Was sagen gewöhnliche Palästinenser….

…zu den israelischen Wahlen?  – Ein Artikel der jungen israelisch-amerikanischen Kolumnistin Orit Arfa. (Übersetzung: Chaya Tal)


– In der Nähe der Einfahrt zur Stadt Ariel im Herzen Samarias liegt eine kleine Einkaufspassage, in welcher Juden und Palästinenser sich gleichermaßen Obst und Gemüse, Haustierprodukte, Hummus, Falafel besorgen oder ihr Auto waschen können. Der ehemalige Bürgermeister von Ariel, Ron Nachman, bezeichnete diesen Ort zum Spaß „Ariels Duty Free Zone“. Es befindet sich direkt an der Grenze zwischen den von Israelis und von den Palästinensern kontrollierten Gebieten, und niemand weiß so recht, wem die Ladenbesitzer eigentlich ihre Steuern zahlen.

Abu Ali, ein Palästinenser, dem die Ladenfläche der „Duty Free Geschäfte“ gehört, ist nicht an den Resultaten der israelischen Wahlen vom letzten Dienstag interessiert. Er hat vom Sieg der Likud-Partei des Premierministers Benjamin Netanyahu durch zufällige Gespräche erfahren. Er ist vielmehr damit beschäftigt, das Mini-Imperium, das er sich in den 60er Jahren hier aufgebaut hat, zu verwalten.

Nach dem Erfolg des Likud schwor der Hauptvermittler der israelisch-palästinensischen Verhandlungen, Sa’eb Erekat, er würde die Anstrengungen der palästinensischen Autonomiebehörde verstärken, um Israel mit einer Klage auf Kriegsverbrechen zum International Strafgerichtshof zu bringen. Der ehemalige PLO-Beamte Yasser Abed Rabbo erklärte der AFP-Agentur, Israel hätte „den Pfad des Rassismus“ gewählt. Aber was sagen „gewöhnliche“ Palästinenser wie Ali?

„Wir, die gewöhnlichen Leute, fühlen den wahren Frieden – und nicht den politischen“, erklärt Ali dem JNS auf Hebräisch, einen Tag nach den Wahlen, vor dem Falafel-Bistro der Einkaufspassage, welches von Juden und Muslimen überfüllt ist, die vergnügt ihr spätes Mittagessen genießen.

Vorbei kommt ein anderer Palästinenser mittleren Alters, der ebenso die Wahlen nicht verfolgt hat. Er bittet darum, anonym  zu bleiben. „Es interessiert mich überhaupt nicht“, sagt er auf Hebräisch, „es sind alles Juden. Kein Unterschied zwischen Sharon, Shamir, Yitzhak. Sie sind alle gleich.Sie wollen alle die Araber von hier vertreiben!“

Sein Freund namens Fadi aus Marda, einem Dorf in der Nähe von Ariel, stimmt ihm zu. „Sie sind alle dieselben. Bibi oder Shas [tiefreligiöse jüdische Partei, beliebt bei einer bestimmten Prozentzahl arabischer Wähler in Israel, Anm.] – sie können uns durch nichts helfen.“ Fadi glaubt ebenso nicht, dass die Vereinte Arabische Liste, welche am Wahldienstag 13 Knessetmandate gewann und damit zu Israels drittstärksten Partei geworden ist, irgendeinen Einfluss auf das Leben der Araber in den von der PA kontrollierten Gebieten haben könnte. „Die Araber wollen nicht die Juden wählen. Aber im Endeffekt können sie nichts erreichen, weil sie nicht in einer Koalition sein können oder Premierminister werden können“, meint er. Fadi kümmert es nicht, welcher Kandidat behauptet, irgendeine Art von „Friedensprozess“ in die Gänge leiten zu wollen. „Es gibt keinen Frieden, es wird keinen geben“, sagt er und zeigt seine gelben Zähne, die dringend mehr Zahnpflege und weniger Nikotin gebrauchen könnten. „Selbst wenn einer ein Abkommen machen wollte, das Volk würde ihn das nicht tun lassen.“

Fadis Schlussfolgerung: Dem Judentum zufolge darf Jerusaelm nicht geteilt werden. Nicht dass es für ihn einen Unterschied machen würde: „Es ist unser Land und eines Tages nehmen wir es uns“, sagt er und hat kein Problem damit, aufgenommen und sogar fotografiert zu werden, bevor er mir Kaffee anbietet. Aber Fadi’s Sicht auf die Dinge ist nicht komplett schwarz und weiß. „Hier sind die Juden und die Araber gleich“, sagt er und schaut sich um. Er nennt die Bewohner von Ariel „gute Leute“, im Vergleich zu den anderen „Siedlern“.

Und dennoch, die Ansichten von Fadi und seinem Freund sind kein Konzens in dieser Idylle vom Miteinander (oder zumindest einer Idylle an den meisten Tagen. Auf die in unmittelbarer Nähe gelegene Straße wurden 2013  Steine von Palästinensern geworfen, welche den Tod des Mädchens Adele Biton im letzten Monat zur Folge hatten). Auf der anderen Straßenseite ist Faisel (ein Pseudonym, er bat um Anonymität) aus der Stadt Salfit, weniger als eine Meile von hier entfernt. Er ist eher froh, dass Netanyahu gewonnen hat. „Zuerst wollte ich, dass Kachlon gewinnt. Er hat dabei geholfen, dass die Mobilfunkpreise runtergegangen sind“, sagt er und fischt dann aus seinem Smartphone die Tabelle der letzten Wahlergebnisse heraus, wie in Ha’aretz veröffentlicht. Der braunäugige Palästinenser mit Hochschullabschluss hat die Wahlen genau verfolgt.

„Bibi spricht über die Aufrechterhaltung eurer Sicherheit – aber das heißt auch, dass er unserer Sicherheit hilft“, betont Faisel. „Die Linken sind weder gut für uns (Palästinenser) noch für sie (Juden).“

Fadi sagte mir später, dass Faisel gelogen hat, als er behauptete, Netanyahu zu mögen, und deshalb wollte er auch, nicht wie Fadi, anonym bleiben. Aber sie sind sich in einer Sache einig: „Wir haben einmal im ganzen Leben Wahlen, und dann teilen sie das unter ihren Kindern auf. Das geht nicht nach unseren Wünschen“.

Faisel bewundert es, wie man in Israel alle paar Jahre Wahlen abhält. „Bei uns, wer auch immer an der Macht sitzt, nur ein Kopfschuss wird ihn runterholen“, sagt er. Aber so betroffen scheint er nicht zu sein, dass die PA in den letzten 10 Jahren keine Wahlen mehr abgehalten hat, seit der Präsident (dessen Amtszeit längst abgelaufen ist) Mahmud Abbas den Thron bestieg.

Faisel führt mich zu Hassim, der daneben steht, um eine Meinung eines Arabers mit einer „blauen Karte“ zu hören – gemeint ist die israelische Staatsbürgerschaft. Hassim lebt in einem Dorf in der Nähe von Nazareth und hat für die Vereinte Arabische Liste gestimmt.

„Alle arabischen Parteiführer haben sich für einen Zweck in dieselbe Liste zusammengeschlossen: Um die Regierung von rechts nach links zu rücken, damit es Gleichstellung, Rechte und Land für Araber gibt“, sagter auf Hebräisch. Es wird zwar keinen  Wechsel innerhalb der Regierungsspitze geben, aber Hassim ist mit der Arabischen Liste zufrieden, und checkt seine Facebook-App, um die letzten Ergebnisse zu prüfen. „Ich bin nicht enttäuscht. Das Volk hat seine Wahl getroffen. Wir müssen es respektieren“, sagt er.

Hassim hat nichts Böses gegen Netanyahu: „Bibi is ein guter Typ. Kein schlechter Premierminister. Ein kluger Mann. Fakt ist, er hat es wieder mal geschafft“, meint er. Und während er befindet, dass der Frieden niemals den Nahen Osten erreichen wird, ganz egal, welcher israelische Politiker an der Spitze stehen wird, beendet Hassim das Interview mit einer persönlicher Note: „Bibi ist hier zu Falafel eingeladen.“

***

Im Original nachzulesen unter: „What ordinary Palestinians are saying about the Israeli election“ bei JNS.org.

3 Kommentare zu „Was sagen gewöhnliche Palästinenser….“

  1. Liebe Chaya,
    vielen Dank für die Vermittlung dieser Sicht der Dinge, die mir sonst nicht zugänglich gewesen wäre.
    Ich bin auch der Meinung, dass es in absehbarer Zeit keinen Frieden geben wird, weil es nicht um Land oder politischen Einfluss geht. Es ist ein Religionskrieg des Islam gegen die Juden. Zu dieser Einsicht bin ich nach dem lesen der Charta der Hamas gekommen.

    Herzlich, Paul

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