Vorübergehend kein Zutritt

In fast ausnahmslos jeder Stadt in Israel werden Araber mit palästinensischem Pass und/oder israelischer Einwohnerkarte beschäftigt. Sei es als Bauarbeiter, Handwerker, Bauunternehmer, Angestellte, Gärtner, Klempner, Müllmänner. Es gibt Arbeiten in vielen Sektoren, die große Abnahme bei den palästinensischen Arabern und auch Arabern mit israelischem Pass finden. Dazu muss man sagen, dass viele dieser Berufe und Beschäftigungen als unbeliebt in der jüdisch-israelischen Bevölkerung gelten. Palästinensisch-arabische Dienstleister – Firmeninhaber, Verkäufer – welche Geschäfte mit Juden aus Israel betreiben, verlangen deutlich geringeres Geld  als ihre israelischen Counterparts. Arabische Arbeiter sind schnell, geübt, verlangen wenig, sind ausdauerfähig. Für viele dieser Menschen ist die Arbeit auf israelischem Territorium (incl.Zone C in Judäa und Samaria) die einzige Einkommensquelle für die Familie. Nicht alle der Arbeiter stammen jedoch aus Orten, die der jüdischen Bevölkerung wohlgesinnt sind, sondern können in allen möglichen arabischen Dörfern und Städten wohnen, die israelische Juden aufgrund von der ihnen dort drohenden Lebensgefahr nicht betreten dürfen – beispielsweise Hevron, Bet Fajjar, Shchem (Nablus), Bet Ummar, Zurif, Jenin.

Aus denselben Orten stammen auch die zahlreichen Funktionäre der verschiedenen Terrorkampfgruppen wie der Hamas, den Al-Quds-Brigaden, der Fatah etc., und ebenso aktive Terroristen und ihre Lehrlinge, welche entweder Stein- und Brandbombenwürfe auf israelische Autos verüben, Soldaten und Polizisten attackieren, Zivilisten in Großstädten niederstechen, niederschießen oder sich selbst in die Luft sprengen.  Alle sie leben auf engstem Raum nebeneinander, sind Teil derselben Gesellschaft, und allzu häufig kreuzen sich ihre Wege – und aus einem simplen Bauarbeiter oder Techniker wird ein mordlustiger Terrorist, wie das neueste Attentat in Jerusalem (13.10.15) anschaulich darlegt.

Nun dient diese Einleitung dazu, um die Reibung zwischen den beiden – einander von nicht besonders bis auf den Tod nicht wohlgesinnten – Bevölkerungsgruppen in Israel im regulären Alltag aufzuzeigen. Das Aufeinandertreffen sowie die das Niveau der Feindseligkeiten zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung sind in Judäa und Samaria noch erheblich größer als im offiziellen Staatsgebiet Israels. Die auf den Erfahrungen vor allem der letzten 30 Jahre basierenden Befürchtungen der Juden  vor den unvorhersehbaren Terrorattacken lokaler Araber, welche bei Juden arbeiten, führen dazu, dass viele gegen eine Beschäftigung von Arabern in jüdischer Umgebung protestieren. Was nur in wenigen Fällen anschlägt, da das gesamte Bauunternehmen, die Gastronomie und die Instandhaltung der Infrastruktur der Siedlungen auf den arabischen Arbeitern basiert. Auch glauben viele daran, dass das Aufrechterhalten der wirtschaftlichen Beziehungen und einer ökonomischen Balance stabile nachbarschaftliche Beziehungen fördern kann, was auch sich auch an einigen Beispielen erkenntlich zeigt, so die Kooperation zwischen den Bewohnern der Stadt Beitar Illit und der Stadt Hussan, welche direkt gegenüber liegt, und ebenso zwischen der Siedlung Efrat und den umliegenden arabischen Dörfern.

Hier liegt Efrat
Hier liegt Efrat

Jetzt sind aber Krisenzeiten angekommen. Tagtäglich finden in Jerusalem Attentate statt, und auch im Rest des Landes, durchgeführt von israelischen oder palästinensischen Arabern. Die Straßen innerhalb Judäas und Samarias werden durch Steine und Brandbomben und in einigen Fällen auch Schießereien und Entführungsversuche unsicher gemacht. Aufgrund der aufgeheizten Situation und der Besorgnis um die Sicherheit der Bevölkerung entschlossen sich Bezirksvorsitzende in Judäa und Samaria –

Hier liegt Beitar Illit
Hier liegt Beitar Illit

namentlich in Gush Etzion, in der Region der Südhevronberge und in einigen Regionen von Samaria, für arabische Arbeiter vorübergehend keinen Zutritt zu gewähren. Das Verbot gilt seit etwa zwei Tagen. Auch die ultraorthodoxen Städte  Beitar und Modi’in Illit haben beschlossen, zurzeit keine arabischen Arbeiter mehr hineinzulassen, obwohl sich diese Städte nicht als Teile der Siedlerbewegung zählen. Nach einigen Attentaten auf ultraorthodoxe Juden jedoch wurde diese Entscheidung dennoch getroffen.

Den Arbeitern, welche am Morgen des Verbots zur Arbeit gekommen waren, wurde ein Flyer in Hebräisch und Arabisch ausgehändigt, auf dem u.a. geschrieben stand:

Sehr geehrter Arbeiter/Unternehmer,

wir sind bestürzt über den vorübergehenden Schaden, der eurem  Einkommen zugefügt wird. Wir danken euch für Ihre treue Arbeit in unserer Siedlung. In der letzten Zeit werden wir, eure jüdischen Nachbarn…, welche mit euch auf denselben Straßen fahren, von Terroristen, die aus Ihren Dörfern stammen, angegriffen. Sie bewerfen uns mit Steinen und Brandbomben. Als Nachbarn, welche hier schon 40 Jahre leben und so Gott will noch viele Jahre leben werden, ist uns klar, dass dies nicht eure Art und Weise ist. Als Menschen, die ihr Einkommen von uns beziehen und uns kennen, wissen wir, dass ihr dies verurteilt. WIr fordern daher von euch, dass ihr von den Vorstehern eurer Dörfer verlangt, dieses ernstzunehmende Phänomen zu beenden, denn so können wir nicht weiterleben.“

(Quelle des Textes: 0404.co.il, Flyer der Gemeinschaften der Südhevronberge)

Heute, so berichtete mir der Bezirksvorsitzende von Gush Etzion, Davidi Perl, soll eine Sitzung stattfinden, in welcher die Sicherheitslage ermittelt und entschieden werden soll, das Verbot zu belassen oder aufzuheben.

Was noch einen unmittelbaren Treffpunkt zwischen Juden und Arabern betrifft – die Großsupermarktkette Rami Levy, in welcher sowohl die einen als auch die einen angestellt sind – , so ließ der Besitzer Rami Levy in einem Interview neulich verlauten, er würde als Sicherheitsmaßnahme die Bewachung an den Eingängen verdoppeln und Messer aus dem Sortiment entfernen. Allerdings weigerte er sich, die arabischen Angestellten zu vermindern und durch jüdische zu ersetzen – auch nicht an Reibungsorten wie Gush Etzion.

 

2 Kommentare zu „Vorübergehend kein Zutritt“

  1. Liebe Chaya,
    das sehe ich als eine Notwehrmaßnahme der israelischen Behörden, deren Aufgabe es ist, die eigene Bevölkerung zu schützen.
    Kein Israeli kann das wollen, weil es sich daraus für ihn auch Einschränkungen ergeben. Allerdings wird diese Maßnahme nur dem Schutzbedürfnis der Israelis dienen. Eine darüber hinaus gehende Wirkung auf die Terroristen erwarte ich nicht.

    Welchen Status haben denn die arabischen Arbeiter bei ihren eigenen Leuten? Ich habe mal gehört, dass sie kein besonderes Ansehen genießen, weil sie beim Feind arbeiten. Außerdem verdienen sie wohl mehr als Arbeiter in den palästinensischen Gebieten? Der Neid der Nachbarn könnte also auch noch eine Rolle spielen? Trifft das zu?

    Herzlich, Paul

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