Karavan Life – Teil 1

„Karavansiedlungen“ –  wofür sind sie gut?

(⇒Zur Bildergalerie „Karavan Life“ und anderen)

Das Karavanmodell  – das „mobile Heim“, ist kein neues Phänomen, sondern wird weltweit genutzt – ob in Form des Wohnwagens, oder als Zugwagen-artige, vorgefertigte Wohnunterkünfte. Solche Container, nach Vorfertigungs-Modell gebaut, waren und sind eine billige Lösung für provisorisches, zeitbegrenztes und flexibles Wohnen. In Israel war und ist diese Wohnerscheinung sehr häufig zu finden, beispielsweise in Entwicklungsgegenden in der Negevwüste, oder als Wohnlösung zur Zeit der russisch-jüdischen Immigration in 1990, als man nach Möglichkeiten suchte, die große Masse an Neueinwanderern kostengünstig und schnell unterzubringen.

Heutzutage werden Karavane vor allem mit den Siedlungen in Judäa und Samaria assoziiert. Die überwiegende Mehrheit der Siedlungen und Städte hat ihren Anfang in Karavan-Gruppierungen mit einzelnen Familien gefunden, die sich auf einer unbebauten Fläche niederließen. Heutzutage sind es Stadterweiterungen, die noch keine offizielle Genehmigung für städtischen Ausbau bekommen haben, und daher als „Karavanviertel“ mit einer elementaren Infrastruktur existieren. Die dafür notwenidgen Karavane wurden teilweise aus den USA importiert, um Menschen kostengünstig, ohne viel Aufwand, schnell, mobil und gleichzeitig noch immer wohngerecht zu unterbringen. Seit einiger Zeit gibt es auch israelische Hersteller, die sich der Marktlücke angenommen haben und damit Erfolge haben.


 

Karavane sind praktisch.
Sie bestehen aus einfachem, leicht zu bauendem und veränderbarem Material – Gips, Sperrholz, Holz, Wellblech; sie sind relativ flexibel und nicht an den Grund gebunden, und können schnell von einem Ort zum anderen transportiert werden. Bei Erweiterungen von Dorf- und Stadtvierteln werden Karavane auf Betonstelzen platziert, fixiert und direkt an eine vorhandene Abwasserversorgung angeschlossen, oder mit einer temporären Versorgung ausgestattet. Ein Karavan lässt sich frei gestalten – sowohl von innen, als auch von außen.
Er mag von außen einen kleinen und vernachlässigten Eindruck machen. Nicht selten ist aber der Innenraum professionell gestaltet, renoviert, dekoriert und zu einem einer regulären Wohnung in nichts nachstehendem Wohnraum umgewandelt worden.

Karavane werden entweder gekauft (die Kosten können sich von mehreren Zentausenden bis in die Hunderttausend Schekel belaufen, je nach Größe und Ausstattung), oder von der lokalen Wohnverwaltung vermietet werden. Über ihre Vermietung in einer Siedlung entscheidet der sogenannte Einwohnerrat (Va’ad). Der weist freie Karavane nach bestimmten Voraussetzungen den Antragsstellern zu.
Es werden ganze Karavane oder auch „Halb“-Karavane vermietet. Die Brutto-Wohnfläche beträgt dabei 40-45 Quadratmeter.

An solchen Karavanen lässt sich beliebig experimentieren, und gibt es eine Baugenehmigung (oder öfter auch ohne eine solche), werden die wildesten Veränderungen und Anbauarbeiten vorgenommen, bis man schon irgendwann den Karavan hinter dem einen oder anderen kreativen Gebäude kaum noch erkennen kann.
Im Innenraum bauen sich einige Klapptische und Klappregale an die Wände, um Platz zu sparen; andere erhöhen das Dach, bauen eine Wand, reißen die andere ein. Es gibt Anbauten aus Wellblech und Gips, Überdachungen, Raumerweiterungen aus Beton mit Blech-, Holz oder Steindächern. „Schrebergärten“ auf alternative Art sind ein Muss – manchmal werden sie zur offenen Lager- und Müllhalle, andere haben richtiges Style. Es wird mit Holz, Metall, Kunstgras und Pflanzen experimentiert.


In Karavansiedlungen steht die Zeit nie still. Immer hört man ein Hämmern, Sägen, man nutzt die freie Zeit, um noch ein Extra hinzu zu bauen. Kein Wunder, dass man an solchen Orten eine Hochkonzentration an Bau-, Elektrik- und Reparaturspezialisten findet, die, anstatt wie in Israel sonst üblich, arabische Handwerker an den Plan zu rufen, lieber selbst bauen. Oder aber mit diesen gemeinsam arbeiten.

PS: Das „Paradox“ einer jüdischen Siedlung, von arabischen Handwerkern erbaut, hinterfragt heute kaum einer. Die freie Marktwirtschaft hat auch hier Tore und Türen öffnen können…

 

 

7 Kommentare zu „Karavan Life – Teil 1“

  1. Liebe Siedlerin, liebe Chaya

    Ein wirklich gelungener Start eines neuen Blogs, der anders zu werden verspricht, als die zahlreichen Israel Blogs, die es bereits im Internet gibt.

    Ich habe mit grossem Vergnügen alle bereits aufgeschalteten Beiträge gelesen. Und, meine Meinung zu den Siedlungen im WJL wurde schon angekratzt. So romantisch habe ich mir das alles gar nicht vorgestellt. In meinem Kopf war bisher das Bild von zwei Siedlertypen eingefroren: das der schwarz behüteten ultraorthodoxen Männer, die ihr altes Stammland mit der Torah gegen den inneren, israelischen Feind verteidigen und das der nationalreligiösen, meist jungen Familien, die, ständig bewaffnet – auch wenn sie im israelischen Kernland auftauchen – ihre Containersiedlungen gegen alle Unbillen und Gefährdungen beschützen. Die wohl meist von Palästinensern ausgehen.

    Nun habe ich gelernt, dass die Container gar keine Container sind, sondern Karavane, die durchaus geregelt von einem Siedlerrat vermietet werden. Der wohl auch darüber entscheidet, wer wo in welcher Form siedeln darf. Und ich habe den Bildern entnommen, dass die Containersiedlungen, ungeachtet, ob sie bewilligt oder unbewilligt sind, ein fait accompli schaffen.

    Bisher habe ich immer geglaubt, dass die illegalen Containersiedlungen über keinerlei Infrastruktur verfügen. Jetzt weiss ich, dass sie zumindest über die „elementare Infrastruktur“ verfügen. Wie schön für euch!

    Irritiert hat mich aber, dass im Anschluss an die wunderschönen Aufnahme des Patriarchenweges ein 13 Minuten Video von einer höchst aggressiven pro Palästina Demo in Deutschland eingespielt wird. Welchen Sinn soll dieses Video erfüllen?

    Ich wünsche be hatzlacha für den Blog und für Sie als Siedlerin!

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    1. Liebe Heidi,

      freue mich über die Rückmeldung, und für das Interesse.
      Es lässt sich einiges zu der Gesellschaft sagen, die die jüdischen Städte und Dörfer speziell in Judäa, wo ich wohne, aber auch in Samaria ausmacht. Sie ist, ungeachtet dessen, was man in den Medien gern unter realitätsferne Begriffe verpackt, und wie man sich das vielleicht selbst vorstellt, sehr vielfältig, sehr komplex und heterogen und in jedem Fall sehr interessant zu beobachten und zu erleben. Mein Ziel in diesem Blog ist es, sie dem interessierten Leser ein wenig näher zu bringen und diese Welt hier, die ich persönich sehr mag und schätze, auch anderen zu öffnen.
      Zu dem Video, das am Ende offenbar irgendetwas in Deutschland zeigt: Da kann es sich nur um eine Verwechslung handeln, oder aber über eine eigene Entscheidung von Youtube, den besagten Clip nach dem meinen einzuspielen, da ich in meinem Clip nur die kurze Aufnahme der Berge und die Mu’azzin-Stimme im Hintergrund gefilmt habe. Dann tut mir die Verwirrung leid.

      Gruss
      Chaya

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  2. Hi Chaya. Mir gefällt, was ich auf den Bildern sehe. Im Prinzip, so scheint es, leben die Bewohner der Siedlungen ziemlich frei von den üblichen Stresssituationen, die man aus dem eigenen Leben in einer Großstadt so kennt. Ich denke, es gehört eine große Portion Idealismus dazu. Wie ist es eigentlich mit der Versorgung mit Strom, Wasser und, für mich ganz wichtig, Internet? Und wie groß sind die Grundstücke um die Karavans herum? Kann ich das selbst entscheiden? Oder wird es jedem zugewiesen? Wer darf da eigentlich siedeln? Also könnte ich da mit Sack und Pack auftauchen und würde aufgenommen? Wenn die Gemeinschaft über die Vergabe von Mietkaravans entscheidet, nach welchen Kriterien? Ich habe noch eine Menge weiterer Fragen, fällt mir gerade auf. Ich hebe sie mir für später auf. Wenn ich die Bilder sehe, bekomme ich Sehnsucht….

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  3. In meinen westlichen Denken sind Siedler Menschen die armen Palästinensern das Land wegnehmen. Jedenfalls will mir die deutsche Presse genau das einreden, wenn schon nicht mit echten Worten, dann zumindestens so um die Ecke herum. Kannst Du mir sagen wie die Eigentumsverhältnisse für das Land sind? War das Land frei oder wurde es abgekauft? Wie siehst du die Landraubstory?

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    1. Auf jeden Fall komme ivh etwas breiter darauf zu sprechen, wobei ich bei politischen Aspekten lieber Experten reden lasse; aber zu diesem Zweck warten auf euch in baldiger Zukunft hoffentlich ein paar gute Interviews mit Fachleuten. Nur Geduld 🙂
      Der Konflikt zwischen Arabern und Juden in drn seit 1967 durch die israelische Armee von den Jordaniern zurueckgewonnenen Gebieten (und genau das ist die geschichtlich korrekte Beschreibung dieser Gebiete) ist kein privater Konflikt zwischen Familie Qawasma und Familie Cohen. Es gibt ausser des Privatlandes (sprich, individuelles, auf dokumentierten Zeugnissen basiertes Eigentum), keine solche Realitaet von „arabischem Landanspruch“ auf dieses Gebiet, welche man nicht mit Leichigkeit widerlegen und entkraeften koennte. Die Frage ist, ob der Jude, der Teil der modernen Siedlerbewegung ist (sprich, nach 1948), dafuer verantwortlich gemacht wird, dem Privatmann Mohammed Q den Dunam Land entwendet zu haben; oder es hier um andere Groessenverhaeltnisse geht – naemlich um die Negierung des israelischen/juedischen Anspruchs auf die Gebiete von Judaea und Samaria im grossen Ganzen, weil man der Ansicht nachhaengt, diese gehoerten aus irgendeinem Grund den „Palaestinensern“.

      Beide Ansaetze verlangen aber verschiedener Antworten.
      Ich hoffe, im Laufe der Zeit darauf Antworten geben zu koennen, die ein Gegengewicht den deutschen und anderen Medien geben koennen, ohne dabei in Unwahrheiten zu verfallen. Die Medien, die den ganzen Siedlerhype voellig disproportional am Leben erhalten, hinterfragen naemlich schon lange gar nichts mehr zu diesem Thema, nicht einmal die simpelsten Begriffe – Westbank, Westjordanland…
      Soweit erstmal dazu, hoffe, ich konnte vorerst eine Rueckmeldung zum Thema geben.

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