Archiv der Kategorie: Friedensaktivismus

Schild und Segen 2

(Leider verspätet, da ich recht beschäftigt bin aufgrund der Vortragsreise)

Im Juni habe ich über die Initiative des „Forums für gute Nachbarschaft“, einer Gruppe von einzelnen jüdischen Einwohnern und Aktivisten aus Samaria und Judäa, zum muslimischen Feiertag E’id al-Fitr berichtet, die darin bestand, ein Poster mit Segenswünschen zum Feiertag auf Hebräisch und Arabisch auf einer der Autobahnen der Region aufzuhängen, um damit Interesse und Achtung vor der lokalen muslimischen Bevölkerung zu demonstrieren. Damals hatte einer der Mitglieder der Gruppe, Jacky Fried, die Hoffnung geäußert, dass auch zum nächsten Feiertag, E’id al-Adha (Opferfest), solche Poster aufgehängt werden könnten.

Genau das geschah auch, als das Opferfest seinen Anfang am 22.08 nahm. Mehrere großflächige Poster wurden gedruckt, und einige Mitglieder der Gruppe machten sich auf, diese an einem sichtbaren Ort aufzuhängen; darunter war auch die von palästinensischen Autos viel befahrene Kreuzung bei der israelischen Ortschaft Adam, in der sich am 27.07 ein Terroranschlag mit einem Toten ereignet hatte. Andere Poster wurden in Gush Etzion, in der Region von Südsamaria und im Jordantal aufgehangen. Den Berichten zufolge wurden sie nicht abgehängt. Während die Gruppenmitglieder die Poster aufhingen, wurden sie von einigen palästinensischen Fahrern im Vorbeifahren durch Hupen ermuntert.

Das Segensposter

„An unsere muslimischen Nachbarn anlässlich des gesegneten E’id al-Adha-Festes, wünschen wir euch ein frohes Fest und ein gesegnetes Jahr. Die israelischen Einwohner der Region – Forum für gute Nachbarschaft“

Solche Initiativen sind immer schön und machen hoffnungsvoll, obwohl niemand wirklich weiss, wie sie beim Zielpublikum ankommen. Viele Teile der palästinensischen Gesellschaft sind leider stark von der Anti-Normalisierungsideologe, die sich gegen nachbarschaftliche Beziehungen mit den „Siedlern“, beeinflusst; andere fassen es als Scheinheiligkeit dar, weil trotz der guten Wünsche der „eigentliche Grund“ für die Situation in der „Besatzung“ durch Israel liege und der größte Wunsch der Palästinenser wäre, dass Israel die Besatzung beenden und verschwinden möge.

Aber es gibt auch andere Meinungen, und ich bin sicher, viele wurden von der Botschaft angenehm überrascht.

Zum Weiterlesen: Fotoworkshop für die Kids der Feinde

„Siedlerkinder in den Bergen…“ Die Anlehnung an Rolf Zuckowskis „Winterkinder“ bot sich hier geradezu an, aber der Artikel, den ich zu lesen empfehle, handelt von etwas mehr als das: Auf abseits vom mainstream – heplev – wurde  heute die Uebersetzung eines sehr schoenen Artikels ueber den gemischten Fotoworkshop der Organisation „Roots“ (habe oefter darueber berichtet) fuer lokale juedische und arabisch-palaestinensische Kinder aus der Times Of Israel vom 19.04.17 veroeffentlicht. Ich kenne die Organisatoren vom Nahen und hatte sogar einmal  – ich wuerde sagen, die Ehre – fuer eine Workshopsession fuer die Kinder aus dem Englischen zu uebersetzen. Sowohl ins Hebraeische als auch ins Arabische, uebrigens. Es ist ein sehr schoenes Projekt und ich empfehle euch sehr, den Artikel zu lesen. Klickt einfach unten auf den Link.

In der Westbank sorgt das Koexistenzprogramm ROOTS für eine wichtige Zusammenkunft von Teenagern aus dem Gush Etzion und dem nahe gelegenen Dorf Al-Khader.

Brett Kline, The Times of Israel, 19. April 2017

Die Teenager sammeln sich um ihren Referenten Bruce, als sie ihren Fotokurs beginnen. Die Gruppe 13- bis 15-jähriger, zu gleichen Teilen jüdische Israelis örtlichen Siedlung und Palästinenser von weiter runter an der Straße 60 […]

über Über einen Fotografie-Kurs treffen sich israelische und palästinensische Kinder zum ersten Mal — abseits vom mainstream – heplev

Zum Weiterlesen: Efrat hilft Syrern (Ilana Messika)

Eine kleine Reportage zum Thema Unterstützung für syrische Bürgerkriegsopfer aus Judäa und Samaria, ähnlich meines Artikels Siedler für Syrer, diesmal über die Beteiligung von Jugendlichen. Verfasst von Ilana Messika für Tazpit Press Service, veröffentlicht auf Deutsch auf Audiatur Online am 13.03.17.


Es ist ein Montagabend Ende Februar und im Keller des Gemeindezentrums wimmelt es nur so von Jugendlichen. Auf dem Boden verstreut, auf Tischen und auf provisorischen Plastikregalen gestapelt befinden sich Kinderkleidung, Decken, Windelpakete, Schnuller, Babypflegetücher und Säuglingsnahrung. Sieben oder acht Jugendliche packen die Hilfsgüter in Care-Pakete, während die übrigen Freiwilligen den Überblick über die vorhandenen Bestände halten und neu angekommene Waren sortieren.

Von Ilana Messika/TPS, 13.03.17

Auf den ersten Blick sieht das Ganze wie ein beliebiges Hilfsprojekt aus; bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass bei diesem Projekt etwas anders ist: Die Teenager gehören zu den orthodoxen Bewohnern von Efrat, der grössten Stadt in Gusch Etzion, und die Empfänger der Hilfspakete sind syrische Bürgerkriegsflüchtlinge.

„Es herrscht die verbreitete Meinung, selbst bei Freunden aus anderen Staaten, dass Gusch Etzion einzig aus rechtsgerichteten Bewohnern besteht, denen die Palästinenser gleichgültig sind und die alle Araber als Feinde betrachten“, sagte Asher Krohn, ein Schüler der zwölften Klasse an der Orot Yehuda Schule, der die Aktion leitet. „Aber das stimmt nicht. Abgesehen von dem rein humanitären Aspekt war es uns wichtig, aktiv etwas zu tun und zu zeigen, dass die Menschen aus Judäa und Samarien nicht gleichgültig sind, sondern sich wirklich Sorgen machen und helfen wollen.“

Gusch Etzion ist ein Verbund jüdischer Gemeinden im Judäischen Bergland, unmittelbar südlich von Jerusalem und Bethlehem. Damit steht die Region im Zentrum der politischen Kontroverse um die Siedlungen. Die Bemühungen der hiesigen Bewohner vermitteln jedoch ein anderes Bild von der Gemeinschaft. In den vergangenen zwei Monaten kamen alle vierzehn Tage Lastwagen in die Stadt, um die Spenden der Einwohner von Efrat, Kfar Etzion, Elazar, Neve Daniel und Alon Shvut abzuholen. Die Hilfsgüter werden dann Richtung Norden zu den „Buses of Angels“ von Amaliah gebracht, die sie dann weiter an bedürftige Kinder jenseits der Grenze verteilen.

Das Projekt wird von etwa 30 Jugendlichen aus der Region um Gusch Etzion durchgeführt, die auch verantwortlich sind für die Öffentlichkeitsarbeit, das Sammeln der Spenden sowie die Werbung um  Unterstützung bei lokalen Politikern und Firmenchefs.

„Die Idee ist, so viel zu helfen, wie wir können und die Menschen zu sensibilisieren, denn zu viele wissen immer noch nicht, was dort passiert. Demnächst werden wir auch die Adressliste der verschiedenen Gemeinschaften in Gusch Etzion, die wir hier in Efrat als weitverzweigtes Verbindungsnetz haben, verwenden, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen“, so Krohn weiter.

Nach den Ergebnissen des UNICEF-Berichts 2016 zur humanitären Lage in Syrien wurden seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 über 8 Millionen Kinder (innerhalb und ausserhalb von Syrien) von diesem Krieg betroffen, einschliesslich über 2,4 Millionen vertriebener Kinder.

„Die Jugendlichen arbeiten in einem etwas anderen Tempo, denn für sie ist die Beteiligung an dem Projekt Teil eines Bildungs- und Reifeprozesses. Wir Erwachsenen sind sehr schnell in allem, was wir tun. Die Kinder jedoch haben viele Fragen über das Wie und Warum. Sie müssen sich erst einmal mit dem vertraut machen, was jenseits der Grenze geschieht“, erklärte Shoshi Bogoch, die Leiterin des Gemeindezentrums in Efrat.

„Das Projekt hat zu einem dynamischen Diskurs in den Familien geführt, den ich für ebenso wichtig halte, wie die Spenden und Beiträge selbst.“

Die Gruppe nahm auch Kontakt zu Rabbi Shivi Froman auf, einem Einwohner von Tekoa – einer weiteren Gemeinde des Siedlungsblocks von Gusch Etzion – und Gründer der Initiative ‚Syrians on the Fences‘. Zusammen mit der Hilfsorganisation Israel Flying Aid (IFA) hat diese Gruppe über eine Million Schekel von rund 8.000 Spendern eingesammelt, um Hilfsgüter für Kinder zu kaufen. Fromans verstorbener Vater, Rabbi Menachem Froman, war eine der führenden israelischen Stimmen für Frieden und Versöhnung mit den Palästinensern.

„Die Initiative ‘Syrians on the Fences‘ wurde gegründet, nachdem sich viele Israelis unterschiedlichster Herkunft zusammengetan hatten, um darüber zu reden, was wir für die syrischen Opfer tun könnten, ausser für sie zu beten“, erklärte Froman. „Ich weiss, woher die Menschen kommen, die uns unterstützen und ich kann mit Sicherheit sagen, dass ein grosser Teil von ihnen aus Gusch Etzion stammt.“

Laut Bogoch war die Initiative auch ein Fürsprache-Projekt für die ‚Siedlungen‘.

„Ich habe einige Jahre in den USA gelebt und hatte dadurch die Gelegenheit, Israel mit den Augen eines Aussenstehenden zu sehen – wie schlecht wir erscheinen und wie häufig uns die Anerkennung und Wertschätzung für das Gute, das wir tun, aberkannt wird“, erläuterte Shoshi Bogosh.

„Diese Initiative dient dazu, diese Wahrnehmung von Judäa und Samarien zu verändern und zu zeigen, wieviel Gutes von hier kommt und dass wir 90 Prozent unserer Zeit im Frieden mit unseren Nachbarn leben.

„Darüber hinaus ist eines der wichtigsten Ergebnisse dieses Projekts ein neues Verständnis von uns selbst – nicht als selbstbezogene und ohnmächtige Minderheit, sondern eher als Menschen mit der wunderbaren Gelegenheit, sich in einer Lage zu befinden, die es uns erlaubt, einen Beitrag zu leisten“, so Bogoch gegenüber TPS.

Siedler für Syrer

Die internationalen Medien haben jahrelang über die medizinische Hilfe berichtet, welche der Staat Israel über die israelische Armee über 2600 syrischen Verletzten, welche über die israelisch-syrische Grenze in teilweise waghalsigen Manövern geschmuggelt werden mussten, in den israelischen Krankenhäusern erwiesen hat. Der syrische Bürgerkrieg wütet nun schon seit fast 6 Jahren im Nachbarland und in den letzten Jahren nahmen die Gewaltverbrechen an der Zivilbevölkerung nur noch weiter zu. Das offizielle Israel enthielt sich bisher der militärischen oder diplomatischen Einmischung in die blutigen Auseinandersetzungen, reagierte hier und dort mit Antwortschüssen auf Waffenstellungen, wenn Mörsergranaten oder Schüsse aufs eigene Territorium gelangten und griff lediglich bei Waffentransporten der Hisbollah, unabhängig von den Kämpfen innerhalb Syriens, mithilfe der Luftwaffe an. (So ungefähr lässt es sich zusammenfassen; für die Genauigkeit der militärischen Details will ich keine Garantie übernehmen.)

In der letzten Zeit, vor allem nach der erschütternden Belagerung von Aleppo (Haleb), aber auch schon zuvor, regten sich soziale Initiativen innerhalb Israels, die massiv die Bevölkerung zum Spenden für syrische Flüchtlinge anregen sollten. Hilfsgruppen wie IsrAid waren schon lange Zeit zuvor in den Flüchtlingslagern für Syrer im Einsatz, beispielsweise in Griechenland, und Spenden gelangten zumeist dorthin, oder aber über private Aktivisten nach Syrien und in die Türkei.

Angeregt durch die akute Not in Aleppo in November/Dezember des vergangenen Jahres und, wenn man will, dem „Ruf der Stunde“ folgend, bahnte sich am 16.12.2016 eine Massenspenden-Initiative

Das Logo der Kampagne "Die Syrer sind amZaun/Just beyond your border" (Klicken zur Kampagne selbst)
Das Logo der Kampagne „Die Syrer sind amZaun/Just beyond our border“ (Klicken zur Kampagne selbst)

namens „Die Syrer sind am Zaun – Just Beyond Our Border“ ihren Weg. Das Ziel dieses Crowdfunding-Projektes – 600.000 Schekel (etwa 155.000 Euro) die über die Hilfsorganisation „Israeli Flying Aid“ vor allen Dingen an Kinder in Syrien gelangen sollten. Unter den Initatoren des Projekts, welcher auch im israelischen Fernsehen dazu interviewt worden ist, ist ein junger Mann namens Shivi Fruman. Shivi ist der Sohn des verstorbenen Rabbiners Menachem Fruman aus der Siedlung Teko’a im östlichen Gush Etzion, eine Legende seiner Art – Rabbiner Fruman förderte die Vision eines

Shivi Fruman und seine Frau Michal. Quelle: Facebook
Shivi Fruman und seine Frau Michal. Quelle: Facebook

Friedens zwischen Juden und Arabern in Judäa und Samaria und war der geistige Anführer dieser Idee. Shivi, ebenso in Teko’a ansässig und mit Michal verheiratet (die am 18.01.2016 einen Terroranschlag überlebt hatte), widmet sich ebenso verschiedenen Projekten, die Koexistenz und Spiritualität fördern sollen. Seine Mutter Hadassah Fruman leitet heute den „Fruman Fonds“ (???) und ist eine zentrale Figur in lokalen Initiativen für Zusammenarbeit zwischen palästinensischen Arabern und Juden, so beispielsweise in der Organisation „Roots/Shorashim/Judur“ (mehr dazu zum Beispiel hier).

Shivi  und die anderen Aktivisten begannen die Kampagne  mit dem Ziel, 600.000 Schekel zu sammeln. Innerhalb von 2 Tagen stieß sie auf enormes Interesse und zog  tausende Spender und Spenderinnen aus ganz Israel mit sich – es waren über 400.000 Schekel gesammelt worden. Die Kampagne lief weiter; innerhalb einigerTage waren über 800.000 Schekel gesammelt worden, was das gesetzte Ziel sprengte.  Obwohl die geplante Summe längst überschritten worden ist, läuft die Spendekampagne online – erst gestern hatte eine Frau namens Marcela eine Spende überwiesen. Insgesamt haben bis heute 7224 Menschen in die Kampagne investiert und zu einer stattlichen Spendesumme von 1.346.728 Schekel (etwa 351.691 Euro) verholfen. Gal Luski, eine Verantwortliche für die Übergabe der Spenden vor Ort, berichtet an Ynet (18.12.16) über die Reaktion syrischer Ärzte auf die Spendenaktion:

„Sie waren den Tränen nahe und sagten zu mir, ’sag deinem Volk Israel, dass es überhaupt nicht wichtig ist, wieviel Geld sie geben werden, die Hauptsache ist, dass wir es bis in ihr Herz geschafft haben.“ 

Über die Aktion wurde in den internationalen Medien so gut wie überhaupt nicht berichtet (wenn man von Ynetnews, Times of Israel und Ha’aretz in Englisch absieht).


Eine weitere, weniger bekannte Aktion an Materialspenden starteten zwei Frauen namens Ruti Doron und Lilach Cohen,

ebenso aus Teko’a. Ihren Spendenaufruf „We cannot be silent anymore“ richteten sie an Einwohner von Gush Etzion, Jerusalem und anschließend auch ans ganze Land, organisierten Sammelstellen und Kontaktpersonen in beinahe jeder Ortschaft, stellten Listen für benötigten Spendeartikel zusammen und

Ruti Doron. Foto: Facebook
Ruti Doron. Foto: Facebook

versandten diese über Sammelmails. Ruti Doron sammelte gezielt Materialspenden, und zwar Hygieneartikel für Frauen und Kinder

 

Lilach Cohen. Foto: Facebook
Lilach Cohen. Foto: Facebook

und Windelpackungen verschiedener Größen.  Die Spendeartikel wurden bei den Kontaktpersonen abgelegt und an Ruti weitergegeben. Diese hatte über die israelische Hilfsorganisation „Amaliah“ Kontakt zu syrischen Hilfsstellen innerhalb des Kriegsgebiets aufgenommen und überwies die Artikel mit ihrer Hilfe an die Bedürftigen. Da Syrien wohlbemerkt in einem Kriegsstatus mit Israel liegt und als Feindesland klassifiziert wird, wurde der Versand nach Syrien auf Umwegen und ohne große Bekanntmachung durchgeführt. Fotos durften vor Ort nicht gemacht werden.

Die Kampagne "We cannot be silent anymore" von Ruti Doron und Lilach Cohen
Die Kampagne „We cannot be silent anymore“ von Ruti Doron und Lilach Cohen

Die Sammelaktion hatte mehrere Durchläufe; eine davon war mit einem „Notruf“ gekommen – Spendeartikel sollten innerhalb eines Tages abgeliefert und überwiesen sein; die Reaktion in Gush Etzion war positiv und viele Artikel landeten bei Ruti im Haus.

So beschrieb die Gruppe unter der Leitung von Ruti und Lilach ihre Motivation auf Facebook:

Diese Gruppe ist eine Privatinitiative von einigen Frauen aus Jerusalem und Umgebung, die sich zusammengeschlossen haben, um humanitäre Hilfe für Frauen und Kinder in den Flüchtlingslagern in Syrien zu überbringen, aus dem einfachen Grund, dass wir nicht mehr an der Seite stehen und zuschauen, schweigen und stillhalten konnten, während nur 8 Stunden Autofahrt von Tel Aviv entfernt ein Völkermord betrieben wird. 

Die letzte Mail erhielt ich vor einigen Wochen und in ihr richtete Ruti Doron den Dank an diejenigen aus, die bei den Spendenaktionen mitgeholfen hatten – diesmal waren auch Orte und Gruppen aus dem ganzen Süden und Norden Israels dabei.

Fotos von der Aktion – Ruti Doron:

Es mag sein, dass auch in Zukunft solche Projekte mit und von Leuten aus Gush Etzion oder anderen Regionen in Judäa und Samaria laufen werden. Trotz großer mentaler Ferne und nationaler Feindschaft, waren Shivi, Ruti und ihre Helfer und Unterstützer der Not der leidtragenden Menschen in Syrien nicht fremd. Auch die international so gewohnte Verteufelung der jüdischen Einwohner von Judäa und Samaria spielte hier weder eine Bedeutung noch hatte sie etwas mit den Menschen vor Ort gemeinsam. Gutes Tun und Nächstenliebe sind kein fremder Begriff in unserer Region und es ist sehr gut so. Nur über die wenigsten Fälle werden reißerische Schlagzeilen veröffentlicht. Damit ihr auch von solchen Aktivitäten erfährt, wollte ich diesen kurzen Beitrag darüber schreiben. Weiterhin viel Erfolg an Shivi Fruman, Ruti Doron, Lilach Cohen und Co.

 

(Wer sich jetzt fragt, weshalb ich nicht schon früher darüber geschrieben habe – mea culpa, aber besser später als nie…)

Update: Besuch strafbar

Zum letzten Beitrag  – Laubhütte von ‚Siedlern‘ besuchen ist strafbar (30.10.16) – und zur Thematik selbst hatten sich in meiner Umgebung einige Diskussionen gebildet und die Meinungen in diesen waren geteilt. Ich meine damit meinen engeren Freundeskreis und Bekannte bzw. Diskussionspartner, so auf Facebook und auch privat. Es ging dabei um die Tatsache und die Gründe der Festnahme vier Einwohner des Dorfes Wadi Niss bei Efrat durch die Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde nach ihrem Besuch in der Laubhütte des Bürgermeisters von Efrat, Oded Revivi, zusammen mit Einwohnern von Efrat und israelischen Sicherheitskräften aus Polizei und Armee.

Die „israelische“ Seite in diesen Diskussionen vertrat zumeist die Ansicht, die Palästinensische Autonomiebehörde würde damit ihre Friedensunwilligkeit zeigen und die betroffenen arabischen Dorfbewohner für Kontakte mit Juden sanktionieren. Religiöse Beweggründe wurden dafür zur Hilfe gerufen, und der politische Kontext der Angelegenheit dadurch ausgeblendet. Andere redeten von einer „Falle“, die den Besuchern der Bürgermeister von Efrat bereitet hatte. Damit wurden diese aber von der Eigenverantwortung für ihre Sicherheit befreit.

Das Dorf Wadi Niss. Quelle: RT
Das Dorf Wadi Niss. Quelle: RT

Von der palästinensisch-arabischen Seite aus unterstützten einige den Narrativ der „Falle“, zum größten Teil aber – so wie ich auch einen Freund im Beitrag zitiert habe – war die Kritik an der Tatsache da, dass die arabischen Besucher sich mit Soldaten ablichten ließen und damit die Veröffentlichung dieser Fotos in Kauf nahmen, sich ebenso von Journalisten fotografieren und interviewen ließen. Somit haben diese ihre eigene Dummheit bewiesen und genau das provoziert, worauf die Palästinensische Autonomiebehörde sich freudigt gestürzt hatte – „Zusammenarbeit mit den Besatzungskräften“.

Ich habe mich gestern längere Zeit mit I., dem Cousin eines der Festgenommenen aus dem Dorf Wadi Niss bei Efrat über den Vorfall unterhalten. Ich habe ihn gefragt, inwieweit sich Oded Revivi, der Bürgermeister von Efrat, für die Entlassung der vier aus der Haft bemüht habe. I. bestätigte es mir, erklärte mir allerdings etwas, was nicht publik gemacht worden war – um eine vollständige Freilassung zu erwirken, musste der Premierminister  – Netanyahu selbst – eingeschaltet werden, um Druck auf die Autonomiebehörde auszuüben. Ohne den Einsatz von Netanyahu, der zwar zum Ende der Verhandlungen mit einbezogen worden war, hätte die Freilassung nicht schon nach vier Tagen enden können.

Außerdem ließ mich I. an den Rückmeldungen in den sozialen Netzwerken zu der Angelegenheit teilhaben. Diese seien besonders negativ ausgefallen. „Wadi Niss ist sehr arm dran in der Öffentlichkeit; wir wurden regelrecht fertiggemacht“, berichtete er mir. „Es wurde geschrieben ‚Ihr arbeitet zusammen mit der Besatzungsarmee‘, ‚ihr seid alle Kollaborateure‘, ‚wenn ihr könntet, würdet ihr selbst in der israelischen Armee dienen‘ und desgleichen.“ Wadi Niss würde in sehr schlechtem Licht stehen, eben wegen des „frohen Beisammenseins“ von Dörflern und Armeeangehörigen. Unter den anwesenden Offizieren, so I., würde sich einer befunden haben, der in der palästinensischen Öffentlichkeit besonders schlechten Ruf habe; diesen zusammen mit Wadi Niss-Leuten auf einem Bild zu sehen, hätte dem Ganzen noch eine zusätzliche negative Dimension gegeben. Auf meinen Widerspruch hin, es seien nur die sozialen Netzwerke, hatte I. den Kopf geschüttelt: „Auf Facebook kommentieren Menschen, und sie schreiben genauso, wie sie es sehen. So sehen die Menschen hier es.“

Ob nun PA-Kräfte im Dorf stationiert seien und die Menschen kontrollieren würden, wollte ich wissen. Soweit sei man noch nicht, meinte I. Aber die Affäre habe erheblichen Schaden angerichtet. Israel solle ihnen endlich die Staatsbürgerschaft verleihen und eingliedern, sagte ich ihm. „Sie werden uns die Staatsbürgerschaft nicht geben“, so I. „Wir stehen für beide Seiten schlecht da. Für die PA, und für die Israelis sowieso.“

Ob ich glaube, dass Israel jemals die Gebiete von Judäa und Samaria annektieren wird, fragte I. mich anschließend. Ich hoffe es, sagte ich ihm. Er habe seine Zweifel, meinte er; es könnte nicht auf einem Schlag gemacht werden, was würde man mit allen machen können? Die Menschen seien nicht bereit.

Mehr als zu sagen, dass die Geschichte ihre Verläufe habe und das Ganze sich mit der Zeit verändern würde, konnte ich leider nicht.

 

Laubhütte von ‚Siedlern‘ besuchen ist strafbar

Wie im vorherigen Beitrag erwähnt, wollte ich, zwar anderthalb Wochen nach dem Ereignis selbst, aber dennoch auf etwas eingehen, was in meiner Nachbarortschaft, der Großsiedlung Efrat, stattgefunden hat. Ich rede hierbei über den Besuch von etwa einer dutzend palästinensischer Araber aus den umgebenden

Arabische Dorfeinwohner und Soldaten umarmt - ein seltener Anblick. Quelle: Facebook, Oded Revivi
Arabische Dorfeinwohner und Soldaten umarmt – ein seltener Anblick. Quelle: Facebook, Oded Revivi

arabischen Dörfern und Ortschaften in der Laubhütte  – Sukka – des Bürgermeisters von Efrat, Oded Revivi. 

Oded Revivi ist in Judäa und Samaria berühmt – und bei manchen berüchtigt – als der wohl offenste Bürgermeister und Berzirksvorsitzende einer Siedlung, der öffentlich von aktiver Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern in Judäa und Samaria spricht und diese auch rege vorantreibt, und zwar auf verschiedenen Kooperationsebenen mit den umliegenden arabischen Einwohnern.

Oded Revivi.
Oded Revivi.

Revivi, Jahrgang 1969, ist seit 2008 der Vorsitzende der Bezirksverwaltung Efrat – somit ihr Bürgermeister. Seit Sommer 2008 wurde er zum Verantwortlichen für die Außenpräsentation bzw. äußere Angelegenheiten der Regionalverwaltung von Judäa und Samaria gewählt. Unter seiner Leitung wurde die Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher, sicherheitstechnischer und auch gesellschaftlicher Ebene mit den lokalen arabischen Dorfvorstehern ausgebaut. Unter seiner Schirmherrschaft fanden und finden  interreligiöse Gesprächstreffen in Efrat statt, das bekannteste aus letzter Zeit mit einigen arabischen Rednern zum Verhältnis zwischen Juden und Arabern in Gush Etzion.

Nicht allen gefällt es, nicht alle in Efrat wünschen sich spürbaren Kontakt mit der arabischen Umgebung; nicht alle sehen nachhaltigen Effekt in den Bemühungen Oded Revivis um lokalen Frieden. Revivi macht munter weiter, und weiß auch, wie man das Ganze an den Mann, sprich, an die Presse bringt, und tatsächlich schaut es aus, als gelangten seine Initiativen mehr ans Licht der Öffentlichkeit.

Zurück zum Thema: Am 19. Oktober, inmitten des Laubhüttenfestes, begrüßte Oded Revivi in seiner großen Sukka etwa ein dutzend arabische Besucher, Gemeindevorsteher und

Wo liegen Wadi Niss, El Khader und Efrat?
Wo liegen Wadi Niss, El Khader und Efrat?

Bekannte, aus den Ortschaften rund um Efrat – Wadi Niss, El Khader bei Bethlehem und anderen. Parallel dazu nahmen am Treffen auch hochrangige Offiziere und Polizeibeamte teil, wie der Polizeichef der

Quelle: Facebook Oded Revivi
Quelle: Facebook Oded Revivi

Judäa und Samaria-Abteilung und der Oberkommandant der Etzion-Brigade. Das Treffen wurde weit und breit dokumentiert, nicht zuletzt von Journalisten der Washington Post. Bilder vom Treffen zeigen ein frohes Miteinander von Arabern und Juden in zivil neben

israelischen Armee- und Polizeiangehörigen. Unter den Fotos findet man Selfies und Umarmungen zwischen arabischen Gästen und Offizieren, Reden werden gehalten, es wird gegessen und getrunken.  „Jeder machte Fotos“, erklärt die

Quelle: Facebook Oded Revivi
Quelle: Facebook Oded Revivi

Washington Post in einem ihrer Artikel zum Thema.

Den Berichten zufolge, wurden bei dem Treffen auch alltagsrelevante Themen angesprochen und nicht nur freundliche Reden gehalten. So wird der Einwohner von El Khader, Ali Musa, zitiert, wie er die IDF-Angehörige auf ein Tor hinweist, das die Einfahrt in seine Ortschaft blockiert, und darum bittet, dieses zu

Quelle: Facebook Oded Revivi
Quelle: Facebook Oded Revivi

entfernen. Auch ein weiterer Kommentar von ihm bekommt Aufmerksamkeit, bezogen auf die für die Einfahrt in die A-Gebiete charakteristischen roten Schilder, welche auf „Lebensgefahr“ und gesetzliches Verbot für Israelis hinweisen und sie davon abhalten sollen, diese Gebiete zu besuchen. „Dieses rassistische Schild? Es ist unerhört, es sollte entfernt werden; es hindert unsere jüdischen Freunde daran, uns zu besuchen“, wird Musa in Washington Post zitiert.

Noman Othman aus Wadi Niss wurde zitiert, dass er keine Probleme mit der Existenz von Efrat als solche habe: „Es sind ihre Häuser, sie haben sie mit ihrem Geld gekauft, wir sollten kein Problem mit ihnen haben, wenn es Frieden gibt“. Ein weiterer Gast aus Wadi Niss bezeichnete sich selbst und seine Mitbewohner als Teil der Gemeinschaft von Efrat. Auch die Familie von Lama, repräsentiert durch den Großvater Muhammad Mahmud Mussa, nahm am Treffen teil; das Mädchen war vor etwa einem Monat versehentlich von einem Einwohner von Efrat überfahren worden. Seitdem  wurden an der Abbiegung Rüttelschwellen befestigt, Oded Revivi selbst und andere Einwohner statteten der Familie einen Beileidsbesuch ab.

Wie schon erwähnt, wurden viele Fotos getätigt und auf mehreren Nachrichten wurde über das fast schon „historische“ Treffen berichtet.

Das Ganze bekam erst einen Haken, nachdem die Zusammenkunft beendet worden war.

Vier der arabischen Anwesenden wurden nämlich nach der Bekanntmachung der Fotos von den Sicherheitskräften der Palästinensischen Autonomiebehörde verhaftet und für etwa fünf Tage festgehalten unter der Beschuldigung, mit dem „Feind“ zu kollaborieren.

Fünf Tage lang wurden sie, alle Einwohner des Dorfes Wadi Niss, festgehalten und verhört. Oded Revivi schrieb in einer darauffolgenden Kolumne, er hätte durch seine Verbindungen „Himmel und Erde“ in Bewegung gesetzt, um diese aus der Haft herauszubekommen. Einige der Verwandten der Inhaftierten bezeichneten die Zusammenkunft als „Falle“, die der adrette Bürgermeister für seine Public Relations missbraucht habe. Allerdings kann kaum davon die Rede sein, da die Anwesenden sich die Freiheit genommen haben, sich in jeder Form gemeinsam ablichten und interviewen zu lassen; dass die Präsenz von Fotoapparaten und Journalisten zu einer Veröffentlichung des aufgenommenen Materials führen würde, sollte jedem klar sein.

Die Washington Post berichtete in zwei Artikeln darüber, wobei sich der erste noch schwer damit tat, dass die, so der Journalist William Booth, etwa 30 „Siedler“ und Sicherheitskräfte teilweise bewaffnet kamen. Was auch immer er damit beanstanden wollte, ist mir nicht klar, denn die Offiziere und Polizeibeamten kamen in Uniform, da

Quelle: Facebook Oded Revivi
Quelle: Facebook Oded Revivi

wäre eine Waffe wohl zu erwarten; ebenso können Einwohner von Judäa und Samaria einen Waffenschein beantragen; „verwerflich“ kann es nur aus der westlichen Perspektive erscheinen, die in einer Waffe lediglich negative Zusammenhänge sieht und damit auch das übliche Stigma des „radikalen Siedlers“ speist.

Was die Verhaftung anging, so stellten es verschiedene Interessensgruppen verschieden dar: So wurde die Verhaftung einerseits als Gewaltakt gegen das friedlichen Miteinander von Juden und Arabern dargestellt; von palästinensischer Seite aus wurde das Beisammensein mit Armeeangehörigen angeprangert, welches im Gegenteil zum Treffen zwischen Nachbarn als das wahre Problem angesehen wird und die „Besatzung“ damit als legitim erscheinen lässt. Wie schon erwähnt, äußerten sich einige Verwandte der Inhaftierten negativ im Bezug auf die Veröffentlichung der Fotos. Einer meiner Bekannten aus Betlehem bezeichnete die anwesenden Araber als „Idioten“, weil sie sich ohne weiter nachzudenken mit Offizieren in Uniform ablichten ließen – genau das hätte die Palästinensische Autonomiebehörde auf sie gehetzt.

Die vier Einwohner von Wadi Niss sind mittlerweile zuhause angekommen; welchen Eindruck die Verhaftung auf sie hinterlassen hat, weiß man nicht. Werden sie andere dazu ermuntern, sich trotz Widerstand „gegen den Strom“ zu stellen, oder werden sie davon abraten? Die Zeit wird es zeigen.

Oded Revivi schrieb in einer Kolumne in der Wochenzeitung „Makor Rishon“ vom 28.10.16:

„Durch den Druck von Radikalen sind heute direkte Gespräche zwischen Palästinensern und Israelis zu einer Rarität geworden. Gesprächsrunden im Beisein von Generälen, Polizeioffizieren und  palästinensischen Gemeindevorstehern sind noch wesentlich seltener anzutreffen. und es gibt fast keine Nachweise für den Besuch von Palästinensern in unseren Siedlungen. Es ist unsere Pflicht, mit aller Macht solche Gespräche zu initiieren, denn die Lösungen werden sich nur über Gespräche unter Nachbarn  finden lassen.“  

Man kann nur hoffen, dass Oded es das nächste Mal schafft, seinen arabischen Gästen die PA vom Leib zu halten, denn wer wohl am Wenigsten als geeigneter Partner für einen zukünftigen Frieden gelten kann, ist diese infame Institution.

 

Ein „Haus“-Besuch aus Bethlehem

Über den Besuch bei der Familie Mark habe ich ja hier schon berichtet. 

Jetzt würde ich gerne aber von einem weiteren Besuch erzählen, der allerdings von ganz anderen Leuten durchgeführt worden ist.


Erfahren habe ich darüber von einem guten Freund und Friedensaktivisten (ja, genau das, Friedensaktivisten!), sein Name ist Inon Dan Kehati, er lebt in Jerusalem und wie jeder gute Friedensaktivist hat er einen Traum. Den Traum von einem gemeinsamen „Haus“ für Israelis und Palästinenser, für Juden und

Inon Dan Kehati. Quelle: Facebook.
Inon Dan Kehati. Quelle: Facebook.

Araber, indem das gesamte Land – Judäa, Samaria, Golan, Gaza und der Rest – ein Heim für beide Völker bieten soll, wenn man die Tatsache akzeptiert, dass niemand von den beiden von hier zu gehen beabsichtigt. Inon nennt „Westjordanland“ Judäa und Samaria, geht gleichzeitig in Bethlehem ein und aus, hat rund um sich (und bis vor Kurzem mit seinem palästinensisch-amerikanischen Partner John Elias Dabis) arabische und jüdische Gleichgesinnte gescharrt, spricht sich für jüdische Anwesenheit in den „umstrittenen Gebieten“ aus und ist im Netz vor allem für seine Jerusalemer Aktion „Cleaning the Hate“ bekannt, bei welcher er gemeinsam mit Freiwilligen in und um Jerusalem Müll sammelt. Als eine Art gemeinsamer Aktivität mit positivem Resultat. Er will sich und sein Tun nicht mit politischen Parteien in Zusammenhang gesehen werden. Auf Facebook, wo er sehr aktiv ist, folgen ihm unter anderem auch viele arabischstämmige junge Leute.

Die Organisation, die er in 2015 gemeinsam mit John E.Dabis 801c9f_ed31d22d43aa41b1a8b295a7432c6540gegründet haben, nennt sich genau wie seine Vision „The Home/Habait/Albeyt“ (Das Haus) und basiert auf einer sogenannten „Acht-Schritte-Jerusalem-Resolution“. Ich vertrete seine Organisation nicht und werde das Ganze hier nicht allzu breitlegen, wer sich interessiert, kann hier nachlesen, worum es sich dabei handelt (auf Englisch).

Ich wollte aber von einem Besuch erzählen, gell?


Am 21.Juli besuchte eine kleine Gruppe palästinensischer Araber aus Bethlehem die Familie Mark aus Otni’el, deren Familienoberhaupt Michael (Michi) Mark am 01.07.16 auf der Autobahn 60 nach Otniel von Terroristen erschossen worden war. Das Treffen wurde von Inon D.Kehati über den „The Home“-Verein initiiert und organisiert. Im praktischen Sinne sah es so aus, dass Inon selbst nach Bethlehem reiste, die Besuchswilligen aus dem als

Einfahrt zum Aida-Camp in Bethlehem. (c) Inon D.Kehati
Einfahrt zum Aida-Camp in Bethlehem. (c) Inon D.Kehati

Flüchtlingslager bekannten Aida-Camp in Bethlehem abholte und sie gemeinsam sich auf die Reise nach Otni’el in den Südhevronbergen aufmachten. Dort warteten, wie zuvor abgemacht, die Kinder der Familie Mark auf sie. Shlomi und Shira, die älteren Geschwister der Familie, hatten es mit Inon koordiniert.

Bethlehem auf der Karte. Eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnern (Quelle: offizielle Seite der Stadtverwaltung. Unklar, ob auch die Außenregionen wie Elkhadr und Beyt Sahur dazugehören).
Bethlehem auf der Karte. Eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnern (Quelle: offizielle Seite der Stadtverwaltung. Unklar, ob auch die Außenregionen wie Elkhadr und Beyt Sahur dazugehören).

Wie es bei einem Trauerbesuch üblich ist, saßen sie zusammen im Kreis, in demselben Wohnzimmer, wo auch die siebentägige Trauerperiode der Familie verbracht worden war, und unterhielten sich – die Kinder des Terroropfers Mark und die arabischen Besucher aus Bethlehem. Diesmal waren es nicht die an der Rettung der Familie beteiligten Araber wie Islam al-Bayd und Dr.Ali Shuruch,

Bei Familie Mark. (c) Inon D.Kehati
Bei Familie Mark. (c) Inon D.Kehati

sondern Menschen aus einer scheinbar fremden Gesellschaft, die ihr Beileid direkt aussprechen und sich solidarisieren wollten.

In einem Gespräch sagte Inon mir, er hätte noch niemals zuvor ein so emotional bedeutendes und eindrucksvolles Gespräch erlebt. Auf Facebook fasste er es so zusammen:

„Es ist nicht einfach, die Energie des Gespräches, die in dem Familienwohnzimmer entstanden war, zu beschreiben, daher werde ich sie in drei Worten zusammenfassen: Respekt, Aufrichtigkeit und Transparenz.“

Michael Mark war in Otni’el bekannt dafür gewesen, dass er auch zu den arabischen Nachbarn aus den umgebenden Dörfern Kontakt pflegte und diesen sogar aushalf, wenn es nötig gewesen war. Dass

Bei Familie Mark. (c) Inon D.Kehati
Bei Familie Mark. Im Bild: Shira Mark, ihr Mann und ein Besucher aus Bethlehem. (c) Inon D.Kehati

es gerade diesen Mann traf, der sich der Existenz anderer Menschen nicht verschloss und diese nicht delegitimierte oder hasste, bleibt eine bittere Ironie des Schicksals. Andererseits hatten schon in der Vergangenheit zahlreiche Tragödien die Bewohner von Otni’el befallen, und hinderten die Einwohner dennoch nicht daran, Kontakt mit der arabischen Bevölkerung aufzubauen und Verständnis für diese zu entwickeln, ob nun seitens Einzelpersonen, die darin aktiv gewesen waren (solche wie Dafna Me’ir) oder auch als Erziehungsauftrag in der Religionsschule für Jungen in Otni’el, deren Rabbiner und Schüler sich schon mehrfach mit Gruppen von arabischen Jugendlichen getroffen haben.

Auch sonst gibt es solche und andere Annäherungsversuche zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen, die doch so ineinanderverwachsen sind auf diesem Stück Land. Die meisten davon werden nicht so gut dokumentiert wie der Besuch von Inon und seinen Freunden. Aber sie existieren, und nur jemand, der bereit ist, in diese Materie aufmerksam hineinzuhorchen und sich damit vorsichtig zu befassen, wird sie für sich entdecken. Es ist ein riskantes Feld für alle Beteiligten. Aber wenn manchmal doch etwas nach außen dringt, erweckt es Hoffnung.

Das Fazit des Besuches von Inon kann ich persönlich wortlos unterschreiben, besagt es doch das, worüber ich schon mehrfach selbst geschrieben und allzu oft gesprochen habe: (aus Inons Facebook-Post, übersetzt von mir)

Wenn diese Menschen, von beiden Seiten des Konflikts, sich hinsetzen und miteinander auf Augenhöhe, gleichgestellt, reden, ist die Energie, die dabei erzeugt wird, stärker, als Worte sie darstellen können, und das ist es genau, was im ‚Friedensprozess‘ fehlt: Die authentischen Stimmen derjenigen, die diesen Konflikt auf beiden Seiten leben, und vor allem die der Palästinenser, die im Westjordanland, und die der Juden, die in Judäa und Samaria leben.

Drei hauptsächliche Erkenntnisse aus diesem außergewöhnlichen Besuch:

  1. Der Dialog zwischen Palästinensern und Israelis sollte auf diejenigen konzentriert sein, die in den jüdischen Gemeinden von Judäa und Samaria leben, und nicht auf diejenigen aus Tel Aviv, und das nicht einmal in drei Monaten, sondern wöchentlich. Leider ist es so, dass es auf beiden Seiten Menschen gibt, die bereit sind, diesen Weg zu gehen, aber es gibt keine Infrastruktur dafür, und daher bleiben wir beim Reden.
  2. Diese Art von Gesprächen ist genau das, was dem Friedensprozess fehlt, aber sie werden von der „Friedensindustrie“ absichtlich ignoriert und sogar verbannt.
  3. Beide Seiten sollten die Tatsache hinnehmen, dass nicht nur, dass keiner von beiden sein Heim verlassen wird, sondern dass das Schicksal uns beide aus einem besonderen Grund in dasselbe Land gebracht hat.

Unser Schicksal ist es, das gesamte Land zu teilen, ohne Grenzen, vom Fluss bis zum Meer. Das Resultat muss entwickelt, diskutiert und bestätigt werden – von dem palästinensischen und dem jüdischen Volk allein – nicht von der internationalen Gemeinschaft.

Shlomi Mark mit zwei Besuchern aus Bethlehem. (c) Inon D.Kehati
Shlomi Mark mit zwei Besuchern aus Bethlehem. Aus Personenschutzgründen wurden die Gesichter der Besucher unkenntlich gemacht.
(c) Inon D.Kehati

 

 

Arabisch-Kurs im Siedlungsblock

Das Projekt „Shorashim/Judur/Roots“, welches zum Kennenlernen und Verständnisaufbau zwischen jüdischen Siedlern und ihren arabischen Nachbarn aufruft und dazu Aktivitäten und Gespräche

Das "Roots" Logo
Das „Roots“ Logo

veranstaltet, habe ich schon einige Male vorgestellt und angesprochen, siehe beispielsweise hier unter „Friedenszusammenkunft“. Eine relativ neue Initiative, von einigen Aktivisten aus den Siedlungen Teko’a und Alon Shevut sowie Bet Ummar geführt, die sich standhaft versucht, in der jüdisch-arabischen, nicht gerade befreundeten Landschaft von Judäa zu behaupten. Ich habe ihren Newsletter abboniert, um sich über neue Entwicklungen auf dem Stand zu halten, und kenne die meisten der dort aktiven Menschen persönlich.

Der Flyer zum Kurs von "Roots"
Der Flyer zum Kurs von „Roots“

In diesen Pessach-Ferien (bis zum kommenden Samstag, 30.04) hat „Roots“ angekündigt, einen Arabisch-Sprachkurs für Jugendliche der 9.-10.Klassen durchzuführen – nämlich auf der Farm des arabischen Aktivisten Ali Abu Awwad unweit von Alon Shevut, unter dem Motto „Willst du deine Nachbarn verstehen?“. Auch ein Kurs für Erwachsene ist angekündigt.

Was die Nachfrage für Angebote angeht, so weiß ich das noch nicht, werde aber hoffentlich hier aktualisieren, sobald ich es weiß. Ich wäre übrigens an dem Erwachsenenkurs durchaus interessiert – erstens, es ist nah zu meinem Zuhause, zweitens lerne ich zwar Hocharabisch, ein Gespräch mit den lokalen Arabern ermöglicht es mir leider nicht – nur das Lesen der Straßenschilder (was auch nicht so kompiziert ist – statt Tel Aviv steht dort dann Tel Abib..).

Aufruf zum Gebet in Gush Etzion

Sonntag früh (02.08.15)  erreichte die Posteingänge der meisten Bewohner des Gush Etzion-Blocks eine Mail mit dem Aufruf zu einer Solidaritätskundgebung. Die Kundgebung sollte schon am Abend des selben Tages stattfinden. Der Text an die Bewohner besagte Folgendes:

„Aufruf zum Gebet und Aufschrei

Alle Einwohner von Gush Etzion und der Hevron-Gegend sind eingeladen zur Kundgebung des Gebetes und des Aufschreis.

Wir sind erschüttert und voller Schmerz über den gemeinen Mord, der im Namen unseres Volkes am letzten Freitagmorgen begangen worden ist. Aus dem Gefühl der Verpflichtung heraus, unseren Protest gegen diesen verbrecherischen Mord  im Dorf Duma herauszuschreien, und im Angesicht der gewaltigen Schändung des Gottesnamens, drängen wir dazu, gemeinsam aufzustehen und mit lauter Stimme zu rufen, „Entferne das reine Blut aus Deiner Mitte“ (5.Buch Moses, 21, 9). Wir werden gemeinsam für die Genesung der Verletzten der Familie Dawabshe beten.“

Als Versammlungsort war die zentrale Gush-Kreuzung angegeben, Uhrzeit 18:00 Ortszeit, und es wurde gebeten, Psalmenbücher mitzunehmen.

Wer waren die Organisatoren dieser Kundgebung? 

roots2Es handelt sich um die Mitglieder und Aktivisten des Vereines „Shorashim-Roots-Judur“ (zu Deutsch: Wurzeln), eines Verbandes aus israelischen und palästinensischen Freiwilligen, aber nicht etwa eine der vielen Organisationen im Namen des Friedensstiftens im Nahen Osten, deren Namen man im In- und Ausland nur zu gut kennt. Dies ist ein Verband/eine Bewegung, welche sich speziell an jüdische Siedler und ihre arabischen Nachbarn in Judäa und Samaria richtet. Die Initiative ist vor etwas mehr als einem Jahr auf der Basis der Ideen des Rabbiners Menachem Froman (hier zum Nachruf auf Rabbi Froman von Ulrich Sahm) aus der Siedlung Teko’a entstanden. „Shorashim/Judur“ gründet auf dem Verständnis, dass die Juden und die Araber/Palästinenser gerade in Judäa und Samaria viele Gemeinsamkeiten teilen, und durch gegenseitige Annäherung und Vertrauensaufbau eine Basis für einen authentischen Frieden bilden können – im Gegenteil zu den misslungenen Friedensbemühungen auf politischer Ebene. Jüdische Siedler und ihre arabischen Nachbarn haben, so das Leitmotiv der Organisation, eine tatsächliche und praktische Chance, durch Zusammenarbeit positive und dauerhafte nachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen, Verurteile dagegen abzubauen und ein friedvolles Nebeneinander zu entwickeln.

Von links nach rechts: Ali Abu Awwad, Rav Hanan Schlesinger, Shaul Judelman. Quelle: friendsofroots.net
Von links nach rechts:
Ali Abu Awwad, Rav Hanan Schlesinger, Shaul Judelman.
Quelle: friendsofroots.net

Der Verein wird zur Zeit von Rabbi Hanan Schlesinger, einem amerikanisch-israelischen Rabbiner aus Alon Shevut, dem Friedensaktivisten (und ehemaligen Fatah-Mitglied) Ali Abu Awwad  und dem Aktivisten Shaul Judelman aus dem benachbarten Efrat geleitet. Zu den weiteren zählen sich Geistliche wie Rabbiner aus den lokalen Lernschulen der Siedlungen, der Sheich Ibrahim Abu al-Hawa und Bewohner einiger arabischer Städte und jüdischer Siedlungen.

Die Organisation, die sich als Bewegung verstanden haben will, hat ihren Sitz in Gush Etzion und organisiert Gespräche und Treffen auf lokaler Ebene, ebenso kleinere Aktivitäten für jüdische und arabische Kinder. Die letzte Aktivität war ein gemeinsames Fastenbrechen von Juden und Arabern, welches schon das zweite Mal  in diesem Rahmen durchgeführt wird – während des jüdischen Fastentages 17.Tammuz und des Ramadan-Monats der Muslime.

Die Idee einer zentralen Kundgebung – das erste größere öffentliche Event dieser Art seitens „Shorashim/Judur“ – kam schon am Freitagnachmittag nach dem Attentat auf die Familie Dawabshe auf und wurde in der Mailingliste und auf Facebook exzessiv diskutiert. Die Schwierigkeit lag bei der Verfassung eines Aufrufs, welcher das Kollektiv von Gush Etzion ansprechen und zu einer Teilnahme bewegen könnte, ohne die üblichen Klischees, Ausdrucksweisen und politische Einstellungen zu bedienen, welche in den Massenkundgebungen in Tel Aviv und Jerusalem  in den letzten Tagen vorherrschten. Bei der Kundgebung sollten sowohl Araber als auch Juden anwesend sein, Rabbiner und Journalisten, Personen öffentlichen Lebens. Die Kurzfristigkeit der Aktion ließ keine große Bekanntmachung zu. Die Information wurde über Mailinglisten und private Nachrichten verbreitet, die Kundgebung bei Polizei und Armee angemeldet.

wpid-20150802_180624.jpgAn Ort und Stelle erschienen im Verlauf des Abends mehr als 200 Personen (Times of Israel sprach sogar von 300), davon eine beträchtliche Anzahl an Journalisten: Reuters, CNN, AFP, Walla News, Jerusalem Post, i24 waren präsent, um nur einige zu nennen. Unter den Anwesenden befanden sich zahlreiche junge Leute, die meisten von ihnen religiös. Einen Teil davon machen Aktivisten der „Shorashim/Judur“-Initiative aus, ebenso interessierte Passanten und solche, die sich zeitig über die Veranstaltung informiert hatten.

Begonnen wurde die Kundgebung mit emotionalen Ansprachen. „Wir sind für einen Aufschrei hierhergekommen. Wir sind aber auch gläubige Menschen. Wir beten. Und wir sind auch Optimisten, wir lassen uns durch Verzweiflung und Zorn unseren Glauben nicht zerstören“, begann der Veranstaltungsleiter Rabbiner Sarel Rosenblatt. „Im Angesicht der Zerstörung und der Bosheit wollen wir der Welt Gerechtigkeit und Liebe hinzufügen.“

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Links nach rechts: Rav Yaakov Katz, Rav Dov Singer, Rav Yaakov Nagen, Rav Yaakov Madan, Yair Lapid

„Der Frieden wird nicht von den Politikern herrühren, sondern er kommt von unten, von den Menschen vor Ort, die tagtäglich Schulter an Schulter zusammenarbeiten. Hier vor Ort gibt es Coexistenz“, Rabbiner Ya’akov Madan, Leiter des Yeshiva-Gymnasiums in Alon Shvut und nationalreligiöser Lehrer und wpid-20150802_182136.jpgGeistlicher, ergriff das Wort. „Unser Festhalten an diesem Land hat drei Ursprünge, auf welche es sich beruht. Der erste – ist Gott und seine Vorsehung. Ich kann nicht glauben, dass Gott eine Legitimierung für den Mord am Kleinkind geben könnte. Der zweite – der gute Wille des jüdischen Volkes und der israelischen Regierung, welche hier verbleiben möchten.  – Diese Tat entwurzelt das Volk von hier. Und der dritte Ursprung – unsere Standhaftigkeit hier. Eine Standhaftigkeit, die auf den Werten der Reinheit, der Stärke, des Gewissens, der Wahrheit beruht.“

Während seiner Rede erschien in der Menge der Scheich Ibrahim Abu al-Hawa, bekannt für seine Aktivitäten im interreligiösen Dialog in der Gegend. Die Presse stürzte sich auf den alten Mann, der einige der Initiatoren der Kundgebung herzlich umarmte.wpid-20150802_182636.jpgwpid-20150802_182651.jpg„Jeder von uns kennt jemanden, der jemanden kennt, dem jemand bekannt ist, der vielleicht mit dieser Tat etwas zu tun haben könnte. Auf uns liegt die Pflicht, solche Sachen an die Sicherheitskräfte weiterzuleiten! Und wenn wir davon wissen, dass eine ähnliche Tat bevorsteht, und wenn es keinen anderen Weg gibt, diese zu verhindern, so müssen wir auch das melden!“, rief Rabbiner Madan mit lauter Stimme und fügte anschließend hinzu: „Man muss den Unterschied kennen. Bei uns sind es die Randgruppen der Randgruppen, die so etwas tun können, und welche wir verurteilen. Bei der anderen Seite werden die Terrorakte im Namen des ganzen Volkes verübt, und bei ihnen werden die Terroristen zu Helden. Wir werden niemals auf dieser Ebene stehen.“

„Als Siedler, der an unser Recht auf dieses Land glaubt, als Israeli, der die strategische Wichtigkeit dieser Gegend für die Sicherheit des Staates sieht, sage ich – der Mord an einem Baby wird unserem Volk keine Erlösung bringen. ‚Zion wird mit Gesetz erlöst und Jerusalem mit Gerechtigkeit‘ (Jesaja 1, 27). Ein jeder, der uns nichts zuleide tun wollte, verdient unseren Schutz.“ So wandte sich der Rabbiner und Vorsteher der Religionsschule in Otni’el, südlich von Hevron, Rabbiner Benny Kalmanson, an das Publikum. „Wir haben wunderbare nachbarschaftliche Verhältnisse. Wir könnten zusammen den Gush Etzion  zu einem Beispielort für alle machen.“

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Rebbetzin Hadassah Froman am Mikrofon

Zugegen war auch der ehemalige Finanzminister Yair Lapid, der ausnahmsweise mit einer Kippa auf dem Kopf aus der Tora zu zitieren beschloss, um sein religiöses Publikum besser anzusprechen. Hadassah Froman, die Witwe des „Friedensrabbis“ aus Teko’a, wurde mehrfach von der Presse interviewt. Vor den Versammelten erinnerte sie mit schmerzerfüllter Stimme daran, dass das letzte Mal ein solches Zusammenfinden im Sommer 2014 stattgefunden hatte, zur Zeit der Entführung der 3 Jugendlichen durch Terroristen. Dieser folgte die Verbrennung des arabischen Teenagers aus Jerusalem. „Wie kommt es dazu, dass erneut ein Kind verbrannt wird?!“

Wie es bei interreligiösen Treffen üblich ist, wurden als Teil des gemeinsames Gebetes Psalmen aufgesagt – so der Psalm 130, 127 und 133, und es wurde ein gemeinsames Gebet für die Gesundheit der Verwundeten gebetet – die Familie Dawabshe, aber auch die letzten Opfer eines Autoanschlags an der Kreuzung von Alon Shevut vor einigen Monaten. Die Anwesenden wiederholten die Psalmen gemeinsam mit den Vorbetern.

Hier kann man sich einen kurzen Eindruck von der Kundgebung machen: Gemeinsames Psalmenlesen und Beten für Genesung;

Die Anwesenden warteten gespannt, wann würde ein arabischer Teilnehmer sich äußern? Tatsächlich waren unter den Versammelten kaum Palästinenser zu erkennen – außer selbstverständlich des 73-jährigen Scheichs, welcher vor dem

Scheich Ibrahim abu al Hawa
Scheich Ibrahim abu al Hawa

Publikum eine flammende Rede in Arabisch hielt (mein Arabisch war leider nicht gut genug, um alles zu verstehen). „In diesem Land sollte man 4 Sprachen sprechen – Hebräisch, Arabisch, Russisch und Englisch“, witzelte der Scheich und fasste seine Rede dann in gebrochenem Englisch zusammen: „Ich bin kein Bürger von keinem Staat. Ich bin Palästinenser, ich gehöre hierher. Aber dieses Land gehört nicht den Juden und niemand anderem. Dieses Land gehört Gott“ und „Wir sind alle Gäste in diesem Land. Wir müssen zusammenleben. Mein Haus ist immer offen für alle“, und sagte auch, „ich möchte meine Gefühle mit den Müttern teilen, die als Einzige wirklich verstehen, was Babies bedeuten.“ Der Scheich erhielt den lautesten Applaus von allen Rednern.

Zum Abschluss gab Rabbiner Schlesinger bekannt, dass ein Fonds zur Unterstützung der geschädigten Familie Dawabshe eröffnet wurde. „Diese Versammlung von ‚Shorashim‘ ist das Mindeste, das wir tun können“, stellte er fest. Er las aus einem Brief seines arabischen Partners vor, Ali Abu Awwad, der nicht zur Veranstaltung kommen konnte: „Diese Kundgebung gibt uns Palästinensern Hoffnung und wird ein Beispiel für jeden darstellen, der ein Friedenspartner sein will. (…) Vor allem ist die moralische und die religiöse Aussage hinter der Kundgebung wichtig.“ Ein weiterer Redner wurde konkreter: „Wenn keine Taten folgen, ist es schade um das ganze Gerede. Wir wissen, dass es Rabbiner und wpid-20150802_184139.jpgAnführer gibt, die diese radikalen Ideologien unterstützen. Solange sie nicht dagegen sprechen, müssen wir sie aus unserer Mitte verbannen!“

Der letzte schließlich war ein arabischer Aktivist, Ziad Sabateen, der sich lange Zeit nicht traute, vorzutreten. Offenbar war er kein Fan großer Reden.  „Diese Kundgebung hätte in Duma stattfinden sollen“, sagte er, „ich selbst wurde zu einer anderen Kundgebung eingeladen, aber meine Nachbarn waren mir wichtig, also bin ich hier. Die Mütter sind diejenigen, die den Kindern als erste Essen geben, und sie auch erziehen. Wir müssen unsere Mütter schützen.“ Er wünschte sich auch eine ebenso strenge Behandlung der israelischen Täter wie die gegenüber den palästinensischen.

Nach der Kundgebung löste sich die Versammlung schnell auf, Menschen unterhielten sich noch, andere gingen im Supermarkt „Rami Levy“ nebenan einkaufen – ein bekanntes „Symbol der Koexistenz“ für sich.

Was meine allgemeine Skepsis für öffentliche Kundgebungen dieser Art angeht, so muss ich zugeben, dass diese Veranstaltung eindeutig einen weitaus mehr authentischen und respektvolleren Charakter besaß als alle ihr vorangegangenen seit dem letzten Freitag. Bleibt nur zu hoffen, dass alle Redner auch ehrlich und aufrichtig in dem gewesen sind, was sie den Anwesenden mitzuteilen hatten.



 

Mehr zu Shorashim-Judur-Roots: hier geht’s zur Homepage

In Zukunft werde ich mehr über diese Organisation berichten. Bleibt dran!