#EyalGiladNaftali. Ein Jahr danach

Gilad-Eyal-Naftali-e1404157170661Ihre Bilder gingen um die Welt, ihre Namen wurden in viele Sprachen übersetzt und die Kampagne für ihre Rückkehr umspannte Kontinente. Die Entführung der drei israelischen Teenager Eyal Yifrach, Gil-Ad Sha’er und Naftali Frenkel im Juni 2014 war das einscheidende Erlebnis in das kollektive Gedächnis der israelischen und jüdischen Gesellschaft im vergangenen Jahr, und es hat Kräfte geweckt, die sich nicht mehr zurückhalten ließen.

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Kerzen zum Gedenken an die drei Jugendlichen an der Bushaltestelle, bei der sie entführt wurden. 02.06.15. Fotos: Elishay Jayson

IMG-20150521-WA0013Ein Jahr ist es nun her (nach dem jüdischen Kalender), dass die dreiJugendlichen an der Alon-Shevut-Kreuzung in Gusch Etzion bei ihrer Weiterfahrt zu sich nach Hause nach einem Lerntag in der Jeshiwa von 2 arabischen Terroristen in einem gestohlenen Auto entführt und kurz darauf getötet und verscharrt wurden. Eyal stammte aus der israelischen Stadt Elad und lernte in Kiryat Arba/Hevron (Judäa), Gil-ad stammte aus Talmon in der Binyamin-Gegend und und Naftali aus Nof Ayalon, nahe der Stadt Modi’in, beide lernten im Kibbutz Kfar Etzion in einer Jeshiwa. Alle drei waren sie nicht aus Judäa, alle drei besiegelten ihr Schicksal auf ihrem Nachhauseweg in den Händen von Terroristen, welche ihre Tat geplant und vorbereitet hatten.

Wer während der 18 Tage zwischen dem 12. Juni, dem Tag der Entführung, und dem Fund der drei Leichen der Jungen am 30.06.14 in Israel gewesen war, konnte einen in jeder Ecke des Landes spürbaren Zusammenschluss der Bevölkerung erleben. Die Kampagne #BringBackOurBoys auf Facebook; Plakate mit den Fotos der drei Jungen in jeder Stadt; die zahlreichen Ansprachen der drei Mütter der Teenager gingen in ihrer tragischen Einzigartigkeit in die Geschichte ein. Aufkleber, T-Shirts, Gebetsaufrufe per Whatsapp – und was nicht noch alles. Was die Mehrheit der Bevölkerung an Anteilnahme aufbrachte, war einmalig für die letzten Jahrzehnte, selbst für das leidgeprüfte Israel.

Am 30.Juni wurden die Leichen der toten Jugendlichen auf offenem Feld unweit der arabischen Stadt Halhul bei Hevron gefunden. Einige Tage später wurde die Operation „Schutzlinie“ eingeleitet und, obwohl offiziell durch den Raketenbeschuss der Hamas auf Israels Süden begründet, hatte sie selbstverständlich eine direkte Verbindung zu der Entführungstat, zumal laut der israelischen Position die Täter aus den Reihen der Hamas stammten.

Nun konnten Gedenkfeiern, öffentliche Andachten und selbst „Gesprächskreise“ beim besten Willen nicht lange anhalten. Handfestes Gedenken, Zeichen von Stärke oder aber kontrastreiche Gesten von Menschlichkeit, so hat sich seit Jahren die gesellschaftliche Einstellung gegenüber tragischen Ereignissen nationaler Reichweite manifestiert. Im Namen der Terror- und Kriegsopfer wurden seit jeher Spenden-Fonds eingerichtet, Städte, Plätze und Straßen benannt, Synagogen eingeweiht, Bäume gepflanzt. Eines der lautesten Verlangen war das nach der Annektierung des von Israel besetzten, aber nicht als Staatsfläche anerkannten Gebietes von Gush Etzion, im Herzen dessen die drei unglückseligen Jugendlichen den Terroristen zum Opfer fielen.

Was macht man aber, wenn der eigene Staat mit der „gebührenden Antwort“ zögert? Wenn nicht das gewünschte Ergebnis kommt? Wenn keine flächendeckende Lösung für Terror herbeigeführt wird?

„In deinem Blute sollst du leben“

(Yechezkel, Kap.16, 6)

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Das erste Plakat auf dem Hügel. Juli 2014

In der verhängnisvollen Nacht auf den 01.Juli, nach dem Fund der Leichen von Eyal, Gil-Ad und Naftali, versammelten sich auf einem bewaldeten Hügel unweit der Entführungsstelle, einige Menschen mit Taschenlampen, Flaggen, simplen Handwerkzeugen, einigen Benzinkanistern und einem Stromgenerator. Vom Dunkel der Nacht

Die ersten Tage.
Die ersten Tage.

gedeckt, säuberten sie einige Flächen im kleinen Wald und das dazugehörige, seit Jahrzehnten verlassene Försterhaus, sie hängten Banner an die Eingangstür, stellten Projektoren und Zelte auf. Sie fotografierten ihre Gruppe und ließen das Foto auf Facebook herumgehen. Ein neuer Tag brach an, ein neuer Vorposten war geboren. „Givat Oz veGAON“, zu Deutsch – Hügel der Stärke, welcher im Namen auch die hebräische Abbreviatur der drei Jungen trägt.

Entwicklungsarbeiten.
Entwicklungsarbeiten.
Vortrag für Besuchergruppen.
Vortrag für Besuchergruppen.

Nun war die zugegeben an britische Mandatszeit erinnernde Geheimaktion nicht so spontan, wie es scheint; das Gebiet wurde schon von vorne herein auf Tauglichkeit geprüft, auf seinen offiziellen Status, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, von dort wieder geräumt zu werden, welche Bau- und Ausweitungsmöglichkeiten es für diesen Vorposten gäbe, und die Hauptsache – wer das Projekt unterstützen würde.

Racheli Frenkel, die Mutter von Naftali, zündet Shabbat-Kerzen im Reservat.
Racheli Frenkel, die Mutter von Naftali, zündet Shabbat-Kerzen im Reservat.

Die Unterstützung kam mit überwältigender Großzügigkeit, sie kam aus zahlreichen Quellen, finanziell und gesellschaftlich. Sowohl seitens der Ortsverwaltung und der Armee, als auch der lokalen Umgebung und derjenigen, die auch landesweit oder im Ausland vom Projekt gehört hatten.

Freiwillige Helfer.
Freiwillige Helfer.

Die Idee, einen neuen jüdischen Stützpunkt zum Gedenken an die drei Ermordeten zu errichten, beflügelte. Die Strategie ging auf. Es war nicht „noch ein“ Vorposten von Halbwüchsigen, die sich in Holzbaracken auf einem Hügel zu verschanzen suchten und Soldaten mit Steinen bewarfen. „Givat Oz veGaon“ wurde binnen kurzer Zeit in eine Camping-Seite und Freiwilligen-Anlaufstelle umfunktioniert und anstatt Wohncaravans zu bauen, beschloss man, sich lieber in nächster Zeit auf Öko-Tourismus, archäologische Ausgrabungen (es wurden Artefakte aus der Zeit des Zweiten Tempels gefunden, die auf eine frühere Besiedlung hindeuten) und Besucherzentrum zu konzentrieren. Selbst dieser kleine, als

Feiern im Reservat.
Feiern im Reservat.

Naturreservat anerkannte Punkt, hatte geschichtlichen Kontext; Zeugnisse aus der Tora sprechen von der anbei liegenden Raststätte des Urvaters Jakov (Givat Oz); und 1927 stand an derselben Stelle zwei Jahre lang ein kleines Dorf namens „Migdal Eder“, welches aber 1929 im Zuge der arabischen Pogrome in der Umgebung zerstört worden war (siehe auch: „Die brennende Fackel von Gusch Etzion 1“).

Wegweiser zum Naturreservat.
Wegweiser zum Naturreservat.

Von allen 4 Vorposten, die als Reaktion auf die Ermordung errichtet worden sind, hat bisher nur das ‚Oz veGaon‘-Reservat überlebt. Es genießt sowohl die Schirmherrschaft der Ortsverwaltung, als auch der Armee und die breite Unterstützung der Familien der drei Jungen.

Die Großeltern von Eyal Yifrach pflanzen einen Baum im Reservat.
Die Großeltern von Eyal Yifrach pflanzen einen Baum im Reservat.

Die für das Projekt verantwortliche Organisation, ‚Women in Green‚, sieht in der Aktion einstimmig eine gebührende zionistische Antwort auf das Ereignis, welches wohl noch lange in der kollektiven Erinnerung der Israelis verbleiben wird. „Not killing, just building“, lautete einer der Slogans des neuen Stützpunkts, ein anderer verkündete „Das ewige Volk hat keine Angst vor dem langen Weg“.


 

Das ‚Oz veGaon‘-Naturreservat im Herzen Judäas ist nur eine der Reaktionen, die auf die Ermordung der drei Jungen folgte. Auch auf der breiten gesellschaftlichen Ebene war und ist dieses Ereignis nicht so einfach wegzuwischen. Dossiers in Zeitungen veröffentlichen immer wieder Gespräche mit den drei Müttern, welche in der Zeit der Entführtensuche und noch lange danach die israelische Gesellschaft mit ihren Reden und Ermutigungen und Gefühlen stärkten. Und nebst Veranstaltungen, Konzerten, und Zeitungsartikeln, wurde auch ein Preis ins Leben gerufen, welcher den Zusammenhalt und die Einigkeit im Land belohnen und fördern soll: Der „Unity Prize“ in Gedenken an Eyal, Gil-ad und Naftali.

Quelle: unityprize.org
Quelle: unityprize.org

Gestartet vom „Gedenkverein für Eyal, Gil-ad und Naftali“ und unterstützt vom Oberbürgermeister Jerusalems, Nir Barkat, sowie dem Erziehungsministerium, soll er an besondere Vorhaben und Menschen am 03.06 eines jeden Jahres verliehen werden, welche die Einheit innerhalb der israelischen Gesellschaft stärken. „Der besondere Geist der drei Familien, wir wollen ihn an die israelische Öffentlichkeit bringen“, so Oberbürgermeister Nir Barkat zum neuen Preis.

So wurde in Israel die Tragödie der Entführung der Jugendlichen von einem traumatischen Event in einen Anreiz für Schöpfung, Kreativität, Veränderung und Hoffnung übersetzt.

Heute nachts und morgen zünden viele Gedenkkerzen für die Jugendlichen an, auch hier in Alon Shevut, und es werden Lernseminare zu ihrem Andenken in Jugendzentren veranstaltet. Eyal, Gil-ad und Naftali nicht mehr unter uns, doch ihr Nachlass trägt Früchte.

 

7 Kommentare zu „#EyalGiladNaftali. Ein Jahr danach“

  1. Liebe Chaya,
    ich finde es faszinierend, wie hier Gutes aus etwas Bösem geworden ist. Hochachtung vor denen, die das bewerkstelligt haben und Ehre dem Angedenken von Eyal, Gil-Ad und Naftali
    Shalom aus Hamburg
    Friedrich

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  2. Liebe Chaya,
    wie so oft und immer wieder gerne: Danke für diese Information. Wie sollte ich sie sonst bekommen?

    Ja, das ist die angemessene Antwort auf diesen hinterhältigen Mordanschlag.
    Bei dieser Gelegenheit: Ehre dem Angedenken von Eyal, Gilad und Naftali. R.I.P.

    Herzlich, Paul

    Gefällt 1 Person

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