Als ich heute morgen auf dem Weg zu meiner Arbeit bei der Haltestelle an der Kreuzung von Efrat , hatte sich etwas veraendert – es befanden sich mehrere bewaffnete Soldaten und ein kleines Zelt in Militaerfarben, das an den Weinbergen etwas weiter entfern stand. Ich hatte ein skeptisches Gefuehl – hatte sich die im Allgemeinen ruhige und unbewachte Haltestelle von Efrat in einen neuen Gefaehrdungspunkt verwandelt, wuerden auch hier nun Soldaten stationiert werden? Muss ich mich jetzt hinter sie stellen? (Und wer mich kennt, weiss, dass ich jede Normalisierungsmoeglichkeit der Bewachung vorziehe.)
Als ich naeher kam, sah ich Armeepolizisten und einen regulaeren Wachmann dabeistehen. Es musste etwas anderes sein. „Hey Bruder, ist die Haltestelle nun gefaehrlich geworden? Warum das Sicherheitsaufgebot?“, fragte ich laechelnd einen der Soldaten. “ Es werden heute einige Haeuser geraeumt…in Netiv Avot„, antwortete er. „Leider“, warf ein anderer Soldat, mit Kippa, ein.“ Achso, dann war es eher verstaendlich. „Auf allen Kreuzungen in der Gegend wurde Sicherheitspersonal stationiert, damit die Raeumung reibungslos verlaeuft“, fuegte der Soldat hinzu. „Werden noch weitere Haeuser abgerissen?“ Der Soldat umging die Frage. „Es sind 15 Haeuser.“ „Ich verstehe…danke.“ Dann kam auch schon ein Auto angefahren, das mich hoch zu einer anderen Haltestelle mitnehmen konnte. Ich rief ihnen „Viel Erfolg!“ zu und fuhr weg. Gemischte Gefuehle begleiteten mich auf dem Weg zur Arbeit. Ihretwegen konnte ich der Raeumung nicht beiwohnen, aber ich wusste nicht, ob ich tatsaechlich haette dabeisein wollen, obwohl es sicherlich etwas zu berichten gaebe…
Ein unangenehmer Vorfall ereignete sich gestern nacht (21.11) in Shchem/Nablus am Josefsgrab (Samaria), das neben dem hochkriminalisierten (Flüchtlings-)Viertel Balata liegt.
Drei Juden aus Israel, die am Josefsgrab inmitten der arabisch-palästinensischen Stadt beten wollten, gelangten nachts in die Stadt. Jüdische Pilger haben nach einem Abkommen mit der Armee bestimmte Zeiten und Tag(e) in der Woche, an denen sie zum
Auf der Karte
Grab gelangen können; in jedem Fall geschieht es nachts und wird von Armeekonvois bewacht. Gestern nachts fand einer dieser Besuchertage statt und etwa 1000 jüdische Pilger beteten unter Armeebewachung am Grab.
Die besagten drei Personen fuhren offenbar auf Eigeninitiative und ohne Absprechung mit der Armee oder als Teil einer Gruppe zum Grab und nachdem sie ihr Fahrzeug verliessen, wurde dieses von arabischen Einwohnern entdeckt und gestohlen und anschließend angezündet. Die drei mussten durch einen Armeeinsatz evakuiert werden. Gegen einen der unberechtigten Besucher wurde eine Klage eröffnet, dass er entgegen dem Beschluss des Militärgenerals eine für Israelis verbotene Zone (A-Zone, unter PA-Verwaltung = Nablus) betreten habe.
Die Anwälte des Betroffenen beklagten den Zustand, nach dem jüdische und arabische Israelis sowie nichtreligiöse gelegentliche jüdisch-israelische Besucher nach zweierlei Maß gemessen sein würden: demnach verfolge das Militärgericht die Linie, dass religiöse Pilger eher zu bestrafen sei, arabische Israelis allerdings durchgehend in die PA-Gebiete gelassen werden und sonstige israelische Besucher nicht gerichtlich geahndet werden würden.
wie ihr schon gemerkt haben werdet, habe ich seit Längerem nichts Neues mehr veröffentlicht. Ich habe momentan eine Schreibpause eingelegt, die wohl noch etwas dauern wird; ich hoffe, ihr werdet es mir verzeihen und dennoch weiterhin auf den Blog schauen. Es lohnt sich, den Blog zu abonnieren, um so nicht zu verpassen, wenn ich wieder neue Beiträge hochladen werde. (Siehe „Lies mit“ rechts in der Seitenleiste ⇒ )
Es haben sich in dieser Zeit einige Dinge um die jüdische Gemeinschaft in Judäa und Samaria getan:
das Pessach-Fest ist am Montag (17.04) zu seinem Ende gekommen. Tausende von Besuchern aus dem ganzen Land bevölkerten während der Pessach-Feiertage (7 Tage insgesamt) die zahlreichen Besucherattraktionen und Wanderrouten in ganz
Blick aufs Tote Meer
Judäa und Samaria. Auch ich habe mich, wie vor fast drei Jahren, auf eine Nachtwanderung zwischen der Ortschaft Kfar Eldad im Osten Gush Etzions und dem Toten Meer, quer durch die Judäische Wüste, begeben;
wenige Tage vor Pessach ereignete sich ein Attentat gegen zwei an der Bushaltestelle gegenüber der Ortschaft Ofra wachende
Sg.Elhai Taharlev sel.A.
Soldaten. Ein Terrorist überfuhr diese mit seinem Wagen. Dabei wurde der Soldat Elhai Taharlev (20) aus der unweit von Ofra liegenden Ortschaft Talmon getötet. Die trauernde Familie musste ohne ihren Sohn das Pessachfest begehen;
der Gründer und rabbinische Vorstand der Vorbereitungsakademie für die Armee in Eli (Binyamin-Region), Rabbiner Yigal Levinstein, hat mit seinen taktlosen
Rabbiner Yigal Levinstein
Ausführungen zum geschlechtsgemischten Armeedienst einen Skandal und eine große Debatte innerhalb der Gesellschaft ausgelöst, vor allem in nationalreligiösen Kreisen und bei führenden Rabbinern der Siedlerbewegung;
das Mädchen Ayala Shapira, welche im Dezember 2014 (Die Siedlerin berichtete) von einer Brandbombe, die ein jugendlicher Attentäter auf das Familienauto geworfen hatte, schwer verletzt worden war, hielt eine Ansprache vor Mitgliedern des EU-Parliaments im Rahmen der neu gegründeten „Freundschaftsgruppe für Judäa und Samaria“, einer
Ayala Shapira spricht vor den Parlamentariern
Unterstützungsgruppe aus EU-Parlamentariern, die vom Vorsitzenden der Regionalverwaltung Judäa und Samaria, Yossi Dagan, initiiert worden war. In ihrer Ansprache, bei welcher auch ihre Eltern dabei gewesen waren und gesprochen hatten, wies Ayala die Anwesenden darauf hin, dass bestimmte EU-Gelder, die an die palästinensische Autonomiebehörde überwiesen werden, von dieser an die Attentäter und ihre Familien gezahlt würden, und bat, die Überweisung dieser Gelder zu stoppen.
die „Autobahn des Terrors“ zwischen dem Dorf Hussan und der Stadt Beitar Illit in Gush Etzion, auf welcher es täglich
Das Auto von Eli’ezer Lesovoy nach der Attacke
Steinattacken gegen israelische Fahrzeuge gegeben hatte, wurde gerade durch die Armeekräfte als „ungefährlich“ erklärt – kurz darauf begann der Steinterror wieder, und das trotz eines Briefes der Einwohner von Hussan, sie würden sich gegen die Attacken stellen und sich die jüdischen Einkäufler im Dorf zurückwünschen. Auch das Auto meiner Freunde wurde von einem großen Steinblock getroffen – es gab zu Glück keine Verletzte;
Shlomo Neeman
der neue Regionalvorsitzende von Gush Etzion, Shlomo Ne’eman, der im März dieses Jahres gewählt worden war, hat endlich seine Arbeit vollends aufgenommen;
und natürlich kommt man nicht um Steinattacken und hin und wieder Molotow-Cocktails auf israelische Autos und Molotow-Cocktails auf herum. Und ab und zu gibt es auch feindliche Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Nachbarn – zumeist in der Samaria-Region.
Auch ich habe einiges hinter mich gebracht – so beispielsweise eine kleine Gruppe deutschsprachiger Teilnehmer einer Bildungsreise, die von der taz und ihrer Israel-Korrespondentin Susanne Knaul, zusammen mit ihrem Kollegen Georg Baltissen, organisiert worden war.
Ich hoffe, bald wieder zum Schreiben zu kommen und verbleibe bis dahin mit herzlichen Grüßen und guten Wünschen für den Frühling. Ich hoffe sehr, dass diejenigen unter euch, die Ostern feiern, ein gelungenes Fest gehabt haben!
Der 25.Dezember, ein Sonntag(und für die meisten von euch Lesern der 1.Weihnachtstag), wurde vom Obersten Israelischen Gerichtshof als der letzte mögliche Tag für den Abriss und die Räumung der Siedlung Amona und ihrer gesamten Bewohnerschaft von ca.40 Familien festgelegt. Bisher haben aktive Bemühungen, den Abriss der Ortschaft gänzlich zu verhindern, fehlgeschlagen. Auch ein Kompromiss zwischen den Parteien – den Bewohnern von Amona und ihrer Unterstützer innerhalb von Knesset und Regierung – und den klagenden palästinensischen Familien, repräsentiert und unterstützt von der Organisation „Yesh Din“ – konnte nicht herbeigeführt werden. Weiterhin stehen sich die zwei Seiten und ihre Unterstützer unversöhnlich gegenüber in ihrem Beklagen der aktuellen Situation rund um die Ortschaft und die aus ihrem Abriss folgenden Konsequenzen:
1 . Die Bewohner Amonas (Wortführer: Avichai Bo’aron, Familienvater aus Amona), die Anhänger der Siedlerbewegung und die das Regulierungsgesetz unterstützenden Parlamentarier klagen gegen die gezielte Herbeiführung von Vertreibung und Zerstörung einer seit 20 Jahren ansässigen Gemeinde; dem Austragen politischer Streitigkeiten auf dem Rücken individueller
Avichai Boaron, Quelle: INN
Menschen, einer politisch motivierten Eigentumsklage seitens der mutmaßlichen Besitzer, welche hauptsächlich durch die siedlungsfeindliche Organisation „Yesh Din“ geführt wird; den Mangel an juristischen Bemühungen, eine Alternativsituation für die Amona-Bewohner finden zu können/zu wollen (seitens der Regierung); die Aufgabe des Staates im Amona-Fall gegenüber einer politisierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, obschon die Förderung und Ausbau von Amona innerhalb der letzten Jahrzehnte durch den Staat selbst übernommen worden war. Ebenso fürchten sie, dass die Bestreben des Obersten Gerichtshofs sowie der sich gegen jüdische Besiedlung von Judäa und Samaria stemmenden Organisationen und Politiker mit dem Abriss von Amona einen neuen Aufschwung erhalten würden, sich auch gegen weitere jüdische Ortschaften in der Region zu wenden – solche, gegen welche Klagen wegen Verletzung des Eigentumsrechts bestehen und solche, gegen welche keine bestehen.
2 . Die Inhaber des Grundstücks (Familie Hammad/Ya’akub), die Organisation „Yesh Din“ und die gegen das Regulierungsgesetz und eine Alternativregelung stimmenden Parlamentarier klagen gegen die Verfälschung oder gar Außerkraftsetzung des Eigentumsrechts im Falle von Amona bzw. bei einer möglichen
Mitglieder der Familien Hammad (Mariam,rechts) und Ya’akub (links außen). Quelle: Yediot Ahronot
Annahme des Regulierungsgesetzes; gegen einen politisierten Vorgang seitens der Regierung und der rechten Koalition, um mehr Land in Judäa und Samaria in Besitz des Staates zu nehmen und somit eine Verfestigung der jüdisch-israelischen Präsenz in der Region zu garantieren; gegen Landenteignung, welche später zu einem Präzendenzfall in ähnlichen Fällen werden könnte; gegen die Verabschiedung eines Gesetzes bzw.juristischer Vorgänge, die Israels Ansehen in der Welt erheblich schaden und ggf.zu Klagen vor dem internationalen Gerichtshof führen könnte.
Der Entwurf des Regulierungsgesetzes, welches infolge der Affäre um Amona von den MKs Betzalel Smotritch und Shuli Mu’allem-Refaeli (Jüdisches Heim) ins Leben gerufen wurde, ist am 05.12 durch die erste Abstimmung der Knesset gekommen, trotz medienwirksamen Widerstand seitens linksgerichteter Parlamentarier und der Warnung des Rechtsberaters der Regierung, Avichai Mandelblit, er würde das Gesetz vor seiner Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht verteidigen können. 60 zu 49 stimmen für das Gesetz; kurzgefasst soll es durch den Staat enteignetes Land und sich darauf befindende Strukturen bei aufkommenden Eigentumsklagen von möglichen Besitzern gegen Abriss und Räumung schützen, und stattdessen Land- bzw. Geldkompensation für als solche erwiesene Besitzer erwirken.
Nun enthielt der Entwurf bei seiner letzten Abstimmung nicht mehr den Paragraphen, in welchem er Amona vor Abriss schützen sollte – obschon die Affäre selbst als Grund für die Initiative gewesen war. Vertreter der Bewohner von Amona sahen sich betrogen und für politische Zwecke verkauft und pochten in der Öffentlichkeit weiterhin darauf, keine Kompromisse seitens der Regierung
Amona. Quelle: INN
freiwillig annehmen zu wollen. Das hieße faktisch – keine Umsiedlung in temporäre Bauten auf anderem Grundstück, keine Schaffung neuer Viertel bei anderen Ortschaften wie Shvut Rachel, welche unweit von Amona liegt und deren Erweiterung die letzten Legitimierungsstadien durch die Armee durchläuft. Allerdings berichtet die Zeitung „Yedioth Ahronot“ (09.12.16), dass sich die Bewohner schon nach anderen Möglichkeiten nach dem 25.Dezember umschauen. So haben sich einige eine Wohnung im anliegenden Ort Ofra gemietet. Miriam Zachi, Fotografin und Foto-Berichterstatterin, welche auch die Affäre um Amona nachverfolgt, meinte zu mir in einem Gespräch, die Amona-Leute wüssten genau, dass sich der Kampf erübrigt habe, dass der Abriss unmittelbar bevorstehe und kämpferische Slogans diesen nicht verhindern werden können. Diese würden ohnehin von PR-Leuten und Jugendlichen nach außen getragen werden.
Neben dem Schmerz um die „nationale Sache“ und der Angst um die juristischen Konsequenzen für weitere Siedlungen, stehe auch der Schmerz um den Verlust des eigenen Heims, und das Gefühl der Enttäuschung durch die Regierung. Immer wieder war und wird dieses Argument betont – „die Regierung, der Staat, haben in uns investiert, jetzt kneifen sie vor dem Obersten Gerichtshof und lassen uns fallen.“
Die Klage der arabischen Landbesitzer wird als substanzlos angesehen. Die Einmischung von Linksaußen-NGOs wie „Yesh Din“, „Peace Now“ und ihre langjährige Agenda gegen jüdische Orte in Judäa und Samaria, verstärken den Protest gegen die Kläger, welche als Schauspieler, von den eigentlichen Protagonisten in den Topf geworfen, angesehen werden. Auch die willige Zusammenarbeit der arabischen Familien mit den NGOs gegen „die Siedler“ ist für die Siedlerbewegung in diesem Kontext zu erklären. Die Rolle des Obersten Gerichtshofs als Unterstützer der Anti-Siedlungsstrategie und seine Entscheidungskraft, welche die der demokratisch gewählten Abgeordneten und Regierung überwiegen soll – all das formt den Widerstand der Siedlerbewegung und der Unterstützer von Amona .
Was faktischen Widerstand angeht, so warnen die Anführer der Siedlerbewegung und die Einwohner von Amona vor gewalttätigen Protesten. Trotz der vielen Pressebeiträge, Poster, Ankündigungen und Warnungen anderer Art, die Räumung könnte wie in 2006 verlaufen oder schlimmer verlaufen (siehe im Beitrag hier), ist die Aussicht auf physische Gewalt gering, wird als nicht wünschenswert und sinnlos angesehen und das Credo „keine Gewalt gegen unsere Brüder“ (sprich: die Armee- und Polizeikräfte) übertönt den Ruf „Juden vertreiben keine Juden“. In diesem Sinne ist nur ein pro-forma Protest zu erwarten, welcher außer der Solidarisierung keinen größeren Zweck mehr erfüllen wird. Nachdem der Widerstand von 2005 bei der Gaza-Räumung zum größten Teil passiv gewesen ist und auf Dialog mit der Armee statt physischen Protest aufbaute und bei Amona 2006 durch Polizeigewalt niedergeschlagen worden war, scheint es, dass keine Form von Protest zu einem gewünschten Ergebnis führen kann, sobald auf politischer Ebene die Entscheidungen gefällt sind. Es sei denn…. es würden Zehntausende auf dem Amona-Hügel aufkreuzen. Das ist jedoch nicht in Aussicht.
Was erwartet uns in den nächsten Tagen?
Laut „Yedioth Ahronot“ (09.12.16) sprach sich der sich gegen das Regulierungsgesetz wendende Rechtsberater Mandelblit dennoch dafür aus, eine Anfrage für die Verschiebung der Amona-Räumung beim Obersten Gerichtshof einzureichen. Dies könnte ein weiterer Schritt sein, um Zeit zu gewinnen. Wofür? Unklar.
Das Regulierungsgesetz könnte in den kommenden Tagen und Wochen die zweite und dritte Abstimmung in der Knesset durchgehen und angenommen werden – es würde einen großen Wirbel verursachen, müsste vor dem Obersten Gerichtshof verteidigt werden, und der Ausgang davon würde unklar sein. De facto würde es den Abriss von Amona nicht verhindern, aber ihren Status als „Präzendenzfall“ und Beispiel für ähnliche Klagen mindern.
Die Räumung könnte früher als geplant angelegt werden. Das würde Chaos vor Ort verursachen, und trotz der Warnung vor physischer Gewalt dennoch zu aktivem Widerstand, zumindest seitens Jugendlicher, führen. Nur diejenigen, die vor Ort am Puls des Geschehens liegen bzw. die Entscheidungen der Armee-Organe kennen, können es genau vorhersagen.
Eine Kompromisslösung für die Bewohner kann gefunden werden, solche wie die Umsiedlung eines Teils der Bewohner auf eins im israelischen Recht als „Eigentum von nichtanwesenden/nichtexistenen Besitzern“ eingestuftes Gebiet, nahe des eigentlichen Amona-Areals. Die Bewohner könnten zustimmen, freiwillig in ein neues Viertel von Shvut Rachel umzuziehen.
Und natürlich ist immer etwas möglich, was es im Lexikon der meisten Gesetzesbücher gibt, so oder anders formuliert, nennt sich diese Situation „Eingriff durch höhere Gewalt“… Darauf hofft man entweder zuallererst oder zuallerletzt, aber mit der „höheren Gewalt“ kann man sich auch verrechnen.
Das größte und erfolgreichste Projektin der Geschichte der israelischen Projekt- und Spendensammelseite Headstart.co.il(inspiriert von einer ähnlichen Webseite in den USA, Kickstarter), welches erst am Donnerstag, dem 02.Juni ’16, ins Leben gerufen wurde, hat schon sein mehreren Tagen seine erste Zielsumme überschritten – 600.000 Shekel – und eigentlich hat es auch mehrere hunderttausend Shekel mehr als die zweite Zielsumme, die diesem gesetzt wurde, eingesammelt – alles in allem 1,528,601 Millionen Shekel.
Dutzende von Medien und tausende Posts in sozialen Netzwerken berichteten auf Hebräisch und Englisch über das Projekt und priesen die Großzügigkeit und überwältigenden Einsatz für einen für die meisten Spender komplett fremden Menschen – Yehuda Yitzhak Hayisraeli.
Die Kampagne, ins Leben gerufen am besagten 02.06. 2016 von der Non-Profit-Organisation „My Israel“ (manche mögen ihre Aktivitäten auf Facebook verfolgt oder einige Posts gesehen haben), entstand für einen noblen Zweck; gleichzeitig offenbarte sie ganz Israel, durch die überwältigende Teilnahme und die Berichterstattung in der zumeist neutralen bis kritischen Presse, die aber auch bei diesem Fall nicht gleichgültig bleiben konnte, die menschenunwürdige und gar entsetzende Haltung, welche die staatlichen Organe gegenüber denen pflegen, die für sie in den Krieg und in den Tod ziehen. Beispielsweise dann, wenn diese an einem Ort wohnen, deren Bewohner für politische Spielereien ausgenutzt werden können, wann immer es den Politikern beliebt. Alle Bürger sind gleich vor dem Gesetz, aber manche sind eben weniger gleich, mögen sie noch so sehr ihr Leben aufs Spiel setzen.
Zu den Fakten.
Wer ist Yehuda Yitzhak Hayisraeli?
Yehuda, Rivka und die kleine Tzuria (Quelle: Binyamin Council)
Yehuda ist ein junger Mann, 24 , Ehemann von Rivka (23), Vater von zwei kleinen Kindern – Tzuriá und Érez. Geboren in der Siedlung Psagot (Binyamin-Region), wuchs er mit seinen Eltern in der Ortschaft Ofra (ebenso Binyamin) auf. Als er und Rivka heirateten, da waren beide Anfang 20, sie zogen um nach Tel Aviv, wo die Eltern seiner Ehefrau wohnten. Im Herbst 2012, im Rahmen seines religiösen Studiums kombiniert mit dem Armeedienst, wurde Yehuda in den Wehrdienst eingezogen. Anstatt nah am Wohnort zu dienen, was er als verheirateter Mann hätte verlangen können, entschied er sich, in eine Kampfeinheit einzutreten (bei den GIvati-Einheiten), zog die Examen durch und wurde angenommen.
„Er ist ein Mensch, dem das jüdische Volk wichtig gewesen ist. Das Geben war ihm wichtig“, beschrieb ihn sein Vater (Israel Hayom, 27.03.15).
Der Einsatz und die Folgen
Im Juli 2014 begann die Militäroperation „Fels in der Brandung“, im Anschluss an die Entführung der drei Jugendlichen Eyal, Gil-ad und Naftali einen Monat zuvor. Verschiedene Einheiten der IDF marschierten im Laufe der Operation in den Gazastreifen ein, um Terroristenzellen zu neutralisieren und die erst seit Neuestem bekannt gewordenen Terrortunnel, welche aus dem Streifen ins Kernland Israel führten, ausfindig zu machen. Yehuda, der sich gerade in einem Offizierskurs befand, war gerade für einen kurzen Urlaub daheim, aber konnte angesichts der Kriegshandlungen nicht stillsitzen, so berichtete seine Frau Rivka im Nachhinein; er wollte zusammen mit den anderen Kameraden sein. Rivka befand sich gerade im 9.Monat, ließ ihren Mann aber zur Front. Am 1.August, einige Tage später, wurde der Verdacht auf Entführung eines der Soldaten öffentlich gemacht, und Yehuda und weitere Soldaten der Spezialeinheit wurden in den Gazastreifen, nahe der Stadt Rafiah, geschickt, um den Entführten aufzuspüren.
Während ihres Vormarsches in einem Trainingslager der Hamas gerieten sie ins Kreuzfeuer einer technischen Einheit der Armee, welche die Gebäude auf dem Weg zu sprengen hatte, um den Vormarsch zu garantieren. Yehuda wurde von einem Raketensplitter in den Kopf getroffen. Lebensgefährlich verletzt, wurde er ins Soroka-Krankenhaus in Be’er Shewa transportiert, im Laufe des Tages und der Nacht mehrfach operiert, ins Koma versetzt. Tag und Nacht wachten Familie und Freunde. Sein Zustand veränderte sich – verschlimmerte sich, verbesserte sich wieder, Yehuda verblieb im Koma. Zwei Monate lag er in der Notaufnahme, überlebte fünf Kopfoperationen. Laut Sara Ha’etzni-Cohen, der Direktorin der NGO „My Israel“, musste etwa ein Drittel seines Schädels, der irreparabel beschädigt worden war, entfernt werden.
„Wir wissen, dass er hört und fühlt“
Nur wenige Wochen nach der schicksalsträchtigen Verletzung, am 21.August, wurde Yehudas zweites Kind geboren, fünf Tage vor dem offiziellen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas. Am 28.August wurde die traditionelle Beschneidungszeremonie abgehalten – im Krankenhaus, im Korridor neben Yehudas Krankenzimmer. Der Komapatient sollte, so möglich es nur war, bei der Beschneidung und Namensgebung seines Sohnes dabei sein. Das Krankenpersonal, welches sehr eng mit der Familie Hayisraeli zusammenstand, organisierte die Zeremonie. Der Sohn wurde Érez benannt – auf Hebräisch Zeder. Auf den Namen hatten sich Yehuda und seine Frau noch vor seinem Einsatz geeinigt.
Rivka brachte das Mädchen, Tzuria, die damals noch keine zwei Jahre war, erst einige Monate nach Yehudas Verletzung zum Vater, als er ins Rehabilitationszentrum Shiba (Tel Hashomer Hospital,
Rivka Hayisraeli. Quelle: Israel Hayom
nahe Tel Aviv) überführt worden war. Sie hatte Angst vor der Reaktion des Kindes auf den durch die Verletzung und die Kabel kaum erkennbaren Vater . Entgegen ihrer Sorgen, so berichtete sie in einem Interview (Israel Hayom), reagierte das Kind ganz normal und zeigte keine Berührungsängste. Auch den kleinen Sohn brachte Rivka von da an ans Krankenbett, nahe zum Vater, damit dieser sich an den Geruch gewöhnen konnte.
„Wir wissen, dass er hört und fühlt, er ist einfach gefangen in sich selbst und kann nicht reagieren.“ (Rivka)
Iris und David Hayisraeli am Bett von Yehuda. Quelle: Israel Hayom
Die Eltern, Iris und David, hatten außer des Kummers um den Sohn noch mit vielen weiteren Sorgen zu kämpfen – der weitesgehend als müßig und träge bekannten Bürokratie der israelischen Armee und weiterer offizieller Stellen. „Wir haben gute Menschen gefunden, die uns so gut es geht helfen wollen. (…) Sie waren bereit, Ausnahmebitten zu akzeptieren, um es uns zu erleichtern. Sie bezahlen uns die Anwesenheit in den Gästezimmern am Shabbat, ein behindertengerechtes Auto, das ihm zustehen sollte, lieferten sie mir an seiner statt, unterstützen uns mit dem Kindergartengelt für Tzuria und Erez, und uns begleitet auch eine Sozialarbeiterin“, berichtete David Hayisraeli im selben Interview in 2015. Und dennoch: Das Bürokratierad drehte sich langsam, und die Folgen der politischen Kräftemessungen und Launen blieben auch Yehuda und seiner Familie nicht erspart.
Behindertengerecht? Nicht für Siedler
Ein Jahr nach seiner Hospitalisierung begann Yehuda, Handbewegungen zu zeigen und damit auf Ja-und-Nein-Fragen zu antworten. Im Oktober 2015 schließlich begann er, die ersten Worte zu sagen. Seine Genesung ging voran, in sehr langsamen Schritten, aber ein Horizont wurde endlich sichtbar. Im Frühjahr wurde eine weitere wichtige Operation an ihm durchgeführt, und die Rehabilitation hatte eine Phase erreicht, bei welcher Hayisraeli in das Haus seiner Eltern in Ofra überführt werden durfte, um dort, in familiärer Umgebung, weiter behandelt zu werden. Die täglichen Fahren der Familie ins Krankenhaus, die Übernachtungen in den Hotelzimmern und die andauernde Hospitalisierung durfte endlich zu ihrem Ende kommen, fast zwei Jahre hatte diese angedauert.
Um das Haus seiner Eltern behindertengerecht umgestalten zu können, müssten einige Dinge angepasst werden – eine
Haus der Familie Hayisraeli. Quelle: Channel 10
Einfahrtsrampe zum Haus, eine besonders eingerichtete Wohneinheit, ein Behindertenaufzug und anderes mehr. Da Ofra eine Siedlung ist, eine vom Staat seit Jahrzehnten anerkannte, aber ihre Bewohner – israelische Staatsbürger – dennoch zunächst einmal dem Militärgesetz in den Gebieten von Judäa und Samaria unterliegen, mussten für das neue Zimmer und die zusätzlichen Erweiterungen für den Sohn seitens der Familie über das Verteidigungsministerium beantragt werden.
Hier liegt Ofra.
Das Verteidigungsministerium, speziell die Abteilung für im Kampf verletzte und als körperlich oder geistig behindert eingestufte Soldaten, ist dafür verantwortlich, das Geld und die entsprechenden Anpassungen bereitzustellen, um dem betreffenden Soldaten ihm gerecht werdende und würdige Lebensumstände zu ermöglichen, welche eine weitere Rehabilitation fördern können. Nach knapp zwei Jahren Krankenhausaufenthalt und schwieriger Behandlungsprozesse, inklusive mehrerer schwerwiegender Operationen, ist Yehuda endlich soweit, ein Leben im Haus seiner Eltern neu aufnehmen zu können.
Aber dieses Recht scheint nicht für „Siedlersoldaten“ zu gelten. Denn das Verteidigungsministerium, trotz aller eingereichten Formulare und des geltenden Rechts für verletzte Soldaten, weigert sich, den Ausbau eines solchen Raumes sowie weiterer Bauanpassungen für Yehuda stattzugeben. Denn für die Siedlung Ofra gilt ein Baustopp. Es wird nicht gebaut. Auch keine Rampe, kein Behindertenaufzug, erst recht kein zusätzliches Zimmer. „Siedlungsbau ist eingefroren“, heißt dieser Zustand normalerweise in den regulären Berichten der deutschen und internationalen Medien. So lauten auch immer wieder die Forderungen sämtlicher internationaler Regierungen. Diese fragen niemals nach, wer von einer solchen „Einfrierung“ betroffen sein könnte, wem sie tatsächlich nutzen oder gar schaden könnte.
In diesem Fall betraf sie Yehuda. Darüber berichteten die Nachrichten des Channel 10 und 2 – und so besagt ein offizielles Schreiben des Verteidigungsministeriums vom 24.05.2016:
Offizielles Schreiben des Verteidigungsministeriums, 24.05.16. Quelle: Akiva Lamm
„An Yehuda Hayisraeli (über seine Vormünde):
Bezüglich der Anfrage um finanzielle Unterstützung für die Errichtung einer Wohneinheit nahe des Elternhauses: Es ist entschieden worden, dass es keinen Anlass gibt, zu dieser Zeit über die Anfrage zu entschceiden, solange es keine Baugenehmigung gibt, daher wird die Besprechung der Anfrage auf ein Weiteres verlegt, bis eine Baugenehmigung vorliegt.“
Seine Eltern erzählen, dass wenn Yehuda in seinem Rollstuhl in das Haus der Familie gebracht werden soll, beispielsweise an den Wochenenden, so wird er einige Dutzend Stufen hoch ins Haus getragen. Soll ihm Physiotherapie verabreicht werden, so erzählt Mutter Iris für Channel 10, so muss er per Kran angehoben und auf den Tisch gelegt werden:
„Wir verlangen keine Paläste, wir verlangen elementäre Zustände, die ihm seine Würde erhalten und eine Rehabilitation ermöglichen können.“
„Wenn der Staat nicht sorgt, werden wir es tun“
Am 02.Juni 2016 eröffnete die Organisation „My Israel“ die Spendenkampagne zugunsten der behindertengerechten Anpassungen für Yehuda, nach Absprache mit der Familie. Die Initiatorin – Vorsitzende der Organisation, Sara Ha’etzni-Cohen. Die Kampagne startete unter dem Motto – „Wenn der Staat nicht für Yehuda sorgt, werden wir es tun.“ Nach knapp zwei Tagen erreichte die gesammelte Summe über 600.000 Shekel. Der Gesamtanbau würde sich auf 1,2 Millionen belaufen. Sprachlos von dem Erfolg, erhöhten „My Israel“ die Zielsumme auf die eigentliche Kostenanzahl. Am 05.Juni belief sich die Spendensumme auf über 1 Million. Am 07.Juni erlange sie schon über 1,500,000 Shekel. Über 8200 Spender engagierten sich, aus allen Landesteilen, aus allen Landesgruppen.
Einige Tage zuvor, am 05.Juni, interviewten die Reporter des Channel 2 die Initatorin, fragten sie nach den Rückmeldungen der Spender und brachten erneut die Rückmeldung des Verteidigungsministeriums, die wie folgt lautete:
Rückmeldung des Verteidigungsministeriums, 05.06.16 (Quelle: Channel 2)
„Zu unserem Leidwesen erfüllt die Familie die notwendigen Kriterien, die eine solche [finanzielle] Unterstützung ermöglichen, auch unter Ausnahme des gültigen Rechts. Zudem hatte die Abteilung für Rehabilitation der Familie verschiedene Lösungsmöglichkeiten für die gestellte Anfrage vorgeschlagen. Das Verteidigungsministerium sucht weiterhin nach Lösungen zusammen mit der Familie, um die Rehabilitation von Yehuda zu unterstützen.“
Bauarbeiten am Haus. Quelle: My Israel (FB)
Am selben Tag begannen die Arbeiten am neuen Raum und der Rampe für Yehuda in seinem Heimatort Ofra. Wie ein Familienangehöriger in einem Interview erklärte, „wir werden trotzdem bauen“. Technisch ließ sich dies allerdings erst nach der Spendenaktion ermöglichen. NRG berichtete über den Beginn der Bauarbeiten und zitierte die stellvertretende Außenministerin Tzipi Hotovely, welche sich darüber empörte, dass in keinem „ordentlich geführten Land ein Staat einen Soldaten, der für ihn gekämpft hat, zum Geldsammeln schickt, damit dieser in angemessenen Umständen nach Hause zurückkehren kann“.
Man darf nicht vergessen, dass im Laufe des Monats Mai der damalige Verteidigungsminister Moshe Ya’alon sein Amt am 20.Mai aufkündigte. Am 30.Mai wurde der neue Minister, Avigdor Lieberman, welcher selbst in einer Siedlung, Nokdim (Gush Etzion) wohnhaft ist und für seinen rechtsorientierten politischen Kurs, allerdings auch für seine Launenhaftigkeit und politischen „Zigzag“ bekannt ist, vereidigt. Am 06.06. zitierte „My Israel“ den Tweet von Channel 2, der wiederum einen Tweet von Avigdor Lieberman selbst wiedergab:
Quelle: My Israel
„Das Verteidigungsministerium wird die Ausgaben für den Anpassungsbau von Yehuda Hayisraeli übernehmen.“
Ein weiteres Statement besagte, dass Verteidigungsminister Liebermann den Militärgouverneur von Judäa und Samaria angewiesen hatte, die Bauarbeiten an Hayisraelis Haus nicht zu unterbrechen.
Noch immer nichts
Nach diesen hoffnungsvollen Botschaften, auf die Änderung eines Kurses seitens der Staatsorgane hindeuteten, erfolgte allerdings noch immer keine offizielle Wendung dieser an die Familie, geschweige denn eine finanzielle Unterstützung. Die Bauprozesse werden von den Spenden getragen, ebenso der Erwerb der Einrichtungen für die Physiotherapie. Eine Mitwirkung des Staates scheint nicht in Sicht.
Die Organisation „My Israel“ hat auf ihrer Facebookseite die neuesten Entwicklungen veröffentlicht und versichert, die gespendeten Gelder unter der Beaufsichtigung eines unabhängigen Gremiums entsprechend ihrem Zweck zu verwenden Bericht zu erstatten, und im Falle einer Finanzierung durch den Staat die Spender zu kontaktieren und ihr Einverständnis zur Verwendung einzuholen, oder aber die Summe zurückzuerstatten.
Yehuda Hayisraeli heute. Quelle: Channel 10
Die Familie hat darum gebeten, die Spenden einzustellen; noch immer sprachlos vom gewaltigen Einsatz der israelischen Öffentlichkeit für ihren Sohn, möchte sie jedoch von nun an das natürliche Recht verlangen, das Yehuda Hayisraeli zugesteht – angemessene Wohnverhältnisse für einen im Kampf lebensgefährlich verletzten israelischen Soldaten, einem israelischen Staatsbürger, dem Vater von zwei Kindern. Auch Yehuda selbst ist mittlerweile in der Lage, die Worte „Ich will nach Hause“ auszusprechen – mit Mühe, doch er kann das.
Aber die Frage bleibt – wenn das Haus umgebaut wird und Yehuda endlich einziehen darf , wird der israelische Staat ihm seine Rehabilitation legal ermöglichen können – oder wird Yehuda für den Staat Israel als „illegaler Siedler“ gelten?
(Quellen: Channel 2, NRG, Channel 10, Ynet, Israel Hayom)
In unserer Karavanensiedlung haben wir eine gemeinsame Whatsapp-Gruppe für alle Einwohner. Diese ist auch recht lebendig, und auch öfters mal nützlich, wenn man sich untereinander austauschen kann.
Ortschaftenkarte Gush Etzion.
Als gestern, 24.02.16, die Nachricht von Jochanan, meinem Nachbarn, mit der Bitte um ein Gebet für Genesung verschickt wurde, wusste ich schon zuvor, dass es ein Attentat gegeben hatte, wieder einmal bei uns an der Gush Etzion-Kreuzung, um die Mittagszeit. Es war immer dasselbe Prinzip – Araber mit Messer hatte versucht, an der Bushaltestelle wartende Menschen anzugreifen.
Dieses Mal war etwas „schief gelaufen“ – den Nachrichtenmitteilungen entsprechend rannte der Attentäter auf die Gruppe Wartender zu mit einem Messer in der Hand, doch wurde schnell von den Sicherheitskräften, die jede Haltestelle auf der Kreuzung säumen, entdeckt. Auch einer der Wartenden
Gush Etzion Kreuzung. Quelle: Regionalverwaltung
entdeckte den Terroristen, Eliav Gelman, 30 Jahre, aus der benachbarten Siedlung Karmey Tzur. Eliav, Vater zweier kleiner Kinder und Reserveoffizier in einer Einheit der israelischen Luftwaffe, war gerade unterwegs nach Hause von einer Reserveübung und trug eine Waffe bei sich. Er zückte die Waffe, als er den Angreifer auf sich zulaufen sah, und schoss. Dasselbe taten auch die Soldaten.
Quelle: MDA
Der Terrorist wurde niedergeschossen, mittelschwer verletzt. Doch ebenso wurde Eliav. Er geriet in die Schusslinie der Soldaten, zwei Kugeln trafen ihn am Oberkörper und verletzten ihn lebensgefährlich.
Nach der moralischen Leitlinie der israelischen Armee und der medizinischen Versorgungsdienste wird bei Verletzten kein Unterschied gemacht, ob es sich dabei um Opfer oder Täter handelt, um Angreifer oder um Verteidiger. Beide werden gleichermaßen entsprechend ihrer Verletzungen versorgt und ins Krankenhaus gebracht. Der Terrorist wurde evakuiert. So auch Eliav.
Eliav Gelman.
Kurze Zeit später gaben die Nachrichten bekannt: Der Terrorist, ein 26-jähriger Mann, von Beruf Lehrer, aus den Südhevronbergen, wurde behandelt und hatte überlebt. Eliav verstarb an den Schusswunden.
Diese Art von Tragik hatte es schon zwei Mal während der letzten „Messerintifada“ gegeben; einmal war es ein offenbar geistig verwirrter Mann in einem Jerusalemer Bus, der etwas von „Isis“ schrie und mit einem Werkzeug fuchtelte und in diesem Kontext erschossen wurde – die Untersuchungsergebnisse hatten dies ergeben. Ein ander Mal wurde ein eriträischer Flüchtling nach einem Attentat auf dem Zentralbusbahnhof in Beer Shewa, der versehentlich für den Attentäter gehalten und erschossen wurde.
Und jetzt, Eliav, ein Opfer der Situation, gestorben an den Kugeln der eigenen Kameraden, während er dabei war, ein Attentat auf Unschuldige abzuwehren.
In meiner Whatsapp-Gruppe fand ich heraus, dass es sich bei Eliav um den Ehemann der Schwester meiner Nachbarin Chenit handelte, hier aus der Karavanensiedlung. Diese Nachricht reichte mir, um trotz des späten Arbeitsschlusses in Jerusalem zur Beerdigung zu reisen, welche am selben Abend auf dem lokalen Friedhof des Kibbutz Kfar Etzion stattfinden sollte.
Eliav. Ich kannte ihn nicht, aber trotz der üblichen Trauer um ein weiteres Terroropfer wollte ich Anteil am Schicksal meiner Nachbarin zeigen, deren Schwester es getroffen hatte. Alle sie sind jung, was sind schon 30 Jahre und zwei kleine Kinder? Das Leben sollte vor ihnen stehen und nicht unter ihren Füßen begraben werden…
Ich wartete auf einen Anhalter an der Autobahnkreuzung 60 im Stadtteil Gilo, Jerusalem, Richtung Gush Etzion. Kaum eine Minute war vergangen, da hielt ein Fahrzeug an. „Kfar Etzion“, sagte einer der jungen Männer mit Kippa im Wagen. Der Kibbutz, wo die Beerdigung stattfinden sollte. Ich stieg ein, es dauerte noch, bis er die Windschutzscheibe gereinigt bekam. Unterdessen fragte ich seinen Beifahrer und noch eine Zugestiegene, ob sie zur Beerdigung von Eliav fahren würden. Sie bejahten.
Wir fuhren los. Die beiden unterhalten sich vorne, plötzlich sagt der Fahrer: „Erst heute mittag habe ich ihn zur Gush-Kreuzung gefahren. Von hier aus, von Gilo. Ich habe ihn dort abgesetzt und bin heimgefahren. Ich kenne ihn aus dem Reservedienst. Am vorigen Abend haben wir noch miteinander gechattet. Ich kenne ihn nicht wirklich gut genug, aber wir waren zusammen in der Reserve.“
Und er erzählt mir, die ich sprachlos bin von so einer unerwarteten Information, wie er kurz nach dem Absetzen von Eliav aus den Nachrichten von dem Anschlag erfuhr, und dann gab man auch den Namen des Opfers frei. Er war geschockt.
Ich bin es auch. Es ist mehr als nur eine „kleine Welt“, die hier zum Vorschein kommt. Mehr als nur Nachbarschaft. Alle sind wir irgendwo, irgendwie miteinander verbunden. Der Reservekamerad. Der Verwandte der Nachbarin. Der Bekannte der Freunde aus einer Stadt. Der Kollege, der Kollege des Kollegen, der Sohn der Bekannten. Wenn man hier lebt, muss man sich unwillkürlich fragen, wen es als nächstes trifft, unwillkürlich zittern bei jeder Anschlagsmeldung, „wird mir der Name des Opfers bekannt sein?“
Und selbst wenn dieser es nicht ist, dennoch trifft es ins Herz. Andere. Mich. Als würde wieder und wieder ein Gliedmaß abgehackt werden, mitten im Blühen, mitten im Leben.
Die andere Mitfahrerin kannte Eliav nicht, wohl aber seine Eltern, mit welchen er in der Stadt Kiryat Arba bei Hevron aufgewachsen war.
Der Fahrer und sein Freund unterhalten sich leise über den Ermordeten, das, was sie über ihn wissen; er sei bescheiden gewesen, zurückhaltend, professionell, familientreu, ein Mensch mit einem guten Ruf. Im Radio spielt melancholische Musik, draußen ist es dunkel, die Klimaanlage heizt die Luft im Fahrzeug und wir fahren, dicht aneinander gedrängt, ab und zu ein paar Worte wechselnd, fixiert auf unser Ziel – den Friedhof.
Dann kommt der Stau. Die Landstraße, welche zum Kibbutz führt, ist von Autos verstopft. Alle scheinen zur Beerdigung fahren zu wollen. Ob sie alle ihn gekannt haben? Ich wage zu bezweifeln. Wenn es nicht etwas mit meinen Nachbarn zu tun gehabt hätte, glaube ich kaum, dass ich selbst gekommen wäre. Ich gehe nicht oft zu Beerdigungen, ich mag sie nicht, es verstört mich zu sehr, es belastet, es geht mir nahe. Ich bevorzuge es, zu schreiben, anstatt am Grab zu weilen und das Weinen der Hinterbliebenen zu hören. Aber hier sind die Menschen nicht wie ich. In Israel, und vor allem in Judäa und Samaria, sind die Menschen anders. Sie begleiten einen – den Lebenden, von Geburt an, in der Kindheit, bis zur Bar/Bat Mitzwa, bis zum Einzug in die Armee und bis unter den Heiratsbaldachin; sie begleiten einen zu den wichtigsten Stufen und Ereignissen des Lebens, bis ins Alter und bis zum Tod. Sie lassen niemanden fallen. Sie umarmen – die Familie, den Verstorbenen und die Erinnerung an ihn.
Die Straße, die zum Friedhofstor führt, ist übersät von parkenden Autos. Es ist dunkel, nur der Vollmond leuchtet über den Hügeln und dem Tal, welches sich rechts von uns erstreckt und die Sicht auf die leichtenden Punkte der Dörfer und Städte talabwärts und bis zur Mittelmeerküste bietet.
Es strömen mehr und mehr Menschen aufs Gelände. Wir müssten insgesamt einige Hundert sein.Trotz der Menschenmenge herrscht eine, ganz dem Wort nach, Totenstille. Dann scheint sich etwas zu bewegen. Von oben her steigen Soldaten herab, einige Reihen von feierlich angezogenen Soldaten, sie tragen eine Bare mit dem Leichnam von Eliav. Eine Bare, und keinen Sarg. Wir haben keine Särge im Judentum. Der Mensch wird, in den weißen Gebetsmantel und manchmal auch, wie bei Soldaten, in eine Flagge eingewickelt, einfach so in die Erde gelegt. „Von Staub gekommen, zu Staub geworden“. Nichts soll diesem im Wege stehen.
Und dann, als die Soldaten heruntersteigen, hört man das Weinen. Vor allem von Frauen. Weinende, rufende Stimmen, von Eliavs Frau, Schwestern, Eltern. Der Kreis der Weinenden breitet sich aus; Schluchzen kommen aus weiteren Reihen – von Freunden, Bekannten, fremden Anteilnehmenden wie mir?
Und Er ist erbarmungsvoll, vergibt Sünde und vernichtet nicht, zügelt Seinen Zorn und zeigt nicht Seine ganze Wut“
(Psalm 78)
Das Grab wird mit Erde bedeckt. Ich sehe Jochanan, meinen Nachbarn, wie auch er zum Spaten greift. Das Weinen wird lauter. Meine Seele schmerzt bei dem Gedanken daran, wie sich die junge Ehefrau – Witwe – fühlen muss, wenn sie der Erde zuschaut, die nach und nach den Körper ihrer vor einigen Stunden noch lebendigen Mannes, dem Vater ihrer Kinder, bedeckt. Einem Mann, der sich an die Frontlinie wagte, um Terror abzuwehren und diesem erlag.
Alles geschieht sehr schnell hier. Das Leben, der Terror, der Tod, und auch das Begräbnis. Man lässt die Toten nicht über Nacht weilen. Am Mittag noch quicklebendig, am Abend schon in der Erde. Der Armeerabbiner, der die Zeremonie leitet, kommt zu den nahen Angehörigen – Eltern, Ehefrau – und erklärt ihnen, wie sie ihre Kleidung anzureißen haben und welchen Segensspruch sie über Eliavs Tod sprechen sollen. Beides ist das jüdische Gesetz und es wird ausgeführt, auch wenn es schmerzt. Der Kleidersaum am Hals reißt, auch die Herzen reißen. „Gesegnet ist der Herr, der wahre Richter.“ Das sagen wir hier in Israel, wenn wir von einer Todesnachricht erfahren. Wie muss es aber sein, wenn man dies über das eigene Familienmitglied sagen und die Entscheidung akzeptieren muss?…
Gott, schweige nicht, werde nicht taub und ruhe nicht
Denn siehe, wie Deine Feinde aufheulen, und Deine Hasser ihren Kopf heben
Gegen Dein Volk plotten sie sich zusammen, gegen diejenigen, die Du liebst
Sie sagten – gehen wir hin und löschen sie aus
Und an den Namen Israel soll nichts mehr erinnern!“ (Psalm 83)
Der Rabbiner liest die Psalmen vor, und dann kommen Grabesreden. Der erste, der spricht, ist der Integrationsminister und Minister für Jerusalem-Angelegenheiten Ze’ev Elkin; auch er wohnt hier, in Gush Etzion:
„Die Kreuzung der drei Kinder, die Kreuzung des Blutes! Welchen Preis haben wir für diese Kreuzung bezahlt, und für unser Festhalten an diesem Land. Diese Kreuzung ist ein Symbol dafür. Migdal Eder [1927 von arabischen Dörflern verwüstet, Anm.], das alte Kfar Etzion [von 1943, 1948 von arabischen Legionen verwüstet, Anm.] und bis heute. Wir leben hier, weil wir Jerusalem verteidigen. Diese wilden Tiere, die uns angreifen, wissen es, und deshalb greifen sie uns hier an, um uns von hier verschwinden zu lassen. Aber wir werden nicht von hier weggehen, es wird ihnen nicht gelingen. Bestimmt habt ihr schon gehört, dass der Terrorist ein Lehrer gewesen ist! Ein Lehrer! Das ist ihre Erziehung. Sie erziehen ihre Kinder dazu, zu töten. Wo sind sie und wo ist unsere Erziehung dagegen! Wir bringen unseren Kindern bei, zu leben.
Hört uns, Nachbarn, es reicht, es wird euch nicht gelingen, hört es auf! Ob mit Messern oder mit Gewehren, mit denen ihr auf uns losgeht, wir gehen nicht von hier, genug!“
Offiziere verschiedenen Ranges, Befehlshaber und Kameraden, treten ans Mikrofon und beschreiben einen jungen, furchtlosen Mann, kampferprobt und professionell in der Erfüllung seiner Aufgaben, und dennoch bescheiden, zurückhaltend, familienbewusst, lernfreudig. „Die israelische Nation weiß nicht, wieviel an ihrer Sicherheit sie diesem Mann verdankt“, sagt einer. „Möge Gott unseren Anführern den Mut geben, sich nicht vor den Europäern und nicht vor den Amerikanern zu fürchten. Man darf den Kopf nicht vor einem Nichtjuden neigen, auch wenn er der Präsident von Amerika ist. Ein Jude muss das tun, was für das jüdische Volk richtig ist“, sagt ein bärtiger Redner mit zitternder Stimme, mir unklar, in welcher Funktion.
„Deine Bibliothek daheim zeugte davon, was für ein Mensch du warst“, so beginnt der Ortsrabbiner von Karmey Tzur seine Rede, „so viel Gutes hat von dir gestrahlt, so viel Bescheidenheit und Zärtlichkeit, ja, Zärtlichkeit, konnte man in deiner Stimme hören, wenn du gesprochen hast.“ Er wendet sich auch an die Angehörigen: „Den Schmerz einer Mutter kennt nur die Mutter (…), den Schmerz der Ehefrau nur sie allein. Nichts und niemand kann euch das nehmen. Ihr werden Schmerz fühlen, ihn durchleben und wieder aufstehen; das hätte Eliav von euch gewollt.“
Auch die Geschwister von Eliav sagen einige Worte, welche mehrmals von Schluchzern unterbrochen wurden. Die Anwesenden erfahren, dass Eliavs Schwester Tzofia, Studentin, eine Kippa für den älteren Bruder stricken wollte und diese nicht fertiggestrickt hatte; sein jüngerer Bruder hätte , wann immer er einen Fehler gemacht habe, daran gedacht, ‚Was hätte Eliav in meinem Fall gemacht?‘, und ein anderer Bruder sagt voller Bitterkeit:
„Wer wird Ya’ir [den älteren Sohn, Anm.] in die Synagoge begleiten, wer wird Yoav [den jüngeren, Anm.] die Kleider wechseln, und wer wird Rinat [der Ehefrau, Anm.] bei der Geburt beistehen? In einundhalb Monaten wird sie ein Kind gebähren mit einer Seele und einem Körper, Fleisch von deinem Fleisch; es wird etwas von deiner Seele haben, aber niemals die Umarmung deines Körpers fühlen können!“
Eliavs Vater sagt im Voraus mit gebrochener Stimme, er wisse nicht, wie man eine Rede hielte, er hätte aus dem Herzen geschrieben:
„Als meine Eltern gestorben sind, hatten sie nicht viele um sich herum, die für sie das Totengebet sprechen konnten. Wir unsererseits haben für uns einen ganzen ‚Chor‘ heranwachsen lassen. Wer hätte aber gedacht, dass ich heute ausgerechnet einen Teil deines ‚Chores‘ ausmachen würde? (…) Avraham, unser Vorvater, war bereit, für die Heiligung des göttlichen Namens seinen Sohn als Opfer darzubringen; der Hohepriester Aharon hat seine zwei Söhne im Gottesdienst verloren und so haben Juden generationenlang ihre Seele für diese Heiligung hingegeben. Mit großem Schmerz nehmen auch wir heute die Tatsache hin, dass du für die Heiligung Seines Namens geopfert wurdest.“
Das Totengebet, das Kaddish, wird gesprochen, die Zeremonie ist vorbei. Die Anwesenden ziehen langsam an den Trauernden vorbei und umarmen sie. So auch ich, umarme Chenit und ihre Schwester Rinat, welche weinend auf der Bank neben dem frischen Grab sitzen, und ziehe dann von dannen, mir einen Anhalter zurück nach Hause zu suchen.
In meinem Kopf wechselen sich die Bilder des Erlebten ab, eine Schwere im Magen und im Herzen, und ausgerechnet an die Worte von Davidi Perl, des Vorsitzenden des Regionalrates von Gush Etzion, erinnere ich mich, der bei seiner Grabesrede David Ben Gurion zitiert hatte. Das Zitat schien aus einem ganz anderen Kontext zu stammen, aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges von 1948-1949, als Gush Etzion und seine vier Kibbutzim den Schutzwall Jerusalems vor den Anmärschen der feindlichen arabischen Legionen bildeten. Einen Tag vor der Ausrufung des Staates Israel am 14.Mai 1948 fiel Gush Etzion und seine letzten Bastionen in die Hände der arabischen Kämpfer, mehrere hundert Einwohner wurden massakriert, der Rest in Gefangenschaft genommen oder geflohen. In den Jahren danach wurde dieser Tag zum nationalen Gedenktag der Gefallenen des Staates Israel erklärt. Davidi Perl zitierte David Ben Gurion, Israels ersten Premierminister, der sich ein Jahr nach der Staatsgründung zu dem Fall von Gush Etzion äußerte:
„Die Beschützer von Gush Etzion retteten Jerusalem. Vier Besiedlungspunkte mitten im Feindesland hielten die Feinde davon ab, zu den Toren Jerusalems vorzudringen. Viele, zu viele von uns fielen dort im Kampf. Aber wenn das hebräische Jerusalem heute steht, wenn der jüdischen Besiedlung der Todesstoß, den die Feinde geplant hatten, nicht gegeben worden war – dann gilt der Dank der israelischen Geschichte und der Geschichte des jüdischen Volkes zuallererst den Kämpfern von Gush Etzion…“
„Und du bist einer von ihnen“, hatte Davidi Perl den Satz ergänzt.
Diejenigen, die Israel-basierte Nachrichtenseiten und auch meinen Blog und die Updates bei Facebook verfolgen, müssten sicherlich wissen, dass wir in unserem Land in den letzten Monaten einen rapiden Anstieg an terroristischen Attentaten erleben, welche trotz gelegentlicher zahlenmäßiger Abnahme noch immer unseren Alltag prägen. Das betrifft sowohl die Gebiete von Judäa und Samaria als auch den Rest Israels. Die Terroristen können überall zuschlagen, und sie gelangen auch in jede Stadt – wie das Beispiel des neuesten Terrorattentats in der sonst als „neutral“ betrachteten Zone, in der Stadt Rishon leZion, am 02.11.15 zeigt. Bei der Messerattacke wurden 3 Menschen verletzt, darunter 2 schwer. Dabei ist Rishon leZion weit entfernt davon, als „illegale Siedlung“ betrachtet zu werden.
Hevron im Verhältnis zu anderen Städten
Der Terrorist, ein 19-jähriger muslimischer Araber, kam aus der Stadt Hevron (mehr zu Hevron – hier), wie schon zahlreiche andere Angreifer. Hevron ist bekannt für seinen stark traditionellen, ideologisch-religiösen Charakter im Vergleich zum eher säkular ausgerichteten Ramallah, die verstärkt feindselige Stimmung innerhalb der Bevölkerung gegenüber Juden und Israelis, ebenso wie eine breite Unterstützung der Terrororganisation Hamas, welche in Hevron einen zentralen Stützpunkt innerhalb Judäa und Samaria sieht. Aus Hevron stammten u.a. auch die beiden Entführer der Jugendlichen Eyal, Gil-ad und Naftali, welche im Juni 2014 entführt und ermordet worden sind, an der Bushaltestelle neben meiner Siedlung Alon Shevut. Im Rahmen der darauffolgenden Militär- und Suchoperation „Hüter meines Bruders“ in Judäa und Samaria, welche daraufhin in die Operation „Fels in der Brandung“ im Gazastreifen überging, wurden über 300 terroristisch aktive Palästinenser, darunter über 250 Hamas-Aktivisten in Hevron und Umgebung sowie in Samaria von Israel festgenommen (Quelle: IDF, Haaretz). – Wie nun der 19-jährige Terrorist nach Rishon leZion gekommen ist – als illegaler Eindringling, als Angestellter eines israelischen Arbeitgebers oder auf andere Art und Weise, habe ich nicht geschafft, herauszufinden. Darüber wurde nicht ausführlich berichtet. Eines ist allerdings einleuchtend – wenn dieser es in die Landesmitte geschafft hat, wie hoch stehen dann die Chancen für Attentate in der eigenen Nachbarschaft der Täter!
Auch Attacken auf Sicherheitskräfte – Polizisten und Soldaten – mehren sich, das vor allem an den sog. „Checkpoints“ (Kontrollpunkten) auf der „Grünen Linie“, auf Kreuzungen und an Bushaltestellen, auf welchen diese stationiert werden, um Zivilisten vor Autoattentaten und anderen Übergriffen zu schützen. Dutzende versuchte und ausgeführte Angriffe auf Soldaten und Grenzsschutzpolizisten am Übergang zwischen Jenin und der israelischen Stadt Afula im Norden Israels, an der Kreuzung zu Bet Enun nahe Hevron, in der Altstadt von Hevron, auf der Gush Etzion-Kreuzung, am A-Zaim-Übergang zwischen Jerusalem und der Autobahn Richtung Totes Meer führten dazu, dass die militärische Präsenz an diesen Knotenpunkten zusätzlich verstärkt werden musste. In vielen Fällen schützen Soldaten mit ihrem Körper die beistehenden Zivilisten während einer Attacke, in anderen kommen sie erst nach der Tat zur Hilfe, so wie im Fall meines Bekannten Me’ir Pavlovsky aus Hevron, welcher Anfang Oktober von einem Messerstecher lebensgefährlich verletzt wurde und nur durch ein Wunder gerettet werden konnte.
Erst gestern wurde ein 20-jähriger Grenzschutzpolizist lebensgefährlich verletzt, als ein arabischer Angreifer diesen auf der Autobahn 60 überfuhr. Der Terrorist wurde erschossen, der junge Mann wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.
Die eindeutige Gefahr, welche wir momentan mit der Luft einatmen, hat dazu geführt, dass, um das allgemeine Sicherheitsgefühl der Bewohner von Judäa, Samaria und ganz Israel zu verstärken, die Präsenz von Sicherheitskräften erheblich erhöht wurde. Wer jemals als Tourist in ruhigeren Zeiten in Israel zu Besuch gewesen ist und sich neben Soldaten mit Gewehr im Bus mulmig gefühlt hatte – wisst, dass es noch gar nichts gewesen ist im Vergleich zu der drückenden Anwesenheit von bewaffnetem Schutzpersonal in Städten und auf
Soldat an der Gush Etzion-Kreuzung.
den Straßen im letzten Monat. Sie stehen auf den Straßen Jerusalems, in den Banken, auf den Bushaltestellen, patroullieren in Gassen. In Judäa und Samaria hat sich die Überwachung um ein Deutliches erhöht – die Autoattentate haben zu weiteren Betonwällen vor Bushaltestellen geführt; hinter den Betonklötzen in jede Fahrtrichtung stehen Soldaten in Bereitschaftsposition und in Helmen – auch diese Aufmachung ist neu. Seit dem 28.10, an welchem ein Hevroner Attentäter eine Frau neben unserem Supermarkt Rami Levy niedergestochen hatte, wurden Betonaden auch an der Einfahrt zum Supermarkt stationiert, auch
Einfahrt zum Supermarkt
dort Soldaten. Die Verkehrsinsel zwischen den Haltestellen an der Gush-Kreuzung wurde für Fußgänger abgesperrt – denn auch von diesen Übergängen gelangten Terroristen schneller zu Wartenden auf Haltestellen und griffen diese an. Anhaltefahrer, auch solche, die sich immer stur geweigert hatten, hinter den Betonaden zu stehen, stellen sich widerstandslos hinter diese, und um sie herum stehen Soldaten mit Finger auf dem Abzug und Helmen.
Anhaltefahrer in Gush Etzion
Es herrscht, so muss ich leider sagen, eine Atmosphäre der Militarisierung, die einerseits das Gefühl gibt, geschützt oder zumindest nicht allein gelassen zu sein inmitten einer feindlichen Bevölkerung – aber es ist eine Tendenz, die kaum jemandem innerhalb der jüdischen Bevölkerung gefällt. Entgegen der verbreiteten Annahme, die auch ich öfter als Vorwurf mitbekommen habe, freuen sich die „Siedler“ in Judäa und Samaria nicht über zusätzliche Grenzen, über Militärpräsenz oder Überwachung. Die hier aus ideologischer Überzeugung lebenden Juden sehen dieses Land als Teil ihres Erbes und ihres Landes, und sehen nicht ein, weshalb sie sich als Namensgeber dieser Gegend (immerhin, Judäa!) und als Rückkehrer hinter Zäunen, Soldaten und Kameras verstecken müssen, während die benachbarte arabische Bevölkerung keine Selbstschutzmaßnahmen aufwenden muss (wohl aber Kontrollmaßnahmen seitens der Armee). Schon allzu oft habe ich innerhalb der Siedlergesellschaft die Meinung gehört, die
Polizeipräsenz in Gush Etzion.
Sicherheitsmauer, welche 2002 initiiert wurde, gehöre abgeschafft, und würde nur zu Beschämung der jüdischen Gemeinschaft und zu einer fälschlichen Schaffung von Fakten beitragen. Trotz ihrer praktischen Vorteile – das Fernhalten von Attentätern vom israelischen Staatsgebiet – ist sie keine willkommene Maßnahme in den Augen der Siedler. In Judäa und Samaria gibt es Ortschaften, deren Bewohner sich immer und immer wieder weigern, ihren Ort einzuzäunen, und dadurch in Auseinandersetzungen mit der Armee geraten, welche auf verstärkte Sicherheitsmaßnahmen gilt, um u.a. die eigene Bürde der Überwachung zu lockern. Und es gibt auch Beispiele, wo sich jüdische und arabische Einwohner zusammengetan haben, um gegen den Bau der Trennmauer zwischen den jeweiligen Ortschaften zu protestieren – so in Efrat und den arabischen Dörfern drumherum.
Wir wissen wohl, dass gerade in dieser erneut angespannten Zeit, deren Abklang momentan nicht absehbar ist, der Schutz notwendig ist. Auch an Soldaten und Absperrungen haben wir uns gewöhnt, die dennoch das tagtägliche Zusammentreffen beider Bevölkerungsgruppen – der jüdischen und der arabischen – nicht verhindern, sondern nur bedingt sicherer machen. Aber die Militarisierung als Antwort auf Terror, welche viele aus der Perspektive der Palästinenser beklagen, hinterlässt auch bei uns Spuren, und nicht wenige.
Die israelische Realität hat niemals aufgehört, komplex zu sein.
Mit Entsetzen, in tiefster Trauer und Wut berichte ich über diese Tat.
Seht in ihre Gesichter, und seht nicht weg. Na’ama und Eytam Henkin hy“d (Quelle: INN)
Gestern abend (01.10.15) fuhren das Elternpaar Na’ama und Rabbiner Eytam Henkin, in ihren 30ern aus der Siedlung Neria, mit ihren vier Kindern auf der Autobahn 555 in Samaria, zwischen den Ortschaften Elon More
Karte zum Attentatsort
und Itamar, im Umkreis der Stadt Shchem (Nablus). Die Autobahn führt am arabischen Ort Bayt Furik vorbei. In der Nähe von Bayt Furik wurden aus einem vorbeifahrenden Auto auf das Fahrzeug von Familie Henkin mehrere Schüsse abgefeuert. Beide Eltern wurden schwer verletzt. Ihr Auto hielt auf der Straße an. Vorbeifahrende israelische Fahrer erkannten, dass es sich um eine Terrorattacke handelte, und riefen Einsatzkräfte. Als erste medizinische Versorgung ankam, bemühten sie sich, Na’ama und Eytam wiederzubeleben, doch mussten in kurzer Zeit ihren Tod feststellen. Die vier Kinder – Matan Hillel, 9, Nitzan Yitzhak, 7, Netta Eliezer, 4 und Baby Itamar (8 Monate) – waren direkte Zeugen der Ermordung ihrer Eltern, wurden leicht verletzt, aus dem Auto evakuiert und zur Erstversorgung nach Itamar gebracht.
Hier liegt Neria/Talmon B
Die Armee gelangte am Ort des Geschehens an und eröffnete eine breite Fahndung nach den Tätern. Noch ist unbekannt, aus welchem Ort der Täter stammen könnte. An die vier zusätzlichen Einsatztruppen, die zur Region beordert wurden, bekamen den Befehl, die umliegenden Dörfer einzukesseln und eine verstärkte Durchsuchung und Fahndung einzuleiten.
Quelle: INN
Die Nachricht verbreitete sich über soziale Netze, Radio und Schnellnachrichtendienste wie 0404 über das ganze Land. Einwohner in Judäa und Samaria organisierten Spontanzusammenkünfte an öffentlichen Kreuzungen mit Israelflaggen.
Auf dem Jerusalemer Friedhof. Quelle: INN
Heute morgen (02.10.15) um 11 Uhr wurde, entsprechend dem jüdischen Gesetz, das Ehepaar Henkin auf dem „Har Hamenuchot“-Friedhof in Jerusalem beigesetzt. Zum Begräbnis waren tausende Anwesende erschienen, darunter viele, welche das Paar nicht persönlich gekannt hatten. Israels Präsident Ruven Rivlin erschien ebenso zur Beerdigung. Er sprach über die Persönlichkeiten von Na’ama und Eytam, die er viel zu späte habe kennenlernen können. Er zitierte einen Brief, den die Ermordete früher im Jahr an ihn nach dem Mord an Dani Gonen geschickt hatte, und dass er ihr geantwortet habe. Zudem stärkte Rivlin, der sich nach dem Brandanschlag im arabischen Dorf Duma und noch vor dem Ermittlungsergebnissen äußerte „Mein Volk wählte den Weg des Terrors“, in seiner Ansprache die Siedlerbewegung und nannte die jüdischen
Präsident Ruven Rivlin
Bewohner von Judäa und Samaria „die Ersten an der vordersten Front“ im Kampf gegen den Terrorismus, die den „Preis zahlen, der zu schwer zum Tragen “ sei: „Der Terror folgt uns seit den Tagen von 1929 bis heute. Wir haben nie aufgrund des Terrors gebaut und werden nicht für einen Moment aufhören, wegen des Terrors zu bauen.“
Verwandte hielten Ansprachen auf die Ermordeten. Die Großeltern, welche den Zusammenhalt und die offenkundige gegenseitige Liebe des Ehepaares ins besondere Licht stellten, versprachen, die Kinder gemeinsam aufzuziehen. Der älteste Sohn der Familie Henkin, Matan Hillel (9 Jahre), sprach das Kaddisch-Gebet, welches für Verstorbene gesprochen wird. Er war Augenzeuge des Mordes an seinen Eltern.
Während der Beisetzung von Na’ama und Eytam hielten Bewohner von Judäa und Samaria Protestkundgebungen in der gesamten Region, versammelten sich auf Kreuzungen, wehten Israelflaggen und sperrten teilweise Straßen ab.
Rabbiner Eytam lehrte an einem Frauenseminar in Jerusalem, und hatte sein erstes Buch zu jüdischer Denk-und Lebensweise schon mit 20 veröffentlicht. Er war ein vielversprechender Pädagoge und Rabbiner. Na’ama arbeitete als erfolgreiche Grafikerin und schrieb einen Blog bei PointOfView.org.il, einer Blogplattform für Frauen aus Judäa und Samaria in Englisch.
An der Gush Etzion-Kreuzung. Foto: Nadia MatarAn der Gush Etzion-Kreuzung. Foto: Nadia MatarAn der Gush Etzion-Kreuzung. Foto: Nadia MatarIn Kochav Hashachar, Samaria. Foto:INNBei Bet Haggai. Foto: M.Dana-Picard
Wer erinnert sich noch an den langen, tragisch unterfärbten Beitrag der ARD über die „Geisterstadt Hebron“ (eine arabische Wirtschafts- und Hi-Tech-Metropole von mehr als 200.000 Einwohnern) und den einarmigen Palästinenser-Jungen Yussuf, der laut ARD-Korrespondent Markus Rosch eine „verlorene Kindheit zwischen Siedlern und Soldaten“ verbringt? Zugegeben, Beiträge mit ähnlichem Ton sind keine Seltenheit bei der ARD, die sich in diesem Jahr mehr denn früher auf „Tel Aviv-Palästina-Korrespondenz“ verlagert denn auf Berichterstattung aus Israel. Der Videobeitrag, Ende Juni erschienen, stellt den einarmigen Neunjährigen als bedrängt und schikaniert dar, von den israelischen Besatzungssoldaten drangsaliert, ohne Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Stadt.
Die auffälligsten Fakes dieses Beitrags habe ich in meiner Rezension hier aufgeklärt. Heute aber stolperte ich buchstäblich über das folgende kurze Videoschnipsel, veröffentlicht von „The Israel Project“ auf Facebook, und siehe da! Unser alter Bekannter Yussuf spielt mit einem israelischen Soldaten, als seien die beiden langjährige Kumpels! Wer’s nicht glaubt, sehe selbst:
Nun frage ich euch, liebe Leser/-innen – ist Markus Rosch da etwa ein Versäumnis unterlaufen, war er zur falschen Zeit am falschen Ort und hat statt Spiel und Spaß nur Schikane sehen wollen – oder wurde da etwa (Gott behüte!) ein kleiner Neunjähriger zugunsten einer bestimmten Ideologie …. instrumentalisiert?
Ein Glück, dass es neben öffentlich-rechtlichen Medien auch öffentliche Sozialnetzwerke gibt, deren Mitglieder stets nach dem Rechten sehen. 🙂
(Quelle: Israel National News/Channel 7, übersetzt und veröffentlicht auf Israelnetz.com, 15.06.2015)
JERUSALEM (inn) – Israelische Sicherheitskräfte haben massive Erleichterungen für Palästinenser im Westjordanland angeordnet. Sie hoffen, damit die derzeit relativ sichere Lage in dem Gebiet zu erhalten.
Die israelische und die palästinensische Zivilverwaltung sowie die Behörde COGAT, welche die Aktivitäten der israelischen Regierung in den Palästinensergebieten koordiniert, haben zahlreiche Maßnahmen beschlossen, um das Leben der Palästinenser zu erleichtern. So erhalten Besitzer von Steinbrüchen erstmals seit Jahren die Erlaubnis zu Sprengungen, was eine enorme Zeitersparnis beim Abbau bedeutet. Die Sprengungen werden ausschließlich von israelischen Unternehmen durchgeführt.
Großen palästinensischen Landwirtschaftsunternehmen wurde die Nutzung von Mehrzweckdüngern genehmigt. Die Folge sei eine erhöhte Produktion und die Einstellung von mehr Arbeitern, berichtet die Tageszeitung „Yediot Aharonot“. Die Dünger können auch zur Herstellung von Sprengsätzen benutzt werden und waren daher bislang verboten.
Zehntausende Palästinenser haben zudem die Erlaubnis erhalten, anlässlich des bevorstehenden Fastenmonats Ramadan zum Gebet nach Jerusalem zu reisen. Die Infrastruktur an den Grenzübergängen wurde dafür verbessert.
Ferner hat Israel mehrere bislang gesperrte Zugangsstraßen geöffnet, um Reisewege zu verkürzen. Des Weiteren wurden neun Baupläne zur Erweiterung palästinensischer Dörfer um Hebronbewilligt.
Vor einigen Wochen hatte Israel bereits palästinensischen Ärzten erlaubt, mit ihren Privatfahrzeugen zum Arbeiten nach Israel zu fahren. Die Maßnahme soll auf weitere Berufsgruppen ausgeweitet werden. Palästinenser über 55 Jahren dürfen mittlerweile ohne besondere Genehmigung nach Israel einreisen – betroffen sind mehr als 400.000 Menschen. Eine solche Maßnahme hat es seit den 1980er Jahren nicht gegeben. Das Mindestalter für verheiratete Palästinenser, um nach Israel einzureisen und dort nach Arbeit zu suchen, wurde von 24 auf 22 Jahre gesenkt. (dn)