Das Hallel-Ensemble – Frauen von Samaria singen

Aufmerksam geworden bin ich auf sie durch eine-Cover-Interpretation vom Lied „Mode Ani“ (Ich danke Dir) des bekannten israelischen Popsängers Omer Adam. Eine zarte, mehrstimmige women-only Version, gesungen von Frauen in bunten Kopftüchern nach national-religiöser Art, im Hintergrund des Videoclips atemberaubende Aufnahmen der Berge von Samaria. Ich dachte an eine einmalige Performance von einer Frauengruppe speziell für dieses Lied, aber es stellte sich heraus, dass es sich um ein schon 11 Jahre lang aktives Ensemble von Sängerinnen aus der ganzen Samaria-Region handelt .

Das Logo von „Hallel“

Das Ensemble trägt den Namen „Hallel“ (Lobpreisung, der Name eines Gebets an Feiertagen und Neumonaten) und besteht nur aus Frauen aus der Region Samarias. 15 Frauen singen im Ensemble, das von Meyrav Brenner geleitet wird und nur vor einem weiblichen Publikum auftritt (allerdings können ihre Lieder auch über Youtube angehört werden). Sie existieren schon seit 2007 und haben bisher zwei Alben hervorgebracht, das erste („Zu Dir bete ich“) in 2008 und das zweite („Hallel mit Kaffee und Kuchen“) in 2012. Das Repertoire besteht aus original komponierten Liedern und neu aufgenommenen Variationen zu schon existierenden Liedern anderer Interpreten bzw. traditionellen Gesangsstücken, beispielsweise aus der Liturgie. Unterstützt wird das Ensemble-Projekt durch die Regionalverwaltung Samarias und deren Freizeitzentrum. Einmal pro Woche treffen sich die Sängerinnen, um zu üben.

 

Meyrav Brenner. Foto: Facebook

Meyrav Brenner, die Leiterin des Ensembles, ist selbst Komponistin und Sängerin, und ist als Leiterin von Musikprojekten an einer religiösen Schule für Jungen, die nicht in reguläre schulische Einrichtungen zugelassen wurden. Sie lebt in der Siedlung Har Bracha nahe Schchem/Nablus. Die anderen Ensemblemitglieder – allesamt verheiratete Frauen – sind teilweise berufstätig (so ist eine Sängerin auch selbstständige Kosmetikerin, eine andere leitet das Büro des Direktoriums der Partei „Jüdisches Heim“, und eine dritte ist parallel auch selbstständige Schauspielerin) und teilweise Hausfrauen. Ihre Webseite (leider nur in Hebräisch) hat Verweise zu einigen der Lieder, auf einer anderen Webseite, die Frauengesang gewidmet ist, lassen sich (fast) alle Titel des letzten Albums mit Liedtext und Video finden. Wie gesagt, sind alle Lieder auch auf Youtube anseh- und anhörbar.  Die „Hallel“-Sängerinnen

Foto: Facebook

treten bei verschiedenen Veranstaltungen auf – auf Kongressen, Abschlussfeiern von Schulen oder Vortragsabenden und haben auch eigene Gesangsabende, all das nicht nur in Samaria, sondern im ganzen Land.

Die Entscheidung, entsprechend dem jüdischen Gesetz nur vor und für Frauen zu singen, erklärte die Chorleiterin Brenner in einem Interview Anfang 2013 so:

„Wir sind in es hineingeboren,die Halacha [das jüdische Gesetz, Anm.DS] ist ein Teil von uns, und so hatten wir auch niemals Zweifel gehabt. Wir sind ein Frauenensemble, das für Frauen singt. Von Anfang an haben wir das Ensemble ins Leben gerufen, um für Frauen zu singen. Es liegt etwas Besonderes in einem Auftritt von Frauen vor Frauen. Es ist schwer, es zu charakterisieren, aber die Atmosphäre ist anders, die Selbstmitteilung und das Gefühl von Befreiung, wenn Frauen miteinander singen – es ist eine ganz andere Form von Stärke.“


Hier habe ich euch zwei Videos verlinkt, das erste davon „Moda Ani/Ich danke Dir“ mit einem wunderschönen Videoclip, der die samarischen Berge in all ihrer Pracht zeigt; das zweite ist von einem gemeinsamen Gesangsevent des Ensembles mit jungen Mädchen und Frauen aus ganz Samaria mit dem Lied „Mashehu Hadash Matchil/Etwas Neues beginnt“ – auch hier ein schön arrangierter Videoclip, in dem die ganze Vielfalt der jüdischen Einwohnerinnen der Region zur Geltung kommt.  Hier findet ihr die Übersetzungen der beiden Liedtexte. Weitere Lieder kann man sich auf dem Videokanal von Meyrav Brenner auf Youtube anhören. Viel Vergnügen!

„Moda Ani/Ich danke Dir“

 

„Mashehu Hadash Matchil/Etwas Neues beginnt“

 

 

6 Kommentare zu „Das Hallel-Ensemble – Frauen von Samaria singen“

  1. Guten Tag Chaya!

    Besten Dank für diesen interessanten Beitrag. Wenn Sie gestatten, hätte ich zwei Fragen dazu.

    Zum einen wäre es schön, eine Übersetzung der gesungenen Texte zu haben. In Ihrem Beitrag über den Auftritt der 500 Kinder aus Samaria aus Anlass des Unabhängigkeitstages waren Sie so freundlich, eine deutsche Version des Liedes zu posten. Wären es Ihnen möglich, dies auch für die beiden hier verlinkten Lieder des Hallel-Ensembles zu tun?

    Weiter würde es mich interessieren, auf welchem Passus des Gesetzes die Entscheidung von Hallel beruht, nur für Frauen zu singen.

    Vielen Dank vorab für Ihre Hilfe und Unterstützung. Gott segne Sie und ganz Israel!

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    1. Lieber Christian, danke sehr für den bereichernden Kommentar! Ich hoffe sehr, in nächster Zeit die Liedtexte in Deutsch hinzuzufügen. Danke für die Anmerkung.
      Was das jüdische Gesetz bezüglich des weiblichen Singens angeht, so heißt es im Talmud bezüglich einiger Dinge, dass es sich um eine „Entblößung“ (Erwá) handelt, und eine Entblößung ist etwas Verbotenes; derselbe Begriff wird auch bezüglich verschiedener in der Tora verbotener Geschlechtsbeziehungen verwendet. Im 5.Buch Moses (Deuteronomium) 23,15 heisst es übersetzt: „Es soll bei dir keine Entblößung gesichtet werden.“ Darauf gehen verschiedene Verbote zurück, die sowohl für Frauen, als auch für Männer gelten. Außerdem gibt es seitens der Weisen der verschiedenen Generationen die Vorschrift der „Bescheidenheit“ (Tzni’út), die beispielsweise im Gesetzeskodex, der sowohl von ashkenasischen (eurpäischen) als auch sephardischen (orientalischen) Juden als gültig angesehen wird – dem „Gedeckten Tisch“ (Shulchan Aruch, verfasst in Tzfat von Rabbiner Yosef Karo in 1563), verankert ist.
      Speziell was die Frau angeht, so heißt es, dass Entblößung eines ‚Tefach‘ (eines bestimmten, kleinen Maßes an Körperteil, der üblicherweise verdeckt sein sollte, wie Bauch oder Brust, oder je nach Interpretation Ober- und Unterschenkel oder nur Oberschenkel und Haare bei verheirateten Frauen) verboten ist, und dasselbe gilt für die Stimme. („Kol ba’Isha Erwa) Diese Verbote sind erstmals im Talmud ausformuliert (babylonischer Talmud, Brachot 24 A). Im Nachhinein gab es und gibt es Diskussionen, inwieweit die Stimme der Frau von Männern und der Gemeinschaft gehört werden darf, was die „Bescheidenheit“ verlangt, was für unabsichtliches Hören gilt, was für Gebete gilt, die während eines Frauensingens gesprochen werden, was bei Gedenkzeremonien oder bei Tonbandaufnahmen von Frauenstimmen oder beim Anhören von Liedern von verstorbener Sängerinnen gilt. Generell pflegen religiöse Frauen nicht vor Männern oder gemischtem Publikum aufzutreten; ebenso halten es religiöse Männer mit dem Auftritt vor gemischt sitzendem Publikum.

      Es gibt weitere Details und Nuancen zu den Gesetzen und zu allem haben Rabbiner der heutigen und vorherigen Generationen Erweiterungen und zusätzliche Forderungen oder Erlaubnisse hinzuzufügen, aber das Erklärte sollte zumindest als ein erster Leitfaden hoffentlich hilfreich sein.
      Alles Gute!
      Chaya

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      1. Liebe Chaya!

        Vielen Dank für deine Erläuterungen, weshalb es jüdischen Frauen verboten ist, in der Gegenwart von Männern zu singen. Ich respektiere selbstverständlich eine solche Entscheidung, zumal es sicherlich gute Gründe dafür gibt. Was mich lediglich ein wenig verwundert ist die Tatsache, dass es im Tanakh mindestens zwei Stellen gibt, in welchen Frauen in der Gegenwart von (ihnen nicht verwandtschaftlich nahestehenden) Männern singen.

        In der einen Stelle ist es gar die Schwester von Mose und Aaron, welche nach dem erfolgreichen Auszug aus Ägypten im Wechselgesang mit allen Männern Israels ein Lob- und Siegeslied ausbringt, wie geschrieben steht: „Darauf nahm die Prophetin Mirjam, Aarons Schwester, die Handpauke zur Hand, und alle Frauen zogen mit Handpauken und im Reigenschritt tanzend hinter ihr her. Und Mirjam sang den Männern als Antwort zu: Singet dem HERRN! Denn hocherhaben ist er; Rosse und Reiter hat er ins Meer gestürzt!“ (2.Mose 15,20+21)

        Bei der anderen Stelle sind es Frauen aus ganz Israel: „Es begab sich aber bei der Heimkehr Sauls und des Heeres, als David nach der Erschlagung des Philisters zurückkehrte: da zogen die Frauen aus allen Ortschaften Israels singend und tanzend, mit Handpauken, Jubelgeschrei und Zimbeln dem König Saul entgegen; und die Frauen hoben im Wechselgesang an: »Saul hat seine Tausende geschlagen, David aber seine Zehntausende!«“ (1.Samuel 18,6+7)

        Nun mag man einwenden, dass es sich in beiden Fällen um aussergewöhnliche Situationen gehandelt hat – es gab grosse Siege und wunderbare Errettung zu feiern. Das ist wohl wahr, aber dennoch zeigen die beiden Schriftstellen deutlich, dass ein generelles Verbot des Singens von Frauen in der Gegenwart von Männern nicht aus dem Tanakh abgeleitet werden kann; und ganz bestimmt nicht für solche Fälle, in denen der Gesang zum Lobe Gottes oder der erfolgreichen Führer des Volkes von Israel dient.

        Alles Gute! Christian.

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      2. Danke für die ausführliche Antwort. Es stimmt, dass die heutige Praxis (und die der letzten Jahrhunderte) sich oftmals von den in der Bibel/Torah beschriebenen Beispielen unterscheidet. Tradition wandelt sich, und auch die Umstände sind verschieden.
        Zum Beispiel der Schwester Moses, Miriam – die jüdische Tradition besagt, angelehnt an den Text, dass die Frauen unter der Leitung von Miriam abseits gingen und tanzten (so wie es steht – „und die Frauen zogen aus“). Außerdem ist nicht klar, ob Miriam dabei tatsächlich singt oder ruft. Beim zweiten Beispiel kenne ich die Interpretation nicht, aber es ist auch nicht der Fall eines geplanten Auftritts einer Solosängerin oder eines Konzerts, sondern einer relativ spontanen Situation. Viele Regelungen werden auch von den Weisen der Generationen vorgegeben, nicht alles leitet sich Wort für Wort aus dem geschriebenen Tanakh aus, es gibt ja auch die mündliche Torah, die im Talmud niedergeschrieben wurde. Wie schon zuvor erwähnt, gibt es auch verschiedene Regelungen und Bräuche, was den Gesang selbst angeht (allein, als Gruppe etc).

        Alles Gute
        Chaya

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