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Souveränität im Gespräch

In der letzten Zeit sind innerhalb der israelischen Öffentlichkeit verschiedene Ideen bezüglich einer Lösung des arabisch-palästinensisch-israelischen Konflikts an die Oberfläche gelangt, welche sich mit anderen Vorschlägen als dermittlerweile „im Sterben liegenden“ Oslo-Version und der Zweistaatenlösung befassen. Es scheint, als beginne nun endlich eine erweiterte Diskussion über die Möglichkeit einer israelischen Souveränität über Judäa und Samaria (Westjordanland; Gazastreifen möglicherweise inklusive), welche, so kann man hoffen, in einem größeren Rahmen und mit der Unterstützung und Teilname wichtiger Persönlichkeiten aus dem israelischen öffentlichen Leben geführt werden wird. So hat vor einigen Tagen der berühmte israelische Schriftsteller A.B.Yehoshua, der sich als links identifiziert, in einem Interview des Radiosenders Galatz sich gegen die Zweistaatenlösung geäußert und sich stattdessen für die Vergabe vollständiger Staatsangehörigkeit oder Einwohnerstatusses für die im C-Gebiet lebenden arabischen Bewohner ausgesprochen, um damit „die Auswirkungen der Besatzung zu mildern“ und für diese „ihren Status zu verbessern“, was soziale Rechte und Einkommen betrifft (Forward, Galatz 19.01.17).

Momentan kommen zwei Kongresse auf, welche das Gespräch um professors-for-strong-israel-0001die Annexierung und Souveränitätsvergabe fördern wollen. Der erste findet heute (24.01.17, Hebräisch)) in den Räumen der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan statt; ihr Name lautet „Das Ende der ‚Besatzung“ – einnationaler Plan“. Initiiert wurde diese Konferenz von der 11249306_856148104504302_8957043096567288362_nOrganisation „Professoren für ein starkes und ökonomisch gesichertes Israel“ (Professors for a strong Israel), einer 1988 gegründeten Vereinigung von zumeist politisch rechts/kapitalistisch orientierten Akademikern in Israel. Heute heißt die Vereinigung „Das akademische Kollegium für nationale Strategie“ (The Academic Council for National Policy) Zu ihren Mitgliedern zählen

Flugblatt der Konferenz "Das Ende der 'Besatzung'"
Flugblatt der Konferenz „Das Ende der ‚Besatzung'“

der Islamwissenschaftler Dr.Motti Kedar, Dr.Arye Eldad, der Nobelpreisträger Eliav Shochetman und Dr.Hillel Weiß. Auf dem Programm der Konferenz sind u.a. Themen wie „Souveränität – politische und rechtliche Herausforderungen“, „Der Energiemarkt in Judäa und Samaria und sein Potenzial in der Region“ und „Nahöstliche Herangehensweise an ein nahöstliches Problem“.

 

 

Der zweite Kongress, betitelt als der „4.Souveränitätskongress“, steht unter der Schirmherrschaft der Organisaton „Frauen in Grün“ (Women in Green) aus der Siedlerbewegung sowie einigen Regionalverwaltungen und

denzionistfoundationillogo NGOs „Zionist Foundation for Israel“ und „Im Tirtzu“. Sie findet am 12.02.17 im Hotel %d7%a0%d7%a9%d7%99%d7%9d%d7%91%d7%99%d7%a8%d7%95%d7%a7%d7%9c%d7%95%d7%92%d7%95Crown Plaza in Jerusalem statt (Hebräisch mit englischer Simultanübersetzung) und wird Sprecher aus der nationalreligiösen Szene, aus der Siedlerbewegung sowie einige andere auf der

Logo der NGO "Im Tirtzu - Aufbau einer zionistischen Gesellschaft"
Logo der NGO „Im Tirtzu – Aufbau einer zionistischen Gesellschaft“

Bühne haben. Themen, die besprochen werden sollen, sind unter anderem: „Antirassismus und der Segen Abrahams“, „Analyse des Falls Golanhöhen – Souveränität in einem Schritt“, „Was wird der Status der Araber nach der Annexierung sein“. Sprecher, die auftreten sollen, sind Knessetabgeordnete und Minister, Journalisten wie Emanuel Shiloh (BeSheva) und Caroline Glick (Jerusalem Post) und der Präsident der Bar-Ilan Universität Prof.Dr.Daniel Hershkowitz.

Flyer des "4.Souveränitatskongresses" in Englisch

Flyer des "4.Souveränitatskongresses" in Englisch
Flyer des „4.Souveränitatskongresses“ in Englisch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

12.02.16

Die 4.Souveräniätskonferenz von Women in Green in Jerusalem, 12.02.16
Die 4.Souveräniätskonferenz von Women in Green in Jerusalem, 12.02.16
4.Souveränitätskonferenz (Flyer in Hebräisch)
4.Souveränitätskonferenz (Flyer in Hebräisch)

Trump hat gewonnen – was sagen „die Siedler“?

Donald J. Trump hat die US-Wahlen 2016 gewonnen, er wird voraussichtlich der 45.Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein, und das nach einem Wahlsieg mit einer deutlichen Mehrheit (279 elekt.Wahlstimmen)  gegenüber seiner Hauptkonkurrentin Hillary Clinton (228 elekt.Wahlstimmen) (Quelle: NYT). 

Und jetzt kommt die spannende Frage: Was sagen „die Siedler“ zu dem Wahlsieg Trumps?
Nun, ich bin keine Expertin im Fach der Politikanalyse, ich kann nur die öffentliche Meinung wiedergeben, wo ich sie zu hören und zu sehen bekomme. Verlassen wir uns also erst einmal darauf und schauen uns die ersten Reaktionen aus der Siedlerbewegung und ihrer Unterstützer/innen an.

Die offiziellen Vertreter sehen den Sieg Trumps eindeutig als Gewinn für die Siedlerbewegung, das aufgrund der wiederholten Ankündigung seinerseits, den jüdischen Bau in Judäa und Samaria zu unterstützen, gegen die Hetze gegen Siedlungsbau vorzugehen und der Errichtung eines Palästinenserstaates entgegenzuwirken. So wird die Unterstützung Trumps für das Besiedlungsprojekt beispielsweise von seinem Berater David Friedman in diesem Artikel  der Jerusalem Post bei einem Treffen mit Delegierten aus der Regionalverwaltung von Judäa und Samaria eindrucksvoll erklärt; ebenso in diesem Interview mit der Daily Mail, in welchem sich Trump  gegen einen Siedlungsstopp ausspricht und dies mit der Bedrohung für Israel durch Terrorgruppen wie Hamas begründet.
Minister Naftali Bennett. Quelle: Ynetnews
Minister Naftali Bennett. Quelle: Ynetnews

Erziehungsminister Naftali Bennett (Jüdisches Heim) gratulierte dem neuen gewählten Präsidenten, dankte formell der Freundschaft Hillary Clintons mit Israel und kommentierte mit folgenden Worten:

„Der Sieg Trumps ist eine gewaltige Gelegenheit für Israel, bekannt zu machen, dass es die Idee eines palästinensischen Staates im Herzen des Landes zurücknimmt, welche eine Verletzung unserer Sicherheit und unseres Wahrheitsanspruches darstellt. Dies entspricht den Ansichten des gewählten Präsidenten in seinen Erklärungen und sollte selbstverständlich auch unsere Ansicht sein. Einfach, klar und deutlich. Die Ära des Palästinenserstaates ist vorbei. “ (INN, Facebook)

Abgeordneter Yehuda Glick (Likud), der führende Aktivist für die

MK Yehuda Glick. Quelle: Ynet
MK Yehuda Glick. Quelle: Ynet

Öffnung des Tempelberges und der dort befindlichen jüdischen heiligen Stätten für jüdische Gläubige, selbst in Otni’el in Südhevron wohnhaft, veröffentlichte:

„Es scheint, als ob Donald Trump der neue Präsident der Vereinigten Staaten wird. Es wird deutlich, dass dem amerikanischen Volk die Heuchelei und Political Correctness anstatt Geradlinigkeit leid geworden ist. Ich übersende Herrn Trump meine Glückwünsche aus Jerusalem. „Möge Gott dein Anlitz erleuchten und dir Gnade erweisen; möge Gott dir Sein Anlitz zuwenden und dir Frieden geben (4.Buch Moses, 6, 22ff.). Ich wünsche ihm, auf den Tempelberg aufzusteigen und von diesem Ort des Lichts und der Energie der ganzen Welt einen Dialog der Aussöhnung und des Friedens zu führen. Ich lade ihn auf seiner Reise nach Israel dazu ein, Judäa und Samaria zu besuchen und mit seinen Augen zu sehen, dass die Besiedlung dieses Gebiets der Weg zum Frieden ist.“ (Facebook)

Abgeordneter Betzalel Smotritch (Jüdisches Heim), stellvertretender Knessetsprecher, vermeldete:
MK Betzalel Smotritch. Quelle: INN
MK Betzalel Smotritch. Quelle: INN

„Es ist beschlossen. Der gewaltige Umschwung, der heute die Vereinigten Staaten erfasst hat, ist eine beschlossene Tatsasche. Eines muss klar sein – die Idee der Zweistaatenlösung hat man auf der Stelle ins Archiv zu befördern. Die Regierung der USA wurde abgelöst und mit ihr gilt es auch, den furchtbare Baustopp, zu welchem die israelische Regierung durch das vorherige Regime gezwungen worden war, durch einen Aufschwung der Bauaktivitäten (in Judäa und Samaria) abzulösen. Ich rufe den Premierminister und die gesamte Regierung dazu auf, hinter dem Siedlungsprojekt in Judäa und Samaria zu stehen, Baupläne und Bau von neuen Städten und Dörfern voranzutreiben und den Schandfleck zu entfernen, den die vorherige amerikanische Regierung dem Siedlungsprojekt als „Friedenshindernis“ aufgesetzt hat. Die Besiedlung von Jerusalem, Judäa und Samaria, ebenso wie das gesamte zionistische Projekt, ist ein historisches Recht und unsere moralische Verpflichtung ist es, diese zu stärken, und das in Zusammenarbeit mit dem gewählten Präsidenten.“ (Facebook)

Abgeordneter Motti Jogev (Jüdisches Heim), Mitglied im Sicherheitsausschuss, gratulierte kurz:
MK Motti Yogev. Quelle: Knesset
MK Motti Yogev. Quelle: Knesset

„Lasst uns hoffen und beten, dass es für die Vereinigten Staaten und auch für Israel gut sein wird. Wir werden zur Verantwortung gerufen sein in den letzten Monaten der Regierungszeit des Präsidenten Obama, auf dass dieser Israel keinen Schaden zufügt. Und danach wird so Gott will alles offen sein für strategische Beziehungen zwischen Israel und den USA, auch im Bezug auf unsere ewigliche Zukunft und die Stärkung unserer Präsenz in Judäa und Israel. Guten Morgen USA. Guten Morgen Israel.“

Yossi Dagan. Quelle: Charedim 10
Yossi Dagan. Quelle: Charedim 10

Yossi Dagan, Vorsitzender der Regionalverwaltung von Judäa und Samaria, vermerkte in den ersten Stunden kurz auf seiner Facebookseite„Zeit zu bauen“ , in Anlehnung an den Vers aus Ecclesiastes 3 „(„Es gibt eine Zeit zum Durchbrechen und Zeit zu bauen„). In seiner ausführlichen Stellungnahme verdeutlichte er:

„Es ist nicht nur ein Festtag für die USA, sondern auch für Israel und die jüdische Besiedlung von Judäa und Samaria. Wir haben einen wahren Freund erhalten. Während der Wahlkampagne habe ich offen meine Unterstützung für Trump bekundet, denn dies war eine wichtige Stunde für das Siedlungsprojekt, für Samaria, die hiermit einen Israel-liebenden Präsident bekommt, der die Besiedlung Samarias stärkt. Einen Präsidenten, der sowohl seine Unterstützung  zugesagt hat, und dessen Hauptberater David Friedman vor unseren Augen nicht nur von seinem Glauben an die jüdischen Rechte in Judäa und Samaria, sondern auch von der Unterstützung der Annektierung dieser Gebiete zm Staatsgebiet Israels gesprochen hat. (…) Ich lade Trump dazu ein, uns in Samaria, dem Herzen des jüdischen Volkes und des Staates Israel, zu besuchen.“ (Quelle: INN, D.Ha’ivri)

Im September 2016 traf er sich während der Wahlkampagnen mit einer Delegation aus der Regionalverwaltung mit Donald Trump; bei diesem Treffen sicherte man ihm die Unterstützung für den Bau in Judäa und Samaria zu.
Yochai Damari, Vorsitzender der Regionalverwaltung Südhevronberge (mehr zu ihm hier), erklärte:
Yochai Damari. Quelle: Youtube
Yochai Damari. Quelle: Youtube

„(…) Ich hoffe, dass diese staatliche Umwälzung zu einer Revolution auf Bewusstseins- und Praxisebene in der Einstellung gegenüber der jüdischen Besiedlung in Judäa und Samaria führen wird – die Anerkennung dessen wird eine Möglichkeit zu einem wirklichen Frieden öffnen. (…) Die schweren Tage mit Obama im Bezug auf die Besiedlung sind vorbei. Wenn wir es jetzt schaffen werden, diese Angelegenheit klug und erfolgreich anzugehen, so gibt es die Chance auf eine neue Realität für die Besiedlung und für den Staat Israel als solchen. (Facebook)

Nadia Matar und Yehudit Katzover, Vorsitzende der Bewegung „Women in Green“ für die jüdische Besiedlung von Judäa und Samaria, veröffentlichten die folgende Pressemeldung:
Nadia Matar, links, und Yehudit Katzover
Nadia Matar, links, und Yehudit Katzover

„Durch ihre Stimme für Sie, hat das amerikanische Volk sein nüchternes und gutes Urteilsvermögen bewiesen, in seinem Streben nach den amerikanischen Prinzipien von Gerechitkeit, Ethik, nach biblischen Werten und der starken Haltung gegenüber internationalem Terror und der Achse des Bösen, sowie in der Loyalität gegenüber den Vorreitern der Wahrheit. (…) Wir glauben an das Potential des Wandels, welchen Sie in der amerikanischen Politik erwirken wollen, um die Kräfte des Lichts in der ganzen Welt im Allgemeinen und im Nahen Osten im Besonderen zu stärken. Wir basieren unsere Zuversicht auf Ihre langwierige Position zur Unterstützung des Staates Israel und des jüdischen Volkes; ebenso wie Ihr Versprechen, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem, die Hauptstadt Israels, zu verlagern. Dasselbe gilt für den Wandel innerhalb des republikanischen Lagers, welcher (unserer) Regierung einen Schwung geben könnte, um die ersehnte Entscheidung zu treffen, eine Entscheidung, die mit dem ethischen Geist der Tora, mit dem Sicherheitsverständnis und der Wahrheit kompatibel ist – die Erklärung der israelischen staatlichen Souveränität über das Gebiet von Judäa und Samaria, die Wiege des Heimatlandes des jüdischen Volkes.“

Rabbiner Shlomo Riskin, Rabbiner der Bezirksverwaltung Efrat im

Rabbiner Riskin. Quelle: NRG
Rabbiner Riskin. Quelle: NRG

Gush Etzion und bekannt für seinen Einsatz für interreligiöse Begegnungen, beglückwünschte Trump und bezeichnete den Wahlsieg als den „Sieg der einfachen amerikanischen Bürger, und einen Sieg für das Volk Israel, sowohl für die Juden in Amerika als auch in Israel selbst. Der einfache Amerikaner mag keine Heuchelei und legt großen Wert auf Gleichberechtigung und Demokratie, in welcher ein jeder dem anderen gleichgestellt wird.“

Was den Bau in Judäa und Samaria angeht, so erklärte er:
„Präsident Obama war der erste, der die großen Siedlungsblöcke, die wir hier aufgebaut haben, nicht respektiert hatte. Alle anderen Präsidenten stimmten dem zu, dass man an diesen aus Sicherheitsbedenken für den Staat Israel festhalten sollte. Obama verhielt sich herablassend gegenüber unserem Premierminister und das können wir ihm nicht verzeihen. Trump hatte sich gänzlich anders ausgesprochen und erwähnte sogar die Notwendigkeit, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, und daher habe ich viele Hoffnungen in ihn.“ 

Der Anwalt und Radiosprecher Yoram Sheftel, bekannt für seine kontroverse Rolle als Anwalt des Nazi-Kriegsverbrechers John

Yoram Sheftel. Quelle: Mynet
Yoram Sheftel. Quelle: Mynet

Demjanjuk in den 80-ern (bei einem Säureanschlag auf ihn im Zuge der Verhandlungen wurde Sheftel nachhaltig verletzt) und Verteidigung von Angeklagten schweren Grades vor israelischen Gerichten, seine Unterstützung der Siedlerbewegung und seine exzentrischen Politanalysen im israelischen Radio, gab vor den Wahlen bekannt, bei einem Sieg Trumps würde er 100.000 Shekel an die jüdische Gemeinde in Hevron spenden. Heute äußerte er bei Channel 7, der Check solle innerhalb von 48 Stunden auf das Konto der Gemeinde übergehen:

„Noch nie habe ich mich so wohl dabei gefühlt, um 100.000 Shekel ärmer zu werden.“ (INN)

 


Was die öffentliche Meinung betrifft, so bewegt sich diese zwischen Gewinnertaumel und Zuversicht, aber auch Bange. Zum Einen ist man glücklich, dass die Bedrohung der Zukunft der jüdischen Gemeinden in Judäa und Samaria mit der Abwahl Hillary Clintons offenbar gänzlich vom Tisch gefegt worden ist – diese war durchgehend eine Unterstützerin der Zwei-Staaten-Lösung. Auch ist die Freude groß, dass man dem „linken Lager“, der „Elite“, wie sie häufig genannt wird, mit Donald Trump eine „auswischen“ konnte – angesichts der offenen Parteinahme der größeren israelischen Medienkanäle und Berichterstatter für Clinton und der Favoritisierung Clintons im linken politischen Lager eine verbreitete Ansichtsweise, nicht unbedingt nur im „Siedlerlager“.
Zum Anderen hat das Gerücht von Trump als einem „unberechenbaren Wütling“ auch hier Wurzeln geschlagen; auch die schlechte Erfahrung mit ehemaligen US-Präsidenten, die ihre Wahlversprechen bezüglich Israels nicht immer so hielten, wie sie sie formulierten, bringt manche dazu, Trumps Wahl mit Skepsis zu betrachten und nicht in den Freudentaumel mit einzustimmen.  Vor allem ist der Wahlausgang ein wiederholter Grund, sich auf die Verse der jüdischen heiligen Schriften zu besinnen, die so charakteristisch die Dilemmata gegenüber der Entscheidungen der Politiker und ihrer Konsequenzen darstellen:
„Wie Wasserbäche ist das Herz eines Königs in der Hand von Gott, Er lenkt es, wie es ihm gefällt.“ (Sprüche 21), oder auch der bekannteste davon: „Viele Gedanken weilen im Herzen eines Menschen und der Rat Gottes wird (am Ende) zur Wirklichkeit werden.“ (Sprüche 19)
Wie sich die Politik des neuen Präsidenten in Zusammenarbeit (oder auch nicht) mit dem Kongress und dem Senat auf Israel und speziell auf die Realität der Bevölkerung in Judäa und Samaria auswirken wird, können wir jetzt zunächst einmal nicht wissen. Auch ich blicke mit Skepsis, und doch mit Zuversicht auf die bevorstehenden Veränderungen. Zum Einen, weil ich mich dabei nur um die Zukunft meines Landes und meiner Bevölkerung sorgen muss und daher in keinen Interessenskonflikt mit der Sorge um die Zukunft der US-Amerikaner kommen brauche. Zum Anderen, weil nach der Obama-Regierung es tatsächlich einen Wandel bedarf, den Hillary Clinton offenbar nicht bieten konnte
Auf gut Glück also, und mazal tov, Mr.President Elect!

Update: Besuch strafbar

Zum letzten Beitrag  – Laubhütte von ‚Siedlern‘ besuchen ist strafbar (30.10.16) – und zur Thematik selbst hatten sich in meiner Umgebung einige Diskussionen gebildet und die Meinungen in diesen waren geteilt. Ich meine damit meinen engeren Freundeskreis und Bekannte bzw. Diskussionspartner, so auf Facebook und auch privat. Es ging dabei um die Tatsache und die Gründe der Festnahme vier Einwohner des Dorfes Wadi Niss bei Efrat durch die Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde nach ihrem Besuch in der Laubhütte des Bürgermeisters von Efrat, Oded Revivi, zusammen mit Einwohnern von Efrat und israelischen Sicherheitskräften aus Polizei und Armee.

Die „israelische“ Seite in diesen Diskussionen vertrat zumeist die Ansicht, die Palästinensische Autonomiebehörde würde damit ihre Friedensunwilligkeit zeigen und die betroffenen arabischen Dorfbewohner für Kontakte mit Juden sanktionieren. Religiöse Beweggründe wurden dafür zur Hilfe gerufen, und der politische Kontext der Angelegenheit dadurch ausgeblendet. Andere redeten von einer „Falle“, die den Besuchern der Bürgermeister von Efrat bereitet hatte. Damit wurden diese aber von der Eigenverantwortung für ihre Sicherheit befreit.

Das Dorf Wadi Niss. Quelle: RT
Das Dorf Wadi Niss. Quelle: RT

Von der palästinensisch-arabischen Seite aus unterstützten einige den Narrativ der „Falle“, zum größten Teil aber – so wie ich auch einen Freund im Beitrag zitiert habe – war die Kritik an der Tatsache da, dass die arabischen Besucher sich mit Soldaten ablichten ließen und damit die Veröffentlichung dieser Fotos in Kauf nahmen, sich ebenso von Journalisten fotografieren und interviewen ließen. Somit haben diese ihre eigene Dummheit bewiesen und genau das provoziert, worauf die Palästinensische Autonomiebehörde sich freudigt gestürzt hatte – „Zusammenarbeit mit den Besatzungskräften“.

Ich habe mich gestern längere Zeit mit I., dem Cousin eines der Festgenommenen aus dem Dorf Wadi Niss bei Efrat über den Vorfall unterhalten. Ich habe ihn gefragt, inwieweit sich Oded Revivi, der Bürgermeister von Efrat, für die Entlassung der vier aus der Haft bemüht habe. I. bestätigte es mir, erklärte mir allerdings etwas, was nicht publik gemacht worden war – um eine vollständige Freilassung zu erwirken, musste der Premierminister  – Netanyahu selbst – eingeschaltet werden, um Druck auf die Autonomiebehörde auszuüben. Ohne den Einsatz von Netanyahu, der zwar zum Ende der Verhandlungen mit einbezogen worden war, hätte die Freilassung nicht schon nach vier Tagen enden können.

Außerdem ließ mich I. an den Rückmeldungen in den sozialen Netzwerken zu der Angelegenheit teilhaben. Diese seien besonders negativ ausgefallen. „Wadi Niss ist sehr arm dran in der Öffentlichkeit; wir wurden regelrecht fertiggemacht“, berichtete er mir. „Es wurde geschrieben ‚Ihr arbeitet zusammen mit der Besatzungsarmee‘, ‚ihr seid alle Kollaborateure‘, ‚wenn ihr könntet, würdet ihr selbst in der israelischen Armee dienen‘ und desgleichen.“ Wadi Niss würde in sehr schlechtem Licht stehen, eben wegen des „frohen Beisammenseins“ von Dörflern und Armeeangehörigen. Unter den anwesenden Offizieren, so I., würde sich einer befunden haben, der in der palästinensischen Öffentlichkeit besonders schlechten Ruf habe; diesen zusammen mit Wadi Niss-Leuten auf einem Bild zu sehen, hätte dem Ganzen noch eine zusätzliche negative Dimension gegeben. Auf meinen Widerspruch hin, es seien nur die sozialen Netzwerke, hatte I. den Kopf geschüttelt: „Auf Facebook kommentieren Menschen, und sie schreiben genauso, wie sie es sehen. So sehen die Menschen hier es.“

Ob nun PA-Kräfte im Dorf stationiert seien und die Menschen kontrollieren würden, wollte ich wissen. Soweit sei man noch nicht, meinte I. Aber die Affäre habe erheblichen Schaden angerichtet. Israel solle ihnen endlich die Staatsbürgerschaft verleihen und eingliedern, sagte ich ihm. „Sie werden uns die Staatsbürgerschaft nicht geben“, so I. „Wir stehen für beide Seiten schlecht da. Für die PA, und für die Israelis sowieso.“

Ob ich glaube, dass Israel jemals die Gebiete von Judäa und Samaria annektieren wird, fragte I. mich anschließend. Ich hoffe es, sagte ich ihm. Er habe seine Zweifel, meinte er; es könnte nicht auf einem Schlag gemacht werden, was würde man mit allen machen können? Die Menschen seien nicht bereit.

Mehr als zu sagen, dass die Geschichte ihre Verläufe habe und das Ganze sich mit der Zeit verändern würde, konnte ich leider nicht.

 

Laubhütte von ‚Siedlern‘ besuchen ist strafbar

Wie im vorherigen Beitrag erwähnt, wollte ich, zwar anderthalb Wochen nach dem Ereignis selbst, aber dennoch auf etwas eingehen, was in meiner Nachbarortschaft, der Großsiedlung Efrat, stattgefunden hat. Ich rede hierbei über den Besuch von etwa einer dutzend palästinensischer Araber aus den umgebenden

Arabische Dorfeinwohner und Soldaten umarmt - ein seltener Anblick. Quelle: Facebook, Oded Revivi
Arabische Dorfeinwohner und Soldaten umarmt – ein seltener Anblick. Quelle: Facebook, Oded Revivi

arabischen Dörfern und Ortschaften in der Laubhütte  – Sukka – des Bürgermeisters von Efrat, Oded Revivi. 

Oded Revivi ist in Judäa und Samaria berühmt – und bei manchen berüchtigt – als der wohl offenste Bürgermeister und Berzirksvorsitzende einer Siedlung, der öffentlich von aktiver Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern in Judäa und Samaria spricht und diese auch rege vorantreibt, und zwar auf verschiedenen Kooperationsebenen mit den umliegenden arabischen Einwohnern.

Oded Revivi.
Oded Revivi.

Revivi, Jahrgang 1969, ist seit 2008 der Vorsitzende der Bezirksverwaltung Efrat – somit ihr Bürgermeister. Seit Sommer 2008 wurde er zum Verantwortlichen für die Außenpräsentation bzw. äußere Angelegenheiten der Regionalverwaltung von Judäa und Samaria gewählt. Unter seiner Leitung wurde die Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher, sicherheitstechnischer und auch gesellschaftlicher Ebene mit den lokalen arabischen Dorfvorstehern ausgebaut. Unter seiner Schirmherrschaft fanden und finden  interreligiöse Gesprächstreffen in Efrat statt, das bekannteste aus letzter Zeit mit einigen arabischen Rednern zum Verhältnis zwischen Juden und Arabern in Gush Etzion.

Nicht allen gefällt es, nicht alle in Efrat wünschen sich spürbaren Kontakt mit der arabischen Umgebung; nicht alle sehen nachhaltigen Effekt in den Bemühungen Oded Revivis um lokalen Frieden. Revivi macht munter weiter, und weiß auch, wie man das Ganze an den Mann, sprich, an die Presse bringt, und tatsächlich schaut es aus, als gelangten seine Initiativen mehr ans Licht der Öffentlichkeit.

Zurück zum Thema: Am 19. Oktober, inmitten des Laubhüttenfestes, begrüßte Oded Revivi in seiner großen Sukka etwa ein dutzend arabische Besucher, Gemeindevorsteher und

Wo liegen Wadi Niss, El Khader und Efrat?
Wo liegen Wadi Niss, El Khader und Efrat?

Bekannte, aus den Ortschaften rund um Efrat – Wadi Niss, El Khader bei Bethlehem und anderen. Parallel dazu nahmen am Treffen auch hochrangige Offiziere und Polizeibeamte teil, wie der Polizeichef der

Quelle: Facebook Oded Revivi
Quelle: Facebook Oded Revivi

Judäa und Samaria-Abteilung und der Oberkommandant der Etzion-Brigade. Das Treffen wurde weit und breit dokumentiert, nicht zuletzt von Journalisten der Washington Post. Bilder vom Treffen zeigen ein frohes Miteinander von Arabern und Juden in zivil neben

israelischen Armee- und Polizeiangehörigen. Unter den Fotos findet man Selfies und Umarmungen zwischen arabischen Gästen und Offizieren, Reden werden gehalten, es wird gegessen und getrunken.  „Jeder machte Fotos“, erklärt die

Quelle: Facebook Oded Revivi
Quelle: Facebook Oded Revivi

Washington Post in einem ihrer Artikel zum Thema.

Den Berichten zufolge, wurden bei dem Treffen auch alltagsrelevante Themen angesprochen und nicht nur freundliche Reden gehalten. So wird der Einwohner von El Khader, Ali Musa, zitiert, wie er die IDF-Angehörige auf ein Tor hinweist, das die Einfahrt in seine Ortschaft blockiert, und darum bittet, dieses zu

Quelle: Facebook Oded Revivi
Quelle: Facebook Oded Revivi

entfernen. Auch ein weiterer Kommentar von ihm bekommt Aufmerksamkeit, bezogen auf die für die Einfahrt in die A-Gebiete charakteristischen roten Schilder, welche auf „Lebensgefahr“ und gesetzliches Verbot für Israelis hinweisen und sie davon abhalten sollen, diese Gebiete zu besuchen. „Dieses rassistische Schild? Es ist unerhört, es sollte entfernt werden; es hindert unsere jüdischen Freunde daran, uns zu besuchen“, wird Musa in Washington Post zitiert.

Noman Othman aus Wadi Niss wurde zitiert, dass er keine Probleme mit der Existenz von Efrat als solche habe: „Es sind ihre Häuser, sie haben sie mit ihrem Geld gekauft, wir sollten kein Problem mit ihnen haben, wenn es Frieden gibt“. Ein weiterer Gast aus Wadi Niss bezeichnete sich selbst und seine Mitbewohner als Teil der Gemeinschaft von Efrat. Auch die Familie von Lama, repräsentiert durch den Großvater Muhammad Mahmud Mussa, nahm am Treffen teil; das Mädchen war vor etwa einem Monat versehentlich von einem Einwohner von Efrat überfahren worden. Seitdem  wurden an der Abbiegung Rüttelschwellen befestigt, Oded Revivi selbst und andere Einwohner statteten der Familie einen Beileidsbesuch ab.

Wie schon erwähnt, wurden viele Fotos getätigt und auf mehreren Nachrichten wurde über das fast schon „historische“ Treffen berichtet.

Das Ganze bekam erst einen Haken, nachdem die Zusammenkunft beendet worden war.

Vier der arabischen Anwesenden wurden nämlich nach der Bekanntmachung der Fotos von den Sicherheitskräften der Palästinensischen Autonomiebehörde verhaftet und für etwa fünf Tage festgehalten unter der Beschuldigung, mit dem „Feind“ zu kollaborieren.

Fünf Tage lang wurden sie, alle Einwohner des Dorfes Wadi Niss, festgehalten und verhört. Oded Revivi schrieb in einer darauffolgenden Kolumne, er hätte durch seine Verbindungen „Himmel und Erde“ in Bewegung gesetzt, um diese aus der Haft herauszubekommen. Einige der Verwandten der Inhaftierten bezeichneten die Zusammenkunft als „Falle“, die der adrette Bürgermeister für seine Public Relations missbraucht habe. Allerdings kann kaum davon die Rede sein, da die Anwesenden sich die Freiheit genommen haben, sich in jeder Form gemeinsam ablichten und interviewen zu lassen; dass die Präsenz von Fotoapparaten und Journalisten zu einer Veröffentlichung des aufgenommenen Materials führen würde, sollte jedem klar sein.

Die Washington Post berichtete in zwei Artikeln darüber, wobei sich der erste noch schwer damit tat, dass die, so der Journalist William Booth, etwa 30 „Siedler“ und Sicherheitskräfte teilweise bewaffnet kamen. Was auch immer er damit beanstanden wollte, ist mir nicht klar, denn die Offiziere und Polizeibeamten kamen in Uniform, da

Quelle: Facebook Oded Revivi
Quelle: Facebook Oded Revivi

wäre eine Waffe wohl zu erwarten; ebenso können Einwohner von Judäa und Samaria einen Waffenschein beantragen; „verwerflich“ kann es nur aus der westlichen Perspektive erscheinen, die in einer Waffe lediglich negative Zusammenhänge sieht und damit auch das übliche Stigma des „radikalen Siedlers“ speist.

Was die Verhaftung anging, so stellten es verschiedene Interessensgruppen verschieden dar: So wurde die Verhaftung einerseits als Gewaltakt gegen das friedlichen Miteinander von Juden und Arabern dargestellt; von palästinensischer Seite aus wurde das Beisammensein mit Armeeangehörigen angeprangert, welches im Gegenteil zum Treffen zwischen Nachbarn als das wahre Problem angesehen wird und die „Besatzung“ damit als legitim erscheinen lässt. Wie schon erwähnt, äußerten sich einige Verwandte der Inhaftierten negativ im Bezug auf die Veröffentlichung der Fotos. Einer meiner Bekannten aus Betlehem bezeichnete die anwesenden Araber als „Idioten“, weil sie sich ohne weiter nachzudenken mit Offizieren in Uniform ablichten ließen – genau das hätte die Palästinensische Autonomiebehörde auf sie gehetzt.

Die vier Einwohner von Wadi Niss sind mittlerweile zuhause angekommen; welchen Eindruck die Verhaftung auf sie hinterlassen hat, weiß man nicht. Werden sie andere dazu ermuntern, sich trotz Widerstand „gegen den Strom“ zu stellen, oder werden sie davon abraten? Die Zeit wird es zeigen.

Oded Revivi schrieb in einer Kolumne in der Wochenzeitung „Makor Rishon“ vom 28.10.16:

„Durch den Druck von Radikalen sind heute direkte Gespräche zwischen Palästinensern und Israelis zu einer Rarität geworden. Gesprächsrunden im Beisein von Generälen, Polizeioffizieren und  palästinensischen Gemeindevorstehern sind noch wesentlich seltener anzutreffen. und es gibt fast keine Nachweise für den Besuch von Palästinensern in unseren Siedlungen. Es ist unsere Pflicht, mit aller Macht solche Gespräche zu initiieren, denn die Lösungen werden sich nur über Gespräche unter Nachbarn  finden lassen.“  

Man kann nur hoffen, dass Oded es das nächste Mal schafft, seinen arabischen Gästen die PA vom Leib zu halten, denn wer wohl am Wenigsten als geeigneter Partner für einen zukünftigen Frieden gelten kann, ist diese infame Institution.