…Eigentlich könnte es noch gar nicht genügend Zeit für einen Skandal gegeben haben. Dafür sind die Entscheidungen der israelischen Regierung zu nah aufeinander gefällt worden – am Morgen das Ja, am Nachmittag das Nein. Doch die Medien, die Nichtregierungsorganisationen und die sozialen Netzwerke sind heutzutage wohl in ihrer Schnelligkeit auf das Niveau von Spionageagenturen aufgestiegen, um darüber zu berichten, was der israelische Staat für neue Untaten betreibt. Wem es also in der letzten Woche an Berichten über die Terrorattacke an der Alon Shevut-Kreuzung und heute mittag an Berichten über die Terrorattacke in Jerusalem gemangelt hat (welche Terrorattacke?! Na dann, siehe hier), so wurde das schleunigst mit dem Bericht über die neuen „Apartheid“-Busse in Israel „kompensiert“.
Worum es geht? Das Verteidigungsministerium, angeführt von Moshe (Bugi) Ya’alon, hat in den letzten Tagen die Entscheidung gefällt, dass palästinensische Araber, die keine Staatsbürgerschaft Israels, wohl aber eine Arbeitserlaubnis besitzen, von nun an für eine Testphase von 3 Monaten A) nicht mehr durch verschiedene Grenzübergänge ins israelische Kernland hinein- und wieder heraus gelangen können, sondern nur noch über 4 bestimmte Übergänge, und dieselben Übergänge, durch welche sie zur Arbeit gefahren sind, auch für die Heimfahrt nutzen müssen; B) sollen diese Arbeiter, die keine Bleibeerlaubnis in Israel haben, nicht mehr mit israelischen Linienbussen aus Judäa&Samaria heraus ins Kernland fahren, sondern lokale Busse der PA-Behörde u.ä. nutzen.Das Ministerium für zivile Belange in Judäa und Samaria (COGAT) sollte diese Anweisungen seit gestern Abend und heute Morgen in Kraft setzen.
Der Grund für die Gesetzesänderung wurde offiziell als Sicherheitsnotwendigkeit im Kampf gegen illegales Eindringen von Palästinensern ins israelische Kernland ohne Überwachung, das erhöhte Potenzial von Terroranschlägen durch diese.
Nach der Veröffentlichung dieses neuen „Pilotprojektes“ heute Morgen explodierten die israelischen Medien, die Updates von reihenweise NGOs und natürlich die auf der Lauer liegende internationale Presse. Sie berichteten in Schlagzeilen über das „Busverbot für Palästinenser“ und zitierten die offiziellen Statements. Manche hatten keine Skrupel, anstatt die trockene Meldung weiterzuleiten, diese mit schmackhaften Adjektiven und Nomen zu schmücken, so „Siedlerbusse“ (Die Welt) und „Siedlerrat“ (Spiegel, Wiener Zeitung und andere) . Übersetzung ins Fachhochdeutsche = israelische Buslinien innerhalb Judäa und Samaria, israelische Regionalverwaltung von Judäa und Samaria. Mehr zu Siedler-Verkehrsmitteln findet ihr hier.
Nach den großen Schlagzeilen und der Torpedierung seitens der medialen und politischen Öffentlichkeit, wurde eine neue Meldung durchgegeben: Regierungschef Netanyahu lud den Verteidigungsminister vor und befahl, das Projekt einzufrieren und (vorerst) nicht ins Leben zu rufen.
Das Update wurde leicht verspätet, aber bei manchen Nachrichtenseiten dennoch durchgegeben.
Irgendwo zwischendrin wurde bei manchen Berichten der erneute Autoanschlag auf 2 Polizisten im A-Tur-Viertel in Jerusalem angeführt, bei dem die Polizisten verletzt und der arabische Täter getötet worden war. DIE WELT beschreibt das Attentat als
„tödlichen Zwischenfall, bei dem zwei israelische Polizisten vom Auto eines Palästinensers erfasst wurden. Der Fahrer aus Ost-Jerusalem sei mit seinem Wagen ausgeschert und in die beiden Grenzschützer gefahren, ein weiterer Polizist habe den mutmaßlichen Angreifer daraufhin erschossen, sagte eine Polizeisprecherin. Die beiden Polizisten seien leicht verletzt worden. Ein Cousin des 41-jährigen Fahrers äußerte sich bestürzt und die Vermutung, dass es sich um einen Unfall gehandelt haben müsse, wie auch Augenzeugen des Vorfalls im Stadtteil A-Tur gesagt hätten. Denn der fünffache Vater sei ein ruhiger Mann gewesen.“
Bei der Frankfurter Rundschau hieß es „möglicher Anschlag“, die Tagesschau befand eine Erwähnung des Vorfalls als nicht relevant.
Ich würde zu den Berichten meine persönliche Stellungnahme und einen Erklärungsansatz der Situation aus einer Sicht erklären, die mehr Einblick in den Alltag der jüdischen Bevölkerung an den Berührungspunkten mit der arabisch-palästinensischen Bevölkerung, aus der Sicht vieler jüdischer Israelis, vermitteln.
Es fallen dem aufmerksamen Beobachter mit etwas Hintergrundwissen nämlich einige Problemstellen in dieser Affäre auf.
Zunächst einmal passieren palästinensische Arbeiter aus den Gebieten unter PA-Kontrolle mit Arbeits-, aber ohne Bleibeerlaubnis auf dem Weg zu ihrer Arbeit täglich einen Grenzübergang, bei welchem ihre Papiere und das Tragen verbotener Gegenstände geprüft werden. Sie müssen laut Gesetz am selben Tag wieder heimfahren. Tun sie es nicht, halten sie sich illegal innerhalb israelischer Grenzen auf. Wird allerdings nicht kontrolliert, wer hinein- und wieder hinausgeht, kann es leicht vorkommen, dass derjenige in Israel trotz des Gesetzes bleibt, übernachtet, am nächsten Tag arbeitet, oder aber, wenn das Visum ausläuft, gesetzeswidrig innerhalb der Grenzen bleibt.
Das palästinensische Transportnetz existiert , vor allem in Judäa, aber es ist zeitlich mangelhaft aufgebaut und es existiert selbstverständlich nicht im israelischen Kernland.
Das bedeutet, dass sofern der Arbeitgeber (der palästinensische Mittelsmann oder der israelische Auftraggeber) seinen Angestellten keinen angemessenen Transport bereitstellt, der sie um die Uhrzeit X am Übergang oder am Haus abholt und um die Uhrzeit Y wieder zurückbringt, haben diese Menschen keine Wahl, außer nach dem Übergang entweder per Anhalter zu fahren, oder eben in israelischen Linienbussen, die von den Orten hinter zu den Orten vor der 67-Linie fahren.
Nur in Jerusalem gibt es innerpalästinensische Busse, die zwischen Ostjerusalem und Bet Lehem und südlicher pendeln. In diesen fahren keine Juden, wohl aber israelische Araber und Palästinenser.
Wenn die Arbeiter also nach dem Grenzübergang weiter nach Israel gelangen müssen, nehmen sie die regulären israelischen Busse. Darauf befinden sich alle möglichen Leute: Israelis, Touristen, Juden und Nichtjuden, solche aus dem Kernland und solche aus den Siedlungen.
Seit der Aufhebung des Verbotes für Palästinenser ohne Bleibeerlaubnis, mit diesen Bussen zu fahren (es gab ein solches!), gab es hinreichend Beschwerden seitens Israelis, welche sich ängstigten, in einem Bus voller palästinensische Araber aus allen möglichen Dörfern zu fahren. Es wurden an die Polizei Beschwerden über sexuelle Belästigung von Frauen und Mädchen in Wort und Tat uebermittelt. Ebenso stieg dadurch die Gefahr des Hineinschmuggelns von illegalen Arbeitern ins Land, die keine Bleibeerlaubnis haben und durch die Busfahrt sich ins Landeszentrum begeben und sich dort unkontrolliert beliebig weiter aufhalten könnten. Dies erhöht die Gefahr fuer Terroranschläge in Israel, wie in der Vergangenheit bewiesen worden ist: Zahlreiche Terroranschläge in Israel wurden von sich illegal im Land aufhaltenden Palästinensern verübt.
All das hat dazu geführt, dass man jetzt ein neues Pilotprojekt starten wollte, um die Berührung zwischen den beiden Bevölkerungen, die zurzeit nicht aufeinander abgestimmt sind, zu reduzieren, und ebenso die Zahl der illegalen Eindringlinge und dasTerrorpotenzial zu mindern.
Laut Berichten – was ich auch für durchaus logisch halte – hätte die neue Regelung den Arbeitsweg der Araber um ein Dopeltes, wenn nicht gar ein Dreifaches verlängert. Aufgrund der Kritik und vor allem von Vorwürfen, zusätzlichen „Hass der Welt“ auf sich zu schüren (wie DIE WELT es so schön formulierte: Es ist „wie kaum ein anderes geeignet ist, Assoziationen an Apartheidsgesetze zu wecken“) , wurde das Projekt fürs Erste fallengelassen.
Welche Alternativen für die Gemeinschaft der palästinensischen Arbeiter angeboten wurden, und ob sie es wurden, ist mir unklar.
Ich halte also fest.
Es gab/gibt bei der gegenwärtigen Situation mindestens zwei Probleme:
1. Das Problem der palästinensischen Arbeiter, welchen es an Verkehrsmitteln und angemessenen Arbeitsbedingungen mangelt, um den Arbeiteralltag zu meistern. Es gibt keine Abkommen über Transport und keine Wege, um die Ankunftszeit bei der Arbeit und bei der Heimfahrt zu verringern.
2. Das Problem der jüdischen Bevölkerung mit der Bedrohung durch das Hineinschmuggeln von illegalen und potenziell gefährlichen Personen in das Land; und das Treffen auf die arabische Bevölkerung der Dörfer der PA-Gebiete unvorbereitet, wobei die Angst und die Gefahr vor Terroranschlägen, Konflikten, Spannungen und Belästigung geschürt wird.
Die Frage ist dabei, wie erreicht man ein passables Gleichgewicht in dieser komplexen Angelegenheit, ohne die eine oder die andere Gruppe erheblich zu beeinträchtigen und die Sicherheit, aber auch die Menschenwürde aller zu wahren.
Gerd Buurmann zu „Jerusalems jüdischen Siedlern “ der ARD….hat sogar von der ARD ein Statement erbeten. Das nenne ich Gründlichkeitsarbeit.
Hier also zum allgemeinen Lesevergnügen die Meinung des vielbesungenen Kabarettisten und Aktivisten aus Köln…
Es ist eine unschöne Tradition in der Geschichte des Christentums, dass gerade an hohen christlichen Feiertagen das denkbar Schlechteste über Juden verbreitet wird. Pogrome fanden in der europäischen Geschichte oft am Osterwochenende statt, weil viele Christen glaubten, ihr Gottessohn sei von Juden ermordet worden. Das Jesus selber Jude war, wurde dabei stets geflissentlich übersehen. Auch im islamischen Kulturbereich findet sich die Tradition des Judenhasses an Feiertagen. Der folgende Film zum Beispiel, in dem gezeigt wird, wie ein Jude ein Kind schlachtet, um daraus Mazzebrot für Pessach zu machen, lief zu Ramadan im Fernsehprogram in Syrien (2003), im Iran (2004) und in Jordanien (2005).
In der ARD lief dieser Film nicht! Das ist wohl selbst für die ARD zu offensichtlicher Judenhass. Die Männer und Frauen der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland müssen ihr Ressentiment etwas besser verpacken.
Ein Tag nach Karfreitag, am 4. April 2015, sendete die Tagesschau einen…
(Ein Dank geht an IK. für den Hinweis auf den Artikel)
Die Osterfeierlichkeiten sind schon bald zu Ende in der christlichen Welt, so auch in Jerusalem und in Betlehem. Selbstverständlich berichtet auch das deutsche Fernsehen über Ostern im Heiligen Land. Und während ich mich den Feierlichkeiten des jüdischen Festes Pessach in den letzten Tagen gewidmet habe – denn dieses religiöse und national allumfassende Fest mit dem zentralen Verbot des Essens von Gesäuertem hat am Freitagnachmittag begonnen und wird bis kommenden Freitag (10.04) andauern -, hat beispielsweise die Tagesschau eine Zuschaltung aus Jerusalem und Betlehem vorgenommen, und über Ostern am 04.04berichtet. Der Bericht konzentrierte sich diesmal auf die schwindende Anzahl der Christen im Nahen Osten, vor allem aber in Israel und der „Westbank“ (eigentlich berichten schon sämtliche internationale Medien über dieses traurige Phänomen seit den 90ern und verstärkt in den Jahren um 2009-2014), und im Fokus lagen wie gesagt die Christenanzahl und auf die Pilger, die laut Markus Rosch noch immer vom Gazakrieg des Sommers 2014 von der Anreise ins Heilige Land abgeschreckt werden würden. Der Eingang zur Grabkirche wurde gefilmt, mit wenigen Menschen davor (sollte die wenigen Pilger symbolisieren?), dann den menschenüberfüllten Markt im christlichen Viertel der Altstadt… …und dann der Kommentar über die Lage in der Heiligen Stadt – Altstadt, die ebenso Besucher abschrecken könnte, denn dort „leben jüdische Siedler, Muslime und Christen auf engstem Raum nebeneinander“ (00:36-00:45 im Video).
Irritiert euch da nicht etwas beim Lesen? Auch beim Anhören wird es nicht besser. Korrespondent Markus Rosch berichtet tatsächlich in der Prime-Time der Tagesschau ganz routinemäßig über die schwierige Lage der Altstadt mit farbenfrohen Bildern vom Markt und bezeichnet die jüdischen Bewohner der Altstadt von Jerusalem als Siedler. Macht nichts, dass Jerusalem Israels Hauptstadt ist, dass das Gebiet der Altstadt inklusive Klagemauer und auch Tempelberg auf offiziellem israelischen Staatsgebiet steht (und nicht etwa unter etwaiger Militärverwaltung), oder dass das jüdische Viertel schon jahrhundertelang nebst den muslimischen, armenischen und christlichen existiert, dass es eins der offiziellen internationalen touristischen Attraktionen der Jerusalemer Altstadt ist. Nein. In derAltstadt ist die Lage angespannt. Dort leben Muslime. Christen. Und jüdische Siedler. Lässt sich abwarten, wann der erste deutsche Korrespondent sie als illegal bezeichnen wird; schließlich war die Altstadt von 1948 bis 1967 unter jordanischer Eroberung, folgerichtig müsste es heute den Palästinensern gehören, denn so wie bei Judäa und Samaria, gehört das ehemals durch Jordanien Eroberte, widerrechtlich Besetzte und im Angriffskrieg gegen Israel Verlorene den Gewinnern des Krieges den Palästinensern… Wie abgrundtief absurd das Ganze auch für einige klingen mag, diese Sichtweise auf die Realität ist längst da und es ist eine Frage der Zeit, wann sie das öffentlich-rechtliche Fernsehen Deutschlands vollends erreicht, Vorreiter wie Herrn Rosch hat es ja schon.
Was den Rest des Beitrags angeht, so wird dort nicht etwa von den blühenden christlichen Gemeinden Israels erzählt, von der Integration christlicher Araber oder, wie sie sich des Öfteren selbst nennen, Aramäer, in die israelische Gesellschaft, von ihrem Dienst in der Armee und in öffentlichen Organen oder gar von einer Ostermesse in Nazareth. Dort gibt es eine kurze Schaltung nach Betlehem, und der extreme Schwund an christlichen Bewohnern Betlehems geht laut Beitrag vor allem auf die israelische Besatzung zurück. Nicht etwa auf die steigernde Radikalisierung der muslimischen Gemeinschaft Betlehems, nicht etwa auf die mangelnde Beschäftigung von Christen in palästinensischen Institutionen und deren Abwanderung durch Arbeitsmangel ins Ausland und auch nach Israel selbst. Nein, die Siedlungen (mit Efrat im Hintergrund zur Osterprozession im Video) sind schuld an der Abwanderung der Christen, und die Betlehemer Terrorabwehr-Mauer. 1% machten in 2010 Christen im gesamten Gebiet von Israel aus, incl. Gazastreifen, Judäa und Samaria. 1920 waren es 10% (siehe Statistik von Hanna Eissa im Reuters-Artikel). Betlehem, ursprünglich eine jüdische Stadt zu biblischen Zeiten und später eine christliche, hat weniger als 15% christliche Bewohner gegenüber einer heutzutage muslimischen Mehrheit. Die christliche Bevölkerung innerhalb des israelischen Staates allerdings ist laut Huffington Post Canada von 34.000 in 1948 auf 158.000 in 2013 gestiegen (Quelle hier).
Was kann man da noch sagen. Christenverfolgung im Nahen Osten steht nicht unbedingt auf der Welttagesordnung, wenn man aber dazu die jüdischen Siedlungen oder gar die jüdischen Siedler der Jerusalemer Altstadt im Hintergrund ablichten kann, passt es gut.
Nichts ist neu unter der Sonne. Spätestens seit den „Weißbüchern“ der britischen Mandatsregierung 1922 und 1939 wurde der jüdischen Zuwanderung und Ansiedlung im Land Israel offiziell das Potenzial der Illegalität zugewiesen, je nach Ansicht der jeweiligen an der zentralen Macht sitzenden europäischen Regierung. Wo liegt da noch der Unterschied zwischen Efrat und Petach Tikva, ja gar Tel Aviv oder Beer Sheva? Die jüdischen Siedler – sie sind überall…
…zu den israelischen Wahlen? – Ein Artikel der jungen israelisch-amerikanischen Kolumnistin Orit Arfa. (Übersetzung: Chaya Tal)
– In der Nähe der Einfahrt zur Stadt Ariel im Herzen Samarias liegt eine kleine Einkaufspassage, in welcher Juden und Palästinenser sich gleichermaßen Obst und Gemüse, Haustierprodukte, Hummus, Falafel besorgen oder ihr Auto waschen können. Der ehemalige Bürgermeister von Ariel, Ron Nachman, bezeichnete diesen Ort zum Spaß „Ariels Duty Free Zone“. Es befindet sich direkt an der Grenze zwischen den von Israelis und von den Palästinensern kontrollierten Gebieten, und niemand weiß so recht, wem die Ladenbesitzer eigentlich ihre Steuern zahlen.
Abu Ali, ein Palästinenser, dem die Ladenfläche der „Duty Free Geschäfte“ gehört, ist nicht an den Resultaten der israelischen Wahlen vom letzten Dienstag interessiert. Er hat vom Sieg der Likud-Partei des Premierministers Benjamin Netanyahu durch zufällige Gespräche erfahren. Er ist vielmehr damit beschäftigt, das Mini-Imperium, das er sich in den 60er Jahren hier aufgebaut hat, zu verwalten.
Nach dem Erfolg des Likud schwor der Hauptvermittler der israelisch-palästinensischen Verhandlungen, Sa’eb Erekat, er würde die Anstrengungen der palästinensischen Autonomiebehörde verstärken, um Israel mit einer Klage auf Kriegsverbrechen zum International Strafgerichtshof zu bringen. Der ehemalige PLO-Beamte Yasser Abed Rabbo erklärte der AFP-Agentur, Israel hätte „den Pfad des Rassismus“ gewählt. Aber was sagen „gewöhnliche“ Palästinenser wie Ali?
„Wir, die gewöhnlichen Leute, fühlen den wahren Frieden – und nicht den politischen“, erklärt Ali dem JNS auf Hebräisch, einen Tag nach den Wahlen, vor dem Falafel-Bistro der Einkaufspassage, welches von Juden und Muslimen überfüllt ist, die vergnügt ihr spätes Mittagessen genießen.
Vorbei kommt ein anderer Palästinenser mittleren Alters, der ebenso die Wahlen nicht verfolgt hat. Er bittet darum, anonym zu bleiben. „Es interessiert mich überhaupt nicht“, sagt er auf Hebräisch, „es sind alles Juden. Kein Unterschied zwischen Sharon, Shamir, Yitzhak. Sie sind alle gleich.Sie wollen alle die Araber von hier vertreiben!“
Sein Freund namens Fadi aus Marda, einem Dorf in der Nähe von Ariel, stimmt ihm zu. „Sie sind alle dieselben. Bibi oder Shas [tiefreligiöse jüdische Partei, beliebt bei einer bestimmten Prozentzahl arabischer Wähler in Israel, Anm.] – sie können uns durch nichts helfen.“ Fadi glaubt ebenso nicht, dass die Vereinte Arabische Liste, welche am Wahldienstag 13 Knessetmandate gewann und damit zu Israels drittstärksten Partei geworden ist, irgendeinen Einfluss auf das Leben der Araber in den von der PA kontrollierten Gebieten haben könnte. „Die Araber wollen nicht die Juden wählen. Aber im Endeffekt können sie nichts erreichen, weil sie nicht in einer Koalition sein können oder Premierminister werden können“, meint er. Fadi kümmert es nicht, welcher Kandidat behauptet, irgendeine Art von „Friedensprozess“ in die Gänge leiten zu wollen. „Es gibt keinen Frieden, es wird keinen geben“, sagt er und zeigt seine gelben Zähne, die dringend mehr Zahnpflege und weniger Nikotin gebrauchen könnten. „Selbst wenn einer ein Abkommen machen wollte, das Volk würde ihn das nicht tun lassen.“
Fadis Schlussfolgerung: Dem Judentum zufolge darf Jerusaelm nicht geteilt werden. Nicht dass es für ihn einen Unterschied machen würde: „Es ist unser Land und eines Tages nehmen wir es uns“, sagt er und hat kein Problem damit, aufgenommen und sogar fotografiert zu werden, bevor er mir Kaffee anbietet. Aber Fadi’s Sicht auf die Dinge ist nicht komplett schwarz und weiß. „Hier sind die Juden und die Araber gleich“, sagt er und schaut sich um. Er nennt die Bewohner von Ariel „gute Leute“, im Vergleich zu den anderen „Siedlern“.
Und dennoch, die Ansichten von Fadi und seinem Freund sind kein Konzens in dieser Idylle vom Miteinander (oder zumindest einer Idylle an den meisten Tagen. Auf die in unmittelbarer Nähe gelegene Straße wurden 2013 Steine von Palästinensern geworfen, welche den Tod des Mädchens Adele Biton im letzten Monat zur Folge hatten). Auf der anderen Straßenseite ist Faisel (ein Pseudonym, er bat um Anonymität) aus der Stadt Salfit, weniger als eine Meile von hier entfernt. Er ist eher froh, dass Netanyahu gewonnen hat. „Zuerst wollte ich, dass Kachlon gewinnt. Er hat dabei geholfen, dass die Mobilfunkpreise runtergegangen sind“, sagt er und fischt dann aus seinem Smartphone die Tabelle der letzten Wahlergebnisse heraus, wie in Ha’aretz veröffentlicht. Der braunäugige Palästinenser mit Hochschullabschluss hat die Wahlen genau verfolgt.
„Bibi spricht über die Aufrechterhaltung eurer Sicherheit – aber das heißt auch, dass er unserer Sicherheit hilft“, betont Faisel. „Die Linken sind weder gut für uns (Palästinenser) noch für sie (Juden).“
Fadi sagte mir später, dass Faisel gelogen hat, als er behauptete, Netanyahu zu mögen, und deshalb wollte er auch, nicht wie Fadi, anonym bleiben. Aber sie sind sich in einer Sache einig: „Wir haben einmal im ganzen Leben Wahlen, und dann teilen sie das unter ihren Kindern auf. Das geht nicht nach unseren Wünschen“.
Faisel bewundert es, wie man in Israel alle paar Jahre Wahlen abhält. „Bei uns, wer auch immer an der Macht sitzt, nur ein Kopfschuss wird ihn runterholen“, sagt er. Aber so betroffen scheint er nicht zu sein, dass die PA in den letzten 10 Jahren keine Wahlen mehr abgehalten hat, seit der Präsident (dessen Amtszeit längst abgelaufen ist) Mahmud Abbas den Thron bestieg.
Faisel führt mich zu Hassim, der daneben steht, um eine Meinung eines Arabers mit einer „blauen Karte“ zu hören – gemeint ist die israelische Staatsbürgerschaft. Hassim lebt in einem Dorf in der Nähe von Nazareth und hat für die Vereinte Arabische Liste gestimmt.
„Alle arabischen Parteiführer haben sich für einen Zweck in dieselbe Liste zusammengeschlossen: Um die Regierung von rechts nach links zu rücken, damit es Gleichstellung, Rechte und Land für Araber gibt“, sagter auf Hebräisch. Es wird zwar keinen Wechsel innerhalb der Regierungsspitze geben, aber Hassim ist mit der Arabischen Liste zufrieden, und checkt seine Facebook-App, um die letzten Ergebnisse zu prüfen. „Ich bin nicht enttäuscht. Das Volk hat seine Wahl getroffen. Wir müssen es respektieren“, sagt er.
Hassim hat nichts Böses gegen Netanyahu: „Bibi is ein guter Typ. Kein schlechter Premierminister. Ein kluger Mann. Fakt ist, er hat es wieder mal geschafft“, meint er. Und während er befindet, dass der Frieden niemals den Nahen Osten erreichen wird, ganz egal, welcher israelische Politiker an der Spitze stehen wird, beendet Hassim das Interview mit einer persönlicher Note: „Bibi ist hier zu Falafel eingeladen.“
Wer den ersten Beitrag nicht gelesen hat: Bitte zum besseren Verständnis hier lesen!
Um den vorherigen Beitrag zum Zionistenkongress am 24.02.15 nicht noch weiter zu verlängern, sind hier im neuen Beitrag die wichtigsten Elemente und Argumente aus der Diskussion der israelisch-amerikanischen, politisch rechtsgerichteten Journalistin Caroline Glick mit dem Gründer der NGO „Im Tirzu“, dem Israeli Ronen Shuval. Der Hauptteil des „Ersten Kongress des Zionistischen Fonds für Israel“ in Jerusalem bestand aus der Vorstellung und Diskussion um Glicks neues Buch, „Die israelische Lösung – ein Einstaatenplan für Frieden im Nahost“ (heb.Sipuach Achshav). Sein großes Thema – die Verteidigung der Einstaatenlösung als Ausweg für den jüdisch-arabischen Nahostkonflikt.
Zu Beginn des Kongresses sprechen die Vorstände über die ersten Schritte, die der „Fonds“ schon getan hat, und wieviel noch vor uns allen liegt, weil der „Geist von Oslo (siehe ersten Beitrag) noch immer in der Luft liegt. „Wir haben weder Europa noch die Millionen hinter uns, aber wir haben den Glauben an die Richtigkeit unseres Weges“ (Dr.Y.Morgenstern).
Es erscheint ein Politiker mit arabischem Akzent auf der Bühne, mir als „Neuling“ nur vom Namen bekannt, aber offenbar sehr beliebt: Ayoob Kara. Eine kleine Recherche hilft weiter: Kara ist Druze,Jahrgang 1955, Likud-Mitglied und ehemaliger Knesset-Abgeordneter, dazu noch Major im Reservedienst. Eindeutiges zionistisches Profil, wenn man so will, und eine extrem charismatische Gestalt noch dazu. Ayoob spricht von der „Pleite der Oslo-Verträge“, von den Unterstützern und „Schöngeistern der Zwei-Staaten-Lösung“, deren Verkleidung man heute eindeutig erkennen könne, und wenn die PMs Rabin und Olmert damals tatsächlich die Golanhöhen weggegeben oder einen palästinensischen Staat errichtet hätten, „fänden wir uns heute auf dem Flughafen wieder“. Er spart nicht an Härte in den Worten, und lehnt vehement ein Weiterkauen der „bankrotten Zwei-Staaten-Theorie“ ab. Applaus.
Und jetzt kommt Caroline. Moderator der Diskussion: Ronen Shuval, Gründer der politischen Bewegung „Im Tirzu“ – zionistisch, kritisch, und meiner Einschätzung nach sehr intelligent. Sie sind beide aus demselben Lager – und kennen wunderbar die Einwände, die man gegen ihre Ideen ausspricht, also ist Ronen in der Rolle des Kontrahenten.
→ Das Geheimnis des Scheiterns der Zwei-Staaten-Idee.
Caroline Glick und Ronen Shuval
Caroline: Die Zwei-Staaten-Ansicht existiert schon 93 Jahre. Ja, offiziell, gibt es sie seit 1993, aber in der Praxis gibt es sie als Lösungsvorschlag schon 93 Jahre, und jedes Mal ist der Ansatz gescheitert, und jedes Mal, wenn er von Neuem versucht worden ist, haben die Juden dafür einen teueren Preis gezahlt. Die Araber hingegen akzeptierten diesen Ansatz schon 1922 (Beginn des britischen Mandats über Palästina und Festlegung einer jüdischen nationalen Heimstätte westlich des Jordanflusses, siehe hier) nicht, und bis heute tun sie es nicht. Wie viele solche, andauernd scheiternde und so alte Ansätze gibt es heutzutage, die aber immer wieder versucht werden? Man redet ja nur über dessen Anwendung, nicht aber, was danach sein wird. Was aber sein wird? Ein Alptraum. Der jüdische Staat wird aufhören, zu existieren.
Ich war eine Offizierin der israelischen Armee in 1994, es war die heiße Zeit der Oslo-Verhandlungen mit der PLO, die Übertragung ziviler Verantwortung von der israelischen Regierung auf die Organisation. Ich war in die Gespräche und die Durchführung der Verhandlungen eingeweiht. Mit mir zusammen war das Verhandlungsteam – gute, qualitative Leute. Ich wurde Augenzeuge des kompletten Einsturzes von jeglichem rationalen Denken, und einer ideellen Unterwerfung. Es war uns allen klar, dass all die Palästinenser, mit denen wir ganz herzlich über ihre Familien bei einer Tasse Kaffee in den Hotels gesessen und geplaudert haben, weiterhin feindliche Aktivitäten unterstützen und fördern würden, gegen den Staat Israel. Es war uns klar, dass kein Frieden hieraus entstehen würden. Aber es herrschte vollkommene Unterwerfung der Leitlinie der Oslo-Verträge.
Ronen: Mit Oslo sollte doch das territoriale Problem geregelt werden, oder? Meines Erachtens ist das Problem ein theologisches!
Caroline: Problem von Territorien? Nein. Das Problem sind wir, das wollte uns Oslo sagen. Israel „steckt fest“ zwischen dem Jordan und dem Meer, und wenn wir unsere Erwartungen hier verringern und etwas aufgeben, wird es alle Probleme des Nahen Ostens lösen.
Das ist eine kindische Ansicht, und sie ist praktisch nicht durchführbar, aber sie verleiht eine gewissen Kraft, schau: Wenn das eigentliche Problem lediglich von dir abhängt, wirst du definitiv die Zugeständnisse machen und somit alles lösen! Und das ist der Ansatz: Die Schuld liegt nur bei Israel. Und wir haben es mit uns machen lassen und haben diese Schuld angenommen.
Es gibt viele Araber, die es vorziehen, in unserer Demokratie zu leben als unter arabischem Terror. Im Jahr 2000, zur Zeit der 2.Intifada, war jeder 10.Terrorist ein israelischer Araber, obwohl den Stimmungsanalysen nach die Identifikation und die Unterstützung für den Terror auf beiden Seiten der grünen Linie identisch gewesen ist. Aber warum haben tatsächlich nur 10% aktiv daran teilgenommen?
– Israelische Staatshoheit, das ist die Antwort. Nicht wie in Judäa und Samaria. Israel ist hier an der Macht, und die Fähigkeit, den Terror zu stoppen, ist groß, über den Nachrichtendienst, den Shabak (Shin Bet). Und es gibt keine Terrororganisationen, die den Terror noch weiter vorantreiben und die Gesellschaft radikalisieren, wie in den Gebieten.
Ronen: Die Frage der Demografie ist eine Kernfrage des Themas. Wie viele Araber leben in Judäa und Samaria, welche Zahlen werden nicht erzählt?
Caroline: Auch wenn es dort 6 Millionen Araber gäbe, braucht man die Annektierung. Ich mag den Begriff „Annektierung“ nicht. Es geht um die Anwendung des israelischen Rechts in Judäa und Samaria, genauso wie auf dem Golan. Dabei gibt es Fragen zu klären: wie ist das Recht anzuwenden, wer wird Staatsbürger, was sind die Bedingungen. Aber wenn wir es nicht tun, werden wir nicht weiter existieren können. Der Verteidigungsminister muss das Militärgesetz in den Gebieten aufheben und das zivile Gesetz stattdessen in Kraft setzen. Natürlich muss man darüber nachdenken, wie all das durchzuführen ist, welche Grenzen gesetzt werden etc., aber die Initiative ist in unseren Händen. Wir bestimmen es.
Ronen: Die israelische Gesellschaft hat weniger Sorge vor der arabischen Reaktion auf einen solchen Akt. Es sind drei Faktoren, vor denen sie Angst hat: 1) die demografische Bedrohung – mögliche 30 wahlberechtigte „Hanin Zoabis“ in der Knesset, und die dadurch anwachsende linke Fraktion. 2) die Reaktion der Europäer, 3) die Reaktion der Amerikaner.
Caroline: Ich glaube nicht, dass alle Palästinenser die Staatsbürgerschaft erhalten, obwohl ich das geschrieben habe. Aber selbst wenn, warum nehmen wir an, dass sie alle antiisraelisch wählen würden?
Erstens, die Dynamik zwischen den Juden und den Arabern würde sich gänzlich verändern, wenn wir die Oberhoheit annehmen und sagen würden, „wir sind hier für immer und gehen hier nicht weg“.
Zweitens, mit diesem Akt der Oberhoheit würde das größte Streitthema innerhalb der jüdischen Gesellschaft neutralisiert werden.
Drittens, ich denke nicht, dass wenn der Staat Israel fest und mutig hinter seinter Entscheidung stehen wird, die Palästinenser allesamt die ultralinken Parteien wählen würden, die im Prinzip nur für die Landesaufteilung existieren?
Mein Ansatz ist der des Integrierens. Lasst uns diesen Arabern etwas Gutes tun. Aber selbst wenn wir nur die C-Gebiete einschließen, so wie das Naftali Bennett und „Habait Hayehudi“ verlangen, werden wir am Ende zur kompletten Annexion kommen. Man muss auch darauf gefasst sein. Das Problem ist aber, wenn wir nur die C-Gebiete annektieren, wird die PLO weiterhin existieren. Die Radikalisierung geschieht durch sie, und solange Israel selbst ihr noch weiter das Existenzrecht vergibt, wandern wir vom Regen in die Traufe.
Ronen: Glaubst du, dass alle, die die anderen Ansichten haben – Zehava Gal-On, oder John Kerry – , werden auf einmal ihre Meinung ändern?
Caroline: Wir haben es mit vielen vergiftenden Kräften in unserer eigenen Mitte zu tun, aber das, was sie stärkt, auch die ganzen post-zionistischen Parteien, das ist die Oslo-Idee, und wir geben dieser eine Existenzberechtigung.
Ronen: Was ist, wenn sich all diese Kräfte vereinen und das Hoheitsgesetz aufheben?
Caroline: Und warum meinst du, dass es ihnen gegenüber kein Gegengewicht gebe?
→ Die europäische Reaktion.
Caroline: Die radikalste Reaktion von allen wird die der EU sein. Die EU hat für nichts eine einheitliche politische Leitlinie, außer wenn es um Politik gegenüber den Palästinensern geht. Im Buch spreche ich darüber, wie man das Gefahrenpotenzial seitens der EU abmildern kann. Das Problem ist, dass wir die Beziehung zu den Europäern wie einen „Roman“ betrachten. Wir gehen diese Beziehung emotional an, aber es gibt dort keine Emotionen.
Wir müssen verstehen, dass die Völker in Europa antizionistischer sind als die Regierungen, und in den USA unterstützt uns das Volk viel mehr als seine Regierung. Wir müssen unsere Handlungen abwiegen, und nach Interessen handeln, und darauf auch unsere Beziehung zur EU stützen. Denn die Reaktion ist eindeutig: Boykott. Daher müssen wir schauen, inwiefern die Europäer von uns abhängig sind, und Schadensbegrenzung betreiben: So ist zum Beispiel der britische Medikamentenmarkt von der isr.Firma „TEVA“ abhängig und er wird zusammenstürzen, wenn es einen Boykott gibt. Zudem müssen wir unseren Markt auf andere Länder ausweiten.
Schau, die offizielle Leitlinie Israels ist eine Unterstützung der 2-Staaten-Lösung, und dennoch sind wir schon jetzt einem gewissen wirtschaftlichen Boykott seitens der EU ausgesetzt. Israelische Handlungen haben keinen Einfluss auf die Reaktionen der EU, denn sie handeln nach ihren eigenen Interessen. Die Pathologie der Beziehung zwischen Israel und Europa ist bei Europa zu finden, nicht bei Israel.
→ Was ist mit dem Gazastreifen?
Caroline: Der Gazastreifen ist für mich nicht im Gespräch drin. Es gibt keinen Grund, wieso Gaza den selben Stellenwert haben sollte wie Judäa und Samaria. Wir haben uns aus Gaza zurückgezogen. Der rechtliche Anspruch auf Gaza ist schwächer geworden, obwohl es in der Festlegung von 1922 mitenthalten ist. Aber auch wenn wir den rechtlichen Status von Gaza ändern würden, und das israelische Recht darauf ausweiten würden, ich bin nicht sicher, was es uns bringen würde. Gaza – das ist der direkte Zugang für die Jihadisten, die Verbindung zum Sinai. Die arabische Gesellschaft im Gazastreifen ist anders als die in Judäa und Samaria. Ich habe im Sommer 2014 die Wiedereroberung von Gaza nicht unterstützt, und ich sehe keine nationale oder strategische Bedeutung darin, Gaza wieder an Israel anzuschließen, so wie man das mit Judäa und Samaria tun muss.
Nichtregierungsorganisationen, oder kurz NGOs, welche sich um das Wohl und die Zukunft von Staat und Gesellschaft sorgen, gibt es in Israel bekanntlich viele. Vor allem „boomt“ das Geschäft von politisch orientierten NGOs, denn der Nahostkonflikt ist einer der meistbesprochenen Konflikte der modernen Geschichte seit der Gründung des Staates Israel in 1948. Dabei reduziert sich der „Nahostkonflikt“ fast ausschließlich auf den territorialen Streit zwischen den (jüdischen) Israelis und den Arabern, namentlich den Palästinensern, und auf das Verlangen nach einem Palästinenserstaat.
Buch von Caroline Glick, wörtl. „Annektierung jetzt“, angelehnt an den Slogan der linken Bewegung „Frieden jetzt“. Darunter: die hebr.Ausgabe von T.Tenenbaums Buch „Allein unter Deutschen“
Am 24.02.2015, fand zu diesem Thema im Menachem-Begin-Center in Jerusalem die Initiative einer NGO statt, der sogenannte „Erste Kongress des Zionistischen Fonds für Israel„, bei welchem auch die Journalistin, Publizistin und Autorin Caroline B.Glick (bekannt aus der Jerusalem Post? LATMA TV-Parodien? usw.) ihr neu ins Hebräische übersetzte Buch „Die israelische Lösung – ein Einstaatenplan für Frieden im Nahost„ vorstellte. Es folgte eine hochspannende Diskussion zwischen ihr und dem Gründer einer weiteren, nennenswerten Organisation statt – „Im Tirzu“ -, und ich möchte euch unbedingt davon erzählen, da es höchste Relevanz für das Thema Siedlungen und „besetzte Gebiete“ hat.
Vorstand der Verwaltung der Gusch-Region, Davidi Perl, rechts
Auf dem Kongress fanden sich an die 200 Leute ein (keine genaue Angabe). In der Menge, die um die Stände herumwanderte, Kaffee trank und sich angeregt unterhielt, waren viele zentrale Figuren der nationalreligiösen Szene zu erkennen: Der Vorstand der Gusch-Etzion-Regionalverwaltung Davidi Perl, die mir gut bekannten „Women in Green“ – Yehudit Katzover und Nadia Matar, Journalisten, natürlich der Herausgeber von C.Glicks Buch, der schon Tuvia Tenenboms „Allein unter Juden“ in Hebräisch in die Welt gebracht hatte, und andere mehr. Es waren viele junge Gesichter zu erkennen – eindeutig keine alte-Leute-Veranstaltung.
Ich habe meinen Bericht etwas unterteilt, wer will, kann die verschiedenen Rubriken überspringen und zu den gewollten gehen, einfach draufklicken:
Wenn wir uns ein wenig auf die Vorgeschichte des Territorialkonfliktes rückbesinnen, so kommen wir spätestens auf den zentralen Beschluss der UNO-Versammlung in 1947, bei welcher die Teilung des damals britischen Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorgegeben wurde.
Als die jüdische Repräsentanz der Teilung zustimmte, lehnten die arabischen Vertreter im Mandatsgebiet den Teilungsplan ab. 1949 dann, am Ende des Unabhängigkeitskrieges von Israel gegen Irak, Syrien, Jordanien, Saudi-Arabien und Ägypten stand Israel als Sieger gegenüber den 5 arabischen Staaten und hatte auch wichtige Gebiete, die im Teilungsplan nicht vorgesehen worden waren, unter Kontrolle (darunter den Negev und Galiläa), verlor aber Judäa, Samaria, Gaza und Ostjerusalem inklusive der ersten jüdischen Ortschaften und Ansiedlungen dort an die jordanische Armee. Im Sechs-Tage-Krieg 1967 wurde dieser Verlust bekanntlich rückgängig gemacht, die israelische Armee eroberte den Gazastreifen, die Berge Judäas und Samarias bis zum Toten Meer/dem Jordan und Ostjerusalem und beendete die jordanische Herrschaft. Das war die Geburtsstunde des Siedlungsaktivismus in den eroberten, aber nicht zum offiziellen Staatsterritorium erklärten Gebieten, welche rechtlich gesehen als Niemandsland galten.
Wenn ich absolut ignorant über 30 Jahre vibrante israelische Geschichte hinwegfege und den Fokus auf das Jahr 1993 lege – in diesem Jahr wurden die sogenannten „Osloer Verträge“ geschlossen. Für die einen ein politischer Segen mit einem großen Stück Hoffnung garniert, für andere eine historische Katastrophe, deren Folgen schon absehbar sein würden. Bei diesen zwischen der damaligen PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) und der israelischen Regierung unter Yitzhak Rabin geschlossenen Verträgen (erneut, sehr grob zusammengefasst) wurde beschlossen, die 1967 von den Jordaniern eroberten Gebiete an die Palästinenser zu geben – Judäa, Samaria, Gazastreifen und auch die Golanhöhen im Norden. Für die Verhandlungen und die Verträge gab es 1994 den Friedensnobelpreis – an Yitzhak Rabin, weil er die Abgabe bereit war, durchzuführen, an an PLO-Chef Yassir Arafat, weil er sich offiziell bereit erklärte, Frieden zu schließen (man merkt vielleicht, ein gelinde gesagt etwas ungleicher Tausch).
Diejenigen, die israelische Geschichte ein wenig mehr in die Tiefe studiert haben, wissen, dass Yassir Arafat den Terror nicht abgeschworen hatte; nach der Ermordung Rabins 1995 folgte eine blutige Terrorzeit seitens der Araber gegen Israelis bis hin zur 2.Intifada; die Landabgabe fand nicht statt bis 2005, als Premierminister Ariel Sharon den unilateralen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen beschloss und dafür tausende von Juden aus den dort florierenden Ortschaften – bekannt als Gush Katif – vertrieb und entwurzelte. Das Ausmaß des Friedens lässt sich an dem Wahlsieg der Terrororganisation Hamas, dem Raketenbeschuss in Richtung Süd- und Zentralisrael und den Militäroperationen gegen den Terror 2008-09, 2012 und 2014 erkennen.
Das Gebiet von Judäa und Samaria steht schon über 40 Jahre unter israelischer Militärverwaltung bzw. Oberhoheit, wobei es in die Gebiete A/B/C unterteilt ist, von welchen in Gebieten A und B die PLO, heute auch Palästinensische Autonomiebehörde genannt, mehr oder weniger autonom verwaltet. Gebiete C sind unter israelischer Kontrolle, allerdings gilt das gesamte Territorium rechtlich als umstrittenes Gebiet und im internationalen Pressejargon „besetztes Gebiet“ oder heutzutage gar auf gänzlich absurde und realitätsferne Weise „Palästinenserstaat“ (wieso absurd? Mehr dazu später unter Problemzonen).
NGOs für Zionismus
Zurück zu den Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Was politische NGOs in Israel angeht, so gibt es davon viele mit relativ linker politischer Ausrichtung und gut abgesicherter finanzieller Basis, dank massiver Unterstützung durch Geldquellen aus Europa und den USA. (Meine Empfehlung? Mehr zum Thema kann man am Besten über das Buch „Allein unter Juden“ von Tuvia Tenenbom erfahren und wird dabei noch unterhalten.) Israel wäre aber kein demokratischer Staat, wenn diesen NGOs nicht die Organisationen der gegensätzlicher Natur Paroli bieten würden. Sie sind wesentlich weniger im Alltag und den Medien präsent (wieso? Das erklärt Caroline Glick im nächsten Abschnitt). Sie haben erheblich weniger finanzielle Mittel, und bisweilen so gut wie keine, sie stützen sich auf viele freiwillige Aktivisten und das Internet. Eine internationale Bedeutung bzw. eine Stimme irgendwo im westlichen Raum haben die meisten keine, und die Beziehungen zu den Großorganisationen wie der EU oder UNO, sofern sie bestehen, sind ziemlich negativ belastet. In deutschem „Fachjargon“ ist von ihnen, ebenso wie von der Partei „Jüdisches Heim/Habait Hayehudi“, dem „Likud“, dem Wirtschaftsminister Naftali Bennett, dem Außenminister Avigdor Liebermann, und gar Premierminister Benjamin Netanyahu, als von „rechten„, „ultrarechten„, „nationalistischen„, „ultranationalistischen„, „extremen“, „jüdischen rechtsextremen„, „Hardlinern„, „Falken“ und was noch nicht alles Parteien und Organisationen die Rede. Eine ganze nichtssagende, aber zugegeben gruselige Vokabular-Palette wird auf sie verwendet – wie übrigens auch auf „die Siedler“ (ein wenig in deutscher und internationaler Presse bewandert sein klärt auf – mein Tipp). Was und wer hinter den Worten steht, wird nicht erklärt, die Begriffe stehen im Raum, die Attribute sind verteilt, alles unter Kontrolle.
Worum geht es diesen NGOs, von welchen ein wichtiger Teil beim „Ersten Kongress des Zionistischen Fonds Israels“ erschien? In einem Satz – sie setzen sich ein für (Wieder-)Aufbau eines jüdischen, demokratischen Bewusstseins innerhalb der israelischen Gesellschaft und gegen einen arabischen Staat in Israels Mitte. Somit wäre auch erklärt, was denn mit „Zionismus“ genau gemeint ist -entgegen beispielsweise der Nutzung des Begriffs durch die linken Parteien im aktuellen Wahlkampf: Zionistisch, das ist treu dem historischen Land Israel (Zion) gegenüber, das ist Jerusalem als ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes, das ist Einwanderung nach Israel aus dem weltweiten Exil, das ist traditionsreiches jüdisches Bewusstsein, das ist Pflege der eigenen Identität im Nahost, und das ist 100%-ige Selbstbestimmung in allen Bereichen des Lebens. Es ist auch der Widerstand gegenüber linken, identitätsschwächenden, kritischen, diffamierenden, antisemitischen oder einfach einem Nationalstand fernen Ideologien von innen und außen.
Da ist zum Beispiel der Verein „Ein Schritt nach rechts“, welcher in seinem Flyer behauptet, dass gerade die zionistische, für israelische Begriffe rechte Ideologie die beste Wahl für die Zukunft des Landes darstellen, und dass die allseits bekannten, in der Öffentlichkeit vertretenen linken Ideologien schon veraltet sind und keine Relevanz für die Gegenwart der Gesellschaft haben.
Die Organisation „Israel Europe Freedom Center“ setzt sich für eine Aufbesserung der Verhältnisse zwischen Israel und den europäischen Ländern und Politikern ein (so auch in Deutschland!), sorgt sich um das öffentliche Bild Israels in den Medien und der Gesellschaft, kämpft gegen Boykott-Bestrebungen wie das der BDS-Bewegung, organisiert Projekte und Seminare für Studenten.
Das „Nahum Bedein Center“ für Analyse von Nahostpolitik konzentriert sich auf arabische Presse, untersucht und stellt die dort verbreitete Anti-Israel-Agitation bloß und unterhält Beziehungen zu den Parlamentsmitgliedern in Amerika und Kanada.
Die offizielle Verwaltung von Judäa und Samaria war durch verschiedenes Infomaterial an den Ständen vertreten, vor allem mit einem sehr informativ und modisch gestalteten Heft, in welchem schrittweise erklärt wurde, wieso Judäa und Samaria „unsere“, „nützliche“ und „möglich zu machende“ Gebiete sind und welche Ziele mit einer Eingliederung dieser in den Staat erreicht werden können.
Die Jungs von „Eretz Zvi“
„Eretz Zwi“ (Geliebtes Land): vor einem Jahr gegründete Jugendorganisation von jungen religiösen Schülern aus Sderot. Die Jungs haben sich zum Ziel gesetzt, vor allem das zionistische Bewusstsein und die innere Verbindung zum Land zu bestärken, die jüdische Bevölkerung zu informieren, weshalb es für alle wichtig sein solle, dass die von der Regierung nicht anerkannten Gebiete zu Israel gehören sollen. Mit einer Überzeugung, die den jungen zionistischen Bewegungen vor der Gründung des Staates Israel in nichts nachstehen würde, wären nur die Mittel und die Interessenten etwas zahlreicher. Seminare, öffentliches Auftreten bei Veranstaltungen, Demonstrationen, Kontakt mit anderen Aktivisten per Whatsapp – das alles machen sie mit viel Elan.
Und schließlich noch die Dachorganisation, welche das ganze Event auf den Plan gerufen hat: Der „Zionistische Fonds für Israel“, unter der Leitung von Lior Shurka, Dr.Yuval Morgenstern, Natan Werter und Yisca Bina. Sie wollen die kleineren NGOs und Bewegungen unter sich vereinen, finanziell und medial unterstützen, Rechtsbeistand anbieten und eine Art „Gewächshaus für zionistische Start-Ups“ darstellen (was hierbei zionistisch heißt, haben wir ja zu Beginn des Abschnitts geklärt). Im Prinzip ist diese Veranstaltung ihr erstes Coming-Out, bisher habe weder ich, noch andere, in der Szene weitaus mehr bewanderte Figuren von der Organisation gehört. Aber sie bemüht sich, und ist eindeutig in der Lage, die Kleineren unter ihr zu vereinen – das allein schon ein großer Fortschritt.
⇒ Weiter zum Kongress und Caroline Glick’s Diskussion: hier klicken.
Heute morgen ging bei Walla!-News die Meldung ein, in der Nähe der Stadt Beitar Illit und dem Vorposten Gva’ot, Judäa, sei eine Moschee angezündet worden. Hasssprüche wurden auf die Wand gesprüht und die Einwohner haben das Feuer löschen können.
Offenbar gab es auch vor einer Woche einen absichtlichen Brand in einem arabischen Olivenhain südlich der Stadt Hevron, bei Mitzpe Yair.
Die Polizei untersucht den Fall auf „Price-Tag“-Verdacht seitens jüdischer Siedler. Die arabische Bevölkerung beschuldigt in beiden Fällen die Siedler.
Die Moschee befindet sich in Gaba‘.
Hier die Meldung (hebräisch): Meldung und Bilder
Dazu muss man sagen, dass Berichte von Attacken auf arabisches Eigentum, Moscheen etc angeht, so gab ist schon in der letzten Zeit, sowie auch schon zuvor, leider die Fälle, als Verbrechen gegen dieses für rassistische Attacken seitens Juden ausgegeben worden sind. Hassattacken auf Autos und Moscheen gehoeren leider teilweise zur Taktik extremer Aktivisten, rufen sie jedoch empörte und entsetzte Reaktionen in der israelischen Öffentlichkeit und großangelegte Entschuldogungskampagnen der israelischen Regierung an den Plan.
Die internationale Berichterstattung zu solchen Vorkommnissen ist unbarmherzig in ihrem Geisseln der Attacken, zumeist auch auf den ersten Seiten der Nachrichtenausgaben, und hallt lange nach.
Vor wenigen Monaten allerdings gab es eine interessante Demonstration, dass es auch ganz anders geht, und weitaus „nicht alles Gold ist, was glänzt“:
Am 12.November 14 berichteten sämtliche Newsoutlets international über eine chemische Brandattacke gegen eine Moschee im Dorf AlMughayer. Die Moschee und die heiligen Bücker darin wurden sehe beschädigt. Das Urteil der Dorfbewohner und der Pal.Autonomiebehörde war klar: Es waren Siedler.
Die Untersuchungen israelischer Behörden liefen auf Hochtouren. Ausgerechnet die linksideologische Zeitung Ha’aretz berichtete als Erste über den Befund der Feuerwehr und der Untersuchungsteams: Das Feuer war Resultat eines Kurzschlusses, verursacht offenbar durch ein Heizungsgerät. Keine Spuren von Hassgraffiti, Chemikalien etc.
Das „Kommittee für Korrektheit in Nahost-Berichterstattung in Amerika“ (CAMERA.ORG) verfolgte die Newsausgaben, um zu sehen, wer die Resultate aufgreifen und den Bericht korrigieren wuerde.
Ergebnis: AP, New York Times, Los Angeles Times korrigierten den Bericht, teilweise nach Korrespondenz und Nachhaken seitens CAMERA; AFP – französische Agentur – korrigierte erst sehr spät; Reuters – britische Agentur – wurde angeschrieben, reagierte aber nicht und postete kein Update. Bericht auf Englisch hier
Soviel dazu.
Ich hoffe nur, dass auch diese Tat sich als Farce erweist, und wenn ja, dass darüber auch berichtet wird….
Der folgende Beitrag ist nicht nur aufgrund seiner Eindeutigkeit und Klarheit und Faktennutzung lesenswert, sondern auch, weil er das Thema Siedlungen, Westjordanland und illegale jüdische Siedler behandelt – und selbstverständlich ist die Berichterstattung zu diesen Themen und ihre Analyse immer relevant.
Bühne frei für Gerd Buurmann…
Wenn es um den Nahostkonflikt geht, wird stets Neutralität angemahnt. Diese Neutralität gibt es jedoch nicht. Der ganze Diskurs ist durchtränkt von Begriffen, die zwar mittlerweile als neutral verstanden werden, aber in Wirklichkeit einseitig gegen Israel Partei ergreifen. Tapfer im Nirgendwo präsentiert ein paar dieser Begriffe.
Westjordanland oder West Bank
Das sogenannte Westjordanland liegt westlich von Jordanien und östlich von Israel. In Jordanien wird das Gebiet West Bank genannt, da es das westliche Ufer vom Jordan ist. In Israel heißt das Gebiet jedoch Judäa und Samaria. Der Begriff West Bank wurde erst im 20. Jahrhundert von Abdallah ibn Husain I. erfunden. Die Begriffe Judäa und Samaria jedoch haben biblischen Ursprung.
Wer Israel delegitimieren will, tut gut daran, die Begriffe Judäa und Samaria zu meiden, da sie schon dem Klang nach verraten, was nicht zu leugnen ist: Das jüdische Volk ist das älteste noch heute existierende Volk im Nahen Osten, mit…
„Der Feind in meinem Bus“, ein Projekt des Bayerischen Rundfunks in Zusammenarbeit mit der Redaktion des ARD.
Es ist nicht meine Absicht gewesen, auf diesen Bericht zu stoßen, aber da er nunmal im Netz schon sein Unwesen treibt, will ich ihn ncht ignorieren, sondern ein wenig unter die Lupe nehmen.
⇒ Ein imposantes Multimediaprojekt mit dem reißerischen Titel „Der Feind in meinem Bus“, das den erniedrigenden Arbeitsweg eines Palästinensers aus dem „Westjordanland“ nach Tel Aviv für alle Sinne einleuchtend darstellen soll. Eins mit neuem Design, Vollbildauflösung und wenig erkennen lassenden, dramatisch beleuchteten Fotoaufnahmen; es gibt keine Videodarstellung, und die wenigen Hördateien, die vor allem die unverständlichen Geräusche der Umgebung und den Erzähler auf Arabisch wiedergeben sollen, lassen nur mithilfe des knappen Begleittextes erahnen, worum es eigentlich geht. Auf authetische Effekte und Darstellungsknappheit, verbunden mit eindeutiger Botschaft ohne Platz zum Hinterfragen, wird hoher Wert gelegt.
⇒ Der Titel ist groß und auffällig, aber eigentlich handelt nahezu der gesamte Artikel davon, wie der Palästinenser Attah Saleh, 36, aus dem Dorf Kuft al-Dik nahe Ariel, gerade nicht wie „die Siedler„, mit einem Bus direkt zu seiner Arbeit in Tel Aviv fährt. Er handelt vielmehr davon, wie Attah Saleh jeden Morgen einen Checkpoint vom „palästinensischen Gebiet“ aus ins „israelische Kernland“ passieren muss, und das dauert sehr lange, so die Aussage des Artikels.
⇒ Checkpoint signalisiert Prüfung, Überprüfung. Ein Checkpoint (‚Machsom‚, Barriere im Hebräischen) ist aber nichts anderes als ein Grenzübergang zwischen dem zum palästinensischen erklärten Gebiet und dem „israelischen Kernland“. Als solcher wird er allerdings nicht wahrgenommen. Die Urheber der Checkpoint-Angelegenheit werden relativ schwammig vorgestellt: Es sind „die Siedler“, und „Israel“. „Die Siedler“ gelangen zu ihrer Arbeit, offenbar allesamt in Tel Aviv, in der Hälfte der Zeit, die Saleh braucht, um den Prüfpunkt zu passieren und in Tel Aviv anzukommen – nämlich in 3 statt anderthalb Stunden. Das wird zwar gänzlich nicht belegt, und lediglich mit der Prüfung am Grenzübergang abgetan, und unklar ist auch, ob der arme Saleh jetzt 2 Stunden zum Grenzübergang gelang, an diesem 2 Stunden steht oder ob er vielleicht anderthalb Stunden im Stau nach Tel Aviv steht, was durchaus alltäglich wäre, das auch noch um die Hauptreisezeit. Fährt er doch mit dem regulären Linienbus.
Jedenfalls, wir müssen BR glauben, dass die 3 Stunden für Saleh irgendwie mit dem Grenzübergang zu tun haben.
⇒ Wieso eigentlich Grenzübergang?
„Der Grund: Im Westjordanland sind israelische Siedler und Palästinenser durch einen Sperrzaun getrennt“.
FALSCH. Das „israelische Kernland“ ist von zahlreichen palästinensischen Ortschaften mit einem Zaun getrennt. Nicht in dieses „Kernland“ integrierte Siedlungen – dutzende davon in Samaria, Binyamin und Judäa! – liegen Straße an Straße, Hügel an Hügel, an den arabischen Städten und Dörfern. Da Israel das Gebiet von Judäa und Samaria nach dem 6-Tage-Krieg 1967 nicht annektiert, sondern lediglich besetzt hat, hat es nicht den Status eines offiziellen Staatsgebietes. Deshalb sind auch Grenzübergänge errichtet worden. Laut Behauptung der Reporterin, der BR-Volontärin Patrizia Schlosser, hat Israel dieses Gebiet, das bei mir stets in Anführungszeichen so auftauchen wird, als „palästinensisches Gebiet“ 1967 erobert. Dabei wurde es von den Jordaniern 1948 erobert und 1967 von den Israelis im Krieg gegen Jordanier und lokale Araber erkämpft. Und nie und nimmer als „palästinensisches Gebiet“ besetzt. Auch wenn es heute gerne als solches verkauft wird. Demnach WIEDER FALSCH.
⇒ Es gibt einige Aussagen, die selbstverständlich in ihrer absurden Knappheit einen in israelischer Geografie unbewanderten Leser völlig in Verwirrung führen. Das tun sie zu Recht: In der Landkarte, die die Lage von Tel Aviv, Ariel und Kufr al-Dik verdeutlichen soll, sind kaum Straßen eingezeichnet, es ist unklar, welche Städte sich genau wo befinden; die Einfahrten ins „Kernland“ werden nicht verdeutlicht. In der Karte ist von einem Checkpoint die Rede, im Text einige Folien später von einem gänzlich anderen. Weshalb ausgerechnet ein Checkpoint in der Nähe von Jerusalem derjenige sein soll, welchen Saleh nach Tel Aviv nehmen muss (die Karte zeigt auf eine ganz andere Gegend!), ist unklar. Aber das Design stimmt, und die freundlich-besorgte weibliche Stimme der P.Schlosser erzählt weiter.
⇒ Es kommen einige Abschnitte über den Übergang selbst, welchen Soldaten kontrollieren. Aussagekräftig wird es natürlich, als gesagt wird, die einen sollen „nach rechts“, die anderen „nach links“ und die saftige Beschreibung der Drehkreuze mit dem grünen oder roten Licht zum Passieren. Stickig. Viele Menschen. Soldatenstimmen im Hintergrund. KZ-Atmosphäre pur.
Unerwähnt: Rushhour-Arbeitsstunde; Routinekontrollen von Fremdbürgern beim Einlass in einen anderen Staat; Sicherheitsvorkehrungen, welche durch verhäufte Attentate auf Grenzsoldaten und Übergänge, beispielsweise am 24.Dezember (INN). Ich frage mich, ob Flughäfenkontrollen oder Grenzkontrollen außerhalb des Schengen-Territoriums ebenso dramatische Beschreibungen erhalten oder man sich das nur hier erlaubt.
⇒ Zwei Aussagen werden für den Leser offen stehengelassen: Die Behauptung, im Westjordanland gäbe es keine Arbeit, und dass Attah Saleh gerne Ingenieur geworden wäre – stattdessen ist er Bauarbeiter in Tel Aviv.
Simple Faktenwiedergabe? Mag sein, aber liest es euch einmal im Kontext durch und aus simplen Behauptungen werden Unterstellungen, wenn nicht gleich Anschuldigungen. Denn wir haben es hier mit einem Artikel zu tun, der ein Ziel hat: Denjenigen, der nach der Ansicht der Redaktion Attah Saleh zu einem „unterdrückten Arbeitnehmer“ macht, zu verurteilen. Kein Wort davon, weshalb es Arbeitslosigkeit im „Westjordanland“ gibt. Kein Wort davon, wieviel Geld die Pal.Autonomiebehörde in die Lebensqualität ihrer Bürger investiert und wieviele Millionen sie jährlich dem israelischen Leihstaat schuldet – sie, die vorgibt, ganz ein souveräner Staat werden zu wollen. Kein Wort davon, wie froh Palästinenser sind, die Möglichkeit zu haben, in Israel zu arbeiten: Einem Staat, den die Mehrheit ihrer Bevölkerung und ihre Regierung als FEINDESLANDdeklariert. Und Bauarbeiter; weil die PA offensichtlich keine Ingenieure engagieren kann; oder Herr Saleh hat eben nicht studieren können/wollen. Der Fantasie des Lesers sind keine Grenzen gesetzt – nur Denkweisen vorgegeben.
⇒Stattdessen ist der „Feind in meinem Bus“, Attah Saleh, weiter die Hauptfigur des Theaterspiels á la Apartheid. Aus einer Reihe wartender Arbeiter, die mit demselben Bus wie die Israelis fahren, werden „Palästinenser zweiter Reihe“. Man stellt sich dabei Bushäuschen mit der Aufschrift „nur für Juden“ vor. Sammeltaxi ab dem Checkpoint zur Bushaltestelle nach Tel Aviv? Keineswegs Luxus, sondern erniedrigend. (- Ich kann mich nicht erinnern, dass mich je ein Sammeltaxi zu meiner Bushaltestelle gebracht hat. Ich musste immer selbst laufen. )
⇒ Und dann kommt natürlich die Siedler-Leiher.
Aus und nach Ariel fahrende Menschen nichtpalästinensischer Herkunft? Siedler.
Auf den Bus nach Tel Aviv wartende Menschen, schon längst hinter dem Grenzübergang? Siedler.
Die einzige zitierte jüdische Israelin, welche sich vor den Arbeitern aufgrund der häufigen Terroranschläge ängstigt? SIEDLERIN in Großbuchstaben. Weil das das Auge fängt – und nicht etwa das Wort „TERRORANSCHLAG„.
⇒ Zum Abschluss wird auf die Bedrohung der „getrennten Busse“ für die palästinensischen Arbeiter hingewiesen. Nicht etwa, weil sie bisweilen ihr eigenes Arbeitsland angreifen. Sondern weil die Siedler es sich wünschen. Und wenn im Moment Attah Saleh auf seiner Rückfahrt nicht kontrolliert wird (wieso auch, er fährt zurück in sein Dorf, raus aus dem „Kernland“!), so soll es nach dem Verteidigungsminister Moshe Ya’alon bald anders aussehen – dann wird auch die Rückfahrt 3 Stunden dauern.
Weshalb?
Weiß der Kuckuck. Weil die palästinensischen Arbeiter dann auch auf dem Rückweg kontrolliert werden? Und wieso? Und wer will diese Verordnung nachweisen?
Ich kann darauf nicht antworten. Aber ihr könnt ja mal eine Nachrage an Frau Patrizia Schlosser, BR-Volontärin, richten, sie weiß es schließlich nach der Fertigstellung eines so nachhaltigen, umfassenden und realitätsnahem Bericht am Besten. Sie wird auch hoffentlich bald antworten – sofern sie nicht im Stau zwischen Ariel und Tel Aviv auf einer der Siedlerautobahnen feststeckt.
Eigentlich, ich gebe zu, hatte ich vor, ein größeres Feature über die Gegend von Neve Daniel und die antike Hauptverkehrsstraße zur biblischen und römischen Zeit, bekannt als „The Patriarchs‘ Way“ oder „Weg der Vorväter“ zu machen, was schönes touristisch-kulturelles.
Aber da kamen mir doch tatsächlich „Die Zeit“ und die dort veröffentlichte Meldung der Nachrichtenagentur AFP dazwischen:
Es handelte sich um eine Meldung bezüglich der Brandbombenattacke auf die 11-jährige Ayala und ihren Vater (siehe Beitrag von heute morgen).
Aber mich faszinierte die eher nebenher erwähnte Information.
Demnach gibt es also eine neue Automarke in Israel, die es wert ist, als solche von AFP und „Die Zeit“ beim Namen genannt zu werden: Das Siedlerauto!
Ich habe mich direkt auf die Suche nach der besagten Marke begeben. Taucht die etwa auch bei uns im Gusch Etzion auf?
Hier die Funde:
Siedlerauto massiv. Alon Shvut Siedlerauto bei der Ausfahrt aus einer SiedlungSiedlerauto in dunkel – Tarnfarben?Siedlerauto mit erkennbarem Besitzer, der dem Namen erst den richtigen Geschmack gibt! Oh, ein Siedlerbus!?Siedlerauto… Das gelbe Kennzeichen verrät es….
Frage:
Welches von den abgebildeten Fahrzeugen ist ein ‚Siedlerauto‚?
Antwort:
Das, welches Siedler als Insassen hat.
Das ‚Siedlerauto‘ ist nämlich das einzige Auto der Welt, dessen Marke von den Wohngewohnheiten seiner Insassen bestimmt wird.
Frage: Wer ist ein Siedler?
Habt ihr eine Antwort?
Ich schlage die Folgende vor:
Eine/r, dem/der eine der gewohnten Bezeichnungen „Anschlagsopfer/Fahrer/Fahrzeuginsasse/Israeli/Jude/Buerger/Vater/Mutter/Tochter/Sohn/Mensch“ nicht zugestanden werden möchte.
Der wird zu einem Siedler.
Und diese fahren bekanntlich in… Siedlerautos.
Dass deutsche Medien einem wieder einmal so schön den Appetit verderben können…