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Unterwegs nach Ariel mit Fauzi

Neulich (08.06.16)  musste ich für ein Interview, das ich durchzuführen hatte, aus der Bar-Ilan-Universität nahe Ramat Gan/Tel Aviv in die Universitätsstadt Ariel im Herzen von Samaria fahren. Ariel ist eine Stadt mit etwa 18.000 Einwohnern, eine der vier großen Städte in Judäa und Samaria, besitzt als einzige von Ariel auf der Karteihnen eine Universität, die staatlich anerkannt ist, ist industriell und bildungstechnisch gut entwickelt, besitzt ein entspanntes Klima, eine Aussicht bis Ariel, 2013 (Quelle: Wikipedia)zum Mittelmeer und liegt an den zentralen Verbindungsstraßen zwischen Bergland und Küste, was diese Stadt zu einem attraktiven Wohnort macht. Die Bewohner von Ariel sind zum Großteil säkular und arbeiten innerhalb der Stadt bzw. vielfach im Küstenbereich – Tel Aviv und Umgebung.

Ich war bisher nur zweimal in Ariel, kein einziges Mal zuvor bin ich selbstständig angereist. Ich musste mich über Whatsapp mit einigen Freunden beraten, wie ich aus dem Zentrum überhaupt dorthin käme. Mir wurde schnell geholfen, was allerdings eine schnelle Busankunft nicht garantierte. Bis ich zur richtigen Haltestelle fand, verpasste ich ganze drei Busse, und danach ließen sich diese lange auf sich warten.

Und ich wartete, in brütender Hitze des Juni-Nachmittages, und mit mir an der Haltestelle warteten noch einige weitere Menschen. Fast alle waren dem Aussehen nach Araber, aus „den Gebieten“. Was aber machen Araber „aus den Gebieten“ mitten im Land auf einer Haltestelle? Ach, natürlich. Sie fahren heim. Die Strecke zwischen Küstenebene/Tel Aviv und Umgebung und Ariel wird tagtäglich von hunderten von arabischen Arbeitern aus Samaria befahren, welche eine Arbeitserlaubnis im Kernland Israels haben. Die Busse nach Ariel sind ihre einzige Transportmöglichkeit, von den Sicherheitsübergängen an der „Grünen Linie“ ins Land und an ihre Arbeitsstelle zu gelangen. Mit den Bussen fahren sie zu bestimmten Kreuzungen, schon im Samaria-Gebiet, und gelangen dann weiter über innerpalästinensische Transportmittel – meist Sammeltaxis – in ihre Dörfer. Manche davon liegen weit entfernt, andere nah an der Haltestelle.

Ich erinnerte mich, über dieses Thema einmal geschrieben zu haben – im Eintrag Der Bus-Skandal im Mai 2015, da wurde in den deutschen Medien über eine Entscheidung des Verteidigungsministeriums berichtet, welche am Tag ihrer Öffentlichmachung aufgehoben worden war – und zwar, die Transportmittel der israelischen Fahrgäste und der palästinensischen Arbeiter aus Sicherheitsgründen zu trennen. Jetzt hatte ich die Gelegenheit, selbst mitzuerleben, wie eine solche Fahrt von Israelis und palästinensischen Arabern in einem gemeinsamen Bus aussieht.

20160608_162730Zur Haltestelle gelangte ich mit einem Araber, er hatte gesehen, wie ich den Bus verpasst hatte. Wir warteten gemeinsam, wechselten einige wenige Worte und Gesten, ärgerten uns in schweigsamer Eintracht über den verpassten Bus. Es war heiß, ich bot ihm etwas zu trinken an. Er lehnte dankend ab und ich fasste mir an den Kopf – der Fastenmonat Ramadan hatte begonnen, wie ungeschickt von mir!

Nach einer scheinbar ewig langen Zeit kam ein Bus angefahren, der schon vollgepfercht war. Ein weiterer hielt nicht an, und so zwängten wir uns mit noch weiteren Wartenden in den Gang. Selbst die Stehplätze waren knapp. Der Bus war etwa zur Hälfte mit arabischen Arbeitern besetzt, die meisten sehr ermüdet, einige schlafend. Wir standen im Gang, der Bus bewegte sich im Schneckentempo, es waren die Nachmittagsstaus und die Autobahn 5 nach Ariel ist da leider keine Ausnahme. Ständig gab der Busfahrer einen Ruck, wir Stehenden fielen fast 20160608_163420übereinander. Wieder das Blickewechseln, manche hoben resigniert die Augenbrauen. Ich schaute einem arabischen Fahrenden über die Schulter. Der sah sich „Streich“-Videos auf Youtube an, wie sie häufig im Netz kursieren. Vertrieb sich damit die lange Fahrt. Nonchalant wie ich bin, gesellte ich mich hinter seinem Rücken dazu und konnte mir das Lachen nicht verkneifen. Ein älterer Araber neben mir kommentierte meine Beschäftigung mit einem ironischen „very funny“. Auch ihm machte der Stau zu schaffen.

Von meinem ehemaligen „Wartekollegen“ an der Haltestelle versuchte ich mit einigen Worten zu erfahren, wo er denn wohne. Er meinte nur schüchtern lächelnd, „Ariel“. Entweder sprach er kein rechtes Hebräisch, oder wollte nichts sagen. Ich kam ihm wahrscheinlich recht sonderbar vor – junge Frau, jüdisch, mit Rock (Siedlerin, was sonst?), fängt mit ihm Gespräche an.

Endlich löste sich der Verkehr, ein paar Reisende stiegen aus, Plätze wurden frei. Ich beschloss, stehen zu bleiben, aber die Männer begannen, mir Platz anzubieten. Ich lehnte wiederholt ab. Dem älteren „very funny“- Herrn, der neben mir stand, sagte ich frei heraus: Ihr habt heute gearbeitet, ich habe nichts gemacht, ihr sollt euch setzen. Der verzog leicht das Gesicht, „und das beim Fasten, den ganzen Tag nichts trinken, nichts essen“. Ich nickte verständnisvoll, wie ich es nur konnte. An unseren Fastentagen pflegen wir nicht zu arbeiten. „Hast du etwa den ganzen Tag nichts gemacht?“, fragte er zurück. „Nein, nichts“, meinte ich lachend, „ich fahre nur den ganzen Tag herum.“ Wieder ein schiefes Lachen. Der Mann wurde mir sympatisch, er sprach einwandfreies Hebräisch und schien nichts gegen Gespräche einzuwenden zu haben.

Ich nutzte die Gelegenheit natürlich, um ihn auszufragen. Wo er arbeite, was er arbeite, wo er wohne. Fauzi* (*Name geändert) arbeitete als Restaurator in der Stadt Rishon leTzion. Er erzählte mir, wie er zu seinem Dorf, Burukin, neben der Siedlung Barkan gelangte („Barkan, Buruqin, selber Name“)- bis zu einer Kreuzung auf der Autobahn 5, und dann weiter mit dem Sammeltaxi. Ja, davon

Ariel, Buruqin und dazwischen
Ariel, Buruqin und dazwischen

habe ich schon gehört. „Wieso kannst du dir kein Auto holen, um diese Strecke zu fahren?“, fragte ich und erwartete Erklärung. Diese kam, „das darf man nicht. Ohne israelischen Führerschein kann ich keine Erlaubnis für ein Auto bekommen, ein Auto der PA darf nicht nach Israel hinein.“ „Kannst du dir keinen israelischen Führerschein machen lassen?“ Ich wusste, die Fragen waren naiv, aber ich wollte Antworten von ihm in seiner Darstellung hören. Natürlich war mir klar, dass PA-Autos innerhalb Israels nicht zugelassen waren. „Nein, das kann ich nicht. Ich habe eine Arbeitserlaubnis, aber keinen blauen Ausweis (israelische Aufenthaltserlaubnis).“ Die Frage „würdest du gerne einen haben?“ lag mir auf der Zunge, aber ich unterließ sie. Vielleicht würde er sich nicht trauen, darauf zu antworten, außerdem wollte ich niemanden von etwas überzeugen, sondern Information sammeln.

Ich fragte also weiter, ob israelische Staatsbürger in seinem Dorf leben dürften. Er bejahte, es würden welche leben, das sei normal , es würden auch andere auf der anderen Seite der „Grünen Linie“ leben, sie haben eingeheiratet und dann kriegt man eine Wohnerlaubnis. Über dieses Thema gelangten wir zum Thema Heirat. So erzählte mir Fauzi, in seinem Dorf würden Muslime Jüdinnen heiraten und dann ins Dorf bringen. „Die haben dann eine israelische Staatsbürgerschaft?“ „Ja.“ „Aber dann sind sie zum Islam übergetreten, richtig?“ „Ja, natürlich.“ Ich kannte natürlich solche Fälle, aber dass das eine gängige Praxis sei, überraschte mich doch. Ich sagte ihm es auch, und dass es bei Juden nicht gerne gesehen werden würde. „Ich weiß. Sie heiraten aber nicht nach der Religion, sondern nach dem Staatsgesetz, und nach diesem ist es erlaubt“, meinte Fauzi, und fügte hinzu, „am Ende sind wir alle Menschen.“ Und dennoch, beharrte ich darauf, für Muslime sei es in Ordnung, aber für Juden nicht. Fauzi wusste das. „Dann sind die Kinder einerseits von der Mutter her jüdisch, und vom Vater her muslimisch“, dachte ich laut nach. Fauzi wusste mir daraufhin zu erzählen: „Ich kannte einmal jemanden, er kam ins Dorf, sprach mittelmäßiges Arabisch; wir unterhielten uns. Es stellte sich heraus, dass sein Vater Araber sei! Er aber wohne mit seiner Mutter in Israel. Er sagte mir, er würde seinen Vater kennen und ab und zu besuchen. Ich fragte ihn nach seiner Religion, er sagte mir daraufhin, ‚ich bin jüdisch‘.“ Fauzi erzählte auch, viele der Frauen, die ins Dorf kämen, seien russischer Herkunft. Es gäbe viele nichtjüdische Russinnen, erwiderte ich. Ob ich russisch und jüdisch sei, fragte er, und wo ich geboren sei. Er erzählte mir auch, viele würden noch immer nach Russland fahren und von dort Ehefrauen mitbringen: „Immer wieder bringen sie Frauen von dort mit.“

Ich fragte ihn schließlich nach den „Horrorgeschichten“, die bei uns viele erzählen – die schlimme Behandlung, die ehemals nichtmuslimische/jüdische Frauen von ihren arabischen Männern erfahren würden. Organisationen wie „Yad le’Achim“ in Israel spezialisieren sich auf solche „Fälle“ und berichten immer wieder von „Rettungsoperationen“, bei welchen sie diese oder jene Frau mit Kindern von einem gewalttätigen arabischen Ehemann gerettet haben. Fauzi winkte abwertend ab: „Es ist immer so, es wird ein Wort gesagt, und bis es bei der nächsten Stelle ankommt, werden daraus zehn Wörter. Ich glaube diesen Geschichten nicht. Zudem, gibt es etwa nur bei uns Gewalt, und bei den Juden nicht?“ Ich bejahte, mir kamen gleich mehrere Fälle in den Sinn.

Es ist zweifellos eine komplexe Realität. Von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet, sieht sie vollkommen anders aus; und jeder hat dennoch das Recht auf seinen Standpunkt. Der Bus fuhr währenddessen weiter; wieder ein Rucken, und wir Stehenden fielen übereinander und fingen an zu lachen. „Man versteht nicht, was dieser Fahrer hat“, erklärte mir Fauzi mit verwundertem Lachen die Reaktionen der anderen, „wo hat er seinen Führerschein gemacht? Welcher Esel hat ihm den gegeben?“ „Vielleicht ritt er vorher auf einem Esel, und dann hat er beschlossen, das Transportmittel zu wechseln“, entgegnete ich witzelnd. Wir schmunzelten.

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Die Menschenmenge an der Kreuzung.

Dann war der Bus an der Ariel-Kreuzung angekommen. Wir verabschiedeten uns voneinander, Fauzi und ich, und stiegen aus. Draußen – Schreie, Taxifahrer, die ihre Kundschaft anwarben, Männer in langen Gewändern zwischen Olivenheinen, und all die ausgestiegenden arabischen Arbeiter, die zu den Fahrzeugen eilten. Zwei Soldaten regelten den Verkehr an der Kreuzung. Erst im März 2016 gab es hier eine Messerattacke auf eine junge Soldatin, und im Oktober 2015 eine Messerattacke auf einen wartenden Juden. Auch zuvor hatte es hier Terrorattacken gegeben, an dieser vielbefahrenen Kreuzung, wo sich beide Bevölkerungsgruppen dicht aneinander reiben.  Ein Vorbeieilender meinte, ich würde mich nach Hilfe umschauen, doch ich winkte ab. Mein Ziel war noch immer die Universität von Ariel. Wie gewohnt, nutzte ich dafür den Autostop. Die Sonne stand hoch am Himmel, es war noch Zeit bis zum Fastenbrechen beim Sonnenuntergang. Wie die Menschen das durchlebten, wie viele sich bei diesen Bedingungen tatsächlich an die strengen Regeln des Fastens hielten, wusste ich nicht zu sagen.

Ariel-Kreuzung. Das Schild weist auf das nahegelegene "Eshel Hashomron"-Hotel hin.
Ariel-Kreuzung. Das Schild weist auf das nahegelegene „Eshel Hashomron“-Hotel hin.

Ich war dankbar für die Unterhaltung mit meinem unerwarteten Gesprächspartner, meinem Nachbarn, einem weiteren Puzzlestück in der menschlichen Landschaft von Judäa und Samaria. Unser Land ist zu klein, um zwei Staaten zu beherbergen, aber es ist nicht zu klein für Leute wie Fauzi und mich, vorausgesetzt, wir wollen hier leben und einander leben lassen. Leider ist diese simple Voraussetzung in unserer Region nicht selbstverständlich. Aber die Zukunft steht offen.

Und, ja, die Anfahrtsbedingungen für die Arbeiter sollten definitiv verbessert werden, nicht nur bei Ariel, sondern auch an den restlichen Übergängen. Es gab eine Zeit, nicht allzu lange her, da gab es noch keine Übergänge, da hätte ich sogar Fauzi in seinem Dorf besuchen können. Aber die Zeit ist fürs Erste vorbei, und außerdem ist das schon eine ganz andere Geschichte…

 

 

Vorübergehend kein Zutritt

In fast ausnahmslos jeder Stadt in Israel werden Araber mit palästinensischem Pass und/oder israelischer Einwohnerkarte beschäftigt. Sei es als Bauarbeiter, Handwerker, Bauunternehmer, Angestellte, Gärtner, Klempner, Müllmänner. Es gibt Arbeiten in vielen Sektoren, die große Abnahme bei den palästinensischen Arabern und auch Arabern mit israelischem Pass finden. Dazu muss man sagen, dass viele dieser Berufe und Beschäftigungen als unbeliebt in der jüdisch-israelischen Bevölkerung gelten. Palästinensisch-arabische Dienstleister – Firmeninhaber, Verkäufer – welche Geschäfte mit Juden aus Israel betreiben, verlangen deutlich geringeres Geld  als ihre israelischen Counterparts. Arabische Arbeiter sind schnell, geübt, verlangen wenig, sind ausdauerfähig. Für viele dieser Menschen ist die Arbeit auf israelischem Territorium (incl.Zone C in Judäa und Samaria) die einzige Einkommensquelle für die Familie. Nicht alle der Arbeiter stammen jedoch aus Orten, die der jüdischen Bevölkerung wohlgesinnt sind, sondern können in allen möglichen arabischen Dörfern und Städten wohnen, die israelische Juden aufgrund von der ihnen dort drohenden Lebensgefahr nicht betreten dürfen – beispielsweise Hevron, Bet Fajjar, Shchem (Nablus), Bet Ummar, Zurif, Jenin.

Aus denselben Orten stammen auch die zahlreichen Funktionäre der verschiedenen Terrorkampfgruppen wie der Hamas, den Al-Quds-Brigaden, der Fatah etc., und ebenso aktive Terroristen und ihre Lehrlinge, welche entweder Stein- und Brandbombenwürfe auf israelische Autos verüben, Soldaten und Polizisten attackieren, Zivilisten in Großstädten niederstechen, niederschießen oder sich selbst in die Luft sprengen.  Alle sie leben auf engstem Raum nebeneinander, sind Teil derselben Gesellschaft, und allzu häufig kreuzen sich ihre Wege – und aus einem simplen Bauarbeiter oder Techniker wird ein mordlustiger Terrorist, wie das neueste Attentat in Jerusalem (13.10.15) anschaulich darlegt.

Nun dient diese Einleitung dazu, um die Reibung zwischen den beiden – einander von nicht besonders bis auf den Tod nicht wohlgesinnten – Bevölkerungsgruppen in Israel im regulären Alltag aufzuzeigen. Das Aufeinandertreffen sowie die das Niveau der Feindseligkeiten zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung sind in Judäa und Samaria noch erheblich größer als im offiziellen Staatsgebiet Israels. Die auf den Erfahrungen vor allem der letzten 30 Jahre basierenden Befürchtungen der Juden  vor den unvorhersehbaren Terrorattacken lokaler Araber, welche bei Juden arbeiten, führen dazu, dass viele gegen eine Beschäftigung von Arabern in jüdischer Umgebung protestieren. Was nur in wenigen Fällen anschlägt, da das gesamte Bauunternehmen, die Gastronomie und die Instandhaltung der Infrastruktur der Siedlungen auf den arabischen Arbeitern basiert. Auch glauben viele daran, dass das Aufrechterhalten der wirtschaftlichen Beziehungen und einer ökonomischen Balance stabile nachbarschaftliche Beziehungen fördern kann, was auch sich auch an einigen Beispielen erkenntlich zeigt, so die Kooperation zwischen den Bewohnern der Stadt Beitar Illit und der Stadt Hussan, welche direkt gegenüber liegt, und ebenso zwischen der Siedlung Efrat und den umliegenden arabischen Dörfern.

Hier liegt Efrat
Hier liegt Efrat

Jetzt sind aber Krisenzeiten angekommen. Tagtäglich finden in Jerusalem Attentate statt, und auch im Rest des Landes, durchgeführt von israelischen oder palästinensischen Arabern. Die Straßen innerhalb Judäas und Samarias werden durch Steine und Brandbomben und in einigen Fällen auch Schießereien und Entführungsversuche unsicher gemacht. Aufgrund der aufgeheizten Situation und der Besorgnis um die Sicherheit der Bevölkerung entschlossen sich Bezirksvorsitzende in Judäa und Samaria –

Hier liegt Beitar Illit
Hier liegt Beitar Illit

namentlich in Gush Etzion, in der Region der Südhevronberge und in einigen Regionen von Samaria, für arabische Arbeiter vorübergehend keinen Zutritt zu gewähren. Das Verbot gilt seit etwa zwei Tagen. Auch die ultraorthodoxen Städte  Beitar und Modi’in Illit haben beschlossen, zurzeit keine arabischen Arbeiter mehr hineinzulassen, obwohl sich diese Städte nicht als Teile der Siedlerbewegung zählen. Nach einigen Attentaten auf ultraorthodoxe Juden jedoch wurde diese Entscheidung dennoch getroffen.

Den Arbeitern, welche am Morgen des Verbots zur Arbeit gekommen waren, wurde ein Flyer in Hebräisch und Arabisch ausgehändigt, auf dem u.a. geschrieben stand:

Sehr geehrter Arbeiter/Unternehmer,

wir sind bestürzt über den vorübergehenden Schaden, der eurem  Einkommen zugefügt wird. Wir danken euch für Ihre treue Arbeit in unserer Siedlung. In der letzten Zeit werden wir, eure jüdischen Nachbarn…, welche mit euch auf denselben Straßen fahren, von Terroristen, die aus Ihren Dörfern stammen, angegriffen. Sie bewerfen uns mit Steinen und Brandbomben. Als Nachbarn, welche hier schon 40 Jahre leben und so Gott will noch viele Jahre leben werden, ist uns klar, dass dies nicht eure Art und Weise ist. Als Menschen, die ihr Einkommen von uns beziehen und uns kennen, wissen wir, dass ihr dies verurteilt. WIr fordern daher von euch, dass ihr von den Vorstehern eurer Dörfer verlangt, dieses ernstzunehmende Phänomen zu beenden, denn so können wir nicht weiterleben.“

(Quelle des Textes: 0404.co.il, Flyer der Gemeinschaften der Südhevronberge)

Heute, so berichtete mir der Bezirksvorsitzende von Gush Etzion, Davidi Perl, soll eine Sitzung stattfinden, in welcher die Sicherheitslage ermittelt und entschieden werden soll, das Verbot zu belassen oder aufzuheben.

Was noch einen unmittelbaren Treffpunkt zwischen Juden und Arabern betrifft – die Großsupermarktkette Rami Levy, in welcher sowohl die einen als auch die einen angestellt sind – , so ließ der Besitzer Rami Levy in einem Interview neulich verlauten, er würde als Sicherheitsmaßnahme die Bewachung an den Eingängen verdoppeln und Messer aus dem Sortiment entfernen. Allerdings weigerte er sich, die arabischen Angestellten zu vermindern und durch jüdische zu ersetzen – auch nicht an Reibungsorten wie Gush Etzion.

 

INN: Erleichterungen für Palästinenser

Erleichterungen für Palästinenser

(Quelle: Israel National News/Channel 7, übersetzt und veröffentlicht auf Israelnetz.com, 15.06.2015)

JERUSALEM (inn) – Israelische Sicherheitskräfte haben massive Erleichterungen für Palästinenser im Westjordanland angeordnet. Sie hoffen, damit die derzeit relativ sichere Lage in dem Gebiet zu erhalten.

Die israelische und die palästinensische Zivilverwaltung sowie die Behörde COGAT, welche die Aktivitäten der israelischen Regierung in den Palästinensergebieten koordiniert, haben zahlreiche Maßnahmen beschlossen, um das Leben der Palästinenser zu erleichtern. So erhalten Besitzer von Steinbrüchen erstmals seit Jahren die Erlaubnis zu Sprengungen, was eine enorme Zeitersparnis beim Abbau bedeutet. Die Sprengungen werden ausschließlich von israelischen Unternehmen durchgeführt.

Großen palästinensischen Landwirtschaftsunternehmen wurde die Nutzung von Mehrzweckdüngern genehmigt. Die Folge sei eine erhöhte Produktion und die Einstellung von mehr Arbeitern, berichtet die Tageszeitung „Yediot Aharonot“. Die Dünger können auch zur Herstellung von Sprengsätzen benutzt werden und waren daher bislang verboten.

Zehntausende Palästinenser haben zudem die Erlaubnis erhalten, anlässlich des bevorstehenden Fastenmonats Ramadan zum Gebet nach Jerusalem zu reisen. Die Infrastruktur an den Grenzübergängen wurde dafür verbessert.

Ferner hat Israel mehrere bislang gesperrte Zugangsstraßen geöffnet, um Reisewege zu verkürzen. Des Weiteren wurden neun Baupläne zur Erweiterung palästinensischer Dörfer um Hebronbewilligt.

Vor einigen Wochen hatte Israel bereits palästinensischen Ärzten erlaubt, mit ihren Privatfahrzeugen zum Arbeiten nach Israel zu fahren. Die Maßnahme soll auf weitere Berufsgruppen ausgeweitet werden. Palästinenser über 55 Jahren dürfen mittlerweile ohne besondere Genehmigung nach Israel einreisen – betroffen sind mehr als 400.000 Menschen. Eine solche Maßnahme hat es seit den 1980er Jahren nicht gegeben. Das Mindestalter für verheiratete Palästinenser, um nach Israel einzureisen und dort nach Arbeit zu suchen, wurde von 24 auf 22 Jahre gesenkt. (dn)

Gelegenheitsarbeiten

Mit welchen Gelegenheitsarbeiten verdient sich ein Siedler so das Kleingeld und verbringt manchmal den Alltag?

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Mein Arbeitsplatz für diesen Tag. Die Hose stammt noch aus Armeezeiten, ist aber unwiederbringlich mit Farbe volgekleckert – auch eine Beschäftigung für freie Stunden

Nun ja, als Frau bin ich kein repräsentatives Beispiel für die weiter unten illustrierte Tätigkeit, denn ein Großteil der Frauen in den Siedlungen ist meist verheiratet und Mutter; die verbreitetesten Berufe sind Pädagoginnen, Kindergärtnerinnen, Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen oder Hausfrauen. Mit (il- und legaler) Bautätigkeit verbringen eher die Familienväter und manche Pensionäre ihre freie Zeit, und die Jungen im Teenageralter verdienen sich ihr erstes Geld auf dem Bau bei dem Nachbarn.

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Mischa (links) stammt aus Moskau. Yo’av aus Weißrussland. Auf dem Bild sieht man sie eine Keramikplatte auseinander schneiden.

Mich hat für eine kurzweilige Bautätigkeit in den letzten Tagen ein guter Freund und Nachbar eingestellt, wohnhaft ebenso in unserem Karavanenviertel, aber auf der Seite des Hügels, wo die ersten schon ihre festen Bauten errichtet haben (auf Staatsland, allerdings nicht mit offizieller Bauerlaubnis). Er heißt Mischa und ist vor 24 Jahren mit seiner Frau Maria aus Moskau nach Israel eingewandert – in den ersten Jahren des Zerfalls des unterdrückenden und judenfeindlichen Sowjetregimes.  In Russland hatten er und seine Familie an Antisemitismus gelitten und ein Familienmitglied, das ihm sehr nahestand, wurde sogar von Judenhassern aus Georgien, damals Sowjetunion, umgebracht. Als die offiziellen Stellen in Moskau sich weigerten, die Schuldigen zu verfolgen und zu bestrafen, mit der Begründung, „wir werden unsere Beziehungen zu Georgien doch nicht wegen einer Jüdin gefährden“, machte Mischa für sich den Entschluss, nach Israel auszuwandern. Von da an wurde Mischa zum Aktivisten und organisierte verschiedene Treffen für jüdische Auswandererwilige, in Zusammenarbeit mit der Jewish Agency for Israel, welche die Menschen auf ein weiteres Leben in Israel vorbereiten sollte.

In Israel arbeitete Mischa lange Zeit als Mathematiklehrer und ist heute in Pension. Seine Frau arbeitet noch immer als Krankenschwester in Jerusalem. Heute leben sie hier in Alon Shvut, nachdem sie unter anderem auch im Osten Gush Etzions gelebt hatten. Sie haben einen Sohn, zwei Katzen und bauen an einer festen Erweiterung ihres Karavans. Genau für diese Aufgabe wurde ich einbeordert, weil mir das Graben und die Arbeit mit Erde und Baumaterial nahestehen  und mir auch sehr gefallen. Weiterarbeiten an der Baugrube werden wir allerdings demnächst zusammen, und höchstwahrscheinlich wird es sich bis nach den kommenden Pessach-Feiertagen ziehen, weil wir alle viel zu tun haben  – eben nicht nur im Baubereich…

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Baustellen am Rande der Siedlung, Blick auf die Stadt Efrat
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Mit Hacke in der nassen Erde wühlen.