Archiv der Kategorie: Sehenswertes

Rebloggt: Ausflüge nach Samaria und mit Siedlern reden

Habe den Beitrag erst jetzt gefunden und finde ihn sehr informativ und interessant. David Ha’Ivri aus der Ortschaft Tapu’ach in Samaria kenne ich persönlich als einen professionellen und klugen Mann und begeisterten Aktivisten. Bei der Blogger-Tour in Samaria war ich noch nicht gewesen, aber werde es sicherlich noch nachholen.
Hier ist der Erfahrungsbericht der Bloggerin Sheri Oz (israeldiaries.com) vom 28.06.2018 für euch zum Lesen, übersetzt ins Deutsche auf „abseits vom mainstream“ (Herbert).
Das Zitat eines der Veranstalter, David Hermelin, kann ich persönlich unterschreiben, denn es gilt auch für meinen Blog:

„Du kannst nicht beurteilen, ob ich das Recht habe in meinem eigenen Land zu leben. Mich kümmert es wirklich nicht, was du von mir denkst und ich werde nicht versuchen dich von irgendetwas zu überzeugen. Aber wenn du wissen willst, wie meine Erfahrungen aussehen, dann werde ich sie gerne mit dir diskutieren.“

abseits vom mainstream - heplev

Sheri Oz, Israel Diaries, 28. Juni 2018

Was würden Sie erwarten auf einer Tour durch Samaria zu sehen? Was würden Sie erwarten, wie Siedler sind?

Eine ganz kleines Bisschen Hintergrund

Samaria ist der klassische Name der Region, der auf den Namen dessen gründet, was einst eine Hauptstadt des nördlichen Königreichs Israel war. Der hebräische Name lautet „Schomron“. Nach der jordanischen Besatzung der Region westlich des Jordan ab 1948 wurde sie unter dem Namen „Westbank“ subsummiert. International und leider auch in Israel ist das der für die Region am häufigsten verwendete Name, während mit der Zeit immer mehr Israelis sie Judäa und Samaria oder Yehuda we-Schomron nennen.

Im Krieg von 1967 gewann Israel die Kontrolle über Judäa und Samaria (J&S) zurück, gab aber einiges davon ab, als es die Olso-Vereinbarungen mit der PLO unterschrieb, eine Vereinbarung, die zur Schaffung der palästinensischen Autonomiebehörde führte. Es wird heute so eine Art Krieg um…

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NEWS: Erste Gebäude im neuen Ort Amichai

Erinnert ihr euch noch an Amona?

Vor etwa einem Jahr und einem Monat, am 01.Februar 2017, wurde die kleine Siedlung Amona, von etwa 40 Familien bewohnt, am Rande der jüdischen Ortschaft Ofra (Samaria, unweit von Ramallah), komplett abgerissen, nachdem Grundstücksbesitzer aus dem benachbarten arabischen Dorf Silwad vor dem Obersten Gerichtshof gegen die Bewohner von Amona geklagt hatten, dass

Amona. Quelle: Tomriko/Ynet

diese auf ihrem Privatland bauen würden. In 2016 wurde der Prozess entgültig zugunsten der Kläger entschieden  und der Abriss wurde auf Dezember 2016 festgelegt. Im Laufe der Monate wurde zwischen den Familien von Amona, der Regionalverwaltung Südsamarias, Politikern und dem Gerichtshof ein harter Kampf um die Zukunft der Leute Amonas ausgetragen, wobei verschiedene Kompromisslösungen auf den Tisch kamen und von diesem geräumt wurden, Berufungsanträge angenommen und abgewiesen worden waren und die Abrissdeadline immer wieder verschoben worden war. Es wurde um die Anzahl der abzureißenden Häuser gefeilscht, um das Ersatzgrundstück, um Entschädigungszahlungen und provisorische Unterkünfte. Im Endeffekt wurde von der Regierung die Schaffung einer Alternative für die Gemeinde versprochen; unterdessen sollten die Familien in einer Jugendherberge in Ofra unterkommen; das für eine neue Ortschaft festgelegte Grundstück sollte vorbereitet werden; dafür würden die Bewohner ohne Widerstand Amona selbst räumen. Am Tag der Räumung selbst (ich war erst am Abend dazugekommen) verschanzten sich zumeist Jugendliche in den Häusern und boten physischen Widerstand gegen die Sicherheitskräfte; die Familien verließen die Häuser friedlich. Amona wurde abgerissen und der Großteil der Familien musste notgedrungen in der Jugendherberge in Ofra samt Hab und Gut verweilen und auf das Erfüllen der Versprechen seitens der Politiker abwarten. (Nachzulesen auf Der Countdown läuft 1Der Countdown läuft 2 und Amona – das Ende. Ende? )

Lange Rede, kurzer Sinn:

Am 21.02.18 berichteten INN, Kipa.co.il und 0404 (ebenso eine knappe Meldung bei Ynet) über das Errichten der ersten provisorischen Bauten (sogenannte Karavillas, größer als der reguläre Karavan) für die ausgewiesenen Familien auf einem von der

Die Gegend auf der Karte.

Regierung festgelegten, geprüften und dafür vorbereiteten neuen Grundstück. Die neuentstehende Ortschaft „Amichai“ (übersetzt: Mein Volk lebt, auch als Vorname gängig) befindet sich in Südsamaria (Binyamin), zwischen Shiloh und Shevut Rachel. Die Nachrichtenseiten berichten, dass die ersten 36 Bauten auf dem Grundstück stehen würden und der Einzug der ersten Familien etwa Ende März zu erwarten wäre.

Der Vorsitzende der Binyamin-Regionalverwaltung Avi Roeh zur Entwicklung:

„Zum ersten Mal seit dem Beginn der Siedlerbewegung werden wir Zeugen der Gründung einer neuen Gemeinde auf offiziellem Wege, basierend auf der Initiative der Regierung und der Regionalverwaltung.“ (INN, 21.02.18)

Der Innenminister Arye Deri kommentierte bei seinem offiziellen Besuch nach der Errichtung der Bauten:

„Mein großer Respekt gilt den Mitarbeitern des Innenministeriums. Trotz all der Probleme, die im Weg standen, nahmen sie sich vollkommen der Sache an und taten alles, um Lösungen zu finden. Sie sahen darin  eine große Berufung und führten es aus. Auch die Regionalverwaltung von Binyamin hat ihren Teil an der erhabenen Aufgabe und erwirkte das Unmögliche und sie verdient unsere Anerkennung. Am Wichtigsten sind die Einwohner; sie haben das Leid und die vielen Monate der Erwartung mitmachen müssen. Sie haben [durch die von ihnen erwirkte Entstehung einer Siedlung, Anm. DS] einen großen Verdienst erworben und haben ebenso den Obersten Gerichtshof daran teilhaben lassen, dass eine neue Gemeinde gegründet wird. So Gott will werden wir alles daran setzen, dass es schnell vorangehen wird. “ (INN, 27.02.18)

 

 

Unterwegs in Binyamin: Ein Fenster in die Wüste

In den diesjährigen Ferientagen während des Pessach-Festes, das bei uns sieben Tage gefeiert wird, nutzt das ganze Landvolk die Zeit, um kreuz und quer durch das Land zu reisen. Die Touristenzentren und Hauptsehenswürdigkeiten sind voll belegt, nach Jerusalem kommt vielleicht eine ganze Milion Besucher innerhalb dieser Tage, und auch die entferntesten Naturschutzgebiete, Wasserfälle, Bäche, Wälder und Aussichtspunkte kommen nicht zu kurz. „Das Wandern ist des Israelis Lust“, sozusagen. Nicht alle haben natürlich Ferien in dieser Zeit, aber die Arbeitszeiten sind verkürzt und man hat mehr Chance, Familie und Freunde zu besuchen.

Judäa und Samaria - Westjordanland. Zentrale Orte in Rot/eingekreist. Oben: Samaria. Unten: Judäa.
Judäa und Samaria – Westjordanland. Zentrale Orte in Rot/eingekreist. Oben: Samaria. Unte Jerusalem: Judäa.

Auch ich habe diese Zeit etwas nutzen können, und zwar für Ausflüge in die Gebiete, in welche ich normalerweise im Alltag weniger gelange: Nämlich in die zweite und die größere Hälfte des „Westjordanlands“, nämlich in die Gebiete des ehemaligen Stammes Binyamin (so heißt es auch heute, Binyamin-Gebiet) und ins nördlich gelegene Samaria (Shomron), alles insgesamt heute als Samaria bekannt ist – oberhalb Jerusalems.

Das Binyamin-Gebiet ist relativ gut vernetzt, beinhaltet zentrale arabische Städte unter der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde – so Ramallah und Jericho – und auch zentrale jüdische Bevölkerungspunkte, solche wie Beit El, Ofra, Adam, Shiloh. Der Ort Psagot ist bekannt für seinen erstklassigen Wein, welche auch internationale Preise gewonnen hat. Das Industriegebiet Sha’ar Binyamin besitzt den zentralen Supermarkt Rami Levy, der für die gesamte örtliche Bevölkerung offen ist, nicht zwischen Arabern und Juden unterscheidet und dafür auch mehrere Anschläge abbekommen hat, auch im letzten halben Jahr.

Binyamin (22)
Wer erkennt die Gazellen auf dem Bild?

Was noch besonders ist an Binyamin, ist, dass es einen faszinierenden Einblick auf den Übergang von der samaritischen Bergkette und dem Hügelland in die Berglandschaft der judäischen Wüste und das Jordantal bietet. Die Berge und Hügel von Binyamin zeichnen sich durch eine wenig bewaldete Landschaft aus, die Wälder wurden erst spät angepflanzt, Naturwald findet sich mehr in Richtung Westen (über eine Wanderung im Westteil habe ich hier berichtet). Je weiter östlich man sich wendet – dort, wo auch mein Reiseweg verläuft – werden die Berge steiniger, die Landschaft trockener, trotz Frühling gelber und spärlicher. Wenn man zu einer Aussichtsplattform kommt, die die Sicht auf die jordanischen Berge bietet, kann man auch bis zum Toten Meer sehen. Es ist eine faszinierende und von Touristen wenig bereiste oder dokumentierte Landschaft, obwohl die Möglichkeiten dazu eigentlich gegeben sein könnten. Fangen wir also an, Schritt für Schritt den Ostteil von Binyamin zu entdecken.


Mit einem Freund haben wir uns um die Mittagszeit von Jerusalem aus nach Ost-Binyamin aufgemacht. Bis nach Nord-Jerusalem (was fälschlicherweise immer als „Ostjerusalem“ bezeichnet wird), durch die arabischen Viertel hindurch bis zum Militärübergang Hizma fuhren wir mit der Bahn und gingen zu Fuß, von da an waren wir auf Autostopps angewiesen, wollten wir nicht auf den Bus warten, dessen Zeitplan nicht unbedingt bequem war.  Es gibt zwei mir bekannte Übergänge, welche reguläre Fahrer nutzen – einen neben dem Dorf Qalandia und den anderen neben dem Dort Hizma. Über

Unsere Wanderkarte mit allen angefahrenen und erwähnten Orten.
Unsere Wanderkarte mit allen angefahrenen und erwähnten Orten.

Hizma gelangt man einfacher weiter und muss nicht Ramallah passieren. Einige der Fahrer wollten uns nicht dort rauslassen, wo wir rausgelassen werden wollten – an einer Autobahnkreuzung, die uns direkt in die Siedlungen des Ostteils an der Wüstengrenze

Auf dem Schild steht: "Zeit für Souveränität!" Plakat der Organisation "Frauen in Grün"
Auf dem Schild steht: „Zeit für Souveränität!“ Plakat der Organisation „Frauen in Grün“

führen würde. Es sei zu unsicher. Aus Erfahrung wusste ich, dass dort die Einwohner dieser Siedlungen einen schnell mitnehmen würden. Ein Fahrer erklärte sich schließlich bereit, und wir fuhren los. Das erste Ziel – die Siedlung Rimonim (‚Granatäpfel‘).

Wir alberten ein wenig an der Kreuzung herum, im Angesicht der schönen gelblich gefärbten Berge, da kam auch schon ein Paar und fuhr uns nach Rimonim. Zu unserer Linken lagen einige wenige weit entfernte arabische Dörfer (Ramun), zu unserer Rechten nur Verkehrsschilder und die Hügelkette. Zwischen dem Beginn der Autobahn 458 und bis zur nächstgrößten Kreuzung – immerhin etwa 18 Kilometer entfernt – befinden sich nur zwei jüdische Ortschaften

Beduinenzelte
Beduinenzelte

direkt angelegt, und eine arabische – Mughayr, alle anderen sind weiter entfernt und so erinnert die Umgebung an eine Mondlandschaft mit Ausblick auf die in der Ferne sich auftürmenden jordanischen Berge, unterbrochen hier und dort von einigen sporadischen schwarzen Beduinenzelten oder einem eingezäunten Stromaggregator. Die Armee taucht hier für längere Zeit nicht mehr sichtbar auf.

Blumenbeet an der Einfahrt
Blumenbeet an der Einfahrt

Rimonim, wohin wir fuhren, ist eine vor 36 Jahren (1977) zunächst als Armee-Lager gegründete Ortschaft. Der Name, so lässt sich bei einer einfachen Suche erfahren, ist an einen zur biblischen Zeit sich im Stammesgebiet Binyamin befindenen Ort bzw.Fels, „Rimon-Fels“, angelehnt, welcher im Buch der Richter (20.Kapitel, Vers 45) auftaucht. Die Bevölkerung der modernen Siedlung war und ist bis heute größenteils säkular. Im Dorf wohnen etwa 160 Familien und arbeiten fast ausschließlich alle in Jerusalem, der nächstgrößeren Stadt. Dabei beträgt die Fahrzeit bei fließendem Verkehr etwa 15-20 Minuten bis zum Übergang, und dann muss man natürlich in der Stadt selbst fahren…

Ein-/Ausfahrt aus Rimonim
Ein-/Ausfahrt aus Rimonim

In Rimonim befinden sich alle für die Gemeinschaft nötigen Einrichtungen –  Wasserturm, Kindergärten, kleiner Supermarkt, Sportanlagen, Jugendclub, Bibliothek, Synagoge, Sekretariat. Mein Begleiter kannte Rimonim von früheren Zeiten

Darstellung von Granatäpfeln von Yaniv Uzana
Darstellung von Granatäpfeln von Yaniv Uzana

und machte mich auf das Studentendorf „Kedma“ aufmerksam, welches sich in kleinen Karavanen nahe der Einfahrt befindet. Dort leben einige hundert (?) Studenten und beschäftigen sich mit Landwirtschaft. Auch das Schwimmbad von Rimonim ist bekannt – dorthin kommen Besucher aus den umliegenden (jüdischen) Ortschaften hin. (Warum aus den jüdischen? Weil die arabischen Dörfer durch andere Organe verwaltet werden, weil die muslimischen Regelungen, was Schwimmen und Öffentlichkeit anbetrifft, anders sind, und weil die Menschen miteinander per Absicht nicht in Berührung kommen wollen und der eine in den Ort des jeweils anderen nicht traut, insbesondere heute nicht mehr). 

Binyamin (8)
Ein Glockenspiel, „Musikecke“ steht darüber

Als wir sie betraten, war die Siedlung still. Es herrschte ein heißer Sturm – extreme Hitze, viel Wind – die meisten Einwohner Binyamin (7)würden entweder Urlaub machen oder bei sich zuhause sitzen. Wir fanden einen Garten mit kreativen Basteleien aus Metall und recht imposante Gebäude. Wir wollten auch die archäologischen Ausgrabungen ansehen, welche es am Binyamin (9)Rande der Siedlung zu besichtigen gab.

Die Ausgrabungen, so stand auf einem von Korrosion schwer zerfressenen Schild geschrieben, fanden hier zwischen 1982 und 1992 statt. Ausgegraben hatte man einen Kirchenkomplex aus byzanthinischer Zeit, allerdings sollen die ersten Lebensspuren hier
noch aus seleukidischer Zeit stammen. Nach den Byzanthinern herrschten im Land die Umayyaden und die Abbassiden, auch unter ihnen erreichten Einwohner diesen Ort. Insgesamt, so besagte das Schild, soll hier 500 Jahre lang aktives Leben gegeben haben, danach wurde der Ort verlassen. Tatsächlich fanden wir in den Ruinen einen Stein mit dem Abbild eines Kreuzes und eine halbrunde Halle. Man erkennt Eingänge und Stauräume, in den Stein gehauene Abflusskanäle und seltsame runde Vertiefungen, die häufig auch mitten in einem Raum zu finden sind. Da ich nicht sonderlich bewandert bin in Archäologie, wusste ich dieses Phänomen leider nicht zu erklären.

Die Ruinen
Die Ruinen
Der Baukomplex
Der Baukomplex
Das in Stein gehauene Kreuz
Das in Stein gehauene Kreuz

Nach der Besichtigung gingen wir zum äußeren Zaun. Wie ich sicherlich schon einmal erwähnt habe, so werden bei uns so gut wie alle Ortschaften, ob nun in den „gefährlichen“ oder den weniger gefährlichen Gebieten, generell eingezäunt. So hat sich das offenbar seit längerer Zeit ergeben, vielleicht noch aus der Zeit vor der Staatsgründung, vielleicht noch früher. Jedenfalls standen wir am Zaun und betrachteten die Landschaft. An dieser Stelle, wo der

Binyamin-Berge - weiter unten die judäische Wüste
Binyamin-Berge – weiter unten die judäische Wüste und dahinter Jericho

Wadi Wahita unter uns sich durch die Berge Richtung judäische Wüste bahnt, konnte man den drastischen Unterschied zwischen den Felsformationen der zwei aneinander grenzenden Regionen erkennen und es faszinierte mich. Auf den Bildern kann man dies genau erkennen. Die Felsart der judäischen Wüste ist viel weicher als die der Binyamin-Berge, lässt sich einfacher verformen. Die Erde des Jordantals ist sandig und lässt eine völlig andere Art der Agrikultur zu als die auf den Bergen (im Jordantal werden größtenteils Dattelplantagen angebaut). Im Hintergrund sieht man die jordanischen Berge und weiter unten spannt sich Jericho aus.

Als wir am Einfahrtstor bei unserem Verlassen der Siedlung den Wächter fragten, ob die Einwohner hier mit den Bewohnern von Jericho Kontakt hätten, bejahte er dies – es kämen Arbeiter aus Jericho nach Rimonim.


Unsere Weiterfahrt führte uns in einen weiteren Ort, einen der zwei Siedlungen an der Autobahn 458 durch Ostbinyamin – Kochav Hashachar. Mitgenommen hatte uns eine Frau, die eigentlich ganz woanders hinfuhr – in die viel weiter gelegene Siedlung Itamar, gut bekannt für ihre hohen Berge und Aussichtsplattformen – und leider traurig bekannt wegen des Mordes an der Familie Vogel im Jahr 2011 durch zwei arabische Terroristen. Die Frau plauderte mit uns und lud uns ein, zu sich zu kommen. Sie ließ uns schließlich am

Unsere Wanderkarte mit allen angefahrenen und erwähnten Orten.
Unsere Wanderkarte mit allen angefahrenen und erwähnten Orten.

Einfahrtstor heraus.

Grüne und gelbe Felder füllten unseren Blick. Plantagen inmitten steiniger Hügel und vor uns, in die Höhe ragend  – der Berg Kuba (Kubat a-Nadjma), der soviel wie Sternberg heißen soll. Wir gingen durch Binyamin (13)das Einfahrtstor hinein und folgten einem Weg durch die Felder, welcher uns zu der Wasserquelle „Ma’ayan Hakramim“ führen sollte -so zumindest besagte das Schild. Autos fuhren hin und her, Jogger liefen an uns vorbei. Wir ruhten uns auf einer Bank aus, bevor wir Binyamin (14)uns auf die Suche nach der Quelle machten. Auf einem Hügel nahe dem Berg sahen wir plötzlich Reiter auf Eseln auf uns zukommen. Weit und breit um uns war kein arabisches Dorf zu sehen, und die Reiter sahen selbst weniger 13103385_10154331634741842_8257072048014240324_narabisch als eher folkloristisch aus. Es waren Jugendliche mit langen Schläfenlocken, wehenden alten Kleidern, einer davon äthiopischer Herkunft; sie ritten und liefen mit den Eseln, ein junger Esel trottete hinterher. Die Gesichter schmutzig oder sonnengebrannt – ich konnte es nicht erkennen. Hügeljugendliche, und zwar nicht irgendwelche, sondern von einem der berühmt-berüchtigten Vorposten, der als eine Art Zentrum für diese gilt – der „Baladi“-Vorposten, ein paar Hügel weiter von Kochav Hashachar. Ich fragte sie, ob sie dort herkommen würden. Einer antwortete mir kurz angebunden, dann ritten sie weiter.

Als ich später meine Freundin, bei der wir an diesem Tag in der Siedlung zu Abend saßen, nach der Herkunft der Jugendlichen fragte, meinte sie, nur ein Teil würde hier aus Kochav Hashachar stammen. Tatsächlich beherbergen diese Vorposten entlaufene Jugendliche aus allen möglichen Orten, auch außerhalb der „Grünen Linie“.

Sicht auf Kochav Hashachar
Sicht auf Kochav Hashachar

Wir machten uns weiter auf die Suche nach der Quelle und gingen den Weg hoch. Von dort bot sich uns eine atemberaubende Sicht auf die Siedlung selbst, auf die Weinplantagen neben ihr und auf das Jordantal – bis zum Toten Meer. Da mein Freund nicht zu lange gehen konnte, konnten wir uns die Aussicht vom Berg selbst nicht gönnen, sondern gingen weiter auf dem Weg. Den Berg habe ich schon vor einigen Jahren bestiegen und mich dort von dem Blick berauschen lassen, so sah es aus:

2013-08-25 16.37.00Binyamin (17)

Die Wasserquelle entdeckten wir – es handelte sich dabei aber nicht um eine wirkliche Quelle, sondern um zwei größere Plantschbecken, die zum Vergnügen der lokalen Kinder eingerichtet worden waren. Binyamin (19)Da es Feiertag war, war das Gelände voll mit kreischenden Kindern und wir bevorzugten es, das Geschehen von oben zu betrachten.

Schon bald kam meine Freundin Hadas angefahren und bot uns einen Ausflug  zu den zwei Aussichtsterrassen an, die bis an den Rand der Wüste hinausreichten. Von ihnen führte ein Wanderweg zu einer richtigen Wasserquelle unten in den judäischen Bergen; die Wanderung dorthin durfte aber nur mit einer Waffe oder einem Sicherheitsmann gemacht werden. Auch Jericho war von hier zu

Die Straße nach Jericho
Die Straße nach Jericho

sehen – Hadas  erklärte, es sei zu Fuß zu erreichen, sei aber nicht empfehlenswert. Ich glaubte es hier. Ich war schon einmal bei der Einfahrt nach Jericho. Mich hatten damals vier große, rote Schilder mit der Aufschrift „Für Israelis Einfahrt verboten und 2013-08-25 15.03.06lebensgefährlich“ empfangen und die Lust verging schnell. Die Schilder stehen noch immer da.

2013-08-25 14.28.06
Das ist keine Gazelle…

Kochav Hashachar, die Siedlung, in der Hadas und ihre Eltern wohnen, wurde 1975 als ein Armeelager ins Leben gerufen. 1980 gelangten dorthin mehrere einzelne Familien der Siedlerbewegung „Gush Emunim“ hin und bildeten den ersten Siedlungskern. Heute besitzt der Ort knapp 2000 Einwohner, hat Festbau, Gemeindeeinrichtungen, eine Religionsschule, einen Industriepark und sogar ein neues Viertel – „MItzpe Kramim“, direkt neben der Muttersiedlung, wo sich junge Paare aus dem Ort Häuser gebaut haben. Es besitzt sogar ein eigenes Sekretariat. Als einzelne Siedlung ist es noch nicht anerkannt, obwohl es schon seit 1999 existiert und sogar den Bauort durch die israelische Regierung genehmigt bekommen hat, weil es auf deren Verlangen den ursprünglich geplanten Ort verlassen musste.  Hadas versichert mich auf Nachfrage, dass es sich hierbei nicht um die Frage von Privatland, sondern um

Das ist keine Gazelle...
Das ist keine Gazelle…

bürokratische Schwierigkeiten seitens der Zivilverwaltung handeln würde.

Es wurde langsam spät und kühl. Wir setzten uns zu Hadas in die Küche und aßen ein schnell aufbereitetes Abendessen, danach liefen wir im Halbdunkel zu der einzigen Bushaltestelle im Ort, um den Bus oder einen Autostop nach Jerusalem zu bekommen. Die Rückfahrt machten wir schon gänzlich im Dunkeln, während die Lichter der Ortschaften der schwarzen Hügel Binyamins an uns vorbeizogen. Die Nacht hatte sich auf die Wüste und die Berge gesetzt, ihre Existenz konnte man nur noch erraten. So endete unsere Fahrt nach Binyamin.

Gute Weine aus Judäa&Samaria

Vor einigen Tagen habe ich den Machane-Yehuda Markt in Jerusalem besucht und bin dort in eine Weinhandlung hineingegangen. Zu meiner großen Überraschung fand ich dort Regale über Regale gefüllt mit seltenen Weinen, die ich sonst kaum in anderen Weinhandlungen zu finden scheine – und all diese aus den verschiedenen Weinkellereien von Judäa und Samaria!

Um nur einige Namen zu nennen:

Gva'ot-Wein und Lone Oak
Gva’ot-Wein und Lone Oak

Die Gewürzstraminer „Gva’ot“ und „Lone Oak“ aus den Weinkellereien von Gevaot und Gush Etzion, in meiner Nachbarschaft; der Cabernet Sauvignon „Jozef“ aus Har

Jozef-Wein aus Har Bracha
Jozef-Wein aus Har Bracha

Bracha in Samaria, der Cabernet-Merlot „Makhpela“ aus den Hebron Heights Winery, ein Wein aus der Weinkellerei in Shilo und natürlich die preisgekrönten Weine aus Psagot.

Makhpela-Wein aus Hevron
Makhpela-Wein aus Hevron
Lone Oak und Nahal Hapirim aus Gush Etzion
Lone Oak und Nahal Hapirim aus Gush Etzion

 

 

 

 

Warum preisgekrönt? Weil gerade die Weine aus der Weinkellerei in Psagot, Binyamin-Gebiet (Südsamaria), bei verschiedenen internationalen Weinfestivals Auszeichnungen und Preise abräumten, unter anderen auf dem internationalen Mittelmeer-Weinfestival  terravino 2009, als der Cabernet Sauvignon von Psagot die goldene Medaille holte, oder auf dem  von französischen Winzern veranstalteten Wettbewerb des Weinportals degustations.com im Dezember

Psagot-Wein
Psagot-Wein

2013, bei welchem 8 Weinsorten aus der Psagot-Kellerei die ersten drei Plätze errungen haben – und das, ohne zu wissen, dass die Weine aus den verpönten „besetzten“ (oder auf französisch gar „kolonialisierten“) Gebieten auf „geraubtem palästinensischen Land“ gewachsen waren!

Das war natürlich alles noch vor der Kennzeichnungspflicht der EU für Produkte hinter der „Grünen Linie“. Heute, sollte die Herkunft der Weine allen offengelegt werden, würden so manche Weinfestivals wohl auf erstklassige Weine verzichten müssen…

 

 

Unterwegs in Binyamin: Allein im Wadi el-Hakim

 Lange Zeit warte ich schon darauf, euch von meiner Wanderung im malerischen Bergland Südsamarias, durch das Flussbett des „Wadi el-Hakim“, am 01.10.2015 zu berichten. Immer wieder kommen Meldungen und aktuelle Ereignisse dazwischen, die mich davon abhalten. Dadurch werden die Beiträge, die eigentlich auch Aspekte des Lebens in Judäa und Samaria außerhalb der aktuellen Berichterstattung zeigen möchten, leider nach hinten geschoben. Aber dem muss nicht für immer so sein. Hier also – ein Tagebucheintrag zu meiner Wanderung im „Wadi el-Hakim“.


Der Startpunkt meiner Wanderung durch das trockene Flussbett (auf Arabisch = Wadi) den sogenannten Wadi el-Hakim (Der Wadi des Weisen, ehemals benannt nach einer lokal ansässigen weisen Persönlichkeit) beginnt an den Wasserquellen unterhalb der Siedlung Nevé Tzúf-Halamísh in Südsamaria (Binyamin). Wie man der Webseite der Ortschaft entnehmen kann, wurde Neve Tzuf im November 1977 gegründet. Nachdem erste Familien der Siedlerbewegung „Gush Emunim“ ein verlassenes Gebäude der britischen Polizei bezogen und renoviert hatten, beschloss die israelische Regierung mit der Unterstützung der amerikanischen

Neve Tzuf, Karte 1
Neve Tzuf, Karte 1

Regierung, den  Grundstein zur Ortschaft Neve Tzuf zu legen. Der offizielle Namensausschuss, welcher für die Benennung von Ortschaften verantwortlich ist, hatte beschlossen, den ursprünglichen Namen „Neve Tzuf“ in „Halamish“ zu ändern, und so lässt sich die Siedlung heute auch auf der Karte finden. Die Einwohner stimmten diesem nicht zu; daher ist der Ort in der Region heute eher als „Neve Tzuf“ bekannt.

Heute leben in der religiösen Siedlung etwa 250 jüdische Familien verschiedener Herkünfte. Vom Verkehr her ist Neve Tzuf an die Autobahnstrecke 465 angebunden, über welche man in etwa 30 Minuten zum Ben-Gurion-Flughafen gelangt und in etwa 40 Minuten Tel Aviv erreicht.

20151001_114553Unterhalb von Neve Tzuf befinden sich die Me’ir-Quellen, welche erst vor kurzem durch die Jugendlichen der Siedlung renoviert wurden. Das Areal wurde besucherfreundlich gestaltet und gereinigt, ganze drei mit Steinen ausgelegte Wasserbecken laden zum Plantschen und Baden ein. Aus einem Fels fließt die eigentliche Quelle, die dann in die Becken weitergeleitet wird.

Arabische und jüdische Ortschaften. Karte 2
Arabische und jüdische Ortschaften. Karte 2

Neve Tzuf ist umgeben von 5 arabischen Ortschaften: Nabi Saleh und Deir Nizzam, weiter nördlich Kafr Eyn und Qarawat Bani Zeyd. Westwärts liegt Deir Abu Mash’al. Auf den Bergen über dem Wadi-Verlauf liegen Bait Rima und Abudt. Weiter nördlich liegt Deir Ghazzana.

Von den Wasserquellen von Neve Tzuf und auf der anderen Seite der Autobahn 465, welche an den Quellen vorbeiführt, fangen der eigentliche Wadi el-Hakim und die Wanderstrecke an. Der Wadi selbst misst etwa 10,28 km und führt von der Autobahn 465 durch die Berge westwärts Richtung Küste, an den drei arabischen Ortschaften vorbei (Deir Nizzam, Bait Rima und Abud), biegt

Verlauf des Wadis. Karte 3
Verlauf des Wadis. Karte 3

Richtung Norden bei der juedischen Ortschaft Beit Arye ab und mündet in das Flussbett des Flusses Shiloh  (arabisch: Wadi Amuriya).

Das Ende der Wanderstrecke ist die Siedlung Beit Arye, welche sich ebenso auf den Bergen hoch über dem Wadi befindet. Beit Arye ist eine größere Siedlung von über 4000 Einwohnern und wurde 1981 gegründet, 1989 schließlich zum Bau freigegeben. Der Charakter von Beit Arye ist gemischt, dort leben Menschen aus verschiedenen Schichten der israelischen Gesellschaft, religiöse und nichtreligiöse Juden leben zusammen. Die Siedlung gilt als insbesondere für diejenigen attraktiv, die im Zentrum des Landes und an der Küste arbeiten, sich aber einen Lebensunterhalt dort nicht leisten können oder aber eine engere Gemeinschaft und eine ländliche Umgebung bevorzugen. Aus der Siedlung selbst hat man einen Blick auf die Mittelmeerküste und die Skyline von Tel Aviv.


Teil 1: Die Fahrt

Fahrtroute zum Wanderweg
Fahrtroute zum Wanderweg

Als ich die Strecke von Jerusalem aus Richtung Neve Tzuf hochfahre, begegnet mir viel Verkehr auf den Strassen. Autos mit palaestinensischen und israelischen Kennzeichen fahren vorbei. Hinter dem Kontrollposten Hizme im Norden Jerusalems folgt eine kurze Fahrt an der arabischen Ortschaft Hizme vorbei und dann folgt das grosse Industriegebiet der Suedsamaria-Binyamin-Region, in welchem sich auch der grosse zentrale Discounter ‚Rami Levy‘ befindet. Die Supermarktkette ist vor allem bekannt dafür, dass bei der Einstellung der Mitarbeiter nach den Grundsätzen der Toleranz und Offenheit gehandelt wird; so wird der Supermarkt trotz Sicherheitsrisiko von sowohl israelisch-jüdischen als auch

Der 'Rami Levy' Supermarkt, Binyamin Industriezone (Quelle: Hakol Hayehudi)
Der ‚Rami Levy‘ Supermarkt, Binyamin Industriezone (Quelle: Hakol Hayehudi)

palästinensisch-arabischen Mitarbeitern betreut, und Kunden aus der gesamten Region, unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit (somit also auch aus den PA-Zonen), ungestört einkaufen gehen können. Leider haben die Ereignisse der letzten Monate und Wochen (Die Siedlerin berichtete) gezeigt, dass die Sicherheitsbedrohung durch die Anwendung dieses Grundsatzes für jüdische Kunden immer wieder aktuell und nicht an den Haaren herbeigezogen ist.

20151001_110721Zu dem Beginn meiner Wanderroute fahre ich per Autostopp. Die wüstenähnliche Landschaft von Südostsamaria (ab jetzt: Binyamin-Region) begleitet meine Fahrt. 20151001_112549Es ist Oktober und dennoch sehr heiß.

Mein erster Autostopp, den ich vom Grenzübergang Hizme genommen habe, bringt mich vor die Tore der Siedlung Ofra. Ofra ist eine relativ große Siedlung mit etwas mehr als 3000 Einwohnern, sie wurde 1975 gegründet und 1977 offiziell von der Regierung anerkannt. Die Bewohner Ofras sind weitestgehend religiös, der Lebensstandard hoch. Business, Erziehung und Tourismus florieren in Ofra. Von außen kann ich eine Feuerwache erkennen.

20151001_110653Mit zwei Jugendlichen warte ich auf einen weiteren Autostopp westwärts. Die beiden wollen offenbar zum selben Ziel, der Me’ir-Wasserquelle, bei der der Wanderweg anfängt. Sie erzählen mir, dass in der dortigen Region es relativ viele Wasserquellen gibt. Mit uns an der Bushaltestelle stehen zwei Soldaten, die in Judäa und Samaria praktisch jede Haltestelle bewachen. Sie machen einen gelangweilten Eindruck (ich kann sie gut verstehen) und spielen mit ihren Smartphones herum. Ich muss relativ lange auf den Autostopp warten und scheine meine Hoffnung etwas zu verlieren, doch da hält ein Fahrzeug neben uns an und der Fahrer fährt zu unser aller Glück direkt nach Neve Tzuf.

Je weiter wir in Richtung der Siedlung fahren, desto niedriger werden die Hügel. Topografisch gesehen befinden wir uns im Abstieg, von einer Höhe von 800m über dem Meeresspiegel (Ofra) fahren wir bis zu 600m hinunter. Der Wanderweg im Wadi selbst wird uns schließlich bis zu 200m über dem Meeresspiegel bringen.

Die Natur verändert sich auch. Die wüsten und steinigen Hügel Ost-Binyamins, welche kaum Vegetation besitzen, weichen Bäumen und Olivenplantagen, welche den lokalen arabischen Grundbesitzern gehören . Es wird grüner. Ein Verkehrsschild weist darauf hin, dass sich hier in der Nähe die „sagenhafte“ palästinensische Metropole Rawabi befindet, ein Großprojekt der Palästinensischen Autonomiebehörde, welches allerdings keine konkrete Förderung erhält und daher eher im Stocken zu sein scheint, als tatsächlich eine 20151001_114000Alternative für die arabischen Dorf- und Stadtbewohner zu bieten. (Mehr über Rawabi kann man hier nachlesen).  Wir fahren auch an der wunderschönen Gebirgslandschaft um die Siedlung Ateret herum vorbei.

Nach etwa zwanzig Minuten kommen wir an der Me’ir-Wasserquelle an; der Fahrer ist so nett, uns direkt an die Quelle zu fahren. Wie schon in der Einleitung erwähnt, wurde die Anlage von den Jugendlichen der Ortschaft renoviert und erweitert. Auf dem 20151001_114438Bergabhang finden sich drei Wasserbecken und mehrere Sitzgelegenheit, mit und ohne Überdachung. Um zwei der Becken tummeln sich Familien mit Kindern, das dritte ist leer. Das Wetter ist wie geschaffen für einen Ausflug ans Wasser – heiß und sonnig, die Luft sauber.


 

Teil 2: Die Wanderung beginnt

Als ich ankomme, setze ich mich zu einer verheirateten Frau mit traditionellem Kopftuch auf einer Bank dazu und fange an, mich mit ihr zu unterhalten. Zu meinem Erstaunen zieht die Frau eine Zigarette hervor und beginnt zu rauchen – etwas für Frauen eher Unübliches in der nationalreligiösen Gemeinschaft. Sie wohnt in der benachbarten Siedlung Talmon, ist aber ebenso wie ich das erste Mal an dieser Quelle. Sie fragt mich, ob ich per Autostopp gekommen bin, was ich bejahe. Dann erzählt sie mir, dass sie das Trampen aufgegeben habe, als ihre Mutter ihr einst ihr erstes Auto gekauft hatte, denn diese wollte nicht, dass ihre Tochter sich ein Motorrad kaufe. Nach dieser Unterhaltung begebe ich mich zum Becken; das Wasser ist einladend und gar nicht so kalt und ich springe, mit T-Shirt und Rock bekleidet, hinein. Badekleidung wäre an diesem Ort nicht angemessen, und ist auch gar nicht nötig – die Kleider trocknen in der Sonne schnell. Kurze Zeit später gesellt sich zu mir ein junges und sehr verliebt wirkendes Paar – wahrscheinlich 20151001_115218frisch verheiratet, denke ich mir. Um sie nicht zu stören, steige ich aus dem Becken aus, ziehe mich in den Büschen um. Ich kann beobachten, wie die beiden auch ins Becken hineinklettern. Ein schönes Timing für einen romantischen Ausflug, muss ich zugeben.

Mithilfe von Google Maps und GPS (sehr nützliches Utensil für jeden Wanderer, fast schon besser als eine professionelle topografische Karte, zumindest für mich als Amateurin) finde ich den Beginn des Wadis auf der anderen Seite der Autobahn. Ursprünglich sollte ich die Wanderung mit einer organisierten Gruppe machen, zu dieser habe ich es allerdings nicht geschafft und muss somit den Weg alleine gehen.

20151001_124256Der Wadi beginnt auf der rechten Seite der Autobahn 465 abwärts, führt an einigen Weinplantagen und einem kleinen arabischen Bauernhof vorbei und weiter in das Tal zwischen den Hügeln. Ich klettere hoch auf die Hügel, um einen besseren Überblick zu behalten. Über mir kann ich einen Ziegenhirten erkennen, den ich auf Arabisch grüße, ebenso ein paar Feldarbeiter unterhalb von meinem Pfad. Der Pfad lässt sich nicht besonders gut erkennen, außerdem bevorzuge ich es, in dieser noch bewohnten Gegend eher weniger Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen –  immerhin wandere ich allein und kenne die arabischen Bauern hier nicht. Zu meiner Linken sehe 20151001_123021ich auf den Hügeln das Dorf Deir Nizzam und hinter mir weht auf einem anderen Hügel eine palästinensische Flagge. Dahinter befindet sich der Ort Nabi Saleh.

Nabi Saleh ist berühmt-berüchtigt für seine wöchentlichen, kravalleartigen Demonstrationen „gegen die israelische Besatzung“, bei welchen sich die lokalen Jugendlichen, angeführt von Mitgliedern der Tamimi-Familie und mit häufigem Beistand von pro-palästinensischen Aktivisten , gewalttätige Ausschreitungen mit der israelischen Armee liefern. Bei diesen Ausschreitungen gab es oft genug Tote und Verletzte; Steinewürfe und tätliche Angriffe stehen dabei an der Tagesordnung. Auch versuchen die Einwohner, an das benachbarte Neve Tzuf heranzukommen, woran sie die Armee hindert. Nabi Saleh ist auch bekannt durch seinen „Exportstar“, die heute 15-jährige Ahed Tamimi. In 2012 wurde die Tochter der

Ahed und ihre Eltern, die Aktivisten Nariman und Bassem Tamimi (Quelle: Ha'aretz)
Ahed und ihre Eltern, die Aktivisten Nariman und Bassem Tamimi (Quelle: Ha’aretz)

führenden „Widerstands“-Aktivisten aus Nabi Saleh, Nariman und Bassem Tamimi als Elfjährige zum ersten Mal gefilmt, wie sie, ihre Cousine und eine Gruppe anderer Kinder, in ärmellosem Hemd und Leggins Soldaten nahe der Ortschaft ankreischte und versuchte, auf einen eher amüsiert wirkenden Soldaten einzuschlagen. Die Szene wurde auf Youtube ausgestellt, ging um die Welt und wurde lange Zeit in den internationalen Medien diskutiert. Verschiedene Organisationen, solche wie CAMERA, stellten Recherchen zusammen, die eine organisierte Aktion und keinen „spontanen“ Protest hinter dem Auftritt von Tamimi aufdeckten. Ahed selbst, danach von ihren Spöttern als „Shirley Temper“ betitelt, tauchte

Ahed gegen die Soldaten, Quelle: Haber5
Ahed gegen die Soldaten, Quelle: Haber5

über Jahre in weiteren Clips der Tamimi-Familie auf (diese besitzt auch eine Facebook-Seite namens „Tamimi Press“). Für ihren Einsatz im „Palästinensischen Widerstand“ erhielt sie Auszeichnungen von Mahmud Abbas und sogar von

Ahed erhält die "Courage"-Auszeichnung in der Türkei (Quelle: DipnotTV)
Ahed erhält die „Courage“-Auszeichnung in der Türkei (Quelle: DipnotTV)

Erdogan, wofür sie extra in die Türkei geflogen wurde.  Mehr über Ahed Tamimi und Nabi Saleh kann man hier und hier nachlesen. 

Soweit zu Nabi Saleh. Ich gehe weiter, überquere den Wadi auf die andere Hügelseite, um dort einen einfacheren Pfad zu finden, und gehe entlang der dieser Region so typischen Steinterrassen. Die meisten davon scheinen verlassen zu sein, Früher wurden hier sicherlich Oliven oder gar Trauben angebaut, heute werden viele davon nicht benutzt. Die Terrassen können etliche Jahre alt sein – mehrere Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, denn Terrassenbau war und ist hier die bevorzugte Art der Landbewirtschaftung. 20151001_130425

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So sieht eine lokale Eiche aus (Illustration)

Ich spüre einen leichten Wind. Die Luft ist sehr angenehm. Die Natur um mich herum ist sehr trocken; es ist Herbst und der Boden ist übersät mit Dornbüschen. Die Vegetation besteht aus lokalen Bäumen wie dem ‚Quercus Calliprinos‘, der lokalen Eiche, die im gesamten Mittelmeerraum verbreitet ist und auf Kalkstein wächst. Tatsächlich bestehen die Felshügel zum größten Teil aus Kalkstein.

Wer genau hinschaut: auf dem Hügel sind Ziegen zu sehen
Wer genau hinschaut: auf dem Hügel sind Ziegen zu sehen

Während der Wanderung lege ich einige Pausen ein, setze mich ins Gebüsch oder unter die Bäume, betrachte die Oliven, trinke viel und halte Ausschau nach Menschen. Das Tal ist einsam, in einiger Ferne auf den Felshügeln lassen sich hin und wieder Häuser der verschiedenen arabischen Ortschaften erkennen. Ich möchte allerdings ungern von deren Einwohnern erkannt werden.

Mein Weg führt mich entlang von Jeep-Spuren. Eine Zeit lang nehme ich an, dass dies der richtige Weg ist, muss aber nach wenigen hundert Metern einsehen, dass ich mich getäuscht habe. Der Pfad führt mich laut Google Maps in eine falsche Richtung, vielleicht zu einer Farm. Ich gehe die Meter zurück, befinde mich nun im Tal, zwischen den niedrigen Bäumen einer Olivenplantage und gehe weiter, in Talrichtung abwärts. Inmitten der Plantage, die bestellt aussieht, ist es aus mehreren Gründen vorteilhaft zu 20151001_133718wandern: Man hat sowohl Schatten als auch Blickschutz und kann herannahende Menschen hören. Die Bäume sind breit, kräftig, ihre Äste sehr niedrig und man kann viele Oliven sehen – offenbar wurde diese Ernte nicht oder noch nicht eingesammelt. Zu meiner Linken lässt sich bald eine Art trockenes Flussbeet erkennen – hier müsste in Regenzeiten der el-Hakim-Fluss selbst entlangfließen. Das ist mein eindeutiger Beweis dafür, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Nur nicht das Flussbeet aus den Augen verlieren!

Auf einer Terassenwand erkenne ich Graffiti auf Hebräisch und Arabisch. Je weiter ich gehe, desto mehr merke ich, wie sich die Landschaft langsam verändert. Die Hügeln weisen ein größeres Pflanzenwachstum auf; zu den Eichen gesellen sich nun auch die 20151001_134147Pistazienbäume. Es handelt sich dabei um die sogenannte ‚Pistacia palaestina/atlantica‘, eine regionale Art. Eine weitere, im Mittelmeerraum und speziell in Israel verbreitete Art ist der sogenannte Mastixstrauch oder -baum, ‚Pistacia lentiscus‘, und die Terpentin-Pistazie (Pistacia terebinthus). Leider kann mein

Die Früchte des Pistazienbaums
Die Früchte des Pistazienbaums

Photoapparat mit den Bildern nicht den Wind  übertragen, der nun, um die frühe Nachmittagszeit, durch das Tal weht und den Geruch von heißer Erde, Gewürzsträuchern und brennendem Holz mit sich trägt – offenbar wird irgendwo in der Nähe ein Feld zum Anbau freigemacht, und das wird hier mithilfe von kontrolliertem Feldbrand erledigt. Alles zusammen ergibt eine unvergleichliche Mischung von Gerüchen, die in hiesigen Bergen beheimatet ist.

Der Pfad taucht mal auf, mal verschwindet er. Ich treffe auf Brombeerbüsche; auch diese sind hier beheimatet, die Früchte sind allerdings noch nicht reif. Über mir, hoch auf dem Hügel, erkenne ich einige Bauten. Ich gehe etwas in Deckung und ziehe weiter; auf der Karte prüfe ich die Ortschaften nach. Offenbar handelt es sich dabei um die angrenzenden Gebäude des Dorfes Bait Rima.

Bait Rima hat eine besondere Geschichte. Der Name, den Untersuchungen von Forschern wie Yoel Elitzur (Ben Zwi-Institut / Akademie der Hebräischen Sprache) zufolge, geht auf ein antikes jüdisches Dorf namens Beit Rima zurück, welches im Talmud (Mishna, Minchot 88, 46) als eins der Orte erwähnt wurden, aus welchem der Wein in den Tempel gebracht wurde. Wir sprechen hier also von der Epoche des ZweitenTempels, noch vor seiner Zerstörung durch die Römer 70 n.d.Z. Interessanterweise wird an derselben Stelle ein weiterer Ortsname erwähnt – Beit Lavan. Das arabische Analog dazu, namens Al-Lubban al-Gharbi, lässt sich einige Kilometer weiter von Bait Rima, unweit der Siedlung Beit Arye (die das Endziel meiner Wanderung darstellt und sich auf derselben Bergkette befindet), wiederfinden. Es ist hinreichend bekannt und nachgewiesen, dass arabische Ansiedlungen in zahlreichen Fällen den Ursprungsnamen eines Ortes in arabischer Umwandlung übernahmen und so zu einem lebenden Nachweis für dessen frühere Existenz wurden. Mithilfe dieser Kenntnisse liessen sich schon über Jahre hinweg Nachweise für antike jüdische und kena’anitische Ortschaften finden.

Das Tal von Bait Rima war zur Zeit des Zweiten Tempels für seinen Weinanbau bekannt. Heute wurde der Weinbau durch Olivenbäume ersetzt, wobei nicht alle Plantagen tatsächlich bestellt werden, sondern nur zum Schein aufrecht erhalten werden: Es sind leider Fälle bekannt, bei welchen ausländische (= europäische) NGOs lokale Bauern ermutigten, auf unbearbeiteten Landflächen durch Baumpflanzung „Fakten“ zu schaffen und das Gebiet zu palästinensischer Anbaufläche zu erklären.

Heute ist Bait Rima ein als „feindlich“ eingestuftes Dorf und gehört offiziell der Zone A unter der Verwaltung der PA an. Aus dem Dorf stammten die Mörder des israelischen Generals und Tourismusministers Rechavam (Gandhi) Ze’evi, welche diesen am 17.Oktober 2001 in Jerusalem umbrachten.

Bait Rima gegenüber liegt das Dorf Abud. Heute sind ein Teil der Einwohner von Abud arabische Christen. Zu Zeiten des Zweiten Tempels (bis 70 n.d.Z.) und um den Bar-Kochba-Aufstand herum (2.Jahrhundert) lebten hier reiche Juden. In der Nähe des heutigen Abud wurden Grabfelder und Grabhöhlen gefunden, und auf den Grabsteinen sind teilweise Weinreben abgebildet – was darauf hinweist, dass die lokalen Bewohner im Weinbau tätig gewesen sind.

Arabische und jüdische Ortschaften. (Karte 2)
Arabische und jüdische Ortschaften. (Karte 2)

Der weitere Verlauf meiner Wanderung führt mich zu einer Brücke. Ich überquere die Straße, welche einerseits zwischen Abud und Bait Rima verbindet, und andererseits zu den Wasserquellen von Abud führt. Diese bekomme ich ebenso zu sehen, als ich weitergehe. An den Wasserquellen befinden sich kleine Anwesen, in manchen steht ein Schwimmbecken. Meine Ankunft überrascht einige arabische Jugendliche, die in einem aufblasbaren Swimmingpool herumtoben. Die Quellen scheinen beliebt zu sein; ich sehe weitere niedrige Häuser mit breiten Gärten und Autos, die davor parken. Der Weg führt mich hinab. Ein Bauer mit seinem Pferd bearbeitet sein Feld und sieht nicht, wie ich an ihm hinter den Bäumen, die uns trennen, vorbeigehe.

Vor mir auf den Hügeln sehe ich rotgeziegelte Häuser. Der Bauart nach (und auch laut meiner Karte) sollte das eine jüdische Ansiedlung sein. Beit Arye? Schon angekommen? Eigentlich wäre ich noch gerne weiter gelaufen, der Wadi schlängelte sich weiter zwischen den Hügeln, doch dann höre ich stimmen. Ich habe 20151001_160119tatsächlich meine Wandergruppe gefunden, mit der ich eigentlich hätte laufen sollen. Die Teilnehmer sitzen etwas erschöpft an einer aus einem Fels sprudelnden Quelle, an ihrer Seite zwei Soldaten und der Reiseleiter. Er winkt mir zu. Ich scheine noch rechtzeitig seine Erklärungen zu den früheren jüdischen Ansiedlungen hier in der Gegend mitzubekommen. Neben der Wasserquelle, an der wir sitzen, befindet sich eine alte britische Wassermühle, welche hier zur Mandatszeit die Wasserversorgung für die Ortschaften verwaltete.

Sicht auf die Berge hinter Beit Arye
Sicht auf die Berge hinter Beit Arye

Teil 3: Abschluss

Ich bin also am Ziel der Wanderung angelangt. Oberhalb des Wadis, hinter uns, befindet sich schon die Siedung Bet Arye, und ich scheine sogar etwas zu weit gelaufen zu sein. Es ist später Nachmittag, die Sonne wird weich, es wird etwas windig. Wir steigen den Hügel hoch und laufen den Häusern von Beit Arye entgegen, die von einer Stützmauer umgeben sind. Beit Arye ist eine nichtreligiöse Siedlung von etwa

Beit Arye
Beit Arye

3000 Einwohnern, in ihr leben und arbeiten Israelis aller möglichen Ausrichtung; viele arbeiten im Landeszentrum und an der Küste.

Die anderen Wanderer und ich setzen sich an den Straßenrand nahe des Ausfahrtstores, betrachten die Dämmerung und warten auf den Autostopp. Viele sind mit eigenen Autos gekommen. Es dauert eine Weile, bis jemand anhält, der Richtung Jerusalem fährt. Die meisten fahren nach Ofarim, einer weiteren kleinen Ansiedlung neben Beit Arye, in welcher ein Großteil der Einwohner Juden jemenitischen Ursprungs leben. Ich kenne einen guten Freund, der dort lebt, dieser ist jedoch nicht daheim.

Von Beit Arye aus gibt es eine Aussicht auf die Küste und die Hochhäuser von Tel Aviv. Diese sehe ich trotz Dämmerung am Horizont. 20151001_171135

Nach Jerusalem gelange ich über die Shilat-Kreuzung, eine große Kreuzung an der Autobahn 443 vor der Einfahrt in die Stadt Modi’in, zu der mich eine Fahrerin bringt. Es braucht mich noch zwei weitere Tramps, um ins Jerusalemer Zentrum zu gelangen, und von dort aus fahre ich heim, müde, aber zufrieden. Der Trip ist mir gelungen und meine Eindrücke sind wunderbar und zahlreich. Ich kenne nun einen weiteren, wunderschönen Teil des Landes Israel.


Als Fazit möchte ich noch erwähnen, dass solche Wanderrouten in Judäa und Samaria nicht ohne Sicherheitsvorkehrungen durchwandert werden sollten: Basismittel zur Selbstverteidigung  – Pfefferspray oder besser gar Handfeuerwaffe. Die Wanderrouten erfordern Ortskenntnis und Ortsverständnis. Eine Karte ist unbedingt notwendig. Der Wadi el-Hakim selbst ist als offizielle Wanderroute anerkannt und es lässt sich dazu online weiteres Material finden. Feldschulen, so beispielsweise die Feldschule „Ofra“, kennen sich mit den lokalen Wanderwegen aus und können Auskunft geben. Mit ihnen sollte man sich unbedingt beraten. Ebenso sollte auch bei der lokal stationierten Armeeeinheit/Sicherheitsabteilung Rat eingeholt werden, ob die Gegend zu gewünschten Zeit als begehbar gilt oder ob es Sicherheitswarnungen gibt.

Weiterführende Links: 

Mehr über die Binyamin-Region und lokalen Tourismusn(englisch)http://www.n-binyamin.co.il/eng/

Feldschulen in Israel: http://www.natureisrael.org/FieldSchools

Wanderweg Wadi el-Hakim (hebräisch)Hamaayanot 

 

 

 

Besuch aus Deutschland

Wünsche allen eine schöne Woche bzw. ein schönes Wochenende!

Bei uns in den Bergen regnet es schon seit zwei Tagen in Strömen, als hätte der Himmel die Gebete um Tau am Pessach-Fest einfach falsch verstanden und das Wort „Tau“ in „Regen“ und „Hagel“ übersetzt. Langsam scheint es mir, als sei auch in Israel, zumindest in der Bergregion, der deutsche Spruch „April, April, er macht, was er will“ so aktuell wie nie. Menschen hocken zu Hause, Katzen retten sich unter die Wohncontainer, Erde, Gras und Holz triefen nur so vor Wasser. Die getünchten Wasserlöcher  – Überbleibsel aus alten Zeiten, überall in Judäa zu finden – müssten längst angefüllt worden sein. Wer weiß, wozu der Regensturm gut sein soll – vielleicht erwartet uns ein besonders heißer Sommer?


In den Pessach-Feiertagen, die ja bekanntlich eine Woche dauern und sich durch das Essen von Matzot (ungesäuerten Mehlcrackern) und viele Wanderungen, Familienausflüge etc. auszeichnen, bekam ich Besuch aus Deutschland, und nicht irgendeinen:

Der Reiseleiter der Reisefirma Tour mit Schanz, Joachim Anz, kam höchstpersönlich mit Familie für ein Treffen nach Gush Etzion. Wir besuchten gemeinsam die Gush-Etzion-Weinkellerei (die auch ich zum ersten Mal von innen gesehen habe), erfuhren, weshalb die in Israel hochgeschätzten Weine aus Judäa nicht ins Ausland exportiert werden und warum der Wein am Besten in den kühlen Bergen im Umland wächst und auch, was lokale Muslime aus den angebauten Weintrauben machen  (denn Wein dürfen sie ja nicht produzieren).

Danach besuchten Joachim Anz, seine Frau Bettina und ihre beiden Jungs auch mein bescheidenes Heim und sahen sich ein wenig auch Alon Shvut selbst an. Der Grund des Besuchs? Der Plan, eine Begegnung mit „der deutschen Siedlerin“ in das Reiseprogramm künftiger Gruppen der „Tour mit Schanz“-Firma einzubinden. Da das Konzept der Reisen von „Tour mit Schanz“ vor allem Begegnungen mit Menschen verschiedener Faςon in den Vordergrund stellt, bin ich für die Büroleitung durch den Blog als möglicher Programmpunkt relevant geworden.

Familie Anz und ich in der Weinkellerei Gush Etzion
Familie Anz und ich in der Weinkellerei Gush Etzion

Das Treffen verlief wunderbar, und ich habe mich recht gefreut über die Gelegenheit, eine kleine Führung durch unseren Ort zu machen. Wer sich also durch seine Kirchengemeinde, Verein, Jugendgruppe o.ä. bei „Tour mit Schanz“ für eine Reise ins Heilige Land anmelden möchte, sollte damit rechnen, dass wir uns begegnen!

 

 

In den Hügeln – Wanderung

Für die Vorbereitung meines Exkurses über den Patriarchenweg im Gusch Etzion, der in biblischer Zeit bis ins römische Imperium hinein eine Hauptverkehrs- und Pilgerstrasse zwischen Hebron und Jerusalem darstellte, bin ich heute mal diesen Weg nachgegangen, auf einem Pfad, den mir vor zwei Tagen ein sehr guter Freund, Zwi Friedberg, aufgezeigt hatte. Der Pfad verläuft parallel zum Patriarchenweg, nur einige Terrassen tiefer.

20141229_161032Das Wetter fiel heute ausgesprochen gut aus; sonnig, angenehm. Außer in Ferientagen ist diese Wanderstrecke generell nicht sehr bevölkert; hier und da fahren einzelne Autos entlang, oder man trifft auf einen Jogger und es ist still, wenn man von weiter entfernten Geräuschen von Stimmen aus dem Kibbutz Rosh Tzurim absieht, der sich auf dem Berg gegenüber dem Patriarchenweg befindet, mit einer imposanten Steinmauer umgeben, wie eine kleine Festung.

Ich war erst am späten Nachmittag aus dem Haus gegangen – später Nachmittag heißt vier Uhr nachmittags, hier geht die Sonne recht früh unter.
Das Gras leuchtete grün im untergehenden Licht. Auf meinem Weg passierte ich antike Ausgrabungen aus der Zeit des Zweiten Tempels – noch ein Hinweis auf die zentrale Bedeutung dieser Straße (dazu später mehr).

10888663_10153119501066842_7881095325648908074_nDie Sonne erreichte schon schnell die Berghänge – letzte Gelegenheit für’s jüdische Nachmittagsgebet, Mincha. Natürlich Richtung Jerusalem, das man hinter den hohen Hügelabhängen nur vermuten kann.

Die raren Bäume, die die Terrassen auf den Hügeln schmücken, sind Eichen.
Eichen? Auf Hebräisch „Alon אלון“ genannt, sind diese Eichen gänzlich anders, als man sie von Europa gewohnt ist. Klein, buschig, stachelig, und eines der wenigen Baumarten, die zu diesem Klima und zu dieser Landschaft ursprünglich gehören.

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20141229_165650Je tiefer ich die Terrassen heruntersteige, desto strenger wird der Geruch. Wieso?
Der Pfad wird allgemein von Ziegenherden genutzt, die hier mit ihren Hirten aus den arabischen Ortschaften drumherum vorbeiziehen.
Leider keine angetroffen auf meinem Weg.Mond über den Felsen

Kurz bevor ich am Ende des Pfades, am Einfahrtstor zur Siedlung Neve Daniel, ankomme, erklingt noch etwas sehr Charakteristisches für diese Gegend: Der Mu’ezzinruf, aus Nahalin und Beyt Zakariya, zwei arabischen Dörfern, die sich in Sichtweite von mir befinden.


20141229_170107Zwei Jungs aus Efrat sitzen oben auf dem riesigen Kreidefels und fragen, ob ich auch tatsächlich die ganze Strecke zu Fuß gelaufen bin…
Klar doch, ist ein Kinderspaziergang! 😉

Heim nimmt mich eine Fahrerin aus Neve Daniel mit.
Ach, diese ‚Siedlerautos‚ mal wieder…