Alon Shvut trauert um Erez

Der tödliche Anschlag in Jerusalem am 08.01.17 (diese Woche Sonntag), bei welchem ein Terrorist aus dem arabischen Jerusalemer Viertel Jabal Mukabber mit einem LKW in eine Gruppe junger Offiziersanwärter/-innen auf der Promenade von Armon Hanatziv raste, forderte 4 Tote und über ein dutzend  zum Teil schwer Verletzte. Es war der erste Anschlag in Israel, welcher zu unerwarteten Solidaritätsgesten in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden führte – dem Projezieren der israelischen Flagge auf offizielle Einrichtungen – jeweils in Berlin (Brandenburger Tor), Paris (Rathaus) und dem Aufsetzen der israelischen Flagge auf Halbmast über dem Rathaus von Rotterdamm (laut i24 und Ynet eine Initative des aus Marokko stammenden Rotterdamer Bürgermeister).

Tatsächlich ist die große Aufmerksamkeit, die auch in den internationalen Medien diesem Attentat überraschenderweise gewidmet wurde, wohl den ähnlich ausgeführten Attacken in Nizza und Berlin zuzuschreiben, welche diese Art des Terrors auch Europa näher gebracht haben. Israel hat zahllose Attacken dieser Art durchleben müssen, ohne dass darüber besonders berichtet worden war. Seit Nizza und vor allem Berlin scheint die Einstellung dazu sich gewandelt haben.


Erez Orbach sel.A. Quelle: Internet
Erez Orbach sel.A. Quelle: Internet

Eines der Opfer des grausamen Attentates war der 20-jährige Erez Orbach, ein typischer Jugendlicher bzw. schon junger Mann aus der Ortschaft Alon Shevut in Gush Etzion, Abgänger eines religiösen Instituts  (Jeshiva) und lange Zeit Mitglied der beliebten Jugendbewegung Bnei Akiva. Erez, der Älteste von sechs Kindern, war, so beschreiben ihn Familie und Freunde, ein ruhiger, bescheidener Junge, fleißig und begabt, der sich sehr für religiöse Studien interessierte und immer darauf aus war, sich als Mensch zu verbessern. Er wurde für seine Freundschaft geschätzt. Immer wieder erwähnten diejenigen, die ihn kannten, in den zahlreichen Artikeln nach dem Mord an Erez sein Lächeln, welches sie weiterhin begleiten würde.

Die Eltern von Erez, Uri Shraga und Keren Or, leben in Alon Shevut seit vielen Jahren; der Vater Uri ist hier geboren worden. Sowohl er als auch sein Vater Moshe Orbach, Erez‘ Großvater, sind bekannte Handwerkmeister in Gush Etzion. Uri war zudem bis vor Kurzem der stellvertretende Leiter der Rettungseinheit der Region.

Da Erez von Geburt an an einer chronischen Krankheit zu leiden hatte, hätte er nicht in der Armee dienen brauchen. Auf der Beerdigung, welche einen Tag später, am 09.01. auf dem lokalen Friedhof von Kfar Etzion stattfand, erzählten Mutter Keren und Großmutter Yemima von den gesundheitlichen Problemen, welche ihren Sohn schon knapp einige Monate nach seiner Geburt begleiteten und deren Konsequenzen er durch das ganze Leben zu tragen hatte. Diese, so Keren , habe Erez stets mit Fassung ertragen, ebenso die immerwährenden Krankenhausaufenthalte. Trotz der

Erez in Uniform. Quelle. Internet
Erez in Uniform. Quelle. Internet

automatischen Befreiung vom Armeedienst bestand Erez darauf, „für den Staat dienen“ zu wollen, als eine moralische Pflicht, und ging freiwillig zur Armee. Zum Zeitpunkt des Attentates befand er sich im Offizierstraining und sollte nach Abschluss diesen in einer Analyseeinheit der israelischen Luftwaffe dienen.  Seine Cousine erzählte mir eine Anekdote aus Erez‘ kurzer Armeezeit:

„Er war zu seinem Befehlshaber gekommen und fragte diesen, ‚Wann gehe ich zum Offizierskurs?‘ Dieser habe gelacht und geantwortet, ‚Nicht wann, sondern ob‘. Daraufhin Erez: ‚Ich fragte nicht ob, sondern wann.“

15965123_1836217899995090_7106234027639568577_nAuf der Beerdigung  hatten sich mehrere tausend Menschen versammelt; Soldaten aus der Einheit, in welcher Erez gedient hatte, und aus anderen, sowie viele Offiziere waren gekommen. Auch viele Jugendliche waren anwesend – aus der Jugendbewegung, der Schule und dem Bekanntenkreis in ganz Gush Etzion. Einer seiner guten Freunde, Daniel aus Alon Shevut: „In seiner Stufe und bei ‚Bnei Akiva‘ sind alle wie eine Familie‘.“ Viele Jugendliche weinten. Bei den Grabreden betonten sowohl Vater Uri als auch Mutter Keren die Dankbarkeit, 15871904_1836218053328408_8601772489883548939_nwelche sie empfinden dafür, dass Erez ihr Sohn sein durfte. Die Großmutter unterstrich die besondere Ehre, welche Erez immer seinen Eltern zu erweisen pflegte. Bruder Alon und auch Keren trugen ihre Grabreden sehr gefasst und kurz, aber auch eindringlich vor; Uri konnte die Tränen nicht zurückhalten. (Daniel erzählte mir später, er hätte Uri das erste Mal im Leben weinen gesehen, als er vom Tod des Sohnes erfuhr).

15940733_1836218136661733_6139686160657060721_nNachdem das Totengebet „E-l Male Rachamim“ vom Armeekantor vorgetragen worden war und die Zeremonie offiziell vorbei war, sammelten sich Erez‘ Freunde um das frische Grab, öffneten einen 15873355_1836218229995057_7582872801940673288_nKreis und sangen Lieder aus jüdischer Tradition und Liturgie, etwa eine Dreiviertelstunde lang, solche wie „Meine Seele ist durstig nach Gott“ (Psalm 42, Melodie hier) und „Wenn die Seele leuchtet, dann strömt selbst ein wolkenverhangener Himmel ein wohliges Licht aus“ (Rav A.Y.Kuk, Melodie hier). Es schien, als würden sie die Seele des ermordeten Kameraden mit den Liedern auf ihrem letzten Weg begleiten wollen.

 

Der Friedhof in Kfar Etzion hatte schon Einiges gesehen; als letztes Terroropfer wurde dort Major Eliav Gelman begraben, als er bei einem Schusswechsel zwischen IDF-Soldaten bei dem Versuch, einen Terroristen an der Etzion-Kreuzung zu fassen, ums Leben gekommen war. Kfar Etzions Friedhof war aber schon seit langer15895039_1836218329995047_954996063467577738_n Zeit unfreiwillige Heimstatt für Opfer der zahllosen Auseinandersetzungen und Kriege – noch vor dem Unabhängigkeitskrieg, bei dem Fall des Kibbutz im Mai 1948 und danach, nach der Wiedereroberung des Gebietes in 1967.  Erez wurde auf der neuen Friedhofsabteilung für israelische Soldaten begraben, welche erst vor Kurzem eingerichtet worden war. Er wurde der erste dort begrabene Soldat. Nach seinem Tod wurde er in den Rang des Unterleutnants erhoben.


Seit Montagnachmittag sitzt die Familie Orbach Shiva, das Trauersitzen, welches sieben Tage dauert und während welchem diejenigen, die an der Trauer Anteil nehmen wollen, zu der Familie kommen können. Gestern (11.01) besuchte auch Reuven Rivlin, Israels Staatspräsident, die Familie. Zum Vater Uri sagte er:

„Die Geschichte von Erez, dem Kampf für die Gemeinschaft, selbst wenn vor einem keine einfachen Herausforderungen liegen, diese Geschichten formen den Ethos des jüdischen Volkes in Israel.“ (INN)

 

3 Kommentare zu „Alon Shvut trauert um Erez“

  1. Schon wieder einmal danke, danke, dass Du uns teilhaben lässt am Schmerz über dem Opfer eines kostbaren Israeli. So werden wir auch einst teilhaben können an der Freude, wenn in Erscheinung tritt, was das Wort des Propheten Jeremia vorhergesagt hat (31,13): „Ich will ihr Trauern in Freude verkehren und sie trösten und erfreuen nach ihrer Betrübnis.“

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