Ungarn macht nicht mit. KaDeWe würde gerne, aber…

Wenige deutschsprachige Medien (es belief sich meiner Suche nach auf lediglich 2  – RTF1 und Kath.net , ebenso wie das deutschsprachige jüdisch-schweizerische Magazin Tachles und die Jüdische Allgemeine)berichteten über die Erklärung des Außen- und Handelsministers Péter Szijjártó, bei der Etiketiterung israelischer Produkte aus den Siedlungen entsprechend der neuen EU-Richtlinie vom November 2015 nicht mitzumachen. Über 21.000 Mal wurde der Artikel der Jerusalem Post online geteilt, welche über den Besuch des Ministers in Israel am 16.11. und seine Aussagen beim Frühstückstreffen des Israelrates für außenpolitische Beziehungen berichtete. Szijjartó bezeichnete die Ettiketierung als „irrational“ und kritisierte diese Entscheidung der EU im Rahmen weiterer ausgiebiger EU-Kritik, welche der Diplomat auf der Reise parat hatte, insbesondere bezüglich der EU-Politik gegenüber Flüchtlingen und der Terrorbedrohung. Politische Korrektheit und Scheinheiligkeit würden verhindern, dass auf wichtige Dilemmas auf gebührende Art und Weise reagiert werden würde, sagte er.

Solche deutlichen Reaktionen gab es dagegen im Land der Einigkeit, des Rechtes und der Freiheit seitens der Regierung nicht zu hören. Dort verwies man ganz auf die Rechtsgrundlage für die EU-Richtlinie, hinter der man sich einig stellte, versicherte aber, es würde zu keinem Boykott führen und keinen beabsichtigen; außerdem nähmen sich die Betriebe wohl auch die Freiheit heraus, bei der Etikettierung nicht mitzumachen und die Ministerien würden sich auch erlauben, die Zuständigkeit für die Beaufsichtigung der Etikettierung nicht auf sich zu nehmen – so geht es zumindest aus dem Artikel der Jüdischen Allgemeinen hervor. Und neben Reaktionen einer gewissen Anzahl empörter Juden in Deutschland gab es auch Rückmeldungen seitens prominenter Deutscher zum Thema – so wie beispielsweise der berühmte Kommentar „Lex Anti-Israel“ von Ralf Schuler in der BILD und die Feststellung, die Etikettierung führe zur Stigmatisierung, von Bundestagsabgeordnetem für Solingen, Remscheid und Wuppertal, Jürgen Hardt.

(Am Ende, so würde ich meinen, werden es die Endverbraucher sein, die über die Zukunft des israelischen Exports in Europa entscheiden werden – mit oder ohne Etikett. Ich persönlich würde Israel raten, seinen Markt viel mehr nach Nah- und Fernost auszubauen.)

(Danke an heplev für die Links)


Seit Freitag, dem 20.11. und diesem SPIEGEL-Artikel ist ein Sturm durch das deutsch-jüdische Netz gezogen, den man fürwahr als Shitstorm bezeichnen kann. Ein wahrer Shitstorm – und das wegen „Siedlerwein„! (Eine weitere Bereicherung für das Siedler-X-Wörterbuch) Er richtete sich gegen das mehrheitlich in italienisch-österreichischem Besitz befindende Berliner Kaufhaus KaDeWe, welches am besagten Freitag mehrere Weinsorten aus den Golanhöhen (das „Siedler-Areal“ hat sich entsprechend den EU-Ansichten geweitet!) aus dem Sortiment gezogen hatte – um sie mit einer korrekten Kennzeichnung entsprechend den neuen EU-Richtlinien zu versehen, so die Sprecher des Kaufhauses laut SPIEGEL. Die gesetzestreue Eifrigkeit von KaDeWe wurde ausnahmsweise nicht belohnt: Eine Massenkampagne gegen die Entscheidung brach im Internet los, sämtliche Aktivisten schickten Protestbriefe an die „Nazi-Erben“ des Kaufhauses, welches während des nationalsozialistischen Regimes vom ehemals jüdischen Eigentümer enteignet worden war. Protestmemes (Grafiken) geisterten im Netz herum; die Nachricht vom „Israelboykott“ des deutschen Kaufhauses erreichte die israelische Presse und auch Premierminister Netanyahu meldete sich zu Wort.

Es dauerte kaum ein paar Tage, bis die Leitung des KaDeWe seine „unsensible“ Entscheidung überdacht hatte (FAZ) und die Weine wieder ins Regal stellte – mit der alten Etikettierung.

Rückmeldung des KaDeWe an Volker Beck
Rückmeldung des KaDeWe an Volker Beck

Volker Beck (Die Grünen) bekam eine persönliche Antwort des KaDeWe zum Thema, und auch ein offizielles Statement veröffentlichte die Geschäftsleitung zum „falschen Verhalten“ auf der Facebook-Seite. Die FAZ mochte zwar behaupten, das „Schwanzeinziehen“ des KaDeWe erfolgte auf die Rüge seitens Premierminister Netanyahu – aber wir wissen es besser. 😉

Jedenfalls war der Zusammenhalt und Aktivismus der Beteiligten gegen diese erniedrigende Entscheidung des KaDeWe geschlossen, eindrucks- und wirkungsvoll gewesen, und man möchte hoffen, dass in Zukunft ähnliche Aktionen folgen, sollte noch jemand beschließen, die leckeren Golan-Weine oder das Tote Meer-Salz aus den Regalen zu entfernen. Denn die leckeren Weine und der Likör aus Gush Etzion gelangen (leider!) nicht nach Deutschland, auch nicht nicht organisch rein hergestellten Produkte der Firma Givot Olam und, wenn mich nicht alles täuscht, auch nicht die süße Halva von ACHVA. Nur ca.1% der Produkte, welche in Betrieben außerhalb der „Grünen Linie“ hergestellt werden, werden insgesamt nach Europa exportiert. Für diese Leckerbissen müsst ihr euch also

Werner Hartstock und ich im "Hamama", Kfar Etzion.
Werner Hartstock und ich im „Hamama“, Kfar Etzion.

herbemühen – so wie Reiseleiter Werner Hartstock von den Sächsischen Israelfreunden, mit dem wir heute abend im Restaurant „HaHamama“ („Gewächshaus“) im Kibbutz Kfar Etzion gegessen haben. Auch ihr seid herzlich eingeladen, vorbeizuschauen! Keine Sorge, die Soldaten unterwegs beißen nicht, wir versorgen sie zu Genüge mit Leckerbissen, während sie auf uns Acht geben.

🙂

 

(Danke an Maria Fuhrmann für die Links)

 

7 Kommentare zu „Ungarn macht nicht mit. KaDeWe würde gerne, aber…“

  1. Nachtrag:
    „Wer sich für israelische Produkte speziell interessiert, kann diese auch ohne Kennzeichnung heraussuchen.“

    Ich versuche es schon seit längerer Zeit. Es ist aber sehr schwierig.
    Manchmal sogar unmöglich weil nur drauf steht: „Abgepackt durch…..*für ….“ Oder auch „Vertrieben durch…*“ Es geht dabei um Nahrungsmittel.

    *Da wird dann immer eine Firma in Deutschland genannt.

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  2. Natürlich hast Du recht, liebe Chaya. Aber leider wird sich bei dem weit verbreiteten Judenhass es sich nicht vermeiden lassen, dass diese Aktion durchgeführt wird.
    Deshalb halte ich den Versuch diese Aktion in ihr Gegenteil zu verkehren für eine strategischen Möglichkeit ihr die Spitze abzubrechen.
    Aber vielleicht bin ich auch nur jemand, der noch Illusionen hat.

    Herzlich, Paul

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  3. Hallo Chaya,
    das habe ich bei heplev gefunden, der es im Gacebook aufgestöbert hat:

    Miene Antwort darauf, auch bei heplev:

    Da bin ich dabei.
    Wünsche mir zu diesem Zweck eine deutliche und auffällige Kennzeichnung, damit mir die mühsame Suche erleichtert wird. Ich denke das wäre die richtige Antwort auf den Boykott.
    Bin sogar bereit einen etwas höheren Preis zu akzeptieren. Mit dem Salz aus dem Toten Meer habe ich schon mal angefangen. Kleinvieh macht auch Mist.

    Herzlich, Paul

    PS: Wäre es nicht gut, wenn man im Internet eine Aufstellung der in Deutschland gehandelten Produkte aus Israel (damit meine ich auch die Oslozonen), übersichtlich zusammengestellt nach Produktgruppen, finden würde?

    PPS: Auch ‘Made in Germany’ hatte ursprünglich eine Boykottabsicht.

    Das ist daraus geworden>:
    “Made in Germany (englisch für Hergestellt in Deutschland) ist eine Herkunftsbezeichnung. Ursprünglich Ende des 19. Jahrhunderts als Schutz vor billiger Importware in Großbritannien eingeführt, gilt die Bezeichnung heute in den Augen vieler Käufer als Gütesiegel.”
    https://de.wikipedia.org/wiki/Made_in_Germany

    Wir sehen was daraus geworden ist.

    Das könnte im Falle Israels auch passieren.

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    1. Es könnte, lieber Paul. Allerdings spreche ich mich eindeutig gegen eine Stigmatisierung und Aussonderung israelischer Produkte nach angeblicher „Herkunft“ aus, da dies eindeutig politische negative Absichten hat. Wer sich für israelische Produkte speziell interessiert, kann diese auch ohne Kennzeichnung heraussuchen. Wir wissen alle, dass die Kennzeichnung nicht dafür gemacht worden ist.

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