Laubhüttenfest überall

Das Laubhüttenfest – Sukkót-Fest auf Hebräisch – ist seit dem 16.Oktober im vollen Gange. Sieben Tage wird dieses aus der Tora stammendes Fest mit seinen Geboten gefeiert, und wird in derselben als ein Fest der letzten Ernte, ein Fest des Wassers, der Gottvertrauens und der Freude beschrieben.

(Sukkot in Judäa und Samaria – weiter nach unten scrollen)

Ernte, weil in dieser Zeit die zweite Erntezeit zu ihrem Ende kommt – im Land Israel gibt es sowohl im Früh- als auch im Spätjahr Erntezeit.

Wasser, weil in der Zeit um das Sukkot-Fest herum die ersten Regenfälle beginnen und die Sommerzeit offiziell zu Ende ist. Auch wird das Fest traditionell als die Zeit betrachtet, in der Gott darüber entscheidet, welche Wassermenge dem Neuen Jahr (das an Rosh Hashana vor drei Wochen begonnen hat) zugesprochen wird.

Gottvertrauen, weil eines der wichtigsten Gebote des Sukkot-Festes die eigentliche Sukká – die Laubhütte – ist, in Erinnerung an die Zeit, in der die Kinder Israels, die den Anfang des jüdischen Volkes legten, aus Ägypten zogen und die Zeit in der Wüste in laubhüttenähnlichen Gebilden verbrachten. Die Anweisung dazu, eine solche Sukka zu bauen und in ihr zu wohnen – sprich, zu essen und zu schlafen – findet sich mehrfach direkt in der schriftlichen Tora, so zum Beispiel im zweiten und dritten der fünf Bücher Moses (2.B.M. Kap.23, 16; 3.B.M.Kap.23,  39-42).

Die Sukka, so erklären es Gelehrte wie Maimonides (Rambam) und Rabbi Yakov Halevi (Maharil) aus Mainz, steht sowohl für die Unbeständigkeit der menschlichen Existenz als auch für die Bedrängnis, die das Volk in der Wüste durchmachen musste. Die Laubhütte, die von nun an in jeder Generation einmal im Jahr

So schläft sich in der Sukka von Tuvia, dem Nachbarsjungen (Alon Shevut)
So schläft sich in der Sukka von Tuvia, dem Nachbarsjungen (Alon Shevut)

errichtet werden soll, dient dazu, um jedem Juden und jeder Jüdin am eigenen Leib beispielhaft „klar zu machen“, was es bedeutet hatte, in einer Wüste ungeschützt unter offenem Himmel in einem wackeligen Gebilde zu sitzen und zu schlafen, und sich dabei nur auf den Schöpfer zu verlassen.  Eine weitere Interpretation besagt, dass durch den symbolischen (und physisch sehr nachvollziehbaren) Akt der Laubhütte wir unseren Glauben auch öffentlich stärken sollen – denn gerade, wenn das Wetter von warm zu kühl umschlägt und Regenschauer drohen, verziehen sich die meisten Menschen ins warme Heim; die Juden jedoch ziehen nach draußen und schlafen (meistens zumindest) in den unfesten Bauten, weil ihnen das Gesetz so befielt.

Und was soll die Freude besagen?

Sukkot soll das fröhlichste Fest der gesamten Jahreszeit werden. Tatsächlich sind es sieben Tage, die vor allem in Israel bemerkbar werden, wo die jüdische Religion heute endlich nach fast 2000 Jahren offen und in all ihren Variationen ausgelebt werden kann. Der erste Feiertag ist Ferientag und auch in den nachfolgenden sechs haben viele Ferien – vor allem die Kinder. Die meisten nutzen die Zeit für Wanderungen  und Ausflüge mit der Familie. Naturparks, Vergnügungsparks, Wanderwege, Konzerthallen, Freiluftmuseen, Zoos und andere Attraktionen und Veranstaltungen sind randvoll mit Menschen, als gehe die gesamte Bevölkerung auf Reisen. Andere ziehen es vor, in diesen Tagen ins Ausland zu fliegen,

Theatervorstellung in Samaria. Quelle. Facebook Shomron Tourism
Theatervorstellung in Samaria. Quelle. Facebook Shomron Tourism

aber die Statistiken zeigen, dass das Land nicht leergefegt wird – im Gegenteil, es kommen umso mehr Besucher aus dem Ausland nach Israel. Jerusalem bekommt über eine Million Besucher in dieser Zeit – denn Sukkot ist auch als eins der drei Pilgerfeste bekannt. Auch das ist in der Tora festgeschrieben – an Sukkot, so wie auch an Pessach und dem Wochenfest Shavu’ot (die beiden letzten im Frühjahr) sollen Juden nach Jerusalem, zum Tempel aufsteigen und dort das Fest feiern.

Als beide Tempel, deren Existenz die UNESCO beschlossen hat, zu verneinen, noch standen, fanden in ihnen festliche Opfergaben statt. Die Stadt war mit Familien der Pilger überfüllt; man kann sich vorstellen, dass zu dieser Zeit auch Veranstaltungen für diese stattfanden, und die wichtigste davon – die Wasserschöpf-Feier. Im Talmud wird beschrieben, wie das Wasser, welches aus der Shilo’ach-Quelle südlich des Tempelbergs in der damaligen Davidsstadt (heute als Ostjerusalemer Silwan-Viertel bekannt) entnommen und von Priestern in den Tempel gebracht und dort auf den Altar gegossen wurde. Von der Freifläche neben dem Altar führte ein Kanal tief unter den Tempelberg – so gelang das von oben gegossene Wasser wieder nach unten, der „Kreis“ schloss sich. Diesen Akt umrahmten Festlichkeiten und Vorstellungen zur Belustigung des Publikums – Akrobaten, Jongleure, Musik und Tanz. Kurzum, aller Grund zur Freude.

Noch etwas Erwähnenswertes fand in diesen sieben Tagen statt – im Tempel wurden 70 Stiere geopfert, symbolisch für die 70 Nationen dieser Welt. Sukkot sollte also nicht nur ein „innerjüdisches“ Fest sein, sondern auch die restliche Welt mit einschließen und diese am Gottesdienst teilhaben zu lassen. Traditionell dazu findet der „Jerusalem-Marsch“ in diesen Tagen statt – zu diesem kommen zehntausende israelbegeisterte Besucher aus verschiedenen Ländern, die meisten davon christlichen Glaubens, und marschieren durch Jerusalem in Nationaltrachten und mit Nationalfahnen.


Wie wird Sukkot in Judäa und Samaria gefeiert?

Natürlich sehr üppig. Was kleinere Orte und durchwegs religiöse Städte und Siedlungsblöcke wie Betar Illit, Modi’in Illit, Gush Etzion,

Sukka von Tzippi und Eli
Sukka von Tzippi und Elior

Talmon-Region, Nordwestbinyamin und Südhevronberge angeht, so findet man wohl bei jeder Familie eine Sukka vor dem Haus oder im Garten stehen, in allen möglichen Ausführungen – mit Holzwänden, Stoffwänden, Metallwänden, einem Laub-, Palmen- oder

Bambusdach, den ganzen  Garten und die Straße belegend oder nur in einer kleinen Ecke sich ans Haus drängend; und was die Innendekoration betrifft, so sind ihr keine Grenzen gesetzt. Eine

Sukka von Hanani und Rivka
Sukka von Hanani und Rivka

„koschere“, sprich gültige Sukka, hat eine bestimmte Mindestgröße

von etwa 60x60cm, mit einer Wandhöhe von min.80cm und max.10 Metern. Sie muss mindestens drei unvollständige Wände besitzen und das Dach muss mit Pflanzenmaterial bedeckt sein und etwas Lichteinfall in die Hütte selbst garantieren.

Auch in den größeren gemischten Städten wie Ma’ale Adumim und Ariel finden sich, wie in ganz Israel eigentlich, Sukkot. Besonders kurios für den nicht gewohnten Besucher sind die portablen Sukkot vor jedem Restaurant und Café, damit die Kunden auch bei Kaffee, Kuchen und Gulaschsuppe das Gebot des Sitzens in der Sukka erfüllen können. Natürlich standen auch bei uns an den Einkaufsläden im Gush Etzion diese niedlichen Bauwerke.

Drachen steigen lassen in Elon Moreh, Samaria. Quelle. Shomron Tourism
Drachen steigen lassen in Elon Moreh, Samaria. Quelle. Shomron Tourism

Was Freizeit angeht, so sind die Sukkot-Feiertage eine Hochsaison für den Tourismus in Judäa und Samaria. Sämtliche touristische Attraktionen werden von Menschenmengen aufgesucht – und das von einem sehr gemischten Kontingent. Sukkot ist die Zeit, in der die Freizeiteinrichtungen in Judäa und Samaria ihre Tore einem mannigfaltigen Publikum öffnen und sich stolz präsentieren können in der Hoffnung, dass die Besucher auch nach den Feiertagen

Kamelreiten in Samaria. Quelle: Shomron Tourism
Kamelreiten in Samaria. Quelle: Shomron Tourism

zurückkehren werden. In dieser Zeit werden die Sicherheitsstandarts in der Region erhöht, die Attraktionen in freier

Natur zusätzlich bewacht. Historische Stätten wie der archäologische Park in Sussya

Kinder in Shiloh, Südsamaria. Quelle: Ancient Shiloh Tourism
Kinder in Shiloh, Südsamaria. Quelle: Ancient Shiloh Tourism

(Südhevronberge), das Herodium bei Gush Etzion, das Freilichtmuseum bei der antiken Tempelstadt Shiloh in

Binyamin, der erste Samaria-Außenposten nach dem Sechstagekrieg in der antiken Stadt Sebastia, Wanderwege in den malerischen Bergen und Schluchten erwachen zum Leben; Campingplätze und Bed&Breakfast-Zimmer werden voll belegt. Feldschulen wie die von Kfar Etzion unter der Leitung von Yaron Rozental organisieren

Musik und Spiel in Binyamin, Quelle: BInyamin Tourism
Musik und Spiel in Binyamin, Quelle: BInyamin Tourism

themenpassende Ausflüge in die Natur.

Hier ein Video vom „Bibel-Marathon“ in Shiloh am 21.Oktober:


Das sind die Gewinnerinnen unter den Marathonläuferinnen:

Quelle: Facebook The Bible Marathon
Quelle: Facebook The Bible Marathon

Sukkot ist ein schöner Feiertag. Er ist vor allem auch schön, weil mit einem Mal vielen Israelis bewusst wird, dass die Geschichte ihrer

Quelle: Binyamin Tourism
Quelle: Binyamin Tourism

Vorväter sich gerade dort abspielte, wo sie in regulären Zeilen keinen Fuß hinsetzen wollen – in den Bergen und Tälern der Samaria-Judäa-Bergkette. Hier – und nicht in Tel Aviv, Ashdod oder Nahariya – befinden sich die Wegezeichen der alten Pilgerer, die durch die Berge nach Jerusalem zogen; hier sind die Wasserquellen,

Dolev-Wasserquelle, BInyamin-Gebiet. Quelle: Binyamin Tourism
Dolev-Wasserquelle, BInyamin-Gebiet. Quelle: Binyamin Tourism

die die tausendjährige Hauptstadt mit Wasser versorgten; hier waren die Zentren von Religion und Tradition; und noch immer warten viele Stätten darauf, dass die Nachfahren derjenigen, die sie errichtet und genutzt hatten, sie für sich wiederentdecken.

Auch ich habe eine Wanderung mitgemacht – im sogenannten Wadi Heletz, von der Aussichtsplattform bei Neve Daniel im Tal unter Beit Jalla-Bethlehem, durch die Olivenhaine des arabischen Dorfes Battir, vorbei an der Zugstrecke Jerusalem-Bet Shemesh und zum Biblischen Zoo in Jerusalem. Die Bilder kann man sich hier anschauen:

Sukkot ist ein Fest der Gastfreundschaft. Arbeitskollegen, Bekannte, Freunde – religiös,  nicht religiös, ja nicht mal jüdisch – treffen sich unter dem Laubdach. Arabische Gäste in jüdischen Sukkas sind kein seltener Anblick.

In Judäa und Samaria ist es leider kein Alltag und auch eine sehr, sehr große Seltenheit – soweit es überhaupt an die Öffentlichkeit dringt. Allerdings gibt es auch Präzedenzfälle – so wie den Bürgermeister von Efrat in Gush Etzion – Oded Revivi, welcher in diesem Jahr mehrere dutzend palästinensische Araber aus den

Arabische Dorfeinwohner und Soldaten umarmt - ein seltener Anblick. Quelle: Facebook, Oded Revivi
Arabische Dorfbewohner und Soldaten umarmt – ein seltener Anblick. Quelle: Facebook, Oded Revivi

Nachbardörfern gemeinsam mit israelischen Offizieren und Polizeibeamten zu sich in die Laubhütte eingeladen hatte. Die Veranstaltung soll freudig und in positiver Atmosphäre abgelaufen sein, es wurde gegessen, getrunken, gesprochen und viele Selfies geschossen. Die Folgen ließen leider nicht lange auf sich warten – aber dazu im gesonderten Beitrag.

Heute, 23.10.16, ist der letzte Tag des Sukkot-Festes und der Vorabend eines weiteren, mit Sukkot wenig zu tun habenden Feiertags – Shmini Atzeret bzw.Simchat Tora, das Tora-Freudenfest. Und nachdem alle Feiertage vorbei sein werden, erwartet alle der „Sprung ins kalte Wasser“ der regulären Wochentage…wir hoffen, dass der Regen nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

2 Kommentare zu „Laubhüttenfest überall“

  1. Ein wenig schüchtern (weil einer aus den Nationen) möchte ich meinen Kommentar (und Kommentare sind ja eben doch erwünscht) dazu abgeben. Ich freue mich von Herzen über Deinen Bericht, liebe Chaya, wie Du die letzten Tage in Judäa so fröhlich wandernd erlebt hast.

    Für mich als bibelgläubigen Christen verbindet sich das letzte der drei in der Thora dem Volke Israel verordneten Pilgerfeste hinauf nach Jerusalem noch folgende große Hoffnung, nämlich, dass die letzte Erfüllung der großen Freude, die Gott für die Tage der Laubhütten verordnet hat, noch aussteht. Wenn es sich einmal erfüllen wird, dass alle Völker nach Israel ziehen werden, um dort den einzig einen Gott anzubeten und ihre Schätze gern dort hintragen, so muss das Kommen des Friedefürsten, des lang ersehnten Messias erfolgt sein. Was die Menschen mit eigener Kraft nicht zustande bringen, das wird Er in seiner göttlichen Autorität und Schöpferkraft zu schaffen vermögen. Dann, so glauben wird, wird das tausendjährige Friedensreich endlich anbrechen.

    Nun fällt auf, dass die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Kommen Jesu von Nazareth vor 2000 Jahren zusammenfielen mit den ersten beiden großen Pilgerfesten Pesach (Jesu Kreuzestod auf Golgatha – wobei an dessen Kreuzespfahl das Schild in drei Sprachen angebracht war „INRI“ das hieß „Jesus von Nazareth, der König der Juden“ am Karfreitag)
    und Schawuot (Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten). So kommt bei uns der Gedanke auf, dass das Kommen des Messias sich einmal erfüllen könnte in den Tagen der Sukkot.

    Das einfache und glückliche Leben unter einer Laubhütte, so ist meine persönliche Meinung, deutet etwas davon an, dass in der dann neu anbrechenden Zeit das Leben der Menschen nicht mehr so sehr durch Hochtechnologien bestimmt sein wird, sondern vielmehr das Glück in einer sehr lebendigen Verbindung zu unserem Gott geschenkt sein wird, vor allem auch darum, dass Satan als der große Lügner und Todbringer die Menschheit nicht mehr so schlimm zu verführen vermag.

    Für morgen wünsche noch ein glückliches Thora-Freudenfest.

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