Siedlermusik. Bini Landau

Neben Politik, aktuellen Nachrichten, Leben unter Terror und Religion gibt es weitere  interessante und vielschichtige Themen, welche ich euch, meinen Lesern /-innen,  im Zusammenhang mit dem jüdischen Leben in Judäa und Samaria näherbringen möchte. Natur und Freizeit haben wir schon etwas angeschnitten (hier und hier beispielsweise). Einige Gesellschaftsthemen, so das Thema Frauen, Studium, Karriere und Wohltätigkeit. Aber die jüdischen Israelis in Judäa und Samaria haben nach der Rückkehr in die alt-neue Heimat auch ihre eigene Kunst und Kultur entwickelt, welche langsam, aber sicher ins Bewusstsein der Obrigkeit rückt. „Siedlerkunst“ und „Siedlerkultur“ ist nichts Einheitliches, alles teilt sich in Subkulturen auf, verfolgt verschiedene Ideale und Ausdrucksweisen. Ich, als noch immer teilwese eine Außenstehende, fühle mich immer wieder voller Neugier in die neue Materie hinein. So beispielsweise in die „Siedlermusik“.

Siedlermusik? Gibt es so etwas?

(Nun ja, in den deutschen Medien ist speziell dieser Begriff noch nicht aufgetaucht, was aber nicht verwunderlich gewesen wäre, angesichts anderer Siedler-Attribute.)

Zum Thema: Wir haben junge Leute in Judäa und Samaria, sogar ziemlich viele, die in unseren Städten und Dörfern leben, sehr musikalisch sind und Musik lieben und sie mögen es auch selbst, Musik zu produzieren. Die Geschmäcker sind bei jedem verschieden und natürlich hat der Mainstream-Pop auch in die traditionsbewusste Gesellschaft nationalreligiöser Juden seinen Eingang gefunden. Es gibt aber nicht wenige unter ihnen, die ihr „eigenes Ding“ machen wollen und auch Kreativität und Talent aufweisen. In den meisten Faellen sind Künstler in ihren 20ern und 30ern, die sich entschieden haben, selbst Musik zu machen und diese auch an die Oeffentlichkeit zu bringen. Sie setzen in ihren Kompositionen in Wort und Klang  Akzente auf Tradition, Spiritualitaet, Verbundenheit zu Natur,  Idealismus und auf die Beziehung zwischen Gott und Mensch.

Die Lieder, die sie komponieren, bringen sie auf Hebräisch heraus. Die Texte, mit vielen Metaphern geschmückt, ermuntern zum Leben, zum Glauben und zur Hoffnung und drücken Liebe oder Sehnsucht zu dem Land und seiner Verbindung zum jüdischen Volk aus. Dabei machen die Musiker Gebrauch von Zitaten aus den Heiligen Schriften, ergaenzen diese und wandeln sie zu neuen Texten um. Die Musikstile selbst vermischen akustische Instrumente – dabei sind die Gitarre und verschiedene Floetenarten sehr populaer –  und neueste Soundeffekte und finden ihre Inspirationen sowohl in mediterranen, fernöstlichen als auch europäischen Klängen.

Ich möchte hier einige der beliebtesten Musiker der Juden aus Judäa und Samaria (und nicht nur dieser!)  und ihre Lieder vorstellen. Die Beispiellieder auf Hebräisch habe ich für euch ins Deutsche übersetzt, nach Möglichkeit in einer sinngemäßen Übersetzung (nicht Wort für Wort).


Quelle: Youtube
Quelle: Youtube

Fangen wir an mit Binyamin (Bini) Landau.

Bini Landau ist eine Entdeckung der letzten sechs Jahre, obschon er als Künstler seit dem Jahr 2000 verschiedenen Projekten seine Stimme und sein Können geliehen hat. Von seinen Kritikern, soweit ich es den Rezensionen online entnehmen konnte, wird er unter „authentische jüdische Musik“

mit Einflüssen aus Ethno und Rock eingeordnet. Zwei Alben hat der Musiker aus der Siedlung Havvat Ma’on in den Südhevronbergen bisher herausgebracht und in beiden Alben, „Über die Grenzen hinweg“ (2010) und „Stiftszelt/Tempel“ (2013), widmen sich seine Lieder dem Thema Spiritualität. Das Genre „jüdische Musik“ bezieht sich in Israel nicht etwa nur auf Klezmer, so wie man das aus der Musikszene in Deutschland kennt, sondern ist endlos dehnbar – darunter fallen ethnische Gesänge, von religiösen Weisen inspirierte moderne Musik, neu vertonte Texte aus der Liturgie, Kompositionen aus antiken Texten und Neuschöpfungen und das mit Einflüssen sowohl aus dem Okzident, als auch aus dem Orient.

"Nachtscherben", Single des ersten Albums von Bini Landau, 2010 (Quelle: dosmusic)
„Nachtscherben“, Single des ersten Albums von Bini Landau, 2010 (Quelle: dosmusic)

Vor der Veröffentlichung seines ersten Albums arbeitete Bini Landau mit Sängern wie Sinai Tur zusammen, so an einem Album spiritueller hebräischer Gesänge (‚Piyyutim‘ genannt). Sein Album „Über die Grenzen hinweg“ produzierte er im eigenen Studio bei sich, in Havvat Ma’on, schrieb Texte und Musik selbst, in Anlehnung das das „Hohelied Salomos“. Das Album wurde von einigen positiven Rezensionen aus der nationalreligiösen Gemeinschaft begleitet, fand jedoch keinen wirklichen Anklang und wurde unter anderem dafür bemängelt, eine geringe professionelle Qualität aufzuweisen und nach „Hügeljugend-Geplänker“ zu klingen. Zumal hatte sich Bini Landau, passend zur „Hügel-Aura“, einen alternativen Kleidungsstil, vielleicht in Anspielung auf biblische Zeiten, zugelegt – Schals, Wollhut, lange Gewänder, lange lockige Haare, Gitarre.

Album "Mishkan" (Tempel), 2013. Quelle: Wikipedia
Album „Mishkan“ (Tempel), 2013. Quelle: Wikipedia

Das zweite Album, „Stiftszelt“ (oder auch Tempel), war nicht  nach einem bestimmten Thema ausgerichtet, sondern behandelte verschiedene Aspekte, alles dennoch mit jüdisch-geistigem Bezug. 2013 kam es heraus, diesmal in einem anderen Studio und in Zusammenarbeit mit bekannten Musikern. Es beinhaltet Lieder wie „Tempel“ (Mishkan), dessen Übersetzung ich für euch weiter unten angegeben habe; das Lied „Sklaven“ (Avadim), „Glücklich ist der Mensch“ (Ashrey HaIsh), „Flügel ausbreiten“ (Lifros Knafaim), „Stille Wasser“ (Mey Menuchot) und andere. Einige der Lieder sollen Zauderern und Niedergeschlagenen Mut machen, andere die Kleinlichkeit des Seins und die menschliche Abhängigkeit davon anprangern („Sklaven“), wieder andere nutzen ganze Psalmverse, die mit Ethno- und Rockmotiven vertont wurden. Eine neuartige Form von Musik, inspiriert durch ständiges Eintauchen in die spirituell-religiöse Atmosphäre der jüdischen Siedlungen und Lerninstitute, die Verbindung zur biblischen Landschaft, das Ausprobieren alternativer Lebensstile in einsamen kleinen Dörfern oder Bauernhöfen inmitten der Berge und die konzensus-freie Mischung aus verschiedenen Instrumenten und Musikstilen.

Hier lebt Bini Landau
Hier lebt Bini Landau

Bini Landau selbst macht für sich keine große Werbung. Eine Webseite oder Facebook-Präsentation lässt sich nicht finden, Bilder gibt es nur wenige, auch Veranstaltungsposter fallen relativ bescheiden aus. Wie alt Landau ist, ob er verheiratet ist oder nicht, lässt sich ueber die reguläre Suche nicht herausfinden. Dafür muesste ich schon nach Havvat Ma’on fahren und ihn persönlich kennenlernen. Wer weiss, vielleicht mache ich das noch. Und bis dahin – hier das Lied und der Text von „Tempel“. Zur Playlist mit größerer Auswahl – hier.

Mishkan (Tempel). Deutsche Fassung: Chaya Tal

Einen Tempel bau‘ ich im Herzen für dich
Dort findest du Ruhe vom Wandern
Einen Tempel bau ich im Herzen für dich
Dort wirst du Kräfte sammeln

Den Schmerz, den du fühlst,
verspüre auch ich
Auch ich bin durch stürmische Winde gegangen
Was du erbittest
Darum bat ich für mich
Doch den Ort meines Herzens konnt‘ ich nicht erlangen

So warte, verlange und sehn‘ dich danach
Dann bleibt dir die Hoffnung erhalten
Erheb‘ deine Stimme, bete auch für mich
Lass die Verzweiflung nicht walten

Pfade, noch eben verborgen und stumm
Werden sich uns offenbaren
Die eisernen Vorhänge werden sich heben
Das Herz wird Freiheit erfahren

Dann wirst du erleben, mit all deinen Sinnen –
Solltest du all das durchhalten –
Dass Glaube Berge versetzen kann
Und ebenso Meere spalten.

 

Quellen: Kikar haIr, Kipa.co.il, Nrg.c.il, Tarbut-blog.cet.ac.il, Channel 7

6 Kommentare zu „Siedlermusik. Bini Landau“

  1. Ich habe noch ein schönes Video gefunden von Bini Landau

    Bini Landau From „The Rebellious Son“

    Ist das auf einer Hochzeit, liebe Chaya?

    Und was mich noch interessiert, dürfen die Mädchen und
    Frauen auch öffentlich singen und musizieren, oder ist
    das nur den Männern erlaubt?

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  2. Ja Chaya, weg von täglichem Terror, den Widrigkeiten des Lebens, der Selbstbezogenheit und Machtgeilheit von Politikern ausgetragen auf dem Rücken einfacher (oft indoktrinierter) Menschen, die nicht zum freien Denken erzogen wurden/ werden….

    Toller Typ dieser Bini Landau. Die Musik gefällt mir, da kann man entspannen.

    Danke für die Übersetzung aus dem Hebräischen.

    Im kleinen Dinge zu verändern, die kleine Nachbarschaft um sich herum zu pflegen, mit seinen direkten Mitmenschen gut auskommen, Gemeinsamkeiten zu finden und für anscheinend unüberbrückbare Verschiedenheiten Brücken zu bauen, dass ist es, was das Leben lebenswert macht. Wir denken und handeln viel zu sehr im Großen. Dabei merken wir gar nicht, dass wir dieses Große nicht beherrschen können. Die Menschen haben das „Maß“ verloren. Sie ordnen sich immer mehr einem imaginären Ganzen unter. Ich beziehe dies insbesondere auf die ökonomischen Mechanismen, die wir uns geschaffen haben.

    In diesem Sinne, nimm meine Ausführungen nicht für bare Münze. Es steckt viel Trotz und Ironie darin. Im Herzen sieht es bei mir jedoch ganz anders aus.

    Ich hatte ja mal John Lennon hier angeführt. Den kennt nicht jeder in Israel hast du damals gesagt. Den Song „Imagine“ verlinke ich hier aber gerne, wenn du es gestattest. Der Mensch darf ja wohl noch träumen:

    Bleib gewogen Chaya und pass auf dich auf!!

    LG Steph

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    1. Sicherlich darf der Mensch träumen, rein persönlich möchte ich aber nicht so träumen, wie John Lennon in „Imagine“, ohne den Ewigen…

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      1. Na dann Friedrich,

        träumen Sie mit dem Ewigen, es ist Ihnen unbenommen. Nur, weil John Lennon in seinem Friedenssong den Herrg`tt aus dem irdischen Leben ausgeklammert hat, heißt das ja noch lange nicht, dass man nicht ohne ihn träumen darf. Dass in der „Auslegung“ des Ewigen allerdings die Ursache vieler Kriege, nämlich Religionskriege, liegt, kann man ruhig so stehen lassen. Und genau das ist es, was in diesem Song von John Lennon steckt. Und an dieser Stelle bitte keine Diskussion über die Urmutter des Monotheismus, das Judentum. Denn diese würde zu einer Metaanalyse über die Fortentwicklung (ob im Guten oder Schlechten) dieser Religion führen, wo dann am Ende salopp stehen würde: „Die Juden sind an allem selber Schuld“… Sie verstehen schon!

        Aber schon interessant, dass Sie gerade diese kleine Stelle in diesem Friedenssong hier anführen. Für mich klingt das schon wieder so:

        Wenn man das Haar in der Suppe finden will, dann findet man es auch.

        Und das hat mit dem Ewigen, den sich mal ein Nomadenvolk im Nahen Osten zusammengezimmert hat, rein gar nichts zu tun, sondern eher was mit Koginitionspsychologie. 😉

        S. B.-H.

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