustration. Quelle: Danieloz.Wordpress.Com
„Hügeljugend“ bei einer Demonstration. Illustration. Quelle: Danieloz.Wordpress.Com

„Es gab zwischen uns keine Distanz und keinen Kontaktabbruch. Er ist in einem liebevollen Haus aufgewachsen und konnte sie auch zurückgeben. Er wusste, dass ich nicht einverstanden war mit allem, was er sagte, und ich wusste, dass er nicht mit allem einverstanden war, was ich sagte.“

Würde man sie darüber informieren, dass ihr Sohn irgendeine Rolle beim Mord in Duma gespielt habe, würde sie es nicht glauben – jetzt erst recht nicht mehr. „Wir sind treue Bürger, wir glauben an den Staat, aber nichtsdestotrotz fällt es uns sehr, sehr schwer im Angesicht dessen, wie die Menschenrechte hier mit Füßen getreten werden. Wir haben absolut kein Vertrauen in die Untersuchungsabteilung des Shin Bet.

Das Parallelinterview von Anwalt Raz Nazri stellte eine etwas andere Perspektive dar. Seit 2011 im Amt, entstammt Nazri ebenso der religiös-zionistischen Gesellschaft und lernte als Jugendlicher in den mit ihr assoziierten Einrichtungen. Den Kampf gegen den angehenden Terror nimmt er sehr ernst und sieht seine Bekämpfung als oberste Priorität – im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Die Behauptungen, die Verdächtigen würden in ihrer Haftzeit in den Rechten der religiösen Ausübung eingeschränkt werden, wies er entschieden von sich (wie erwähnt, fand das Interview vor der Pressekonferenz statt, auf welcher Details zu möglichen Misshandlungen während der Verhörzeit vorgestellt worden waren). „Terror ist Terror„, sagte er im Interview, „es wird kein Antiterrorgesetz für Araber und eins für Juden geben, dieselbe Vorgehensweise wird wie bei arabischem, so auch bei jüdischem Terror angewandt. Der Duma-Vorfall ist ein schwerwiegender Sonderfall. (…) Was ich dazu sagen kann, ist, dass es sich um schwerwiegende Anklagen handelt, daher wurde auch Gebrauch von Ausnahmeregelungen für solche Fälle gemacht.“

Weshalb wird aber der Anschlag in Duma als ein Terrorakt und nicht als ein reguläres Mordverbrechen gesehen? Ist jeder Mord als

Hügeljugend. Illustration. Quelle: INN
Hügeljugend. Illustration. Quelle: INN

Terror zu werten? „Es gibt im israelischen und internationalen Gesetz Definitionen für Terror. Wenn die Tat aus ideologischen, religiösen, nationalistischen oder rassistischen Beweggründen ausgeführt wurde, um dadurch öffentliche Organe zu bestimmten Handlungen zu zwingen, dann ist es Terror. Und genau das ist die Definition für die radikale Gruppe, die versucht, Einfluss auf die Handlungen der Regierung zu nehmen durch Terrorakte gegen die arabische Bevölkerung.“ Trotz dieser Aussagen wollte Nazri keineswegs die um ein Vielfaches größeren und mörderischeren Ausmaße des arabischen Terrors relativieren. Außerdem sprach er sich unter den gegebenen Bedingungen der anhaltenden Terrorbedrohung für die Anwendung der umstrittenen Administrativhaft bei Personen aus, die die Öffentlichkeit gefährden könnten: „Ich bin für Menschenrechte (bezogen auf inhaftierte Terrorverdächtige, Anm.DS), aber wir haben nicht das Privileg, nur diese zu betrachten. Auch das Recht auf Leben ist ein Menschenrecht, und dieses haben wir zu schützen.

Hügeljugend. Illustration. Quelle: NRG
Hügeljugend. Illustration. Quelle: NRG

Während für Nazri die Vorgehensweise der offiziellen Organe unter den gegebenen Umständen als gerechtfertigt gilt, deutete die Mutter des festgenommenen Minderjährigen auf einen anderen Aspekt hin. Der Minister für innere Sicherheit hatte sich zum Thema geäußert, „Wir setzen alles daran, dass es Beweismittel geben wird.“Das ist eine gefährliche Aussage“, konterte sie, „sie gibt der Untersuchungsabteilung grünes Licht, alles zu machen, was man wolle.

„Man muss jedes Graffiti, jedes Verbrechen aufklären, aber mit den regulären Mitteln, die dazu zur Verfügung stehen. Der Polizei und dem Shin Bet wurde hier die Legitimation gegeben, das zu tun, was ihnen gefällt. Es wurde eine Auffassung kreiert, nach welcher die Untersuchungsabteilung nach bestem Wissen und Gewissen wüten konnte. Die Rechtsorgane und das politische Regime (…) stehen momentan mit dem Rücken zur Wand und das kann zu einer Katastrophe führen. Es ist eindeutig, dass sie nicht mit einem Mal aufstehen und behaupten würden, ‚wir haben uns geirrt, wir haben in die falsche Richtung ermittelt.‘ Denn wenn aus den Ermittlungen hier nichts wird, werden viele Rede und Antwort stehen müssen. Und dem gegenüber gibt es einige unpopuläre Jugendliche, welche schon genügend Delegitimation erfahren haben und die man schon als ‚wildes Pack‘ abgeschrieben hat. (…) Sie sind kein ‚wildes Pack‘. Aber wer wird aufstehen und ihren Schrei hören lassen, wer wird aufstehen und sagen, dass hier ein Fehler auf nationaler Ebene begangen wird und es Unschuldige gibt, die den Preis dafür zahlen?“

„Wir leben in einer Zeit voller sicherheitsbezogener Herausforderungen, voller Hasspropaganda“, äußerte sich Anwalt Nazri,  „und in dieser Zeit muss auch ein Akt, der unter normalen Umständen nicht so betrachtet werden würde, schwerwiegender aufgefasst werden, da er einen großen Brand anzetteln kann“. Daher sind seines Erachtens außergewöhnliche Schritte zur Vermeidung der Gefährdung der Öffentlichkeit notwendig.

Die Knessetabgeordnete Zehava Gal-On sagte mir einmal, ‚es gibt 500 administrativ festgehaltene Palästinenser, wo sind da die Proportionen (gegenüber den jüdischen Inhaftierten, Anm.DS)?‘ Ich sagte ihr, ‚was soll man machen, wenn der Umfang des arabischen Terrors den des jüdischen um ein Vielfaches übersteigt?‘ Ich suche keine Gleichstellung, es muss hierbei auch keine sein. Der Fakt, dass dasselbe Gesetz bei Juden und Arabern angewendet wird, ist Gleichstellung genug.“

„Ich suche keine mediale Aufmerksamkeit und bin keine Frau des zivilen Aufstandes, aber auch nachdem diese Affäre ihr Ende finden wird, werde ich den Kampf nicht ruhen lassen„, erklärte die Mutter des Verdächtigen. „Ich kämpfe nicht nur für meinen Sohn und die anderen, sondern ich kämpfe für das ganze jüdische Volk. Wir können es uns nicht erlauben, dass das, was momentan passiert, sich in Zukunft in einem jüdischen und demokratischen Staat wiederholt. Diese Ungerechtigkeit muss aufhören.“

Hügeljugend. Illustration. Quelle: Omer Messinger/FLASH90
Hügeljugend. Illustration. Quelle: Omer Messinger/FLASH90

 

 

Atmosphäre der Militarisierung

Diejenigen, die Israel-basierte Nachrichtenseiten und auch meinen Blog und die Updates bei Facebook verfolgen, müssten sicherlich wissen, dass wir in unserem Land in den letzten Monaten einen rapiden Anstieg an terroristischen Attentaten erleben, welche trotz gelegentlicher zahlenmäßiger Abnahme noch immer unseren Alltag prägen. Das betrifft sowohl die Gebiete von Judäa und Samaria als auch den Rest Israels. Die Terroristen können überall zuschlagen, und sie gelangen auch in jede Stadt – wie das Beispiel des neuesten Terrorattentats in der  sonst als „neutral“ betrachteten Zone, in der Stadt Rishon leZion, am 02.11.15 zeigt. Bei der Messerattacke wurden 3 Menschen verletzt, darunter 2 schwer. Dabei ist  Rishon leZion weit entfernt davon, als „illegale Siedlung“ betrachtet zu werden.

Hevron im Verhältnis zu anderen Städten
Hevron im Verhältnis zu anderen Städten

Der Terrorist, ein 19-jähriger muslimischer Araber, kam aus der Stadt Hevron (mehr zu Hevron – hier), wie schon zahlreiche andere Angreifer. Hevron ist bekannt für seinen stark traditionellen, ideologisch-religiösen Charakter im Vergleich zum eher säkular ausgerichteten Ramallah, die verstärkt feindselige  Stimmung innerhalb der Bevölkerung gegenüber Juden und Israelis, ebenso wie eine breite Unterstützung der Terrororganisation Hamas, welche in Hevron einen zentralen Stützpunkt innerhalb Judäa und Samaria sieht. Aus Hevron stammten u.a. auch die beiden Entführer der Jugendlichen Eyal, Gil-ad und Naftali, welche im Juni 2014 entführt und ermordet worden sind, an der Bushaltestelle neben meiner Siedlung Alon Shevut. Im Rahmen der darauffolgenden Militär- und Suchoperation „Hüter meines Bruders“ in Judäa und Samaria, welche daraufhin in die Operation „Fels in der Brandung“ im Gazastreifen überging, wurden über 300 terroristisch aktive Palästinenser, darunter über 250 Hamas-Aktivisten in Hevron und Umgebung sowie in Samaria von Israel festgenommen (Quelle: IDF, Haaretz).  – Wie nun der 19-jährige Terrorist nach Rishon leZion gekommen ist – als illegaler Eindringling, als Angestellter eines israelischen Arbeitgebers oder auf andere Art und Weise, habe ich nicht geschafft, herauszufinden. Darüber wurde nicht ausführlich berichtet. Eines ist allerdings einleuchtend – wenn dieser es in die Landesmitte geschafft hat, wie hoch stehen dann die Chancen für Attentate in der eigenen Nachbarschaft der Täter!

Auch Attacken auf Sicherheitskräfte – Polizisten und Soldaten – mehren sich, das vor allem an den sog. „Checkpoints“ (Kontrollpunkten) auf der „Grünen Linie“, auf Kreuzungen und an Bushaltestellen, auf welchen diese stationiert werden, um Zivilisten vor Autoattentaten und anderen Übergriffen zu schützen. Dutzende versuchte und ausgeführte Angriffe auf Soldaten und Grenzsschutzpolizisten am Übergang zwischen Jenin und der israelischen Stadt Afula im Norden Israels, an der Kreuzung zu Bet Enun nahe Hevron, in der Altstadt von Hevron, auf der Gush Etzion-Kreuzung, am A-Zaim-Übergang zwischen Jerusalem und der Autobahn Richtung Totes Meer führten dazu, dass die militärische Präsenz an diesen Knotenpunkten zusätzlich verstärkt werden musste. In vielen Fällen schützen Soldaten mit ihrem Körper die beistehenden Zivilisten während einer Attacke, in anderen kommen sie erst nach der Tat zur Hilfe, so wie im Fall meines Bekannten Me’ir Pavlovsky aus Hevron, welcher Anfang Oktober von einem Messerstecher lebensgefährlich verletzt wurde und nur durch ein Wunder gerettet werden konnte.

Erst gestern wurde ein 20-jähriger Grenzschutzpolizist lebensgefährlich verletzt, als ein arabischer Angreifer diesen auf der Autobahn 60 überfuhr. Der Terrorist wurde erschossen, der junge Mann wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.


Die eindeutige Gefahr, welche wir momentan mit der Luft einatmen, hat dazu geführt, dass, um das allgemeine Sicherheitsgefühl der Bewohner von Judäa, Samaria und ganz Israel zu verstärken, die Präsenz von Sicherheitskräften erheblich erhöht wurde. Wer jemals als Tourist in ruhigeren Zeiten in Israel zu Besuch gewesen ist und sich neben Soldaten mit Gewehr im Bus mulmig gefühlt hatte – wisst, dass es noch gar nichts gewesen ist im Vergleich zu der drückenden Anwesenheit von bewaffnetem Schutzpersonal in Städten und auf

Soldat an der Gush Etzion-Kreuzung.
Soldat an der Gush Etzion-Kreuzung.

den Straßen im letzten Monat. Sie stehen auf den Straßen Jerusalems, in den Banken, auf den Bushaltestellen, patroullieren in Gassen. In Judäa und Samaria hat sich die Überwachung um ein Deutliches erhöht  – die Autoattentate haben zu weiteren Betonwällen vor Bushaltestellen geführt; hinter den Betonklötzen in jede Fahrtrichtung stehen Soldaten in Bereitschaftsposition und in Helmen – auch diese Aufmachung ist neu. Seit dem 28.10, an welchem ein Hevroner Attentäter eine Frau neben unserem Supermarkt Rami Levy niedergestochen hatte, wurden Betonaden auch an der Einfahrt zum Supermarkt stationiert, auch

Einfahrt zum Supermarkt. Links und rechts sind Soldaten stationiert.
Einfahrt zum Supermarkt

dort Soldaten. Die Verkehrsinsel zwischen den Haltestellen an der Gush-Kreuzung wurde für Fußgänger abgesperrt – denn auch von diesen Übergängen gelangten Terroristen schneller zu Wartenden auf Haltestellen und griffen diese an. Anhaltefahrer, auch solche, die sich immer stur geweigert hatten, hinter den Betonaden zu stehen, stellen sich widerstandslos hinter diese, und um sie herum stehen Soldaten mit Finger auf dem Abzug und Helmen.

Anhaltefahrer in Gush Etzion
Anhaltefahrer in Gush Etzion

Es herrscht, so muss ich leider sagen, eine Atmosphäre der Militarisierung, die einerseits das Gefühl gibt, geschützt oder zumindest nicht allein gelassen zu sein inmitten einer feindlichen Bevölkerung – aber es ist eine Tendenz, die kaum jemandem innerhalb der jüdischen Bevölkerung gefällt. Entgegen der verbreiteten Annahme, die auch ich öfter als Vorwurf mitbekommen habe, freuen sich die „Siedler“ in Judäa und Samaria nicht über zusätzliche Grenzen, über Militärpräsenz oder Überwachung. Die hier aus ideologischer Überzeugung lebenden Juden sehen dieses Land als Teil ihres Erbes und ihres Landes, und sehen nicht ein, weshalb sie sich als Namensgeber dieser Gegend (immerhin, Judäa!) und als Rückkehrer hinter Zäunen, Soldaten und Kameras verstecken müssen, während die benachbarte arabische Bevölkerung keine Selbstschutzmaßnahmen aufwenden muss (wohl aber Kontrollmaßnahmen seitens der Armee). Schon allzu oft habe ich innerhalb der Siedlergesellschaft die Meinung gehört, die

Polizeipräsenz in Gush Etzion.
Polizeipräsenz in Gush Etzion.

Sicherheitsmauer, welche 2002 initiiert wurde, gehöre abgeschafft, und würde nur zu Beschämung der jüdischen Gemeinschaft und zu einer fälschlichen Schaffung von Fakten beitragen. Trotz ihrer praktischen Vorteile  – das Fernhalten von Attentätern vom israelischen Staatsgebiet – ist sie keine willkommene Maßnahme in den Augen der Siedler. In Judäa und Samaria gibt es Ortschaften, deren Bewohner sich immer und immer wieder weigern, ihren Ort einzuzäunen, und dadurch  in Auseinandersetzungen mit der Armee geraten, welche auf verstärkte Sicherheitsmaßnahmen gilt, um u.a. die eigene Bürde der Überwachung zu lockern. Und es gibt auch Beispiele, wo sich jüdische und arabische Einwohner zusammengetan haben, um gegen den Bau der Trennmauer zwischen den jeweiligen Ortschaften zu protestieren  – so in Efrat und den arabischen Dörfern drumherum.

Anhalterplatz, Gush Etzion Kreuzung, Polizeiabsperrung
Anhalterplatz, Gush Etzion Kreuzung, Polizeiabsperrung

Wir wissen wohl, dass gerade in dieser erneut angespannten Zeit, deren Abklang momentan nicht absehbar ist, der Schutz notwendig ist. Auch an Soldaten und Absperrungen haben wir uns gewöhnt, die dennoch das tagtägliche Zusammentreffen beider Bevölkerungsgruppen – der jüdischen und der arabischen – nicht verhindern, sondern nur bedingt sicherer machen. Aber die Militarisierung als Antwort auf Terror, welche viele aus der Perspektive der Palästinenser beklagen, hinterlässt auch bei uns Spuren, und nicht wenige.

Die israelische Realität hat niemals aufgehört, komplex zu sein.

Flächenbrand

Heute wurde ich Zeugin eines Vorkommnisses, das mich etwas aufwühlte und zum Nachdenken stimmte.
Auf einer Plantagenfläche nahe der Siedlung X (Ortsangaben unwichtig) brach am frühen Nachmittag Feuer aus. Durch die Sicherheitskameras liess sich kein Fremdverschulden feststellen – ein Brand, möglicherweise ausgelöst durch Sonne, die Hitze und das trockene Gras. Der Brand begann, sich auszubreiten, und näherte sich einem Strommast und einer Plantage mit Olivenbäumen.

Im Sicherheitszentrum verständigte man den Schichtoffizier, der um diese Zeit für das Areal verantwortlich war. Bis dieser an den Ort gelangte und sich den Brand näher anschauen konnte, vergingen etwa 10 Minuten. Man verständigte den Feuerwehrdienst und die Armee, diese bekam die Beschreibung und gab zur Antwort, dass dieser Bereich im palästinensischen Verwaltungsbereich liege. Die israelischr Feuerwehr sei also dafür nicht zuständig.

Das Feuer brannte indes fröhlich weiter.

Die Armee schickte also eine Benachrichtigung an die palästinensische Feuerwehr. Alle wurden über ihr baldiges Kommen informiert. Es vergingen weitere Minuten, erst 10, dann 20. Immer wieder erkundigte man sich nach der Ausbreitung des Feuers. „Wird die israelische Feuerwehr diesen Brand löschen?“, fragte ich nach. „Es ist palästinensisches Gebiet“, war die Antwort.

Wieder 10 Minuten. Das Feuer erreichte die Plantage, brannte sich durch die Bäume. Von der Feuerwehr keine Spur. „Hat man sie benachrichtigt?“ „Ja.“ „Kommen sie?“ „Kann man nicht sagen.“ „Kann die israelische Feuerwehr das nicht löschen?“ „Es ist palästinensisches Gebiet.“ „Aber wenn es zum Beispiel für israelische Häuser gefährlich werden würde?“ „Dann würde sie eingreifen können.“ „Wieso können sie jetzt nicht eingreifen?“ „Es gibt momentan einen Brand in einer anderen Stadt, alle Teams sind dort.“

Wieder Anrufe, Fragen. Das Feuer brennt, und ich schaue fassungslos auf die guten Pflanzen und die Erde. Ist das Alltag? Und wo steckt die Palästinenser-Feuerwehr?
Nach Angaben eines Mitarbeiters soll die Ankunft ihrer Feuerwehr immer lange dauern. Wieso nimmt man es aber in Kauf, wenn es bekannt ist?

Die Lage wird langsam, aber sicher auch für die israelischen Gebiete brenzlich. Das Feuer hat sich eine Strecke freigebrannt und nähert sich nun einer Straße. Eine Stunde ist vergangen. Von der Feuerwehr keine Meldung. Endlich gibt man dem israelischen Counterpart den Befehl, sich des Brandes anzunehmen.

Ich wende mich an eine schon erfahrene Sicherheitsmitarbeiterin. „Ich möchte verstehen, wie das mit der Verantwortlichkeit für Gebiete funktioniert. Wie kann so etwas sein?“
Im als palästinensisch zugeordnetem Gebiet – selbst wenn dieses inmitten oder direkt an israelischem Gebiet liegt – und selbst, wenn es sich nur um eine Plantage handelt – agieren nur die zuständigen Organe der PA, bekomme ich erklärt. Sofern israelisches Eigentum oder öffentliche Plätze nicht bedroht werden, greifen israelische Einsatzkräfte nicht ein. (Ob aus Gründen der Arbeitsverteilung, oder aus sicherheitstechnischen Bedenken, unklar, wohl beides.)
„Wieso reagiert die palästinensische Feuerwehr nicht?“
Das passiere wohl häufig, und das Abwesen einer Rückmeldung über eine Stunde lang zeuge von ihrer unernsten Einstellung gegenüber dem Fall.
„Wenn es dabei um Menschenleben gehen würde, würde dieselbe Politik angewandt werden?“
Nein, der Rote Davidsstern würde sich bei Verletzten auch um die arabischen kümmern, würde sie allerdings nicht in in ein israelisches Krankenaus überführen, wenn sie dafür keine Aufenthaltserlaubnis besitzen, sondern den Fall an den Roten Halbmond übergeben.
„Was wäre im Falle von Häusern oder anderem Besitz?“
Gelte dasselbe wie im Fall der Plantage.
„Bei Bedrohung von israelischem Eigentum?“
Dürfte und würde die israelische Feuerwehr eingreifen.

Und währenddessen würde noch ein Stück Feld, Baum oder Gras verkohlen.

Zu was eine Zoneneinteilung in „deins“ und „meins“ führen kann, wurde mir bei diesem praktischen Beispiel auf ernüchternde Weise deutlich.

Siedlungen und Sicherheit 2

Im ersten Teil des Beitrags habe ich über die besonderen Aspekte der Sicherheitslage von Siedlungen in Judäa und Samaria  berichtet. Nun geht es um den Ernstfall –  wenn ein Alarm ertönt. 


Zunächst einmal eine persönliche Geschichte dazu:

Wo liegt Tal Menasche?
Wo liegt Tal Menasche?

Vor etwa einem Jahr war ich bei einer Familie in der Siedlung Tal Menasche im Norden Samarias übers Wochenende eingeladen. Es war Freitagabend, wir versammelten uns alle um den Shabbat-Tisch und waren schon mitten im Abendessen, da erklang auf einmal eine Sirene, aus einem alten, scheinbar sinnlos im Flur liegenden Walkie-Talkie tönten Rauschen und Stimmen. Ich verstand nichts, sprang aber mit allen anderen auf. Einige Minuten später klopfte es auch an die Eingangstür, die Eltern fragten kurz nach und der älteste Sohn der Familie in voller Montur – Armee-Schutzweste, Helm und Gewehr – stand im Wohnzimmer. Ich war relativ sprachlos – wann sieht man sonst einen Offizier in Armeekleidung und am Telefon mitten am traditionellen jüdischen Ruhetag in ein Wohnhaus hineinkommen. Was war geschehen?

Der Mann währenddessen breitete auf dem Esstisch eine Karte aus, bückte sich gemeinsam mit seiner festlich gekleideten Mutter über die Karte und begann, auf einige Straßen und Häuser zu zeigen. Sie unterhielten sich angeregt, holten dann eine Liste und ein weiteres Telefon hervor und begannen, Anrufe zu tätigen. Das alles wurde von Stimmen aus dem Walkie-Talkie begleitet.

Ich bekam schnell meine Erklärung für das Geschehen. Die Sirene, und auch die Ansagen über das Funkgerät bedeuteten Alarm – Verdacht auf unmittelbares Eindringen in die Siedlung. Der Sohn in Offizierskleidung war ehemaliger Offizier im Reservedienst und in der Siedlung der Einsatzleiter des zivilen Notrufkommandos, welches bei Verdacht auf terroristische Tätigkeiten für den Schutz der Bewohner verantwortlich ist, bevor Spezialkräfte zum Tatort gelangen und den Einsatz übernehmen können. Die Hausfrau war u.a. verantwortlich für einen Teil der Koordinierung der Kräfte innerhalb der Siedlung und hatte die Adressen und Daten aller relevanter Ansprechpartner.

Da ich zum Zeitpunkt des Geschehens selbst in der Armee war (aber nicht in einer Kampfeinheit), erklärte ich mich bereit, das Notrufkommando, alles Familienväter mit Armeeausrüstung, zu begleiten und bei einer Mutter mit ihren Kindern im Haus Wache zu schieben, da sich diese nicht mit solchen Situationen auskannte und alleine mit den Kindern im Haus war. Auf den Straßen liefen Soldaten und die Einsatzleute umher, die Armee war schon angekommen und fahndete nach dem möglichen Eindringling. Im Haus der Frau schloss ich alle Fenster und Türen und blieb mit dem Kommando per Telefon in Verbindung, um zu wissen, wann der Einsatz vorbei wäre.

Das Ganze entpuppte sich nach etwa einer Dreiviertelstunde als ein Fehlalarm – ein Gastjunge hatte versehentlich an einer falschen Tür geklopft und war wohl danach geflüchtet, um nicht erkannt zu werden, und wurde so für einen Terroristen gehalten. Um 1 Uhr nachts war alles vorbei. Ich bekam an diesem Abend aber eine eindrucksvolle Demonstration der Bereitschaft aller Beteiligten und die Ernsthaftigkeit, mit welcher eine Gefahr für die Bewohner wahrgenommen worden ist.


 

Was bedeutet es, einen „Alarm in der Siedlung“ zu haben?

Schon mehrere Jahre ist es her, dass das Sicherheitskonzept der Vorwarnung für jüdische Einwohner in Judäa und Samaria durch Sirenen und Anrufe/mobile Nachrichten ausgearbeitet worden ist. Dieses System ist durch die Zusammenarbeit mit der Armee sowie mit der zivilen Verwaltung entstanden, um die Sicherheit in den Siedlungen zu erhöhen. Ein Alarm wird demnach ausgelöst, sobald eine Meldung von der Armee oder bei der Sicherheitszentrale in einem Ort beispielsweise über Kameras eingeht, die auf ein Eindringen von Terroristen in die Siedlung bzw. die Annäherung Verdächtiger an den Siedlungszaun hinweist. Ein solcher Alarm richtet sich an die Bewohner und der Code, der dabei durch zentrale Lautsprecher ausgerufen wird bzw. die Klangsequenz, die abgespielt wird, sind allen durchgehend bekannt. Die Anweisungen beim Hören der Sirene oder seit neuester Zeit auch nach dem Eingehen einer SMS mit entsprechendem Inhalt sind klar:

Alle Bewohner haben sich umgehend in ihre Häuser oder andere verschließbare Räume zu begeben, diese zu schließen, bei Abend- oder Nachtzeit das Licht auszuschalten und auf weitere Anweisungen zu warten. Bis auf Weiteres darf niemand das Haus verlassen, bis die Warnung aufgehoben wird.

Für das Notrufkommando, eine Einheit von mehreren (männlichen) Einwohnern der Siedlung, meist Reservesoldaten, welche ihre Notausrüstung (Schutzhelme und -westen, Gewehre, Munition, Funkgeräte), bedeutet der Alarm höchste Einsatzbereitschaft. Die Mitglieder dieser freiwilligen Einheit müssen Tag und Nacht erreichbar sein, um als Erste den Einsatz gegen potenzielle Gefahren zu führen, bevor Spezialkräfte – Armee, Polizei, Notdienst – vor Ort sein und die Aufgabe übernehmen können. Das Bereitschaftskommando, wie es sich auch auf Hebräisch, existiert in jeder Siedlung in verschiedener Größenordnung, und ist direkt mit der Armeeeinsatzzentrale und anderen Hilfskräften verbunden.

Zurück zum Alarm. Es gibt verschiedene Alarm-Abstufungen von 1 – 3, wobei bei den ersten beiden Stufen die zivile Bevölkerung nicht belangt wird – so wie die Fahnung und Festnahme von organisierten Gruppen, die auf dem Weg zu einem Terroranschlag sind und möglicherweise in die Nähe einer Siedlung gelangen können, eine Warnung von einem möglichen Zeitpunkt, wann ein Einzelner oder eine Gruppe einen Anschlag planen und desweiteren mehr. Die dritte und letzte Stufe ist der direkte Verdacht auf das Eindringen über den Zaun oder die nicht umzäunte Ortsgrenze in die Siedlung hinein  – sei es nun mit der Absicht, zu stehlen, oder zu töten. Der Alarm ertönt sowohl tags- als auch nachtsüber.

Von wem wird er ausgelöst? Es kann der ganz normale Wächter sein, der auf den Bildschirmen der Kameras an einigen Zaunpunkten plötzlich unerwartete Gestalten entdeckt, die sich am Zaun zu schaffen machen; es kann ein verdächtiges Auto am Zaunrand sein, oder Menschen, die sich zu einer ungewohnten Zeit auf einem Feld oder über einen Berghang in Richtung einer Siedlung bewegen; es können die Nachrichtendienste der Armee oder der Polizei sein oder einzelne Zivilisten, die eine verdächtige Beobachtung weiterleiten, damit diese geprüft wird.

Nicht immer hat es dieses Warnsystem gegeben; wie immer ist auch dieses auf bitteren Erfahrungen erbaut und ausgearbeitet worden, und nicht immer schützt es vor Tragödien – wie im Falle der Familie Fogel aus Itamar, deren fünf Familienmitglieder  – Eltern und Kinder –  im März 2011 von zwei in die Siedlung eingedrungenen Terroristen brutal in ihrem Haus ermordet wurden.

Auch in Alon Shevut, meiner Siedlung, hat es Fälle gegeben, in welchen der besagte Alarm ausgelöst worden ist. Vor etwa einem Monat wurde eine Gruppe Verdächtiger durch die Überwachungskameras gesichtet, die versuchten, auf den Ortszaun zu klettern. Die Einsatzkräfte, die nach Erhalten der Meldung zum Tatort stürzten, konnten die Gruppe vertreiben.

→ Über das Alarmsystem und seine Bedeutung klärten mich der Sicherheitsbeauftragte der Regionalverwaltung Gush Etzion, Pinhas Hershler, und Oberstleutnant (RD) A.Szanton auf. 


Shimon Zukerman  ist ein guter Bekannter von mir, aber auch als Verwaltungsvorsitzender der Siedlung Kfar Eldad im Osten Gush Etzions tätig. Er ist in Belgien geboren und lebt mit seiner Familie in Judäa. Neben allen logistischen und sozialen Aufgaben, die er für die Einwohner der Siedlung bewältigen muss, muss sich Shimon Zukerman auch in den Sicherheitsfragen auskennen und die richtigen Beauftragten einstellen, die dann für alle Belangen der Einwohner und der Armee zu sorgen haben. 

Hier liegt Kfar Eldad
Hier liegt Kfar Eldad

Kfar Eldad ist ein kleiner Ort von etwas über 100 Familien, sowohl religiöser als auch sekulärer Ausrichtung, im Osten von Gush Etzion und am Rande der Judäischen Wüste. Er existiert seit Sommer 1994. Die nächstgrößte Siedlung ist Teko’a und die nächstgrößte Stadt Jerusalem. In den letzten Jahren mussten sich die Bewohner von Kfar Eldad mit zahlreichen Störungen  seitens organisierter linksextremer Gruppen aus dem In- und Ausland auseinandersetzen, welche gemeinsam mit Gruppen lokaler Araber Demonstrationen, Provokationen  und auch Zusammenstöße mit derArmee und den Bewohnern veranstalteten. Kfar Eldad ist umgeben von arabischen Kleinorten und die Schnellstraßen ins Zentrum von Gush Etzion sowie nach Jerusalem führen alle teilweise mitten durch diese. Sicherheit ist in den Augen von Shimon Zukerman ein zentraler Aspekt, aber er limitiert ihn nicht nur auf das Technische, sondern sieht die Ursprünge viel tiefer: 

„Was hindert die Araber daran, uns anzugreifen? Die Abschreckung. Eine Abschreckungspolitik, die auf verschiedene Arten ausgeübt wird. So ist die Mentalität hier, so sind die Spielregeln im Nahen Osten.

Was dagegen führt dazu, dass jemand es wagt, auf einen Schutzzaun zu klettern? Ein Verlust des Kräftegleichgewichts. Das Schwinden der Abschreckung. Anzeichen von Schwäche. Das können ganz unterschiedliche Anzeichen sein, nicht unbedingt seitens der Armee. Es kann das Vermitteln von Furcht sein, Furcht auf unserer Seite.Wenn sie anfangen zu spüren, dass die Abschreckung schwächer wird, können sie es wagen, auf den Zaun zu klettern und anzugreifen. Das Gleichweicht wird gestört – wir werden nicht mehr als eine Kraft wahrgenommen, werden schwächer, und dadurch werden sie stärker.

Die Schwäche, sie liegt im Geist. Die Europäer, die hierher kommen   –  und meines Erachtens auch viele von uns  – versuchen mit aller Kraft, die Realität hier zu vergewaltigen, ihr die abendländische Sicht- und Denkweise aufzuzwingen. Beispielsweise aller Arten von Anarchisten aus Schweden, die hier angelangen – sie wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Die Mentalität des Nahen Ostens ist anders. Die Bevölkerung, die hier lebt, findet ihre Stärke  im Glauben und in geistigen Werten. Dieser Glaube ist voller Lügen, und die Werte voller Gewalt, aber dennoch ist es ein Glaubens- und Wertesystem und von dort kommt die Stärke. Was kann man machen, der Islam ist eine Kultur der Macht. So wachsen die Menschen hier auf, sie atmen es mit jedem Atemzug. Wenn man beispielsweise auf der Straße bei Teko’a an einem Dorf vorbeifährt, kann man täglich sehen, wie Kinder geschlagen werden, in der Öffentlichkeit. Das ist die Kultur. Der muslimische Mann ist jemand, der Selbstbewusstsein hat, der stark, oder, wenn man will, mächtig ist, der die Richtung kennt.

Wenn man diese Sprache richt, dann kann man Beziehungen aufbauen. Ich weiß es und behaupte  – wer am Besten mit den Arabern reden kann, im ganzen Land, das sind allein die Siedler. Denn sie verstehen, worum es geht, sie sprechen die Sprache. „

Siedlungen und Sicherheit 1

Viele, die noch nie in einer Siedlung gewesen sind, fragen sich (und mich), wie unsere Ortschaften eigentlich geschützt werden. Werden sie geschützt? Stehen da rund um die Uhr bewaffnete Soldaten am Tor? Türmt sich ein meterhoher Zaun um jede Siedlung? Gibt es Stromzäune ähnlich wie in Gefängnislagern, oder Sicherheitskameras, oder irgendwelche versteckten anderen Maßnahmen? Haben Einwohner per Fingerabdruck eine Registrierung vor der Einfahrt durchzugehen, oder gibt es Sicherheitscodes? Freilich, manche der Vorschläge, an die bestimmte Leute denken, lassen mich im Glauben, da hätte jemand zu viele Holocaustfilme geschaut oder wäre die Erinnerungen an die Berliner Mauer noch nicht los.
Denn noch nicht einmal die Terrorabwehrmauer, die 2001 um größere Städte und Orte unter PA-Kontrolle errichtet worden ist und aus Beton bzw. Drahtzaun  besteht, hat Fließstrom, sondern lediglich bestimmte Sensoren, die ein Herumwerkeln an der Mauer, eine Berührung oder einen Eindringungsversuch registrieren sollen.

Siedlungen sind wesentlich simpler geschützt – so, wie viele Ortschaften innerhalb der „Grünen Linie“, beispielsweise landwirtschaftliche Dörfer im Norden, bloß ist man in Siedlungen aufmerksamer und hat auch fortlaufende Kooperation mit der Armee vor Ort, da Judäa und Samaria offiziell unter Militärverwaltung stehen.

Die meisten Siedlungen sind von einem einfachen oder zweifachen Zaun umgeben, und die Einfahrten – je nachdem, wie viele es gibt – haben jeweils ein elektrisches Einfahrtstor und einen Wächter. Dieser kann ein sich in Fragen Sicherheit auskennender Einwohner sein oder ein bei einer Sicherheitsfirma arbeitender Berufswächter. Manche Siedlungen vertrauen lediglich auf den Zaun und eine gelegentliche Autopatroullie. Andere haben Kameras installiert, und diese unterstützen die Überwachung. Bestimmte Siedlungen – aber solche sind  nicht in der Mehrheit – haben sich gegen einen Zaun entschieden, nutzen aber Nacht- und Tageskameras, die von einer Einsatzzentrale aus überwacht werden. Am Einfahrtstor erkennt der Wächter die Einwohner – oder er nutzt seine Menschenkenntnis, um  festzustellen, von wem eine Gefahr ausgehen könnte und vom wem nicht, oder er schaut sich die Einfahrtserlaubnis ein, redet mit dem Fahrer und lässt hinein. Dasselbe gilt auch für die Nachtzeit.

Das klingt für einen Unaufgeklärten nach einer Festung, ich gebe es zu. Ein Journalist, der neulich bei mir zu Besuch gewesen ist, hatte sich das Einfahrtstor angesehen, ein großes,  gelbes Tor mit einer Schranke, wie man sie von Bahngleisen kennt, und dem Zaun um die Ortsgrenze herum – eine ganz normale Sicht für mich – und meinte genau das: „Das ist ja eine Festung.“ In Deutschland ist man schon länger nicht gewohnt, in Orten zu leben, wo die Umgebung einem feindlich gesinnt sein könnte. Zugegeben, es ist wohl in ganz Europa keine Regel mehr.

Allerdings ist der Aufwand um diese Maßnahmen längst Alltag, und gar nicht so massiv, wie er sich anhört. Außerdem sind Siedlungen mehr geschlossene Gemeinschaften denn Städte oder Dörfer im europäischen Verständnis. In Siedlungen leben Menschen, deren Anwesenheit von einer großen Zahl der umgebenden Bevölkerung unerwünscht ist, und die auch regelmäßig daran in Wort und Tat erinner. Außerdem wollen die Einwohner von Siedlungen sicher sein, dass ihre Kinder frei auf der Straße spielen können, dass auch nachts es sicher ist, von Haus zu Haus zu gehen, dass man nicht immer die Tür mit zwei Schlössern abschließen muss und dass man auch ein Fahrrad im Garten unabgeschlossen lassen kann – wie es generell der Fall ist in einer „normalen Stadt“. Kein Fremder hat einen triftigen Grund, in so eine Gemeinschaft zu fahren – alle Einkaufszentren, Tankstellen und andere öffentliche Orte liegen außerhalb der Siedlungen. Wenn dennoch jemand eine Siedlung besuchen möchte oder jemanden, der dort wohnt, der braucht eigentlich nicht viel – nett lächeln, begrüßen, ganz entspannt auf Fragen antworten, wenn sie gefragt werden, und vor allem, ganz wichtig – nichts Böses wollen. Denn Gastfreundschaft wird nicht nur in der arabischen Gesellschaft großgeschrieben, sondern ebenso in der jüdischen. Wir sind ja schließlich beide die Nachkommen Avrahams, wenn man so will. 😉

– Auf die Frage hin, ob Siedlungen geschützt werden sollen, gibt es vom sicherheitstechnischen Aspekt her – sprich, seitens der Armee – ein eindeutiges „Ja“ zur Antwort, und auch viele der Einwohner von Siedlungen fühlen sich durch Sicherheitsmaßnahmen um ihren Ort herum sicher und zufrieden – siehe die obige Begründung. Es gibt allerdings auch genügend Siedler, die im Prinzip gegen einen Zaun sind – auch gegen den Terrorabwehrzaun, der in unserer Gegend zwischen der Autobahn 60 und Bet Lehem verläuft. Hier einige der Argumente:

„Er schafft Fakten, er wird zu einer Grenze, wo keine ist.“ „Wieso können Araber frei ohne Zäune und Angst leben, und wir müssen uns hinter Abgrenzungen verkriechen?“ „Ein Zaun schafft den Eindruck, als höre das jüdische Land bei dem Zaun auf, und die Araber nutzen es aus.“

Aufgrunddessen führen einige Gemeinschaften, so z.B. die Agrarsiedlung Bat Ayin in Gush Etzion einen erbitterten Widerstand gegen die Errichtung eines Zauns durch die Armee, bis hin zu dem Punkt, dass jeder angebrachte Zaun von Einwohnern in derselben Nacht herausgerissen wird, wenn gerade keiner hinschaut. Das Problem speziell bei Bat Ayin ist, dass im arabischen Nachbardorf Zurif nicht minder selbstbewusste und stolze Araber leben, und Jugendliche aus Zurif und aus Bat Ayin haben regelmäßig Auseinandersetzungen. Manchmal sind es auch Diebstähle seitens der Zurif-Bewohner, oder Steinewürfe von beiden Seiten oder gar mehr. Die Armee beißt sich regelmäßig die Zähne an den Einwohnern von Bat Ayin und Zurif aus und fordert vehement einen Schutzzaun, um die Übergriffe zu mindern. Bisher ist es noch zu keiner Einigung gekommen.

Wo es aber zu Einigungen kommt, dort reichen auch nur Überwachungskameras, und die jeweilige Seite respektiert die vereinbarten Grenzen – der eine rührt das Feld nicht an, der andere kommt nicht in die Siedlung, und man grüßt sich von weitem. So etwas gibt es auch, und bekannt ist diese Art von guter Kooperation vor allem aus der Gegend von Gush Etzion.

Nur noch kurz zur Rolle der Armee: Die Armee dient in den Bereichen hinter der Grünen Linie als hauptsächlicher Verwalter und Gesetzesgeber, basierend  auf den Anweisungen der Regierung. Die Armee ist Hoheitsverwalter, die Anweisungen kommen vom Verteidigungsminister, und die höchste Instanz vor Ort ist der Hauptbefehlshaber der gesamten Fläche Judäa und Samaria. Heutzutage ist es General Nitzan Alon. Durch ihn kommen die Anweisungen an die verschiedenen Verwaltungsstellen der Armee, so beispielsweise bei uns in der Etzion-Basis im Herzen Gush Etzions. Dort sitzt die Kommandozentrale, die entscheidet, welche Orte wann, wo und wie  bewacht werden. Mit dieser Zentrale ist jede Siedlungsverwaltung und jeder Sicherheitsbeauftragte in Verbindung, und koordiniert die eigenen Aufgaben. In Fällen, wo ein Armeeeinsatz notwendig wird, wird diese kontaktiert, sofern die Einheiten vor Ort nicht selbst schon informiert sind.

⇒ Zum zweiten Beitrag über „Siedlungen und Sicherheit“ geht es hier.